Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ausreden konte/ sondern er ihr zu seiner Ver-
theidigung entgegen setzte: daß die Natur selbst
diese Gemüths-Regung billichte/ wenn sie die
in Mutterleibe noch befindliche Zwillinge
zweyerley Geschlechtes absonderlich in eine
Haut einhüllete und für einander bewahrte; Li-
via sich also zu Rom wegen Juliens ärgster Hän-
del/ und so gar eine Zerfallung des Tiberius mit
dem Käyser besorgte/ in dem doch der eiversüch-
tigen Rache die heftigste und schnelleste ist; und
deßhalben das Bild der Nemesis zu Smyrna
mit den Flügeln des Liebes-Gottes ausgerüstet
war/ so veranlast sie den Tiberius/ daß als er
gleich nach Rom kehrte/ und die Last des deut-
schen Krieges seinem Bruder Drusus überlassen
muste/ doch Julien unter dem Scheine förder-
samster Rückkehr bey dem Altare der Ubier zu-
rück ließ. Julia/ ob sie wol euserlich diese Ab-
sonderung schmertzlich empfand/ verlangte doch
im Hertzen ferne von ihm zu seyn; sonderlich/
weil des Drusus gegen ihr tief eingewurtzelte
Liebe durch diese beqveme Gelegenheit und bey
so unverdächtigem zusammen-seyn aufs neue
weiderum zum heftigsten entbrannte/ und so wol
der Eckel für dem gramhaftigen Tiberius/ als
die ihr allzu sehr versaltzene Genüssung des in
Syrien von dem Käyser ihrent wegen entfern-
ten Muräna ihre Liebe gegen dem holdseligen
Drusus vergrösserte/ und ihre vorige umschweif-
fende Zuneigungen nunmehr gleichsam in ei-
nen Mittelpunet zusammen drang; wo anders
nicht auch die gegen Antonien gesassete Rach gier/
weil sie nach eingezogener Nachricht vom Mu-
räna ihr die Zerstörung ihrer Liebe beymaß/ Ju-
lien reitzte ihren Drusus zu lieben/ um hierdurch
Antonien so viel mehr zu beleidigen. Also wird
die so heilsame Liebe mehrmals nicht nur zu einer
Larve der Herschsucht/ sondern auch zu einem
Dolche der Rachgier mißbraucht. Massen denn
Antonia dieses Verständnüß zwar merckte/ aber
weder ihren Eheherrn zu beschimpffen/ noch ih-
rer Nebenbuhler in Anlaß zu geben/ daß sie sich
noch mehr über ihrer Verschmehung kützeln
[Spaltenumbruch] könte/ vernünftig verstellte. Sintemal die Ei-
fersucht nur eine sinnreiche Erfindung sich selbst
zu qvälen/ und ein Wetzstein fremder Begierden
ist. Hierdurch aber richtete Antonia gleichwol
nichts anders aus/ als daß Julien gar nicht nach
Rom gelüstete/ sondern etliche Jahre/ und wor-
mit die Ursache so viel weniger mercklich war/
auch/ wenn Drusus im Winter nach Rom kehr-
te/ in Deutschland verharrete/ und in dem Bel-
gischen Gallien nicht weit vom Rheine ihrem
Gemahl zu Ehren die Stadt Tiberich/ ihr selbst
an der Ruhr die Stadt Julich erbaute; Hinge-
gen zohe Julia den lüsternen Drusus stärcker als
der Nordstern den Magnet an sich. Dahero er
auch als Bürgermeister den dritten Zug/ nicht so
wol wider die Deutschen/ als der unersättlichen
Julie zu genüssen/ fürnahm/ und sich keine wi-
drige Andeutungen/ noch des Augustus Wider-
rathungen abhalten ließ. Welcher den aus dem
Deutschen Kriege erwachsenden schlechten Vor-
theil/ aber mercklichen Verlust nunmehr zu ü-
berlegen anfing/ und daher diesen Krieg der Fi-
scherey mit dem güldenen Hamen vergliech/ in
der mehr zu verlieren/ als zu gewinnen wäre.
Sintemal die blinde Liebe so sehr in ihr Verder-
ben/ als die Motte in die sie zwar anlockende a-
ber verzehrende Flamme rennet.

