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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] daß durch Julien die Verwechselung im Schau-
Platze zu Puteol mit Fleiß angestifftet worden
wäre. Diesemnach ereignete sich/ daß Muräna
und andere junge Römer in denen Servilischen
Lustgärten mit Julien und anderm Frauen-
zimmer sich in allerhand Kurtzweil-Spielen be-
lustigte/ und von ieder Person der zu ihrer aller
Richterin erkieseten Livia ein Pfand eingeliefert
ward; welches sie hernach wiewohl mit verbun-
denen Augen wieder verwechselte/ und von der
Person/ die es zu sich genommen hatte/ nebst ei-
nem Sinnspruche zurück empfing. Antonia
wolte diese Gelegenheit nicht aus den Händen
lassen/ und als ihr ungefehr Muränens Hand-
schuch zukam/ steckte sie an statt des Sinnspru-
ches der Julia Schreiben darein. Wie nun Li-
via in denen verwechselten und zurück bekom-
menen Pfändern die Sinnsprüche/ um über
ein- oder andern Theiles Scharfsinnigkeit zu
urtheilen/ eröfnete/ und auf Juliens Schreiben
kam/ verstummte sie eine gute Weile; iedoch
verstellte sie ihre Veränderung möglichst; also/
daß selbter auser Antonien niemand eigentlich
gewahr ward. Gleichwol brach sie kurtz hierauf
das Spiel ab/ zohe den Käyser auff die Seite/
und weiste ihm seiner Tochter Handschrifft;
nichts weniger ihr einbildende/ als daß Antonia
solches ihr zugesteckt/ sondern vielmehr/ daß es
Muräna vergriffen hätte. Augustus/ welcher
nach der Art grosser Fürsten sich mehr um diß be-
kümmerte/ was in denen entferntesten Welt-
Enden als in seinem Hause sich zutrug/ ward ü-
ber Julien heftig erbittert. Denn ob er zwar sei-
ne Tochter vorher/ nachdem ihr erster Ehmann
Marcellus auff Liviens Anstifften vom Artzte
Antonius Musa durch kalte Bäder getödtet
war/ dem vom niedrigerm Uhrsprunge herrüh-
renden Agrippa vermählet hatte; so war er doch
schon vorher mit dem Käyser beschwägert; in
dem er der Octavia Tochter Marcella zur Eh
gehabt/ seine Siege wider die Gallier/ sein
[Spaltenumbruch] Meer-Bau bey Bajä/ sein See-Sieg wider
den Damochares und Sextus Pompejus/ seine
hohe Würden/ und das mehrmahl verwaltete
Bürgermeister-Ampt hatten ihn auch schon auf
eine so hohe Staffel erhoben/ daß Muräna/ wie
viel edler er gleich von Geblüte war/ sich dem
Agrippa nicht gleichen dorfte; ja die Staats-
Sucht selbst den Käyser nöthigte ihm entweder
seine Tochter/ oder ein Glaß voll Gifft zu geben.
Zugeschweigen/ daß der Käyser auf den Murä-
na nicht allzuviel traute; weil sein Bruder
Varro Muräna sich mit dem Fannius Cäpio
wider ihn verschworen hatte. Diesemnach for-
derte der Käyser Julien in eine Laubhütte für
sich/ und fragte alsobald/ was sie mit dem Lucius
Muräna für verträuliches Verständnüß hätte?
Diese/ welche ihr von nichts weniger/ als dem
an den Muräna für längst geschriebenen Brief-
fe träumen ließ/ machte ihr die Beschuldigung
gantz fremde. Augustus legte ihr aber alsofort
ihre eigene Hand für; worüber sie zugleich blaß
und stumm ward; alsofort aber dem Käyser zu
Fusse fiel/ und/ daß sie auf Muränen ein Auge
gehabt hätte/ zugestand. Augustus verbot ihr
hierauf bey Straffe des Lebens alle Gemein-
schafft mit dem Muräna/ verließ also Julien in
enserster Bestürtzung/ und kehrte zu Livien zu-
rücke um mit ihr zu berathschlagen/ wie solcher
unzeitigen Liebe Juliens abzuhelffen wäre.
