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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wolten/ ein wenig auszurasten gedachte/ und
umwechselungsweise die Pferde auszäumen zu
lassen gezwungen ward. Denn ob es zwar so
stockfinster war/ daß die Cheruster einander
mehrmahls in die Augen griffen/ und einander
übern Hauffen rennten/ und den Weg mit den
Händen erkiesen musten; so erleuchtete doch das
in dem Hertzen des Feldherrn brennende Feuer
der Liebe seine Augen/ daß er ihm einbildete nicht
weniger/ als gewisse Thiere auch im finstern zu
sehen. Sintemal so wol diese scharffsichtige Ge-
müths-Regung/ als die Seele selbst in den Au-
gen ihren fürnehmsten Sitz hat. Nach Mitter-
nacht sagte ihm seine Vorwache an/ daß sie von
ferne ein Gethöne der Waffen/ ein Geräu-
sche der Pferde/ und Geschrey streitender Leute
hörten. Diese Nachricht brachte alsofort ie-
derman zu Pferde/ und der Feldherr befahl/ daß
man alsobald mehr Kühn-Fackeln anzünden/
und ieglicher sich hertzhafft zu fechten fertig ma-
chen solte; Adgandester muste auch mit seinem
Vortrabe alsobald sich gegen solchem Getüm-
mel nähern/ welches/ weil es nicht vorwerts/ son-
dern auff der lincken Seite zu seyn schien/ mit
grossem Ungemach geschach/ weil sie durch un-
terschiedene Moräste/ und einen dicken Kiefer-
und Tannen-Wald sich durcharbeiten musten.
Das sich ihnen immer ie länger ie mehr nähern-
de Gethöne machte sie so vielmehr begieriger
ihr Handgemenge darbey zu haben. Endlich er-
reichten sie bey beginnender Tagung den Kampf-
Platz/ welches ebenfals eine sumpffichte und zum
Treffen ungeschickte Wiese war; daher auch die
meisten von den Pferden abgestiegen waren/ und
zu Fusse kämpfften. Der erste Anblick zeugte
alsobald aus der Tracht/ daß die Cheruster und
ein Theil Catten unter dem Hertzog Jubil/
mit denen Marckmännern und langbärtichten
Einwohnern der zwischen der Elbe und der
Spreu gesessenen Völcker einander in Haaren
waren. Dieser ihre Menge war auch jenen
wenigern weit überlegen; dahero sie sich auch
[Spaltenumbruch] zu ihrer Gegenwehr nur der vortheilhafftigen
Enge an dem Walde bedienen muste. Die An-
kunfft des Feldherrn aber änderte alsbald die
Beschaffenheit des Treffens/ als er und die zwey
andern Fürsten mit ihrem Hauffen dem Feinde
großmüthig in die Seite fielen. So bald Her-
tzog Jubil dieser Hülffe wahrnahm/ drang er sich
zu dem Feldherrn durch/ ihm vermeldende: Es
wäre nicht rathsam/ daß sie ins gesamt hier im
Gefechte bleiben solten. Denn König Maro-
bod und Segesthes hätten bey verspürter Ver-
folgung nur diesen verlohrnen Hauffen um sie
auffzuhalten/ und inzwischen mit ihrer reichen
Beute zu entwischen am Rücken gelassen. Also
wäre am rathsamsten hier nur so viel Volck/
welches dem Feinde an einem so engen Orte zur
Noth gewachsen wäre/ zu lassen. Sie aber mü-
sten mit dem kerne ihres Volckes dem Haupt-
Feinde in Eisen liegen. Der Feldherr lobte
diesen Rath; Befahl daher dem Fürsten Adgan-
dester/ daß er nebst Malovenden allhier dem
