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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gel eine Sänffte zu erblicken/ in welcher er seine
himmlische Thußnelde eingekerckert zu seyn ihm
einbildete. Daher machte er mit seinem
Schwerdte/ als einem unauffhörlichen Blitze
durch Niederschlagung alles dessen/ was sich ge-
gen ihm setzte/ einen Weg dahin; kam auch also
nahe/ daß er Thußnelden sein einiges Kleinod
dieser Welt mit ihren thränenden Augen er-
blickte. Hierüber gerieth er gantz ausser sich;
indem eines Liebenden Seele mehr in dem ist/
was sie liebet als was sie beseelet; also/ daß ob
wohl König Marobod und Segesthes in Person
mit fünff hundert auffs beste gewaffneten Edel-
leuten alldar in Bereitschafft standen/ er doch sich
für allem seinem Volcke herfür brach/ und den
Marobod als ein wütender Löw anfiel. Die
Schwerdter waren nicht zu zehlen/ die über ihn
gezückt wurden/ welche auch sein Pferd deroge-
stalt verletzten/ daß er selbst aus dem Sattel sprin-
gen/ und sich zu Fuße beschirmen muste. Aber
was konten zwey Armen gegen tausend ausrich-
ten? Denn ob er schon fast mit iedem Schlage
einen Feind seiner rachgierigen Liebe auffopf-
ferte/ ward er doch/ nach dem die Seinigen ihn
gantz aus dem Gesichte verlohren hatten/ über-
mannet/ zu Bodem getreten/ und auff Maro-
bods Befehl gefangen. Der verdammte/ und aus
Hertzog Herrmanns blosser Gnade nur noch le-
bende Segesthes ward durch seine Rache auch so
ferne verleitet/ daß er ihm selbst eine Kette an den
Hals warff/ und ihn als einen Knecht fortschlep-
pen ließ. Diese Schmach erblickte die vorhin
weinende/ itzt aber wütende Fürstin Thußnelde;
welche von ihrem Herrmann so wenig als die
Turtel-Taube von ihren Eyern/ kein Auge ver-
wendet/ sondern durch ihre Strahlen sein Glü-
cke aus zubrüten vermeinet hatte/ nunmehr aber
alle Feinde mit ihren Augen erstechen wolte.
Daher sprang sie als eine ihrer Jungen beraub-
te Bärin aus der Sänffte/ riß einem derer sie
verwahrenden Longobarder den Degen aus/
und ob sie wohl ungewaffnet/ ja mit hinderli-
[Spaltenumbruch] chen Frauen-Kleidern angelegt war/ versetzte
sie doch zweyen Marckmännern von denen/ die
den Feld-Herrn gebunden hielten/ ehe sich ie-
mand dessen versahe/ zwey so grimmige Strei-
che/ daß sie todt zur Erden fielen. Die übri-
gen geriethen hierdurch in Schrecken und
Flucht/ weil sie Thußnelden mehr für eine
Kriegs-Göttin/ als ein sterbliches Frauen zim-
mer ansahen. Hiermit riß sie dem Feldherrn
die unwürdige Last der Kette vom Halse/ der
sich denn Augenblicks mit dem Schilde und
Degen eines Erschlagenen waffnete; Und weil
er diese Bestrickung für die gröste Schmach sei-
nes Lebens hielt/ solche mit einem häuffigen
Strome feindliches Blutes auszuleschen alle
Leibes-Kräfften anwendete. Denn Liebe und
Rache hatten ohne diß vorher sein Gemüthe
auffs eusserste angestecket. Die großmüthige/
und numehr gleichsam aufs neue lebende Thuß-
nelde bemühete sich ihrem gewiedmeten Helden
alle Streiche nachzuthun/ und schlug auff die
bey dem Marobod fechtenden Marckmänner ge-
trost loß/ welche darum so viel mehr ausrichtete/
weil Marobod diß wahrnehmende den seini-
gen bey Leibes-Straffe verbot/ sie nur wieder
zu fangen/ nicht zu verwunden. Es ist un-
möglich zu beschreiben/ was diese zwey Hel-
den gegen die grosse Menge ihrer Feinde für