Wie nun Drusus zu Mäyntz/ wo der Mäyn
in Rhein fällt/ ankam/ fand er die nach ihm lech-
sende Julia schon daselbst auf ihn wartend/ welche
ihn den Rhein hinab führte/ unter dem Schein
ihm ihre zwey neuangelegten Städte zu zeigen/
in der Warheit aber seiner Liebe viel länger und
freyer zu genüssen. Ja er baute zu Gelduba
am Rheine denen drey Heldinnen und der Lie-
be ein Heiligthum/ in welches er der Julie
Bildnüß setzte/ und ihr/ unter dem Scheine
solcher Gottheiten/ nach dem Beyspiele der
Spartaner opfferte; welche durch diesen Got-
tesdienst andeuteten/ daß man für Ergreiffung
der Waffen alle gütliche Mittel versuchen sol-
te. Drusus brauchte sich dieser wollü-

stigen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ausreden konte/ ſondern er ihr zu ſeiner Ver-
theidigung entgegen ſetzte: daß die Natur ſelbſt
dieſe Gemuͤths-Regung billichte/ wenn ſie die
in Mutterleibe noch befindliche Zwillinge
zweyerley Geſchlechtes abſonderlich in eine
Haut einhuͤllete und fuͤr einander bewahrte; Li-
via ſich alſo zu Rom wegen Juliens aͤrgſter Haͤn-
del/ und ſo gar eine Zerfallung des Tiberius mit
dem Kaͤyſer beſorgte/ in dem doch der eiverſuͤch-
tigen Rache die heftigſte und ſchnelleſte iſt; und
deßhalben das Bild der Nemeſis zu Smyrna
mit den Fluͤgeln des Liebes-Gottes ausgeruͤſtet
war/ ſo veranlaſt ſie den Tiberius/ daß als er
gleich nach Rom kehrte/ und die Laſt des deut-
ſchen Krieges ſeinem Bruder Druſus uͤberlaſſen
muſte/ doch Julien unter dem Scheine foͤrder-
ſamſter Ruͤckkehr bey dem Altare der Ubier zu-
ruͤck ließ. Julia/ ob ſie wol euſerlich dieſe Ab-
ſonderung ſchmertzlich empfand/ verlangte doch
im Hertzen ferne von ihm zu ſeyn; ſonderlich/
weil des Druſus gegen ihr tief eingewurtzelte
Liebe durch dieſe beqveme Gelegenheit und bey
ſo unverdaͤchtigem zuſammen-ſeyn aufs neue
weiderum zum heftigſten entbrannte/ und ſo wol
der Eckel fuͤr dem gramhaftigen Tiberius/ als
die ihr allzu ſehr verſaltzene Genuͤſſung des in
Syrien von dem Kaͤyſer ihrent wegen entfern-
ten Muraͤna ihre Liebe gegen dem holdſeligen
Druſus vergroͤſſeꝛte/ und ihre vorige umſchweif-
fende Zuneigungen nunmehr gleichſam in ei-
nen Mittelpunet zuſammen drang; wo anders
nicht auch die gegen Antonien geſaſſete Rach gieꝛ/
weil ſie nach eingezogener Nachricht vom Mu-
raͤna ihr die Zerſtoͤrung ihrer Liebe beymaß/ Ju-
lien reitzte ihren Druſus zu lieben/ um hierdurch
Antonien ſo viel mehr zu beleidigen. Alſo wird
die ſo heilſame Liebe mehrmals nicht nur zu eineꝛ
Larve der Herſchſucht/ ſondern auch zu einem
Dolche der Rachgier mißbraucht. Maſſen denn
Antonia dieſes Verſtaͤndnuͤß zwar merckte/ aber
weder ihren Eheherrn zu beſchimpffen/ noch ih-
rer Nebenbuhler in Anlaß zu geben/ daß ſie ſich
noch mehr uͤber ihrer Verſchmehung kuͤtzeln
[Spaltenumbruch] koͤnte/ vernuͤnftig verſtellte. Sintemal die Ei-
ferſucht nur eine ſinnreiche Erfindung ſich ſelbſt
zu qvaͤlen/ und ein Wetzſtein fremder Begierden
iſt. Hierdurch aber richtete Antonia gleichwol
nichts anders aus/ als daß Julien gar nicht nach
