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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] mögen? Adgandester beantwortete ihn: die rei-
che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ ist ja
wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfänglich
zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun-
tert. Die Begierde darnach machet/ daß man
das euserste gedultig ausstehe. Aber wie solcher
Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt;
wie denn Crassus deßhalben die Parther über-
sallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianern
zu dringen im Schilde führte; und die Hispani-
schen Reichthümer die Carthaginenser zu sich
lockten; Also verursachet selbter in Schlachten
meist grosse Unordnung und Gefahr; indem die
streitenden bey sich nur wenig ereignendem
Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen
bedacht sind/ vielmal auch schon umzingelte Kö-
nige und Fürsten/ als den Triphon und Mithri-
dates/ durch Wegwerffung ihres kostbaren Ge-
räthes aus den Händen ihrer Feinde/ die sie
schon im Sacke gehabt/ entrinnen lassen. End-
lich gebieret auch die glückliche Uberkommung
der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn.
Denn die in Carthago und Corinth eroberte
Reichthümer haben alle gute Sitten in Rom
verderbet; die itztreichen Gallier waren streitba-
rer/ da sie arm waren/ und die von den Deut-
schen dißmal den Römern abgeschlagene Beute
verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn
ob sie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/
des Goldes und Silbers sich vorher verglichen
hatten; so war doch wegen der Waffen/ die sie
erobern würden/ nichts ausgenommen. Wor-
von die Catten/ welche am längsten gefochten/
den Sicambrern ein geringes/ diese aber den
Cherußkern gar kein Theil verstatten; die Che-
rusker hingegen/ als welche die Oberhand und
ihren Fürsten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer
Willkühr damit gebahren/ und insonderheit
Segimer zu Auslösung seiner Gemahlin und
Kinder die fürnehmsten Gefangenen haben
wolte. Uber dem Siegsgepränge des Drusus
aber wundert man sich in allewege billich/ wenn
[Spaltenumbruch] man die alten Sitten und Gesetze der Römer
für Augen hat; welche solches niemanden ver-
statteten/ der nicht auff einmahl zum minsten
5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See-
Räuber/ sondern freye Völcker und ohne son-
derbaren Verlust überwunden hatte. Weßwe-
gen selbter auch bey den Einnehmern so wol die
Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen
Bürger eidlich anzeigen muste. Gleichergestalt
ward dem Fulvius und Opimius diese Ehre
verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieser Fre-
gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das
Reich vermehret hatte. Zugeschweigen/ daß auch
Scipio wegen eingenommenen Hispaniens/
und Marcellus nach erobertem Syracusa diß
entbehren musten/ weil sie nur als Bürger und
ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus-
gerichtet hatten. Gleichergestalt war solche
Freude in bürgerlichen Kriegen/ indem das ei-
gene Blut mehr zu beweinen ist/ nicht erlaubet.
Dahero zohe Nasica und Opimius/ nach Erle-
gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach
Dämpffung des Lepidus/ stille in die Stadt.
Antonius/ als er den Catilina erleget/ wischte
das Bürgerblut von allen Schwerdtern ab;
Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/
Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telasinus und
Lamponius geschlagen hatte; so ließ er doch in
seinem Siegs-Gepränge keines dieser/ sondern
nur Mithridatens und fremder Städte Bilder
ihm fürtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr
alte Römer entschlugen sich selbst dieser verdien-
ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend
nicht mehr für ihren eigenen Preiß gehalten
ward/ sondern der Ehrgeitz an statt des Wesens
nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe-
ren Pöfel einen blauen Dunst für die Augen zu
machen anfing; ertichtete man Eroberungen
vieler nicht einst gesehener Länder; wenn etwan
eine Handvoll Räuber erlegt/ oder ein geringes
Nest eingenommen war/ rühmte man sich gros-
ser Siege über gantze Völcker; und daß man

unüber-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] moͤgen? Adgandeſter beantwortete ihn: die rei-
che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ iſt ja
wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfaͤnglich
zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun-
tert. Die Begierde darnach machet/ daß man
das euſerſte gedultig ausſtehe. Aber wie ſolcher
Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt;
wie denn Craſſus deßhalben die Parther uͤber-
ſallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianeꝛn
zu dringen im Schilde fuͤhrte; und die Hiſpani-
ſchen Reichthuͤmer die Carthaginenſer zu ſich
lockten; Alſo verurſachet ſelbter in Schlachten
meiſt groſſe Unordnung und Gefahr; indem die
ſtreitenden bey ſich nur wenig ereignendem
Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen
bedacht ſind/ vielmal auch ſchon umzingelte Koͤ-
nige und Fuͤrſten/ als den Triphon und Mithri-
dates/ durch Wegwerffung ihres koſtbaren Ge-
raͤthes aus den Haͤnden ihrer Feinde/ die ſie
ſchon im Sacke gehabt/ entrinnen laſſen. End-
lich gebieret auch die gluͤckliche Uberkommung
der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn.