Feinde begegnen solte. Er aber und alle an-
dere Fürsten lenckten mit tausend Pferden recht-
wärts/ schnitten also diesen feindlichen Hauffen
vom Könige Marobod und Segesthes ab. Ge-
gen den Mittag holten sie ihren desthalben gantz
unvermutheten Feind ein/ welcher auch desthal-
ben/ ausser einer mit fünffhundert Pferden be-
stellter Wache/ in einem anmuthigen Thale
ausruhete. Der Anfall der Wache brachte
alsbald alles feindliche Kriegsvolck in Lermen;
allein/ weil die Cheruster/ um desto grösseres
Schrecken zu machen/ an vier Orten angriffen/
und gegen einem unversehenen Feinde zweyfa-
che Mannschafft nicht zu stehen vermag/ konten
die Marckmänner und Langbärte sich unmög-
lich aus ihrer Unordnung verwickeln/ und daher
hatten die Cheruster mehr zu metzgen als zu fech-
ten. Zumahl die Gerechtigkeit der Sache den
für sie kämpffenden noch ein Hertze macht/ dem
ihm übel bewusten aber die Helffte nimmet. Der
Feldherr hatte auch das Glücke von einem Hü-

gel

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wolten/ ein wenig auszuraſten gedachte/ und
umwechſelungsweiſe die Pferde auszaͤumen zu
laſſen gezwungen ward. Denn ob es zwar ſo
ſtockfinſter war/ daß die Cheruſter einander
mehrmahls in die Augen griffen/ und einander
uͤbern Hauffen rennten/ und den Weg mit den
Haͤnden erkieſen muſten; ſo erleuchtete doch das
in dem Hertzen des Feldherrn brennende Feuer
der Liebe ſeine Augen/ daß er ihm einbildete nicht
weniger/ als gewiſſe Thiere auch im finſtern zu
ſehen. Sintemal ſo wol dieſe ſcharffſichtige Ge-
muͤths-Regung/ als die Seele ſelbſt in den Au-
gen ihren fuͤrnehmſten Sitz hat. Nach Mitter-
nacht ſagte ihm ſeine Vorwache an/ daß ſie von
ferne ein Gethoͤne der Waffen/ ein Geraͤu-
ſche der Pferde/ und Geſchrey ſtreitender Leute
hoͤrten. Dieſe Nachricht brachte alſofort ie-
derman zu Pferde/ und der Feldherr befahl/ daß
man alſobald mehr Kuͤhn-Fackeln anzuͤnden/
und ieglicher ſich hertzhafft zu fechten fertig ma-
chen ſolte; Adgandeſter muſte auch mit ſeinem
Vortrabe alſobald ſich gegen ſolchem Getuͤm-
mel naͤhern/ welches/ weil es nicht vorwerts/ ſon-
dern auff der lincken Seite zu ſeyn ſchien/ mit
groſſem Ungemach geſchach/ weil ſie durch un-
terſchiedene Moraͤſte/ und einen dicken Kiefer-
und Tannen-Wald ſich durcharbeiten muſten.
Das ſich ihnen immer ie laͤnger ie mehr naͤhern-
de Gethoͤne machte ſie ſo vielmehr begieriger
ihr Handgemenge darbey zu haben. Endlich er-
reichten ſie bey begiñender Tagung den Kampf-
Platz/ welches ebenfals eine ſumpffichte und zum
Treffen ungeſchickte Wieſe war; daher auch die
meiſten von den Pferden abgeſtiegen waren/ und
zu Fuſſe kaͤmpfften. Der erſte Anblick zeugte
alſobald aus der Tracht/ daß die Cheruſter und
ein Theil Catten unter dem Hertzog Jubil/
mit denen Marckmaͤnnern und langbaͤrtichten
Einwohnern der zwiſchen der Elbe und der
Spreu geſeſſenen Voͤlcker einander in Haaren
waren. Dieſer ihre Menge war auch jenen
wenigern weit uͤberlegen; dahero ſie ſich auch