Rom geluͤſtete/ ſondern etliche Jahre/ und wor-
mit die Urſache ſo viel weniger mercklich war/
auch/ wenn Druſus im Winter nach Rom kehr-
te/ in Deutſchland verharrete/ und in dem Bel-
giſchen Gallien nicht weit vom Rheine ihrem
Gemahl zu Ehren die Stadt Tiberich/ ihr ſelbſt
an der Ruhr die Stadt Julich erbaute; Hinge-
gen zohe Julia den luͤſternen Druſus ſtaͤrcker als
der Nordſtern den Magnet an ſich. Dahero er
auch als Buͤrgermeiſter den dritten Zug/ nicht ſo
wol wider die Deutſchen/ als der unerſaͤttlichen
Julie zu genuͤſſen/ fuͤrnahm/ und ſich keine wi-
drige Andeutungen/ noch des Auguſtus Wider-
rathungen abhalten ließ. Welcher den aus dem
Deutſchen Kriege erwachſenden ſchlechten Vor-
theil/ aber mercklichen Verluſt nunmehr zu uͤ-
berlegen anfing/ und daher dieſen Krieg der Fi-
ſcherey mit dem guͤldenen Hamen vergliech/ in
der mehr zu verlieren/ als zu gewinnen waͤre.
Sintemal die blinde Liebe ſo ſehr in ihr Verder-
ben/ als die Motte in die ſie zwar anlockende a-
ber verzehrende Flamme rennet.

Wie nun Druſus zu Maͤyntz/ wo der Maͤyn
in Rhein faͤllt/ ankam/ fand er die nach ihm lech-
ſende Julia ſchon daſelbſt auf ihn waꝛtend/ welche
ihn den Rhein hinab fuͤhrte/ unter dem Schein
ihm ihre zwey neuangelegten Staͤdte zu zeigen/
in der Warheit aber ſeiner Liebe viel laͤnger und
freyer zu genuͤſſen. Ja er baute zu Gelduba
am Rheine denen drey Heldinnen und der Lie-
be ein Heiligthum/ in welches er der Julie
Bildnuͤß ſetzte/ und ihr/ unter dem Scheine
ſolcher Gottheiten/ nach dem Beyſpiele der
Spartaner opfferte; welche durch dieſen Got-
tesdienſt andeuteten/ daß man fuͤr Ergreiffung
der Waffen alle guͤtliche Mittel verſuchen ſol-
te. Druſus brauchte ſich dieſer wolluͤ-

ſtigen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0461" n="407"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
ausreden konte/ &#x017F;ondern er ihr zu &#x017F;einer Ver-<lb/>
theidigung entgegen &#x017F;etzte: daß die Natur &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e Gemu&#x0364;ths-Regung billichte/ wenn &#x017F;ie die<lb/>
in Mutterleibe noch befindliche Zwillinge<lb/>
zweyerley Ge&#x017F;chlechtes ab&#x017F;onderlich in eine<lb/>
Haut einhu&#x0364;llete und fu&#x0364;r einander bewahrte; Li-<lb/>
via &#x017F;ich al&#x017F;o zu Rom wegen Juliens a&#x0364;rg&#x017F;ter Ha&#x0364;n-<lb/>
del/ und &#x017F;o gar eine Zerfallung des Tiberius mit<lb/>
dem Ka&#x0364;y&#x017F;er be&#x017F;orgte/ in dem doch der eiver&#x017F;u&#x0364;ch-<lb/>
tigen Rache die heftig&#x017F;te und &#x017F;chnelle&#x017F;te i&#x017F;t; und<lb/>
deßhalben das Bild der Neme&#x017F;is zu Smyrna<lb/>
mit den Flu&#x0364;geln des Liebes-Gottes ausgeru&#x0364;&#x017F;tet<lb/>
war/ &#x017F;o veranla&#x017F;t &#x017F;ie den Tiberius/ daß als er<lb/>
gleich nach Rom kehrte/ und die La&#x017F;t des deut-<lb/>
&#x017F;chen Krieges &#x017F;einem Bruder Dru&#x017F;us u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mu&#x017F;te/ doch Julien unter dem Scheine fo&#x0364;rder-<lb/>
