Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
endlich ihre Unwürdigkeit; und die Wahrheitist von solchem Nachdrucke/ daß selbte weder Feinde noch Heuchler vertilgen können. Da- hero denn auch die Römer selbst wider Willen frey heraus sagen/ daß den Ausländern nicht so wol die Herrschafft/ als die Laster der Römer un- erträglich wären. Also ereignete sich nach obi- gem Abzuge des Drusus aus Deutschland/ daß die Römische Besatzung aus Antonach und Bin- gium den Catten mit täglichen Raubereyen be- schwerlich waren. Wie nun diese nach aller Völcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne- ten; und mehrmals die Römer den kürtzern zo- hen; von Drusus/ welcher gleich damals nebst dem Qvintius Crispinus Bürgermeister war/ Anlaß zum dritten mal sein Heil in Deutschland zu versuchen; sonderlich da die Catten und Che- rusker selbst wider einander in Haaren lagen/ und Deutschland seine Hände in eigenem Blu- te wusch. Diese Gelegenheit brauchte Drusus zu einer Schein-Ursache eines neuen Zuges in Deutschland; ungeachtet der Blitz in den Capi- tolinischen Tempel schlug/ und die vom Drusus aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem fielen; Also die Wahrsager ihm wenig gutes andeuteten/ der Käyser ihn auch ungerne von sich ließ; wiewohl Drusus viel einen andern Dorn im Fusse stecken hatte; dessen Erzehlung aber vielleicht anzuhören der Versammlung be- schwerlich fallen dörffte. Als nun aber Rhemetalces und die andern wenig-
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
endlich ihre Unwuͤrdigkeit; und die Wahrheitiſt von ſolchem Nachdrucke/ daß ſelbte weder Feinde noch Heuchler vertilgen koͤnnen. Da- hero denn auch die Roͤmer ſelbſt wider Willen frey heraus ſagen/ daß den Auslaͤndern nicht ſo wol die Herrſchafft/ als die Laſter der Roͤmer un- ertraͤglich waͤren. Alſo ereignete ſich nach obi- gem Abzuge des Druſus aus Deutſchland/ daß die Roͤmiſche Beſatzung aus Antonach und Bin- gium den Catten mit taͤglichen Raubereyen be- ſchwerlich waren. Wie nun dieſe nach aller Voͤlcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne- ten; und mehrmals die Roͤmer den kuͤrtzern zo- hen; von Druſus/ welcher gleich damals nebſt dem Qvintius Criſpinus Buͤrgermeiſter war/ Anlaß zum dritten mal ſein Heil in Deutſchland zu verſuchen; ſonderlich da die Catten und Che- rusker ſelbſt wider einander in Haaren lagen/ und Deutſchland ſeine Haͤnde in eigenem Blu- te wuſch. Dieſe Gelegenheit brauchte Druſus zu einer Schein-Urſache eines neuen Zuges in Deutſchland; ungeachtet der Blitz in den Capi- toliniſchen Tempel ſchlug/ und die vom Druſus aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem fielen; Alſo die Wahrſager ihm wenig gutes andeuteten/ der Kaͤyſer ihn auch ungerne von ſich ließ; wiewohl Druſus viel einen andern Dorn im Fuſſe ſtecken hatte; deſſen Erzehlung aber vielleicht anzuhoͤren der Verſammlung be- ſchwerlich fallen doͤrffte. Als nun aber Rhemetalces und die andern wenig-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0438" n="384"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> endlich ihre Unwuͤrdigkeit; und die Wahrheit<lb/> iſt von ſolchem Nachdrucke/ daß ſelbte weder<lb/> Feinde noch Heuchler vertilgen koͤnnen. Da-<lb/> hero denn auch die Roͤmer ſelbſt wider Willen<lb/> frey heraus ſagen/ daß den Auslaͤndern nicht ſo<lb/> wol die Herrſchafft/ als die Laſter der Roͤmer un-<lb/> ertraͤglich waͤren. Alſo ereignete ſich nach obi-<lb/> gem Abzuge des Druſus aus Deutſchland/ daß<lb/> die Roͤmiſche Beſatzung aus Antonach und Bin-<lb/> gium den Catten mit taͤglichen Raubereyen be-<lb/> ſchwerlich waren. Wie nun dieſe nach aller<lb/> Voͤlcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne-<lb/> ten; und mehrmals die Roͤmer den kuͤrtzern zo-<lb/> hen; von Druſus/ welcher gleich damals nebſt<lb/> dem Qvintius Criſpinus Buͤrgermeiſter war/<lb/> Anlaß zum dritten mal ſein Heil in Deutſchland<lb/> zu verſuchen; ſonderlich da die Catten und Che-<lb/> rusker ſelbſt wider einander in Haaren lagen/<lb/> und Deutſchland ſeine Haͤnde in eigenem Blu-<lb/> te wuſch. Dieſe Gelegenheit brauchte Druſus<lb/> zu einer Schein-Urſache eines neuen Zuges in<lb/> Deutſchland; ungeachtet der Blitz in den Capi-<lb/> toliniſchen Tempel ſchlug/ und die vom Druſus<lb/> aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem<lb/> fielen; Alſo die Wahrſager ihm wenig gutes<lb/> andeuteten/ der Kaͤyſer ihn auch ungerne von<lb/> ſich ließ; wiewohl Druſus viel einen andern<lb/> Dorn im Fuſſe ſtecken hatte; deſſen Erzehlung<lb/> aber vielleicht anzuhoͤren der Verſammlung be-<lb/> ſchwerlich fallen doͤrffte.