[Spaltenumbruch] zu ihrer Gegenwehr nur der vortheilhafftigen
Enge an dem Walde bedienen muſte. Die An-
kunfft des Feldherrn aber aͤnderte alsbald die
Beſchaffenheit des Treffens/ als er und die zwey
andern Fuͤrſten mit ihrem Hauffen dem Feinde
großmuͤthig in die Seite fielen. So bald Her-
tzog Jubil dieſer Huͤlffe wahrnahm/ drang er ſich
zu dem Feldherrn durch/ ihm vermeldende: Es
waͤre nicht rathſam/ daß ſie ins geſamt hier im
Gefechte bleiben ſolten. Denn Koͤnig Maro-
bod und Segeſthes haͤtten bey verſpuͤrter Ver-
folgung nur dieſen verlohrnen Hauffen um ſie
auffzuhalten/ und inzwiſchen mit ihrer reichen
Beute zu entwiſchen am Ruͤcken gelaſſen. Alſo
waͤre am rathſamſten hier nur ſo viel Volck/
welches dem Feinde an einem ſo engen Orte zur
Noth gewachſen waͤre/ zu laſſen. Sie aber muͤ-
ſten mit dem kerne ihres Volckes dem Haupt-
Feinde in Eiſen liegen. Der Feldherr lobte
dieſen Rath; Befahl daher dem Fuͤrſten Adgan-
deſter/ daß er nebſt Malovenden allhier dem
Feinde begegnen ſolte. Er aber und alle an-
dere Fuͤrſten lenckten mit tauſend Pferden recht-
waͤrts/ ſchnitten alſo dieſen feindlichen Hauffen
vom Koͤnige Marobod und Segeſthes ab. Ge-
gen den Mittag holten ſie ihren deſthalben gantz
unvermutheten Feind ein/ welcher auch deſthal-
ben/ auſſer einer mit fuͤnffhundert Pferden be-
ſtellter Wache/ in einem anmuthigen Thale
ausruhete. Der Anfall der Wache brachte
alsbald alles feindliche Kriegsvolck in Lermen;
allein/ weil die Cheruſter/ um deſto groͤſſeres
Schrecken zu machen/ an vier Orten angriffen/
und gegen einem unverſehenen Feinde zweyfa-
che Mannſchafft nicht zu ſtehen vermag/ konten
die Marckmaͤnner und Langbaͤrte ſich unmoͤg-
lich aus ihrer Unordnung verwickeln/ und daher
hatten die Cheruſter mehr zu metzgen als zu fech-
ten. Zumahl die Gerechtigkeit der Sache den
fuͤr ſie kaͤmpffenden noch ein Hertze macht/ dem
ihm uͤbel bewuſten aber die Helffte nimmet. Der
Feldherr hatte auch das Gluͤcke von einem Huͤ-

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[423/0477] Arminius und Thußnelda. wolten/ ein wenig auszuraſten gedachte/ und umwechſelungsweiſe die Pferde auszaͤumen zu laſſen gezwungen ward. Denn ob es zwar ſo ſtockfinſter war/ daß die Cheruſter einander mehrmahls in die Augen griffen/ und einander uͤbern Hauffen rennten/ und den Weg mit den Haͤnden erkieſen muſten; ſo erleuchtete doch das in dem Hertzen des Feldherrn brennende Feuer der Liebe ſeine Augen/ daß er ihm einbildete nicht weniger/ als gewiſſe Thiere auch im finſtern zu ſehen. Sintemal ſo wol dieſe ſcharffſichtige Ge- muͤths-Regung/ als die Seele ſelbſt in den Au- gen ihren fuͤrnehmſten Sitz hat. Nach Mitter- nacht ſagte ihm ſeine Vorwache an/ daß ſie von ferne ein Gethoͤne der Waffen/ ein Geraͤu- ſche der Pferde/ und Geſchrey ſtreitender Leute hoͤrten. Dieſe Nachricht brachte alſofort ie- derman zu Pferde/ und der Feldherr befahl/ daß man alſobald mehr Kuͤhn-Fackeln anzuͤnden/ und ieglicher ſich hertzhafft zu fechten fertig ma- chen ſolte; Adgandeſter muſte auch mit ſeinem