&#x017F;am&#x017F;ter Ru&#x0364;ckkehr bey dem Altare der Ubier zu-<lb/>
ru&#x0364;ck ließ. Julia/ ob &#x017F;ie wol eu&#x017F;erlich die&#x017F;e Ab-<lb/>
&#x017F;onderung &#x017F;chmertzlich empfand/ verlangte doch<lb/>
im Hertzen ferne von ihm zu &#x017F;eyn; &#x017F;onderlich/<lb/>
weil des Dru&#x017F;us gegen ihr tief eingewurtzelte<lb/>
Liebe durch die&#x017F;e beqveme Gelegenheit und bey<lb/>
&#x017F;o unverda&#x0364;chtigem zu&#x017F;ammen-&#x017F;eyn aufs neue<lb/>
weiderum zum heftig&#x017F;ten entbrannte/ und &#x017F;o wol<lb/>
der Eckel fu&#x0364;r dem gramhaftigen Tiberius/ als<lb/>
die ihr allzu &#x017F;ehr ver&#x017F;altzene Genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung des in<lb/>
Syrien von dem Ka&#x0364;y&#x017F;er ihrent wegen entfern-<lb/>
ten Mura&#x0364;na ihre Liebe gegen dem hold&#x017F;eligen<lb/>
Dru&#x017F;us vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#xA75B;te/ und ihre vorige um&#x017F;chweif-<lb/>
fende Zuneigungen nunmehr gleich&#x017F;am in ei-<lb/>
nen Mittelpunet zu&#x017F;ammen drang; wo anders<lb/>
nicht auch die gegen Antonien ge&#x017F;a&#x017F;&#x017F;ete Rach gie&#xA75B;/<lb/>
weil &#x017F;ie nach eingezogener Nachricht vom Mu-<lb/>
ra&#x0364;na ihr die Zer&#x017F;to&#x0364;rung ihrer Liebe beymaß/ Ju-<lb/>
lien reitzte ihren Dru&#x017F;us zu lieben/ um hierdurch<lb/>
Antonien &#x017F;o viel mehr zu beleidigen. Al&#x017F;o wird<lb/>
die &#x017F;o heil&#x017F;ame Liebe mehrmals nicht nur zu eine&#xA75B;<lb/>
Larve der Her&#x017F;ch&#x017F;ucht/ &#x017F;ondern auch zu einem<lb/>
Dolche der Rachgier mißbraucht. Ma&#x017F;&#x017F;en denn<lb/>
Antonia die&#x017F;es Ver&#x017F;ta&#x0364;ndnu&#x0364;ß zwar merckte/ aber<lb/>
weder ihren Eheherrn zu be&#x017F;chimpffen/ noch ih-<lb/>
rer Nebenbuhler in Anlaß zu geben/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
noch mehr u&#x0364;ber ihrer Ver&#x017F;chmehung ku&#x0364;tzeln<lb/><cb/>
ko&#x0364;nte/ vernu&#x0364;nftig ver&#x017F;tellte. Sintemal die Ei-<lb/>
fer&#x017F;ucht nur eine &#x017F;innreiche Erfindung &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu qva&#x0364;len/ und ein Wetz&#x017F;tein fremder Begierden<lb/>
i&#x017F;t. Hierdurch aber richtete Antonia gleichwol<lb/>
nichts anders aus/ als daß Julien gar nicht nach<lb/>
Rom gelu&#x0364;&#x017F;tete/ &#x017F;ondern etliche Jahre/ und wor-<lb/>
mit die Ur&#x017F;ache &#x017F;o viel weniger mercklich war/<lb/>
auch/ wenn Dru&#x017F;us im Winter nach Rom kehr-<lb/>
te/ in Deut&#x017F;chland verharrete/ und in dem Bel-<lb/>
gi&#x017F;chen Gallien nicht weit vom Rheine ihrem<lb/>
Gemahl zu Ehren die Stadt Tiberich/ ihr &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
an der Ruhr die Stadt Julich erbaute; Hinge-<lb/>
gen zohe Julia den lu&#x0364;&#x017F;ternen Dru&#x017F;us &#x017F;ta&#x0364;rcker als<lb/>
der Nord&#x017F;tern den Magnet an &#x017F;ich. Dahero er<lb/>
auch als Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter den dritten Zug/ nicht &#x017F;o<lb/>