Livia/ welcher ihre lüsterne Art allzu sehr kundig
war/ versicherte den Käyser/ daß er von Julien
noch grössere Schwachheiten zu besorgen hätte;
da er ihrer Freyheit nicht einen Rügel fürschie-
ben würde. Denn die sterblichen Menschen wä-
ren selten genungsam vorsichtig denen Begier-
den zu gebieten/ welchen das Glücke selbst zu Ge-
bote stünde. Daher wäre ihr Rath: Es solte Au-
gustus sie aufs neue verheyrathen/ und also mit
einem Hammer so wol ihre unzeitige Liebe straf-
fen/ als ihr ihr eigenes Glücke schmieden. Au-
gustus gieng eine gute Weile im Garten voller

Nach-
E e e 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] daß durch Julien die Verwechſelung im Schau-
Platze zu Puteol mit Fleiß angeſtifftet worden
waͤre. Dieſemnach ereignete ſich/ daß Muraͤna
und andere junge Roͤmer in denen Serviliſchen
Luſtgaͤrten mit Julien und anderm Frauen-
zimmer ſich in allerhand Kurtzweil-Spielen be-
luſtigte/ und von ieder Perſon der zu ihrer aller
Richterin erkieſeten Livia ein Pfand eingeliefert
ward; welches ſie hernach wiewohl mit verbun-
denen Augen wieder verwechſelte/ und von der
Perſon/ die es zu ſich genommen hatte/ nebſt ei-
nem Sinnſpruche zuruͤck empfing. Antonia
wolte dieſe Gelegenheit nicht aus den Haͤnden
laſſen/ und als ihr ungefehr Muraͤnens Hand-
ſchuch zukam/ ſteckte ſie an ſtatt des Sinnſpru-
ches der Julia Schreiben darein. Wie nun Li-
via in denen verwechſelten und zuruͤck bekom-
menen Pfaͤndern die Sinnſpruͤche/ um uͤber
ein- oder andern Theiles Scharfſinnigkeit zu
urtheilen/ eroͤfnete/ und auf Juliens Schreiben
kam/ verſtummte ſie eine gute Weile; iedoch
verſtellte ſie ihre Veraͤnderung moͤglichſt; alſo/
daß ſelbter auſer Antonien niemand eigentlich
gewahr ward. Gleichwol brach ſie kurtz hierauf
das Spiel ab/ zohe den Kaͤyſer auff die Seite/
und weiſte ihm ſeiner Tochter Handſchrifft;
nichts weniger ihr einbildende/ als daß Antonia
ſolches ihr zugeſteckt/ ſondern vielmehr/ daß es
Muraͤna vergriffen haͤtte. Auguſtus/ welcher
nach der Art groſſer Fuͤrſten ſich mehr um diß be-
kuͤmmerte/ was in denen entfernteſten Welt-
Enden als in ſeinem Hauſe ſich zutrug/ ward uͤ-
ber Julien heftig erbittert. Denn ob er zwar ſei-
ne Tochter vorher/ nachdem ihr erſter Ehmann
Marcellus auff Liviens Anſtifften vom Artzte
Antonius Muſa durch kalte Baͤder getoͤdtet
war/ dem vom niedrigerm Uhrſprunge herruͤh-
renden Agrippa vermaͤhlet hatte; ſo war er doch
ſchon vorher mit dem Kaͤyſer beſchwaͤgert; in
dem er der Octavia Tochter Marcella zur Eh
gehabt/ ſeine Siege wider die Gallier/ ſein
[Spaltenumbruch] Meer-Bau bey Bajaͤ/ ſein See-Sieg wider
den Damochares und Sextus Pompejus/ ſeine
hohe Wuͤrden/ und das mehrmahl verwaltete
Buͤrgermeiſter-Ampt hatten ihn auch ſchon auf
eine ſo hohe Staffel erhoben/ daß Muraͤna/ wie
viel edler er gleich von Gebluͤte war/ ſich dem
Agrippa nicht gleichen dorfte; ja die Staats-
Sucht ſelbſt den Kaͤyſer noͤthigte ihm entweder
ſeine Tochter/ oder ein Glaß voll Gifft zu geben.
