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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gimer/ Arpus und Melo wurden hierüber
schlüßig dem Feinde seinen Lauff zu lassen/ und
ihm sodenn den Rückweg an der Weser abzu-
schneiden; richteten also ihren Weg gerade der
Lippe zu. Jnzwischen kam Drusus an der
Weser an dem Ende der Cassuarier/ wo der
Dimmel-Strom darein fällt/ an/ setzte ein Theil
seines Volckes in den Nachen über den Strom/
um daselbst sich zu verschantzen/ wormit er so viel
sicherer eine Brücke/ ohne die er einem Römi-
schen Feldherrn überzukommen verkleinerlich
hielt/ schlagen könte. Es waren auch schon et-
liche Pfäle eingestossen; als ein Schwarm Bie-
nen sich an den einen Römischen Adler legte.
Dieser Zufall jagte den Römern und selbst dem
Drusus in Erinnerung/ daß ihnen/ als Hanni-
bal sie bey dem Trasimenischen See geschla-
gen/ und dem Pompejus/ als er die Pharsali-
sche Schlacht verlohren/ eben diß begegnet war/
ein solches Schrecken ein/ daß er alsobald zum
Abzuge blasen ließ/ und ihm für seinem Zurück-
zuge nicht die Zeit nahm/ ein ander Gedächt-
nüßmaal seiner Anwesenheit an der Weser zu
lassen/ als etliche grosse Steine; darein er gra-
ben ließ: Biß hieher kam Drusus/ dem
das Verhängnüß und seine Vergnü-
gung die Weser dißmal zu einem Zwe-
cke seiner Siege setzten. Denn wie ei-
nem grossen Glücke nichts schädlicher/
als unaufhörliches Wachsthum; also
ist der gröste Sieg/ die Waffen mit
Sanfftmuth/ die Glückseligkeit mit
Gesetzen/ die Uberwindung mit Liebe
mäßigen.
Er war aber kaum eine kleine
Tagereise gegen dem Rheine fortgerückt; als
die Kundschaffter ihn berichteten/ daß alle Rück-
wege von den Deutschen besetzt wären/ welche
er in ihrem Vortheil und denen zum Uberfall so
beqvemen Wäldern anzugreiffen nicht für rath-
sam hielt/ sondern an einem dienlichen Orte
[Spaltenumbruch] theils auszurasten/ theils die eigentliche Ver-
fassung der Feinde zu erforschen/ insonderheit
aber Anstalt zu machen/ daß die bey Arenacum
am Rheine stehende Legion mit den Ubiern bey
den Catten einfallen/ und also die feindliche
Macht zertheilen möchte/ stille liegen blieb. Zu-
mahl er mit nicht geringem Schrecken erfuhr/
daß Hertzog Segimer theils durch Einhaltung
wichtiger Ursachen/ theils durch Andreuung
gäntzlicher Ausrottung der Ubier und Tenckte-
rer Hertzoge zu Abbrechung des Römischen
Bündnüsses/ und auff die Seite der Deutschen
gebracht hätte. Die Deutschen aber liessen sich
bey Wahrnehmung dieser Kriegs-List nichts
irre machen; sondern bemüheten sich mit der
Cherußkischen und Sicambrischen geschwinden
Reuterey/ in dem das bey den Deutschen am