wol wider die Deut&#x017F;chen/ als der uner&#x017F;a&#x0364;ttlichen<lb/>
Julie zu genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ fu&#x0364;rnahm/ und &#x017F;ich keine wi-<lb/>
drige Andeutungen/ noch des Augu&#x017F;tus Wider-<lb/>
rathungen abhalten ließ. Welcher den aus dem<lb/>
Deut&#x017F;chen Kriege erwach&#x017F;enden &#x017F;chlechten Vor-<lb/>
theil/ aber mercklichen Verlu&#x017F;t nunmehr zu u&#x0364;-<lb/>
berlegen anfing/ und daher die&#x017F;en Krieg der Fi-<lb/>
&#x017F;cherey mit dem gu&#x0364;ldenen Hamen vergliech/ in<lb/>
der mehr zu verlieren/ als zu gewinnen wa&#x0364;re.<lb/>
Sintemal die blinde Liebe &#x017F;o &#x017F;ehr in ihr Verder-<lb/>
ben/ als die Motte in die &#x017F;ie zwar anlockende a-<lb/>
ber verzehrende Flamme rennet.</p><lb/>
          <p>Wie nun Dru&#x017F;us zu Ma&#x0364;yntz/ wo der Ma&#x0364;yn<lb/>
in Rhein fa&#x0364;llt/ ankam/ fand er die nach ihm lech-<lb/>
&#x017F;ende Julia &#x017F;chon da&#x017F;elb&#x017F;t auf ihn wa&#xA75B;tend/ welche<lb/>
ihn den Rhein hinab fu&#x0364;hrte/ unter dem Schein<lb/>
ihm ihre zwey neuangelegten Sta&#x0364;dte zu zeigen/<lb/>
in der Warheit aber &#x017F;einer Liebe viel la&#x0364;nger und<lb/>
freyer zu genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ja er baute zu Gelduba<lb/>
am Rheine denen drey Heldinnen und der Lie-<lb/>
be ein Heiligthum/ in welches er der Julie<lb/>
Bildnu&#x0364;ß &#x017F;etzte/ und ihr/ unter dem Scheine<lb/>
&#x017F;olcher Gottheiten/ nach dem Bey&#x017F;piele der<lb/>
Spartaner opfferte; welche durch die&#x017F;en Got-<lb/>
tesdien&#x017F;t andeuteten/ daß man fu&#x0364;r Ergreiffung<lb/>
der Waffen alle gu&#x0364;tliche Mittel ver&#x017F;uchen &#x017F;ol-<lb/>
te. Dru&#x017F;us brauchte &#x017F;ich die&#x017F;er wollu&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tigen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0461] Arminius und Thußnelda. ausreden konte/ ſondern er ihr zu ſeiner Ver- theidigung entgegen ſetzte: daß die Natur ſelbſt dieſe Gemuͤths-Regung billichte/ wenn ſie die in Mutterleibe noch befindliche Zwillinge zweyerley Geſchlechtes abſonderlich in eine Haut einhuͤllete und fuͤr einander bewahrte; Li- via ſich alſo zu Rom wegen Juliens aͤrgſter Haͤn- del/ und ſo gar eine Zerfallung des Tiberius mit dem Kaͤyſer beſorgte/ in dem doch der eiverſuͤch- tigen Rache die heftigſte und ſchnelleſte iſt; und deßhalben das Bild der Nemeſis zu Smyrna mit den Fluͤgeln des Liebes-Gottes ausgeruͤſtet war/ ſo veranlaſt ſie den Tiberius/ daß als er gleich nach Rom kehrte/ und die Laſt des deut- ſchen Krieges ſeinem Bruder Druſus uͤberlaſſen muſte/ doch Julien unter dem Scheine foͤrder- ſamſter Ruͤckkehr bey dem Altare der Ubier zu- ruͤck ließ. Julia/ ob ſie wol euſerlich dieſe Ab- ſonderung ſchmertzlich empfand/ verlangte doch im Hertzen ferne von ihm zu ſeyn; ſonderlich/ weil des Druſus gegen ihr tief eingewurtzelte Liebe durch dieſe beqveme Gelegenheit und bey ſo unverdaͤchtigem zuſammen-ſeyn aufs neue weiderum zum heftigſten