</p><lb/> <p>Als nun aber Rhemetalces und die andern<lb/> Fuͤrſten Adgandeſtern anlagen/ dieſe Heimlig-<lb/> keit ihnen nicht zu verſchweigen; vollfuͤhrte er<lb/> ſeine Erzehlung folgender Geſtalt: Der be-<lb/> ruͤhmte Marcus Antonius/ deſſen Geſchlechte<lb/> vom Hercules ſeinen Uhrſprung haben ſoll/ hat<lb/> mit Octavien des Kaͤyſers Auguſtus Schwe-<lb/> ſter zwey Toͤchter erzeuget; derer eine Domi-<lb/> tius-Enobarbus heyrathete. Die andere und<lb/> juͤngſte Nahmens Antonia/ war von der Natur<lb/> mit fuͤrtreflicher Schoͤnheit begabt/ und ſo wol<lb/> der einige Troſt ihrer Mutter/ als ein Schoß-<lb/><cb/> Kind des Kaͤyſers. Weil nun die Schoͤnheit/<lb/> als die Mutter der Anmuth fuͤr ſich ſelbſt eine<lb/> geſchwinde Jaͤgerin abgiebt/ die Augen und<lb/> Hertzen leicht in ihre Garne bringt/ und man<lb/> auf daſſelbe Bild ſo viel mehr die Augen wirfft/<lb/> das eine ſo groſſe Sonne beſtrahlet; entzuͤndete<lb/> Antonia viel Hertzen/ ehe ſie noch ſelbſt wuſte/<lb/> was ſie fuͤr Feuer in ſich ſelbſt ſtecken hatte. A-<lb/> ber ſie erfuhr zeitlich genung/ daß nichts anfaͤlli-<lb/> ger als die Liebe waͤre; und daß kein Licht von<lb/> dem andern ſo geſchwinde Feuer/ als eine zarte<lb/> Seele dieſe ſuͤſſe Empfindligkeit des andern Al-<lb/> ters fange. Denn als einsmahls an des Kaͤy-<lb/> ſers Geburts-Tage der Kern des Roͤmiſchen<lb/> Adels ſich mit praͤchtigen Aufzuͤgen/ Rennen/<lb/> und andern Freuden ſpielen ſehen ließ; Gewan<lb/> ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius<lb/> Muraͤna den Preiß/ und zugleich das Hertze<lb/> Antoniens. Seine Geſtalt/ ſeine hohe Ankunft/<lb/> und ſeine Tapfferkeit ſchaͤtzte ſie anfangs ihres<lb/> Ruhmes/ hernach ihrer Gewogenheit wuͤrdig.<lb/> Dieſe Bluͤte der Liebe aber verwandelte ſich<lb/> nach und nach unvermerckt in einen vollkomme-<lb/> nen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Gluͤcke<lb/> insgemein der Liebe ein Bein unter zuſchlagen<lb/> gewohnet iſt; fuͤhlte Antonia nicht ſo geſchwinde<lb/> in ihrer Seele dieſen anmuthigen Zunder; Als<lb/> der Kaͤyſer und Octavia auff Anſtifftung der<lb/> Livia ihr einen Vorſchlag thaͤten ſich mit dem<lb/> Claudius Druſus zu verheyrathen. Dieſer<lb/> Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter<lb/> Donnerſchlag/ und ein rechter Wirbelwind/<lb/> der ihre Ruhe des Gemuͤthes in voͤllige Unru-<lb/> he verſetzte. Wie aber die Liebe eine geſchwinde<lb/> Erfinderin iſt; Alſo war die junge Antonia alſo-<lb/> fort ſo klug/ daß ſie mit ihrer Jugend und aller-<lb/> ley anderm Fuͤrwand ihre Entſchluͤſſung ins<lb/> weite Feld zu ſpielen wuſte. Jnzwiſchen wuchs<lb/> ihre Liebe gegen den Muraͤna von Tag zu Tage/<lb/> und zwar ſo viel hefftiger/ weil ſie Druſus durch<lb/> ſeine Liebesbezeugungen zuverdringen ſuchte;<lb/> ſie aber ihr Hertze gegen keinem Menſchen/ am<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wenig-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [384/0438]
Vierdtes Buch
endlich ihre Unwuͤrdigkeit; und die Wahrheit
iſt von ſolchem Nachdrucke/ daß ſelbte weder
Feinde noch Heuchler vertilgen koͤnnen. Da-
hero denn auch die Roͤmer ſelbſt wider Willen
frey heraus ſagen/ daß den Auslaͤndern nicht ſo
wol die Herrſchafft/ als die Laſter der Roͤmer un-
ertraͤglich waͤren. Alſo ereignete ſich nach obi-
gem Abzuge des Druſus aus Deutſchland/ daß
die Roͤmiſche Beſatzung aus Antonach und Bin-
gium den Catten mit taͤglichen Raubereyen be-
ſchwerlich waren. Wie nun dieſe nach aller
Voͤlcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne-
ten; und mehrmals die Roͤmer den kuͤrtzern zo-
hen; von Druſus/ welcher gleich damals nebſt
dem Qvintius Criſpinus Buͤrgermeiſter war/
Anlaß zum dritten mal ſein Heil in Deutſchland
zu verſuchen; ſonderlich da die Catten und Che-
rusker ſelbſt wider einander in Haaren lagen/
und Deutſchland ſeine Haͤnde in eigenem Blu-
te wuſch. Dieſe Gelegenheit brauchte Druſus
zu einer Schein-Urſache eines neuen Zuges in
Deutſchland; ungeachtet der Blitz in den Capi-
toliniſchen Tempel ſchlug/ und die vom Druſus
aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem
fielen; Alſo die Wahrſager ihm wenig gutes
andeuteten/ der Kaͤyſer ihn auch ungerne von
ſich ließ; wiewohl Druſus viel einen andern
Dorn im Fuſſe ſtecken hatte; deſſen Erzehlung
aber vielleicht anzuhoͤren der Verſammlung be-
ſchwerlich fallen doͤrffte.