Denn die in Carthago und Corinth eroberte
Reichthuͤmer haben alle gute Sitten in Rom
verderbet; die itztreichen Gallier waren ſtreitba-
rer/ da ſie arm waren/ und die von den Deut-
ſchen dißmal den Roͤmern abgeſchlagene Beute
verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn
ob ſie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/
des Goldes und Silbers ſich vorher verglichen
hatten; ſo war doch wegen der Waffen/ die ſie
erobern wuͤrden/ nichts ausgenommen. Wor-
von die Catten/ welche am laͤngſten gefochten/
den Sicambrern ein geringes/ dieſe aber den
Cherußkern gar kein Theil verſtatten; die Che-
rusker hingegen/ als welche die Oberhand und
ihren Fuͤrſten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer
Willkuͤhr damit gebahren/ und inſonderheit
Segimer zu Ausloͤſung ſeiner Gemahlin und
Kinder die fuͤrnehmſten Gefangenen haben
wolte. Uber dem Siegsgepraͤnge des Druſus
aber wundert man ſich in allewege billich/ wenn
[Spaltenumbruch] man die alten Sitten und Geſetze der Roͤmer
fuͤr Augen hat; welche ſolches niemanden ver-
ſtatteten/ der nicht auff einmahl zum minſten
5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See-
Raͤuber/ ſondern freye Voͤlcker und ohne ſon-
derbaren Verluſt uͤberwunden hatte. Weßwe-
gen ſelbter auch bey den Einnehmern ſo wol die
Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen
Buͤrger eidlich anzeigen muſte. Gleichergeſtalt
ward dem Fulvius und Opimius dieſe Ehre
verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieſer Fre-
gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das
Reich vermehret hatte. Zugeſchweigen/ daß auch
Scipio wegen eingenommenen Hiſpaniens/
und Marcellus nach erobertem Syracuſa diß
entbehren muſten/ weil ſie nur als Buͤrger und
ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus-
gerichtet hatten. Gleichergeſtalt war ſolche
Freude in buͤrgerlichen Kriegen/ indem das ei-
gene Blut mehr zu beweinen iſt/ nicht erlaubet.
Dahero zohe Naſica und Opimius/ nach Erle-
gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach
Daͤmpffung des Lepidus/ ſtille in die Stadt.
