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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welche nur der Alberen ihr Leitstern ist? Bist
du wol iemahls so einfältig gewest/ daß du ge-
glaubt/ ich hätte deinen Vater den Nero verlas-
sen/ weil ich den Augustus inbrünstiger als ihn
geliebet? Die inbrünstigste Liebe verlieret ihr
Wesen/ und verwandelt sich in eine Chimere/
welche mit der Zeit so gar aus dem Gedächtnüs-
se verschwindet/ wenn es um Ehre und Herr-
schafft zu thun ist. Kanst du sie aber nicht aus
dem Hertzen loß werden/ so dencke nur/ daß auch
ich dem Nero nicht gram worden sey/ als ich
gleich schon in dem Bette des Käysers geschlaf-
fen? Zwischen Liebe und Heyrath ist eine grosse
Klufft befestiget. Jene hat freylich ihr Absehn
auf Vergnügung/ diese aber aufs Aufnehmen.
Liebe diesemnach/ wie du wilst/ deine Vipsania/
aber ehliche Julien und mit ihr die Anwart-
schafft zum Käyserthume. Lasse Vipsania aus
deinem Hause/ aber nicht aus deinem Gemü-
the. Behalt den jungen Drusus und was sie
ferner gebähren wird/ zu deinem Kinde; wie ich
dich und den Drusus behalten habe. Gönne
endlich der eine Handvoll verstohlener Wollust/
die dir die Herrschafft der Welt zum Braut-
Schatze einbringt. Denn in Warheit diese
ist wichtiger als der eitele Wind aller verzweif-
felten Liebhaber/ und hat mehr Nachdruck/ als
alle scharffsinnige Einwendungen. Der be-
stürtzte Tiberius versetzte seiner Mutter: wie
kan ich mir einige Hoffnung zum Käyserthume
träumen lassen/ wenn ich durch meine unzeitige
Ehscheidung mir gantz Rom gehäßig mache?
Was Julius und August bey ihrer schon befe-
stigten Herrschafft gewagt/ läst sich von einem
Bür ger nicht nachthun/ der den höchsten Gipf-
fel zwar im Auge/ nicht aber in seinem Besitze
hat. Die Gesetze und Beyspiele stehen mir im
-Wege. Romulus erlaubt einem Manne sein
-Weib nur zu verstossen/ wenn sie die Eh gebro-
-chen/ den Kindern vergeben/ oder falsche
Schlüssel gebrauchet. Daher auch viel hun-
dert Jahr zu Rom von keiner Ehscheidung zu
[Spaltenumbruch] hören gewest wäre; biß Spurius Carbilius we-
gen Unfruchtbarkeit/ Publius Sempronius
wegen Anschauung der Begräbnüß-Spiele
sein Ehweib verstossen. Seine fruchtbare und
unschuldige Vipsania aber hätte das minste ver-
brochen. Bey welcher Beschaffenheit auch
Käyser Julius weder durch den Ehrgeitz verlei-
tet/ noch durch des Sylla Dräuungen hätte be-
wegt werden können/ seine liebste Cornelia des
Cnina Tochter zu verlassen. Und ob wohl
freylich unterschiedene mal einige aus liederli-
chen Ursachen ihre Weiber verstossen/ Cato sei-
ne aus Freundschafft dem Hortensius abgetre-
ten hätte; wäre doch dieser Mißbrauch vom
August selbst allererst nachdrücklich abgestellet
worden. Livia lachte nur zu des Tiberius Ein-
würffen/ und fragte: Ob er sich selbst nicht kenn-
te/ wer er wäre? Und ob er nicht verstünde/
wem die Gesetze geschrieben würden? Tibe-
rius aber antwortete: Es wäre dem Käyser und
ihm selbst daran gelegen/ daß auch die grossen
denen Gesetzen gehorsamten. Denn ein Fürst
büste all sein Ansehen ein/ wenn er das seinen
Befehlen angefügte Unrecht nicht rächen könte.
Er zeigte mit nichts mehr seine Schwäche/ als
wenn er den Verbrechern durch die Finger se-
he. Wenn aber die Gesetze zu Spinnweben
würden/ welche die Wespen und grossen Flie-
gen zerrissen; kehrte sie der Pöfel hernach gar
ab/ und trete nicht so wol sie/ als den Gesetzgeber
selbst mit Füssen. Livia ward hierüber nun-
mehr unwillig/ und fing mit einer ernsthafften
Verstellung an: Es ist der Klugheit nicht ge-
mäß über dem zu grübeln/ worinnen uns statt
der Wahl nur der Gehorsam übrig ist. Der
Gesetzgeber der Käyser will es einmahl so ha-
ben/ dessen Gewalt du kein Maaß setzen must;
wo du nicht deine künfftige verkleinerlich ein-
schrencken wilst. Tiberius wuste Livien hier-
auf nichts als tieffe Seufzer entgegen zu setzen;
endlich bat er/ ihm so viel Zeit zu erlauben/ daß
er seiner Vipsania Gemüthe einen so schweren

Stoß
E e e 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welche nur der Alberen ihr Leitſtern iſt? Biſt
du wol iemahls ſo einfaͤltig geweſt/ daß du ge-
glaubt/ ich haͤtte deinen Vater den Nero verlaſ-
ſen/ weil ich den Auguſtus inbruͤnſtiger als ihn
geliebet? Die inbruͤnſtigſte Liebe verlieret ihr
Weſen/ und verwandelt ſich in eine Chimere/
welche mit der Zeit ſo gar aus dem Gedaͤchtnuͤſ-
ſe verſchwindet/ wenn es um Ehre und Herr-
ſchafft zu thun iſt. Kanſt du ſie aber nicht aus
dem Hertzen loß werden/ ſo dencke nur/ daß auch
ich dem Nero nicht gram worden ſey/ als ich
gleich ſchon in dem Bette des Kaͤyſers geſchlaf-
fen? Zwiſchen Liebe und Heyrath iſt eine groſſe
Klufft befeſtiget. Jene hat freylich ihr Abſehn
auf Vergnuͤgung/ dieſe aber aufs Aufnehmen.