Thaten ausübten. Jnzwischen aber hatte
Fürst Rhemetalces und die ihm zugegebenen
Cheruster die Gefahr und den Nothstand des
Feld-Herrn wahrgenommen/ und also ih-
nen mit Blut und Leichen den Weg zu sei-
ner Errettung gebähnet; Ja endlich drang der
Ritter Horn harte an ihn/ sprang vom Pferde/
wormit sich Hertzog Herrmann dessen bedienen/
und dem auff ihn dringenden Marobod begeg-
nen konte. Wie nun diese zwey mit einander
hertzhafft anbanden/ geriethen Rhemetalces
und Segesthes an einander. Beydes Gefech-
te war würdig von der gantzen Welt gesehen
zu werden. Segesthes aber ward an den rechten

Ell-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gel eine Saͤnffte zu erblicken/ in welcher er ſeine
himmliſche Thußnelde eingekerckert zu ſeyn ihm
einbildete. Daher machte er mit ſeinem
Schwerdte/ als einem unauffhoͤrlichen Blitze
durch Niederſchlagung alles deſſen/ was ſich ge-
gen ihm ſetzte/ einen Weg dahin; kam auch alſo
nahe/ daß er Thußnelden ſein einiges Kleinod
dieſer Welt mit ihren thraͤnenden Augen er-
blickte. Hieruͤber gerieth er gantz auſſer ſich;
indem eines Liebenden Seele mehr in dem iſt/
was ſie liebet als was ſie beſeelet; alſo/ daß ob
wohl Koͤnig Marobod und Segeſthes in Perſon
mit fuͤnff hundert auffs beſte gewaffneten Edel-
leuten alldar in Bereitſchafft ſtanden/ er doch ſich
fuͤr allem ſeinem Volcke herfuͤr brach/ und den
Marobod als ein wuͤtender Loͤw anfiel. Die
Schwerdter waren nicht zu zehlen/ die uͤber ihn
gezuͤckt wurden/ welche auch ſein Pferd deroge-
ſtalt verletzten/ daß er ſelbſt aus dem Sattel ſpꝛin-
gen/ und ſich zu Fuße beſchirmen muſte. Aber
was konten zwey Armen gegen tauſend ausrich-
ten? Denn ob er ſchon faſt mit iedem Schlage
einen Feind ſeiner rachgierigen Liebe auffopf-
ferte/ ward er doch/ nach dem die Seinigen ihn
gantz aus dem Geſichte verlohren hatten/ uͤber-
mannet/ zu Bodem getreten/ und auff Maro-
bods Befehl gefangen. Der verdam̃te/ und aus
Hertzog Herrmanns bloſſer Gnade nur noch le-
bende Segeſthes ward durch ſeine Rache auch ſo
ferne verleitet/ daß er ihm ſelbſt eine Kette an den
Hals warff/ und ihn als einen Knecht fortſchlep-
pen ließ. Dieſe Schmach erblickte die vorhin
weinende/ itzt aber wuͤtende Fuͤrſtin Thußnelde;
welche von ihrem Herrmann ſo wenig als die
Turtel-Taube von ihren Eyern/ kein Auge ver-
wendet/ ſondern durch ihre Strahlen ſein Gluͤ-
cke aus zubruͤten vermeinet hatte/ nunmehr aber
alle Feinde mit ihren Augen erſtechen wolte.
Daher ſprang ſie als eine ihrer Jungen beraub-
te Baͤrin aus der Saͤnffte/ riß einem derer ſie
verwahrenden Longobarder den Degen aus/
und ob ſie wohl ungewaffnet/ ja mit hinderli-
[Spaltenumbruch] chen Frauen-Kleidern angelegt war/ verſetzte
ſie doch zweyen Marckmaͤnnern von denen/ die
den Feld-Herrn gebunden hielten/ ehe ſich ie-
mand deſſen verſahe/ zwey ſo grimmige Strei-
che/ daß ſie todt zur Erden fielen. Die uͤbri-
gen geriethen hierdurch in Schrecken und
Flucht/ weil ſie Thußnelden mehr fuͤr eine
Kriegs-Goͤttin/ als ein ſterbliches Frauen zim-
mer anſahen. Hiermit riß ſie dem Feldherrn
die unwuͤrdige Laſt der Kette vom Halſe/ der
ſich denn Augenblicks mit dem Schilde und
Degen eines Erſchlagenen waffnete; Und weil
er dieſe Beſtrickung fuͤr die groͤſte Schmach ſei-
nes Lebens hielt/ ſolche mit einem haͤuffigen
Strome feindliches Blutes auszuleſchen alle
Leibes-Kraͤfften anwendete. Denn Liebe und