Antonius/ als er den Catilina erleget/ wiſchte
das Buͤrgerblut von allen Schwerdtern ab;
Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/
Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telaſinus und
Lamponius geſchlagen hatte; ſo ließ er doch in
ſeinem Siegs-Gepraͤnge keines dieſer/ ſondern
nur Mithridatens und fremder Staͤdte Bilder
ihm fuͤrtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr
alte Roͤmer entſchlugen ſich ſelbſt dieſer verdien-
ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend
nicht mehr fuͤr ihren eigenen Preiß gehalten
ward/ ſondern der Ehrgeitz an ſtatt des Weſens
nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe-
ren Poͤfel einen blauen Dunſt fuͤr die Augen zu
machen anfing; ertichtete man Eroberungen
vieler nicht einſt geſehener Laͤnder; wenn etwan
eine Handvoll Raͤuber erlegt/ oder ein geringes
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[382/0436] Vierdtes Buch moͤgen? Adgandeſter beantwortete ihn: die rei- che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ iſt ja wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfaͤnglich zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun- tert. Die Begierde darnach machet/ daß man das euſerſte gedultig ausſtehe. Aber wie ſolcher Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt; wie denn Craſſus deßhalben die Parther uͤber- ſallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianeꝛn zu dringen im Schilde fuͤhrte; und die Hiſpani- ſchen Reichthuͤmer die Carthaginenſer zu ſich lockten; Alſo verurſachet ſelbter in Schlachten meiſt groſſe Unordnung und Gefahr; indem die ſtreitenden bey ſich nur wenig ereignendem Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen bedacht ſind/ vielmal auch ſchon umzingelte Koͤ- nige und Fuͤrſten/ als den Triphon und Mithri- dates/ durch Wegwerffung ihres koſtbaren Ge- raͤthes aus den Haͤnden ihrer Feinde/ die ſie ſchon im Sacke gehabt/ entrinnen laſſen. End- lich gebieret auch die gluͤckliche Uberkommung der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn. Denn die in Carthago und Corinth eroberte Reichthuͤmer haben alle gute Sitten in Rom verderbet; die itztreichen Gallier waren ſtreitba- rer/ da ſie arm waren/ und die von den Deut- ſchen dißmal den Roͤmern abgeſchlagene Beute verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn ob ſie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/ des Goldes und Silbers ſich vorher verglichen hatten; ſo war doch wegen der Waffen/ die ſie erobern wuͤrden/ nichts ausgenommen. Wor- von die Catten/ welche am laͤngſten gefochten/ den Sicambrern ein geringes/ dieſe aber den Cherußkern gar kein Theil verſtatten; die Che- rusker hingegen/ als welche die Oberhand und ihren Fuͤrſten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer Willkuͤhr damit gebahren/ und inſonderheit Segimer zu Ausloͤſung ſeiner Gemahlin und Kinder die fuͤrnehmſten Gefangenen haben wolte. Uber dem Siegsgepraͤnge des Druſus aber wundert man ſich in allewege billich/ wenn man die alten Sitten und Geſetze der Roͤmer fuͤr Augen hat; welche ſolches niemanden ver- ſtatteten/ der nicht auff einmahl zum minſten 5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See- Raͤuber/ ſondern freye Voͤlcker und ohne ſon- derbaren Verluſt uͤberwunden hatte. Weßwe- gen ſelbter auch bey den Einnehmern ſo wol die Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen Buͤrger eidlich anzeigen muſte. Gleichergeſtalt ward dem Fulvius und Opimius dieſe Ehre verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieſer Fre- gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das Reich vermehret hatte. Zugeſchweigen/ daß auch Scipio wegen eingenommenen Hiſpaniens/ und Marcellus nach erobertem Syracuſa diß entbehren muſten/ weil ſie nur als Buͤrger und ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus- gerichtet hatten. Gleichergeſtalt war ſolche Freude in buͤrgerlichen Kriegen/ indem das ei- gene Blut mehr zu beweinen iſt/ nicht erlaubet. Dahero zohe Naſica und Opimius/ nach Erle- gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach Daͤmpffung des Lepidus/ ſtille in die Stadt. Antonius/ als er den Catilina erleget/ wiſchte das Buͤrgerblut von allen Schwerdtern ab; Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/ Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telaſinus und Lamponius geſchlagen hatte; ſo ließ er doch in ſeinem Siegs-Gepraͤnge keines dieſer/ ſondern nur Mithridatens und fremder Staͤdte Bilder ihm fuͤrtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr alte Roͤmer entſchlugen ſich ſelbſt dieſer verdien- ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend nicht mehr fuͤr ihren eigenen Preiß gehalten ward/ ſondern der Ehrgeitz an ſtatt des Weſens nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe- ren Poͤfel einen blauen Dunſt fuͤr die Augen zu machen anfing; ertichtete man Eroberungen vieler nicht einſt geſehener Laͤnder; wenn etwan eine Handvoll Raͤuber erlegt/ oder ein geringes Neſt eingenommen war/ ruͤhmte man ſich groſ- ſer Siege uͤber gantze Voͤlcker; und daß man unuͤber-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/436>, abgerufen am 22.11.2024.