höchsten geschätzte Cattische Fußvolck auf der
Hute stehen blieb/ dem etwan anfallenden Fein-
de die Stirne zu bieten/ den Römern alle Le-
bens-Mittel abzuschneiden. Diese Bedräng-
nüß und der annahende Winter zwang den
Drusus sich zu entschlüssen/ daß er irgendswo
mit Gewalt durchbrechen wolte. Hiermit zoh er
bey anbrechender und regenhaffter Nacht aus
dem Läger in möglichster Stille auf: also/ daß
die deutsche Reuterey erst folgenden Tages hier-
von Kundschafft erlangte/ und es denen dort und
dar zertheilten Völckern so bald nicht zu wissen
machen konten. Folgenden Tag lag er aber-
mals stille/ und wie er vorher gegen die Tenckte-
rer seinen Weg einzurichten geschienen; also
lenckte er folgende Nacht recht gegen die Usipe-
ter ab/ und traf mit anbrechendem Morgen bey
Arfeld auff den Hertzog Arpus; welcher ob er
wohl nicht die Helffte so starck war/ dennoch die
Römer zwischen dem Gehöltze mit unaufhörli-
chem Scharmützel so aufhielt/ daß sie langsam
fortkommen konten. Ein paar Stunden darauf
kam Hertzog Melo mit 8000. Sicambrern den
Catten zu Hülffe/ also/ daß Drusus nunmehro
Stand zu halten/ und eine rechte Schlacht zu

lie-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gimer/ Arpus und Melo wurden hieruͤber
ſchluͤßig dem Feinde ſeinen Lauff zu laſſen/ und
ihm ſodenn den Ruͤckweg an der Weſer abzu-
ſchneiden; richteten alſo ihren Weg gerade der
Lippe zu. Jnzwiſchen kam Druſus an der
Weſer an dem Ende der Caſſuarier/ wo der
Dimmel-Strom darein faͤllt/ an/ ſetzte ein Theil
ſeines Volckes in den Nachen uͤber den Strom/
um daſelbſt ſich zu verſchantzen/ wormit er ſo viel
ſicherer eine Bruͤcke/ ohne die er einem Roͤmi-
ſchen Feldherrn uͤberzukommen verkleinerlich
hielt/ ſchlagen koͤnte. Es waren auch ſchon et-
liche Pfaͤle eingeſtoſſen; als ein Schwarm Bie-
nen ſich an den einen Roͤmiſchen Adler legte.
Dieſer Zufall jagte den Roͤmern und ſelbſt dem
Druſus in Erinnerung/ daß ihnen/ als Hanni-
bal ſie bey dem Traſimeniſchen See geſchla-
gen/ und dem Pompejus/ als er die Pharſali-
ſche Schlacht verlohren/ eben diß begegnet war/
ein ſolches Schrecken ein/ daß er alſobald zum
Abzuge blaſen ließ/ und ihm fuͤr ſeinem Zuruͤck-
zuge nicht die Zeit nahm/ ein ander Gedaͤcht-
nuͤßmaal ſeiner Anweſenheit an der Weſer zu
laſſen/ als etliche groſſe Steine; darein er gra-
ben ließ: Biß hieher kam Druſus/ dem
das Verhaͤngnuͤß und ſeine Vergnuͤ-
gung die Weſer dißmal zu einem Zwe-
cke ſeiner Siege ſetzten. Denn wie ei-
nem groſſen Gluͤcke nichts ſchaͤdlicher/
als unaufhoͤrliches Wachsthum; alſo
iſt der groͤſte Sieg/ die Waffen mit
Sanfftmuth/ die Gluͤckſeligkeit mit
Geſetzen/ die Uberwindung mit Liebe
maͤßigen.
