Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
Menschens Kaltsinnigkeit sich ihres Liebreitzeserwehren solte. Die Magnet-Nadel wendet sich so begierig nicht nach dem Angelsterne; die Sonnenwende nicht nach dem grossen Auge der Welt; als ihre Begierde auf den Muräna ge- richtet war. Sie brauchte tausenderley Erfin- dungen sich in die Versammlungen/ wo er be- findlich war/ einzuspielen; Und wie sehr er sich ihrer zu entschlagen bemühet war/ wuste sie ihn doch unterschiedene mal so künstlich zu besetzen/ daß er ihrer einsamen Beredung sich nicht ent- brechen konte. Einsmals kamen sie in den Gär- ten an der Tyber/ welche Käyser Julius dem Römischen Volcke vermacht hatte/ zusammen; da sie denn alles euserste ihn zu gewinnen ver- suchte. Julia brachte den Muräna gleich zwi- schen den vom Ascalon nach Rom gebrachten Bilde der gewaffneten Venus/ und des Träze- nischen Hippolytus zu Stande. Siehest du wol/ fing sie an/ Muräna/ was das Verhäng- nüß auf beyder Seiten deiner Hartnäckigkeit für heilsame Warnigungen fürstelle? Glaubst du noch/ daß die Liebe nur ein nacktes Weib/ nicht eine gewaffnete Göttin sey; welche ihre Ver- schmähungen zu rächen nicht vermöge? Müssen ihr nicht die mächtigsten Götter Beystand lei- sten/ und der kalte Neptun seine Meer-Ochsen leihen/ daß sie an dem unholden Hippolytus ih- re Rache ausüben? Wenn ich nicht wüste/ daß Muräna einsmals ein Gefangener der todten Antonia gewest wäre/ müste die lebhaffte Julia sich nur bereden/ Muräna hätte von sich selbst eine so grosse Einbildung/ daß er sich selbst unter allen Sterblichen nur liebenswerth/ die gantze Welt aber für verächtliche Spreu hielte. Wie aber/ haben dich seit der Zeit deine Meinungen bezaubert/ daß du alle andere zu verwerffen/ und allen Liebreitz zu verlachen entschlossen bist? Hältest du es für einen Schandfleck einem Frauenzimmer den geringsten Stand in dei- nem Hertzen zu enträumen? Oder wilst du die Liebe der brennenden Julie zu einem Sieges- [Spaltenumbruch] Zeichen deines unempfindlichen Hochmuths aufrichten? Augen/ Mund und Brüste leereten alle ihre Köcher der Anmuth aus/ um diesen un- erbittlichen oder steinernen Menschen zu bemei- stern. Daher/ wie der härteste Marmel endlich von den Regen-Tropffen abgenützet/ und das fe- steste Ertzt von öfterem Anstreichen eines weiche- ren Seiles zerkerbet wird; also erweichte endlich entweder die heftige und beständige Liebe so einer irrdischen Göttin/ oder die Hofnung künfftiger Dinge/ welche alles viel herrlicher fürbildet/ wenn das Glücke einem die gehabten aus den Händen reist/ fürnehmlich aber die Anwartschaft höchster Ehrenstaffeln/ des Muräna steinernes Hertze/ daß er Julien anfänglich anzuschauen/ hernach zu hören/ ferner ihr günstig zu werden/ und endlich sie zulieben anfing. Höret aber/ wie die Eifersucht auch nach erloschener Begierde und aller verschwundenen Hoffnung noch so scharfsichtig und miß günstig sey. Die keu[s]che An- tonia/ welche nunmehr mit ihrem Drusus sich vergnügte/ und des Muräna zu genüssen die Un- mögligkeit für Augen sahe/ war gleich die erste/ die Muränens verliebte Veränderung wahr- nahm/ und das gröste Unvergnügen schöpffte/ daß sie Julien mit dem Siegskrantze der Liebe prangen/ und aus ihrem unwiederbringlichen Verluste ihre Nebenbuhlerin