Zugeſchweigen/ daß der Kaͤyſer auf den Muraͤ-
na nicht allzuviel traute; weil ſein Bruder
Varro Muraͤna ſich mit dem Fannius Caͤpio
wider ihn verſchworen hatte. Dieſemnach for-
derte der Kaͤyſer Julien in eine Laubhuͤtte fuͤr
ſich/ und fragte alſobald/ was ſie mit dem Lucius
Muraͤna fuͤr vertraͤuliches Verſtaͤndnuͤß haͤtte?
Dieſe/ welche ihr von nichts weniger/ als dem
an den Muraͤna fuͤr laͤngſt geſchriebenen Brief-
fe traͤumen ließ/ machte ihr die Beſchuldigung
gantz fremde. Auguſtus legte ihr aber alſofort
ihre eigene Hand fuͤr; woruͤber ſie zugleich blaß
und ſtumm ward; alſofort aber dem Kaͤyſer zu
Fuſſe fiel/ und/ daß ſie auf Muraͤnen ein Auge
gehabt haͤtte/ zugeſtand. Auguſtus verbot ihr
hierauf bey Straffe des Lebens alle Gemein-
ſchafft mit dem Muraͤna/ verließ alſo Julien in
enſerſter Beſtuͤrtzung/ und kehrte zu Livien zu-
ruͤcke um mit ihr zu berathſchlagen/ wie ſolcher
unzeitigen Liebe Juliens abzuhelffen waͤre.
Livia/ welcher ihre luͤſterne Art allzu ſehr kundig
war/ verſicherte den Kaͤyſer/ daß er von Julien
noch groͤſſere Schwachheiten zu beſorgen haͤtte;
da er ihrer Freyheit nicht einen Ruͤgel fuͤrſchie-
ben wuͤrde. Denn die ſterblichen Menſchen waͤ-
ren ſelten genungſam vorſichtig denen Begier-
den zu gebieten/ welchen das Gluͤcke ſelbſt zu Ge-
bote ſtuͤnde. Daher waͤre ihr Rath: Es ſolte Au-
guſtus ſie aufs neue verheyrathen/ und alſo mit
einem Hammer ſo wol ihre unzeitige Liebe ſtraf-
fen/ als ihr ihr eigenes Gluͤcke ſchmieden. Au-
guſtus gieng eine gute Weile im Garten voller

Nach-
E e e 2
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[403/0457] Arminius und Thußnelda. daß durch Julien die Verwechſelung im Schau- Platze zu Puteol mit Fleiß angeſtifftet worden waͤre. Dieſemnach ereignete ſich/ daß Muraͤna und andere junge Roͤmer in denen Serviliſchen Luſtgaͤrten mit Julien und anderm Frauen- zimmer ſich in allerhand Kurtzweil-Spielen be- luſtigte/ und von ieder Perſon der zu ihrer aller Richterin erkieſeten Livia ein Pfand eingeliefert ward; welches ſie hernach wiewohl mit verbun- denen Augen wieder verwechſelte/ und von der Perſon/ die es zu ſich genommen hatte/ nebſt ei- nem Sinnſpruche zuruͤck empfing. Antonia wolte dieſe Gelegenheit nicht aus den Haͤnden laſſen/ und als ihr ungefehr Muraͤnens Hand- ſchuch zukam/ ſteckte ſie an ſtatt des Sinnſpru- ches der Julia Schreiben darein. Wie nun Li- via in denen verwechſelten und zuruͤck bekom- menen Pfaͤndern die Sinnſpruͤche/ um uͤber ein- oder andern Theiles Scharfſinnigkeit zu urtheilen/ eroͤfnete/ und auf Juliens Schreiben kam/ verſtummte ſie eine gute Weile; iedoch verſtellte ſie ihre Veraͤnderung moͤglichſt; alſo/ daß ſelbter auſer Antonien niemand eigentlich gewahr ward. Gleichwol brach ſie kurtz hierauf das Spiel ab/ zohe den Kaͤyſer auff die