Er war aber kaum eine kleine
Tagereiſe gegen dem Rheine fortgeruͤckt; als
die Kundſchaffter ihn berichteten/ daß alle Ruͤck-
wege von den Deutſchen beſetzt waͤren/ welche
er in ihrem Vortheil und denen zum Uberfall ſo
beqvemen Waͤldern anzugreiffen nicht fuͤr rath-
ſam hielt/ ſondern an einem dienlichen Orte
[Spaltenumbruch] theils auszuraſten/ theils die eigentliche Ver-
faſſung der Feinde zu erforſchen/ inſonderheit
aber Anſtalt zu machen/ daß die bey Arenacum
am Rheine ſtehende Legion mit den Ubiern bey
den Catten einfallen/ und alſo die feindliche
Macht zertheilen moͤchte/ ſtille liegen blieb. Zu-
mahl er mit nicht geringem Schrecken erfuhr/
daß Hertzog Segimer theils durch Einhaltung
wichtiger Urſachen/ theils durch Andreuung
gaͤntzlicher Ausrottung der Ubier und Tenckte-
rer Hertzoge zu Abbrechung des Roͤmiſchen
Buͤndnuͤſſes/ und auff die Seite der Deutſchen
gebracht haͤtte. Die Deutſchen aber lieſſen ſich
bey Wahrnehmung dieſer Kriegs-Liſt nichts
irre machen; ſondern bemuͤheten ſich mit der
Cherußkiſchen und Sicambriſchen geſchwinden
Reuterey/ in dem das bey den Deutſchen am
hoͤchſten geſchaͤtzte Cattiſche Fußvolck auf der
Hute ſtehen blieb/ dem etwan anfallenden Fein-
de die Stirne zu bieten/ den Roͤmern alle Le-
bens-Mittel abzuſchneiden. Dieſe Bedraͤng-
nuͤß und der annahende Winter zwang den
Druſus ſich zu entſchluͤſſen/ daß er irgendswo
mit Gewalt durchbrechen wolte. Hiermit zoh er
bey anbrechender und regenhaffter Nacht aus
dem Laͤger in moͤglichſter Stille auf: alſo/ daß
die deutſche Reuterey erſt folgenden Tages hier-
von Kundſchafft erlangte/ und es denen dort und
dar zertheilten Voͤlckern ſo bald nicht zu wiſſen
machen konten. Folgenden Tag lag er aber-
mals ſtille/ und wie er vorher gegen die Tenckte-
rer ſeinen Weg einzurichten geſchienen; alſo
lenckte er folgende Nacht recht gegen die Uſipe-
ter ab/ und traf mit anbrechendem Morgen bey
Arfeld auff den Hertzog Arpus; welcher ob er
wohl nicht die Helffte ſo ſtarck war/ dennoch die
Roͤmer zwiſchen dem Gehoͤltze mit unaufhoͤrli-
chem Scharmuͤtzel ſo aufhielt/ daß ſie langſam
fortkommen konten. Ein paar Stunden darauf
kam Hertzog Melo mit 8000. Sicambrern den
Catten zu Huͤlffe/ alſo/ daß Druſus nunmehro
Stand zu halten/ und eine rechte Schlacht zu

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[380/0434] Vierdtes Buch gimer/ Arpus und Melo wurden hieruͤber ſchluͤßig dem Feinde ſeinen Lauff zu laſſen/ und ihm ſodenn den Ruͤckweg an der Weſer abzu- ſchneiden; richteten alſo ihren Weg gerade der Lippe zu. Jnzwiſchen kam Druſus an der Weſer an dem Ende der Caſſuarier/ wo der Dimmel-Strom darein faͤllt/ an/ ſetzte ein Theil ſeines Volckes in den Nachen uͤber den Strom/ um daſelbſt ſich zu verſchantzen/ wormit er ſo viel ſicherer eine Bruͤcke/ ohne die er einem Roͤmi- ſchen Feldherrn uͤberzukommen verkleinerlich hielt/ ſchlagen koͤnte. Es waren auch ſchon et- liche Pfaͤle eingeſtoſſen; als ein Schwarm Bie- nen ſich an den einen Roͤmiſchen Adler legte. Dieſer Zufall jagte den Roͤmern und ſelbſt dem Druſus in Erinnerung/ daß ihnen/ als Hanni- bal ſie bey dem Traſimeniſchen See geſchla- gen/ und dem Pompejus/ als er die Pharſali- ſche Schlacht verlohren/ eben diß begegnet war/ ein ſolches Schrecken ein/ daß er alſobald zum Abzuge blaſen ließ/ und ihm fuͤr ſeinem Zuruͤck- zuge nicht die Zeit nahm/ ein ander Gedaͤcht- nuͤßmaal ſeiner Anweſenheit an der Weſer zu laſſen/ als etliche groſſe Steine; darein er gra- ben ließ: Biß hieher kam Druſus/ dem das Verhaͤngnuͤß und ſeine Vergnuͤ- gung die Weſer dißmal zu einem Zwe- cke ſeiner Siege ſetzten. Denn wie ei- nem groſſen Gluͤcke nichts ſchaͤdlicher/ als unaufhoͤrliches Wachsthum; alſo iſt der groͤſte Sieg/ die Waffen mit Sanfftmuth/ die Gluͤckſeligkeit mit Geſetzen/ die Uberwindung mit Liebe maͤßigen. Er war aber kaum eine kleine Tagereiſe gegen dem Rheine fortgeruͤckt; als die Kundſchaffter ihn berichteten/ daß alle Ruͤck- wege von den Deutſchen beſetzt waͤren/ welche er in ihrem Vortheil und denen zum Uberfall ſo beqvemen Waͤldern anzugreiffen nicht fuͤr rath- ſam hielt/ ſondern an einem dienlichen Orte theils auszuraſten/ theils die eigentliche Ver- faſſung der Feinde zu erforſchen/ inſonderheit aber Anſtalt zu machen/ daß die bey Arenacum am Rheine ſtehende Legion mit den Ubiern bey den Catten einfallen/ und alſo die feindliche Macht zertheilen moͤchte/ ſtille liegen blieb. Zu- mahl er mit nicht geringem Schrecken erfuhr/ daß Hertzog Segimer theils durch Einhaltung wichtiger Urſachen/ theils durch Andreuung gaͤntzlicher Ausrottung der Ubier und Tenckte- rer Hertzoge zu Abbrechung des Roͤmiſchen Buͤndnuͤſſes/ und auff die Seite der Deutſchen gebracht haͤtte. Die Deutſchen aber lieſſen ſich bey Wahrnehmung dieſer Kriegs-Liſt nichts irre machen; ſondern bemuͤheten ſich mit der Cherußkiſchen und Sicambriſchen geſchwinden Reuterey/ in dem das bey den Deutſchen am hoͤchſten geſchaͤtzte Cattiſche Fußvolck auf der Hute ſtehen blieb/ dem etwan anfallenden Fein- de die Stirne zu bieten/ den Roͤmern alle Le- bens-Mittel abzuſchneiden. Dieſe Bedraͤng- nuͤß und der annahende Winter zwang den Druſus ſich zu entſchluͤſſen/ daß er irgendswo mit Gewalt durchbrechen wolte. Hiermit zoh er bey anbrechender und regenhaffter Nacht aus dem Laͤger in moͤglichſter Stille auf: alſo/ daß die deutſche Reuterey erſt folgenden Tages hier- von Kundſchafft erlangte/ und es denen dort und dar zertheilten Voͤlckern ſo bald nicht zu wiſſen machen konten. Folgenden Tag lag er aber- mals ſtille/ und wie er vorher gegen die Tenckte- rer ſeinen Weg einzurichten geſchienen; alſo lenckte er folgende Nacht recht gegen die Uſipe- ter ab/ und traf mit anbrechendem Morgen bey Arfeld auff den Hertzog Arpus; welcher ob er wohl nicht die Helffte ſo ſtarck war/ dennoch die Roͤmer zwiſchen dem Gehoͤltze mit unaufhoͤrli- chem Scharmuͤtzel ſo aufhielt/ daß ſie langſam fortkommen konten. Ein paar Stunden darauf kam Hertzog Melo mit 8000. Sicambrern den Catten zu Huͤlffe/ alſo/ daß Druſus nunmehro Stand zu halten/ und eine rechte Schlacht zu lie-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/434>, abgerufen am 22.11.2024.