so bereichert sahe. Nachdem sie nun ihr von der Käyserin Livia un- schwer fürbilden konte/ daß ihr Absehn mit Ju- lien weit anders wohin/ als auf den Lucius Mu- räna gerichtet war; entschloß sie nach langem zweiffelhafften Nachdencken sich an Julien mit eben dem zu rächen/ wormit sie von ihr beleidiget worden war. Muräna hat nach seiner Zurück- kunft nach Rom der nunmehr aus des Drusus Armen unabtrennlichen Antonia das von der Julia empfangene Liebes-Schreiben/ welches er für Antoniens hielt/ zurück gesendet/ gleich als wenn er sie dardurch aus sonderbarer Höflig- keit ihres ihm gethanen Verbündnüsses befreyen wolte; Antonia aber allererst hieraus er grübelt/ daß
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
Menſchens Kaltſinnigkeit ſich ihres Liebreitzeserwehren ſolte. Die Magnet-Nadel wendet ſich ſo begierig nicht nach dem Angelſterne; die Sonnenwende nicht nach dem groſſen Auge der Welt; als ihre Begierde auf den Muraͤna ge- richtet war. Sie brauchte tauſenderley Erfin- dungen ſich in die Verſammlungen/ wo er be- findlich war/ einzuſpielen; Und wie ſehr er ſich ihrer zu entſchlagen bemuͤhet war/ wuſte ſie ihn doch unterſchiedene mal ſo kuͤnſtlich zu beſetzen/ daß er ihrer einſamen Beredung ſich nicht ent- brechen konte. Einsmals kamen ſie in den Gaͤr- ten an der Tyber/ welche Kaͤyſer Julius dem Roͤmiſchen Volcke vermacht hatte/ zuſammen; da ſie denn alles euſerſte ihn zu gewinnen ver- ſuchte. Julia brachte den Muraͤna gleich zwi- ſchen den vom Aſcalon nach Rom gebrachten Bilde der gewaffneten Venus/ und des Traͤze- niſchen Hippolytus zu Stande. Sieheſt du wol/ fing ſie an/ Muraͤna/ was das Verhaͤng- nuͤß auf beyder Seiten deiner Hartnaͤckigkeit fuͤr heilſame Warnigungen fuͤrſtelle? Glaubſt du noch/ daß die Liebe nur ein nacktes Weib/ nicht eine gewaffnete Goͤttin ſey; welche ihre Ver- ſchmaͤhungen zu raͤchen nicht vermoͤge? Muͤſſen ihr nicht die maͤchtigſten Goͤtter Beyſtand lei- ſten/ und der kalte Neptun ſeine Meer-Ochſen leihen/ daß ſie an dem unholden Hippolytus ih- re Rache ausuͤben? Wenn ich nicht wuͤſte/ daß Muraͤna einsmals ein Gefangener der todten Antonia geweſt waͤre/ muͤſte die lebhaffte Julia ſich nur bereden/ Muraͤna haͤtte von ſich ſelbſt eine ſo groſſe Einbildung/ daß er ſich ſelbſt unter allen Sterblichen nur liebenswerth/ die gantze Welt aber fuͤr veraͤchtliche Spreu hielte. Wie aber/ haben dich ſeit der Zeit deine Meinungen bezaubert/ daß du alle andere zu verwerffen/ und allen Liebreitz zu verlachen entſchloſſen biſt? Haͤlteſt du es fuͤr einen Schandfleck einem Frauenzimmer den geringſten Stand in dei- nem Hertzen zu entraͤumen? Oder wilſt du die Liebe der brennenden Julie zu einem Sieges- [Spaltenumbruch] Zeichen deines unempfindlichen Hochmuths aufrichten? Augen/ Mund und Bruͤſte leereten alle ihre Koͤcher der Anmuth aus/ um dieſen un- erbittlichen oder ſteinernen Menſchen zu bemei- ſtern. Daher/ wie der haͤrteſte Marmel endlich von den Regen-Tropffen abgenuͤtzet/ und das fe- ſteſte Ertzt von oͤfterem Anſtreichen eines weiche- ren Seiles zerkerbet wird; alſo erweichte endlich entweder die heftige und beſtaͤndige Liebe ſo einer irrdiſchen Goͤttin/ oder die Hofnung kuͤnfftiger Dinge/ welche alles viel herrlicher fuͤrbildet/ wenn das Gluͤcke einem die gehabten aus den