entbrannte/ und ſo wol der Eckel fuͤr dem gramhaftigen Tiberius/ als die ihr allzu ſehr verſaltzene Genuͤſſung des in Syrien von dem Kaͤyſer ihrent wegen entfern- ten Muraͤna ihre Liebe gegen dem holdſeligen Druſus vergroͤſſeꝛte/ und ihre vorige umſchweif- fende Zuneigungen nunmehr gleichſam in ei- nen Mittelpunet zuſammen drang; wo anders nicht auch die gegen Antonien geſaſſete Rach gieꝛ/ weil ſie nach eingezogener Nachricht vom Mu- raͤna ihr die Zerſtoͤrung ihrer Liebe beymaß/ Ju- lien reitzte ihren Druſus zu lieben/ um hierdurch Antonien ſo viel mehr zu beleidigen. Alſo wird die ſo heilſame Liebe mehrmals nicht nur zu eineꝛ Larve der Herſchſucht/ ſondern auch zu einem Dolche der Rachgier mißbraucht. Maſſen denn Antonia dieſes Verſtaͤndnuͤß zwar merckte/ aber weder ihren Eheherrn zu beſchimpffen/ noch ih- rer Nebenbuhler in Anlaß zu geben/ daß ſie ſich noch mehr uͤber ihrer Verſchmehung kuͤtzeln koͤnte/ vernuͤnftig verſtellte. Sintemal die Ei- ferſucht nur eine ſinnreiche Erfindung ſich ſelbſt zu qvaͤlen/ und ein Wetzſtein fremder Begierden iſt. Hierdurch aber richtete Antonia gleichwol nichts anders aus/ als daß Julien gar nicht nach Rom geluͤſtete/ ſondern etliche Jahre/ und wor- mit die Urſache ſo viel weniger mercklich war/ auch/ wenn Druſus im Winter nach Rom kehr- te/ in Deutſchland verharrete/ und in dem Bel- giſchen Gallien nicht weit vom Rheine ihrem Gemahl zu Ehren die Stadt Tiberich/ ihr ſelbſt an der Ruhr die Stadt Julich erbaute; Hinge- gen zohe Julia den luͤſternen Druſus ſtaͤrcker als der Nordſtern den Magnet an ſich. Dahero er auch als Buͤrgermeiſter den dritten Zug/ nicht ſo wol wider die Deutſchen/ als der unerſaͤttlichen Julie zu genuͤſſen/ fuͤrnahm/ und ſich keine wi- drige Andeutungen/ noch des Auguſtus Wider- rathungen abhalten ließ. Welcher den aus dem Deutſchen Kriege erwachſenden ſchlechten Vor- theil/ aber mercklichen Verluſt nunmehr zu uͤ- berlegen anfing/ und daher dieſen Krieg der Fi- ſcherey mit dem guͤldenen Hamen vergliech/ in der mehr zu verlieren/ als zu gewinnen waͤre. Sintemal die blinde Liebe ſo ſehr in ihr Verder- ben/ als die Motte in die ſie zwar anlockende a- ber verzehrende Flamme rennet. Wie nun Druſus zu Maͤyntz/ wo der Maͤyn in Rhein faͤllt/ ankam/ fand er die nach ihm lech- ſende Julia ſchon daſelbſt auf ihn waꝛtend/ welche ihn den Rhein hinab fuͤhrte/ unter dem Schein ihm ihre zwey neuangelegten Staͤdte zu zeigen/ in der Warheit aber ſeiner Liebe viel laͤnger und freyer zu genuͤſſen. Ja er baute zu Gelduba am Rheine denen drey Heldinnen und der Lie- be ein Heiligthum/ in welches er der Julie Bildnuͤß ſetzte/ und ihr/ unter dem Scheine ſolcher Gottheiten/ nach dem Beyſpiele der Spartaner opfferte; welche durch dieſen Got- tesdienſt andeuteten/ daß man fuͤr Ergreiffung der Waffen alle guͤtliche Mittel verſuchen ſol- te. Druſus brauchte ſich dieſer wolluͤ- ſtigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/461
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/461>, abgerufen am 22.11.2024.