Als nun aber Rhemetalces und die andern
Fuͤrſten Adgandeſtern anlagen/ dieſe Heimlig-
keit ihnen nicht zu verſchweigen; vollfuͤhrte er
ſeine Erzehlung folgender Geſtalt: Der be-
ruͤhmte Marcus Antonius/ deſſen Geſchlechte
vom Hercules ſeinen Uhrſprung haben ſoll/ hat
mit Octavien des Kaͤyſers Auguſtus Schwe-
ſter zwey Toͤchter erzeuget; derer eine Domi-
tius-Enobarbus heyrathete. Die andere und
juͤngſte Nahmens Antonia/ war von der Natur
mit fuͤrtreflicher Schoͤnheit begabt/ und ſo wol
der einige Troſt ihrer Mutter/ als ein Schoß-
Kind des Kaͤyſers. Weil nun die Schoͤnheit/
als die Mutter der Anmuth fuͤr ſich ſelbſt eine
geſchwinde Jaͤgerin abgiebt/ die Augen und
Hertzen leicht in ihre Garne bringt/ und man
auf daſſelbe Bild ſo viel mehr die Augen wirfft/
das eine ſo groſſe Sonne beſtrahlet; entzuͤndete
Antonia viel Hertzen/ ehe ſie noch ſelbſt wuſte/
was ſie fuͤr Feuer in ſich ſelbſt ſtecken hatte. A-
ber ſie erfuhr zeitlich genung/ daß nichts anfaͤlli-
ger als die Liebe waͤre; und daß kein Licht von
dem andern ſo geſchwinde Feuer/ als eine zarte
Seele dieſe ſuͤſſe Empfindligkeit des andern Al-
ters fange. Denn als einsmahls an des Kaͤy-
ſers Geburts-Tage der Kern des Roͤmiſchen
Adels ſich mit praͤchtigen Aufzuͤgen/ Rennen/
und andern Freuden ſpielen ſehen ließ; Gewan
ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius
Muraͤna den Preiß/ und zugleich das Hertze
Antoniens. Seine Geſtalt/ ſeine hohe Ankunft/
und ſeine Tapfferkeit ſchaͤtzte ſie anfangs ihres
Ruhmes/ hernach ihrer Gewogenheit wuͤrdig.
Dieſe Bluͤte der Liebe aber verwandelte ſich
nach und nach unvermerckt in einen vollkomme-
nen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Gluͤcke
insgemein der Liebe ein Bein unter zuſchlagen
gewohnet iſt; fuͤhlte Antonia nicht ſo geſchwinde
in ihrer Seele dieſen anmuthigen Zunder; Als
der Kaͤyſer und Octavia auff Anſtifftung der
Livia ihr einen Vorſchlag thaͤten ſich mit dem
Claudius Druſus zu verheyrathen. Dieſer
Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter
Donnerſchlag/ und ein rechter Wirbelwind/
der ihre Ruhe des Gemuͤthes in voͤllige Unru-
he verſetzte. Wie aber die Liebe eine geſchwinde
Erfinderin iſt; Alſo war die junge Antonia alſo-
fort ſo klug/ daß ſie mit ihrer Jugend und aller-
ley anderm Fuͤrwand ihre Entſchluͤſſung ins
weite Feld zu ſpielen wuſte. Jnzwiſchen wuchs
ihre Liebe gegen den Muraͤna von Tag zu Tage/
und zwar ſo viel hefftiger/ weil ſie Druſus durch
ſeine Liebesbezeugungen zuverdringen ſuchte;
ſie aber ihr Hertze gegen keinem Menſchen/ am
wenig-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/438 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/438>, abgerufen am 26.06.2024. |