Haͤnden reiſt/ fuͤrnehmlich aber die Anwartſchaft hoͤchſter Ehrenſtaffeln/ des Muraͤna ſteinernes Hertze/ daß er Julien anfaͤnglich anzuſchauen/ hernach zu hoͤren/ ferner ihr guͤnſtig zu werden/ und endlich ſie zulieben anfing. Hoͤret aber/ wie die Eiferſucht auch nach erloſchener Begierde und aller verſchwundenen Hoffnung noch ſo ſchaꝛfſichtig und miß guͤnſtig ſey. Die keu[ſ]che An- tonia/ welche nunmehr mit ihrem Druſus ſich veꝛgnuͤgte/ und des Muraͤna zu genuͤſſen die Un- moͤgligkeit fuͤr Augen ſahe/ war gleich die erſte/ die Muraͤnens verliebte Veraͤnderung wahr- nahm/ und das groͤſte Unvergnuͤgen ſchoͤpffte/ daß ſie Julien mit dem Siegskrantze der Liebe prangen/ und aus ihrem unwiederbringlichen Verluſte ihre Nebenbuhlerin ſo bereichert ſahe. Nachdem ſie nun ihr von der Kaͤyſerin Livia un- ſchwer fuͤrbilden konte/ daß ihr Abſehn mit Ju- lien weit anders wohin/ als auf den Lucius Mu- raͤna gerichtet war; entſchloß ſie nach langem zweiffelhafften Nachdencken ſich an Julien mit eben dem zu raͤchen/ wormit ſie von ihꝛ beleidiget worden war. Muraͤna hat nach ſeiner Zuruͤck- kunft nach Rom der nunmehr aus des Druſus Armen unabtrennlichen Antonia das von der Julia empfangene Liebes-Schreiben/ welches er fuͤr Antoniens hielt/ zuruͤck geſendet/ gleich als wenn er ſie dardurch aus ſonderbarer Hoͤflig- keit ihꝛes ihm gethanen Verbuͤndnuͤſſes befreyen wolte; Antonia aber allererſt hieraus er gruͤbelt/ daß
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Vierdtes Buch
Menſchens Kaltſinnigkeit ſich ihres Liebreitzes
erwehren ſolte. Die Magnet-Nadel wendet
ſich ſo begierig nicht nach dem Angelſterne; die
Sonnenwende nicht nach dem groſſen Auge der
Welt; als ihre Begierde auf den Muraͤna ge-
richtet war. Sie brauchte tauſenderley Erfin-
dungen ſich in die Verſammlungen/ wo er be-
findlich war/ einzuſpielen; Und wie ſehr er ſich
ihrer zu entſchlagen bemuͤhet war/ wuſte ſie ihn
doch unterſchiedene mal ſo kuͤnſtlich zu beſetzen/
daß er ihrer einſamen Beredung ſich nicht ent-
brechen konte. Einsmals kamen ſie in den Gaͤr-
ten an der Tyber/ welche Kaͤyſer Julius dem
Roͤmiſchen Volcke vermacht hatte/ zuſammen;
da ſie denn alles euſerſte ihn zu gewinnen ver-
ſuchte. Julia brachte den Muraͤna gleich zwi-
ſchen den vom Aſcalon nach Rom gebrachten
Bilde der gewaffneten Venus/ und des Traͤze-
niſchen Hippolytus zu Stande. Sieheſt du
wol/ fing ſie an/ Muraͤna/ was das Verhaͤng-
nuͤß auf beyder Seiten deiner Hartnaͤckigkeit fuͤr
heilſame Warnigungen fuͤrſtelle? Glaubſt du
noch/ daß die Liebe nur ein nacktes Weib/ nicht
eine gewaffnete Goͤttin ſey; welche ihre Ver-
ſchmaͤhungen zu raͤchen nicht vermoͤge? Muͤſſen
ihr nicht die maͤchtigſten Goͤtter Beyſtand lei-
ſten/ und der kalte Neptun ſeine Meer-Ochſen
leihen/ daß ſie an dem unholden Hippolytus ih-
re Rache ausuͤben? Wenn ich nicht wuͤſte/ daß
Muraͤna einsmals ein Gefangener der todten
Antonia geweſt waͤre/ muͤſte die lebhaffte Julia
ſich nur bereden/ Muraͤna haͤtte von ſich ſelbſt
eine ſo groſſe Einbildung/ daß er ſich ſelbſt unter
allen Sterblichen nur liebenswerth/ die gantze
Welt aber fuͤr veraͤchtliche Spreu hielte. Wie
aber/ haben dich ſeit der Zeit deine Meinungen
bezaubert/ daß du alle andere zu verwerffen/ und
allen Liebreitz zu verlachen entſchloſſen biſt?