Seite/ und weiſte ihm ſeiner Tochter Handſchrifft; nichts weniger ihr einbildende/ als daß Antonia ſolches ihr zugeſteckt/ ſondern vielmehr/ daß es Muraͤna vergriffen haͤtte. Auguſtus/ welcher nach der Art groſſer Fuͤrſten ſich mehr um diß be- kuͤmmerte/ was in denen entfernteſten Welt- Enden als in ſeinem Hauſe ſich zutrug/ ward uͤ- ber Julien heftig erbittert. Denn ob er zwar ſei- ne Tochter vorher/ nachdem ihr erſter Ehmann Marcellus auff Liviens Anſtifften vom Artzte Antonius Muſa durch kalte Baͤder getoͤdtet war/ dem vom niedrigerm Uhrſprunge herruͤh- renden Agrippa vermaͤhlet hatte; ſo war er doch ſchon vorher mit dem Kaͤyſer beſchwaͤgert; in dem er der Octavia Tochter Marcella zur Eh gehabt/ ſeine Siege wider die Gallier/ ſein Meer-Bau bey Bajaͤ/ ſein See-Sieg wider den Damochares und Sextus Pompejus/ ſeine hohe Wuͤrden/ und das mehrmahl verwaltete Buͤrgermeiſter-Ampt hatten ihn auch ſchon auf eine ſo hohe Staffel erhoben/ daß Muraͤna/ wie viel edler er gleich von Gebluͤte war/ ſich dem Agrippa nicht gleichen dorfte; ja die Staats- Sucht ſelbſt den Kaͤyſer noͤthigte ihm entweder ſeine Tochter/ oder ein Glaß voll Gifft zu geben. Zugeſchweigen/ daß der Kaͤyſer auf den Muraͤ- na nicht allzuviel traute; weil ſein Bruder Varro Muraͤna ſich mit dem Fannius Caͤpio wider ihn verſchworen hatte. Dieſemnach for- derte der Kaͤyſer Julien in eine Laubhuͤtte fuͤr ſich/ und fragte alſobald/ was ſie mit dem Lucius Muraͤna fuͤr vertraͤuliches Verſtaͤndnuͤß haͤtte? Dieſe/ welche ihr von nichts weniger/ als dem an den Muraͤna fuͤr laͤngſt geſchriebenen Brief- fe traͤumen ließ/ machte ihr die Beſchuldigung gantz fremde. Auguſtus legte ihr aber alſofort ihre eigene Hand fuͤr; woruͤber ſie zugleich blaß und ſtumm ward; alſofort aber dem Kaͤyſer zu Fuſſe fiel/ und/ daß ſie auf Muraͤnen ein Auge gehabt haͤtte/ zugeſtand. Auguſtus verbot ihr hierauf bey Straffe des Lebens alle Gemein- ſchafft mit dem Muraͤna/ verließ alſo Julien in enſerſter Beſtuͤrtzung/ und kehrte zu Livien zu- ruͤcke um mit ihr zu berathſchlagen/ wie ſolcher unzeitigen Liebe Juliens abzuhelffen waͤre. Livia/ welcher ihre luͤſterne Art allzu ſehr kundig war/ verſicherte den Kaͤyſer/ daß er von Julien noch groͤſſere Schwachheiten zu beſorgen haͤtte; da er ihrer Freyheit nicht einen Ruͤgel fuͤrſchie- ben wuͤrde. Denn die ſterblichen Menſchen waͤ- ren ſelten genungſam vorſichtig denen Begier- den zu gebieten/ welchen das Gluͤcke ſelbſt zu Ge- bote ſtuͤnde. Daher waͤre ihr Rath: Es ſolte Au- guſtus ſie aufs neue verheyrathen/ und alſo mit einem Hammer ſo wol ihre unzeitige Liebe ſtraf- fen/ als ihr ihr eigenes Gluͤcke ſchmieden. Au- guſtus gieng eine gute Weile im Garten voller Nach- E e e 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/457>, abgerufen am 22.11.2024.