Liebe dieſemnach/ wie du wilſt/ deine Vipſania/
aber ehliche Julien und mit ihr die Anwart-
ſchafft zum Kaͤyſerthume. Laſſe Vipſania aus
deinem Hauſe/ aber nicht aus deinem Gemuͤ-
the. Behalt den jungen Druſus und was ſie
ferner gebaͤhren wird/ zu deinem Kinde; wie ich
dich und den Druſus behalten habe. Goͤnne
endlich der eine Handvoll verſtohlener Wolluſt/
die dir die Herrſchafft der Welt zum Braut-
Schatze einbringt. Denn in Warheit dieſe
iſt wichtiger als der eitele Wind aller verzweif-
felten Liebhaber/ und hat mehr Nachdruck/ als
alle ſcharffſinnige Einwendungen. Der be-
ſtuͤrtzte Tiberius verſetzte ſeiner Mutter: wie
kan ich mir einige Hoffnung zum Kaͤyſerthume
traͤumen laſſen/ wenn ich durch meine unzeitige
Ehſcheidung mir gantz Rom gehaͤßig mache?
Was Julius und Auguſt bey ihrer ſchon befe-
ſtigten Herrſchafft gewagt/ laͤſt ſich von einem
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fel zwar im Auge/ nicht aber in ſeinem Beſitze
hat. Die Geſetze und Beyſpiele ſtehen mir im
-Wege. Romulus erlaubt einem Manne ſein
-Weib nur zu verſtoſſen/ wenn ſie die Eh gebro-
-chen/ den Kindern vergeben/ oder falſche
Schluͤſſel gebrauchet. Daher auch viel hun-
dert Jahr zu Rom von keiner Ehſcheidung zu
[Spaltenumbruch] hoͤren geweſt waͤre; biß Spurius Carbilius we-
gen Unfruchtbarkeit/ Publius Sempronius
wegen Anſchauung der Begraͤbnuͤß-Spiele
ſein Ehweib verſtoſſen. Seine fruchtbare und
unſchuldige Vipſania aber haͤtte das minſte ver-
brochen. Bey welcher Beſchaffenheit auch
Kaͤyſer Julius weder durch den Ehrgeitz verlei-
tet/ noch durch des Sylla Draͤuungen haͤtte be-
wegt werden koͤnnen/ ſeine liebſte Cornelia des
Cnina Tochter zu verlaſſen. Und ob wohl
freylich unterſchiedene mal einige aus liederli-
chen Urſachen ihre Weiber verſtoſſen/ Cato ſei-
ne aus Freundſchafft dem Hortenſius abgetre-
ten haͤtte; waͤre doch dieſer Mißbrauch vom
Auguſt ſelbſt allererſt nachdruͤcklich abgeſtellet
worden. Livia lachte nur zu des Tiberius Ein-
wuͤrffen/ und fragte: Ob er ſich ſelbſt nicht kenn-
te/ wer er waͤre? Und ob er nicht verſtuͤnde/
wem die Geſetze geſchrieben wuͤrden? Tibe-
rius aber antwortete: Es waͤre dem Kaͤyſer und
ihm ſelbſt daran gelegen/ daß auch die groſſen
denen Geſetzen gehorſamten. Denn ein Fuͤrſt
buͤſte all ſein Anſehen ein/ wenn er das ſeinen
Befehlen angefuͤgte Unrecht nicht raͤchen koͤnte.
Er zeigte mit nichts mehr ſeine Schwaͤche/ als
wenn er den Verbrechern durch die Finger ſe-
he. Wenn aber die Geſetze zu Spinnweben
wuͤrden/ welche die Weſpen und groſſen Flie-
gen zerriſſen; kehrte ſie der Poͤfel hernach gar
ab/ und trete nicht ſo wol ſie/ als den Geſetzgeber
ſelbſt mit Fuͤſſen. Livia ward hieruͤber nun-
mehr unwillig/ und fing mit einer ernſthafften
Verſtellung an: Es iſt der Klugheit nicht ge-
maͤß uͤber dem zu gruͤbeln/ worinnen uns ſtatt
der Wahl nur der Gehorſam uͤbrig iſt. Der
Geſetzgeber der Kaͤyſer will es einmahl ſo ha-
ben/ deſſen Gewalt du kein Maaß ſetzen muſt;
wo du nicht deine kuͤnfftige verkleinerlich ein-
ſchrencken wilſt. Tiberius wuſte Livien hier-
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Stoß
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/459>, abgerufen am 22.11.2024.