Haͤlteſt du es fuͤr einen Schandfleck einem
Frauenzimmer den geringſten Stand in dei-
nem Hertzen zu entraͤumen? Oder wilſt du die
Liebe der brennenden Julie zu einem Sieges-
Zeichen deines unempfindlichen Hochmuths
aufrichten? Augen/ Mund und Bruͤſte leereten
alle ihre Koͤcher der Anmuth aus/ um dieſen un-
erbittlichen oder ſteinernen Menſchen zu bemei-
ſtern. Daher/ wie der haͤrteſte Marmel endlich
von den Regen-Tropffen abgenuͤtzet/ und das fe-
ſteſte Ertzt von oͤfterem Anſtreichen eines weiche-
ren Seiles zerkerbet wird; alſo erweichte endlich
entweder die heftige und beſtaͤndige Liebe ſo einer
irrdiſchen Goͤttin/ oder die Hofnung kuͤnfftiger
Dinge/ welche alles viel herrlicher fuͤrbildet/
wenn das Gluͤcke einem die gehabten aus den
Haͤnden reiſt/ fuͤrnehmlich aber die Anwartſchaft
hoͤchſter Ehrenſtaffeln/ des Muraͤna ſteinernes
Hertze/ daß er Julien anfaͤnglich anzuſchauen/
hernach zu hoͤren/ ferner ihr guͤnſtig zu werden/
und endlich ſie zulieben anfing. Hoͤret aber/ wie
die Eiferſucht auch nach erloſchener Begierde
und aller verſchwundenen Hoffnung noch ſo
ſchaꝛfſichtig und miß guͤnſtig ſey. Die keuſche An-
tonia/ welche nunmehr mit ihrem Druſus ſich
veꝛgnuͤgte/ und des Muraͤna zu genuͤſſen die Un-
moͤgligkeit fuͤr Augen ſahe/ war gleich die erſte/
die Muraͤnens verliebte Veraͤnderung wahr-
nahm/ und das groͤſte Unvergnuͤgen ſchoͤpffte/
daß ſie Julien mit dem Siegskrantze der Liebe
prangen/ und aus ihrem unwiederbringlichen
Verluſte ihre Nebenbuhlerin ſo bereichert ſahe.
Nachdem ſie nun ihr von der Kaͤyſerin Livia un-
ſchwer fuͤrbilden konte/ daß ihr Abſehn mit Ju-
lien weit anders wohin/ als auf den Lucius Mu-
raͤna gerichtet war; entſchloß ſie nach langem
zweiffelhafften Nachdencken ſich an Julien mit
eben dem zu raͤchen/ wormit ſie von ihꝛ beleidiget
worden war. Muraͤna hat nach ſeiner Zuruͤck-
kunft nach Rom der nunmehr aus des Druſus
Armen unabtrennlichen Antonia das von der
Julia empfangene Liebes-Schreiben/ welches
er fuͤr Antoniens hielt/ zuruͤck geſendet/ gleich
als wenn er ſie dardurch aus ſonderbarer Hoͤflig-
keit ihꝛes ihm gethanen Verbuͤndnuͤſſes befreyen
wolte; Antonia aber allererſt hieraus er gruͤbelt/
daß
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