Vortrabe alſobald ſich gegen ſolchem Getuͤm- mel naͤhern/ welches/ weil es nicht vorwerts/ ſon- dern auff der lincken Seite zu ſeyn ſchien/ mit groſſem Ungemach geſchach/ weil ſie durch un- terſchiedene Moraͤſte/ und einen dicken Kiefer- und Tannen-Wald ſich durcharbeiten muſten. Das ſich ihnen immer ie laͤnger ie mehr naͤhern- de Gethoͤne machte ſie ſo vielmehr begieriger ihr Handgemenge darbey zu haben. Endlich er- reichten ſie bey begiñender Tagung den Kampf- Platz/ welches ebenfals eine ſumpffichte und zum Treffen ungeſchickte Wieſe war; daher auch die meiſten von den Pferden abgeſtiegen waren/ und zu Fuſſe kaͤmpfften. Der erſte Anblick zeugte alſobald aus der Tracht/ daß die Cheruſter und ein Theil Catten unter dem Hertzog Jubil/ mit denen Marckmaͤnnern und langbaͤrtichten Einwohnern der zwiſchen der Elbe und der Spreu geſeſſenen Voͤlcker einander in Haaren waren. Dieſer ihre Menge war auch jenen wenigern weit uͤberlegen; dahero ſie ſich auch zu ihrer Gegenwehr nur der vortheilhafftigen Enge an dem Walde bedienen muſte. Die An- kunfft des Feldherrn aber aͤnderte alsbald die Beſchaffenheit des Treffens/ als er und die zwey andern Fuͤrſten mit ihrem Hauffen dem Feinde großmuͤthig in die Seite fielen. So bald Her- tzog Jubil dieſer Huͤlffe wahrnahm/ drang er ſich zu dem Feldherrn durch/ ihm vermeldende: Es waͤre nicht rathſam/ daß ſie ins geſamt hier im Gefechte bleiben ſolten. Denn Koͤnig Maro- bod und Segeſthes haͤtten bey verſpuͤrter Ver- folgung nur dieſen verlohrnen Hauffen um ſie auffzuhalten/ und inzwiſchen mit ihrer reichen Beute zu entwiſchen am Ruͤcken gelaſſen. Alſo waͤre am rathſamſten hier nur ſo viel Volck/ welches dem Feinde an einem ſo engen Orte zur Noth gewachſen waͤre/ zu laſſen. Sie aber muͤ- ſten mit dem kerne ihres Volckes dem Haupt- Feinde in Eiſen liegen. Der Feldherr lobte dieſen Rath; Befahl daher dem Fuͤrſten Adgan- deſter/ daß er nebſt Malovenden allhier dem Feinde begegnen ſolte. Er aber und alle an- dere Fuͤrſten lenckten mit tauſend Pferden recht- waͤrts/ ſchnitten alſo dieſen feindlichen Hauffen vom Koͤnige Marobod und Segeſthes ab. Ge- gen den Mittag holten ſie ihren deſthalben gantz unvermutheten Feind ein/ welcher auch deſthal- ben/ auſſer einer mit fuͤnffhundert Pferden be- ſtellter Wache/ in einem anmuthigen Thale ausruhete. Der Anfall der Wache brachte alsbald alles feindliche Kriegsvolck in Lermen; allein/ weil die Cheruſter/ um deſto groͤſſeres Schrecken zu machen/ an vier Orten angriffen/ und gegen einem unverſehenen Feinde zweyfa- che Mannſchafft nicht zu ſtehen vermag/ konten die Marckmaͤnner und Langbaͤrte ſich unmoͤg- lich aus ihrer Unordnung verwickeln/ und daher hatten die Cheruſter mehr zu metzgen als zu fech- ten. Zumahl die Gerechtigkeit der Sache den fuͤr ſie kaͤmpffenden noch ein Hertze macht/ dem ihm uͤbel bewuſten aber die Helffte nimmet. Der Feldherr hatte auch das Gluͤcke von einem Huͤ- gel

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/477>, abgerufen am 22.11.2024.