Rache hatten ohne diß vorher ſein Gemuͤthe
auffs euſſerſte angeſtecket. Die großmuͤthige/
und numehr gleichſam aufs neue lebende Thuß-
nelde bemuͤhete ſich ihrem gewiedmeten Helden
alle Streiche nachzuthun/ und ſchlug auff die
bey dem Marobod fechtenden Marckmaͤñer ge-
troſt loß/ welche darum ſo viel mehr ausrichtete/
weil Marobod diß wahrnehmende den ſeini-
gen bey Leibes-Straffe verbot/ ſie nur wieder
zu fangen/ nicht zu verwunden. Es iſt un-
moͤglich zu beſchreiben/ was dieſe zwey Hel-
den gegen die groſſe Menge ihrer Feinde fuͤr
Thaten ausuͤbten. Jnzwiſchen aber hatte
Fuͤrſt Rhemetalces und die ihm zugegebenen
Cheruſter die Gefahr und den Nothſtand des
Feld-Herrn wahrgenommen/ und alſo ih-
nen mit Blut und Leichen den Weg zu ſei-
ner Errettung gebaͤhnet; Ja endlich drang der
Ritter Horn harte an ihn/ ſprang vom Pferde/
wormit ſich Hertzog Herrmann deſſen bedienen/
und dem auff ihn dringenden Marobod begeg-
nen konte. Wie nun dieſe zwey mit einander
hertzhafft anbanden/ geriethen Rhemetalces
und Segeſthes an einander. Beydes Gefech-
te war wuͤrdig von der gantzen Welt geſehen
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Ell-
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[424/0478] Vierdtes Buch gel eine Saͤnffte zu erblicken/ in welcher er ſeine himmliſche Thußnelde eingekerckert zu ſeyn ihm einbildete. Daher machte er mit ſeinem Schwerdte/ als einem unauffhoͤrlichen Blitze durch Niederſchlagung alles deſſen/ was ſich ge- gen ihm ſetzte/ einen Weg dahin; kam auch alſo nahe/ daß er Thußnelden ſein einiges Kleinod dieſer Welt mit ihren thraͤnenden Augen er- blickte. Hieruͤber gerieth er gantz auſſer ſich; indem eines Liebenden Seele mehr in dem iſt/ was ſie liebet als was ſie beſeelet; alſo/ daß ob wohl Koͤnig Marobod und Segeſthes in Perſon mit fuͤnff hundert auffs beſte gewaffneten Edel- leuten alldar in Bereitſchafft ſtanden/ er doch ſich fuͤr allem ſeinem Volcke herfuͤr brach/ und den Marobod als ein wuͤtender Loͤw anfiel. Die Schwerdter waren nicht zu zehlen/ die uͤber ihn gezuͤckt wurden/ welche auch ſein Pferd deroge- ſtalt verletzten/ daß er ſelbſt aus dem Sattel ſpꝛin- gen/ und ſich zu Fuße beſchirmen muſte. Aber was konten zwey Armen gegen tauſend ausrich- ten? Denn ob er ſchon faſt mit iedem Schlage einen Feind ſeiner rachgierigen Liebe auffopf- ferte/ ward er doch/ nach dem die Seinigen ihn gantz aus dem Geſichte verlohren hatten/ uͤber- mannet/ zu Bodem getreten/ und auff Maro- bods Befehl gefangen. Der verdam̃te/ und aus Hertzog Herrmanns bloſſer Gnade nur noch le- bende Segeſthes ward durch ſeine Rache auch ſo ferne verleitet/ daß er ihm ſelbſt eine Kette an den Hals warff/ und ihn als einen Knecht fortſchlep- pen ließ. Dieſe Schmach erblickte die vorhin weinende/ itzt aber wuͤtende Fuͤrſtin Thußnelde; welche von ihrem Herrmann ſo wenig als die Turtel-Taube von ihren Eyern/ kein Auge ver- wendet/ ſondern durch ihre Strahlen ſein Gluͤ- cke aus zubruͤten vermeinet hatte/ nunmehr aber alle Feinde mit ihren Augen erſtechen wolte. Daher ſprang ſie als eine ihrer Jungen beraub- te Baͤrin aus der Saͤnffte/ riß einem derer ſie verwahrenden Longobarder den Degen aus/ und ob ſie wohl ungewaffnet/ ja mit hinderli- chen Frauen-Kleidern angelegt war/ verſetzte ſie doch zweyen Marckmaͤnnern von denen/ die den Feld-Herrn gebunden hielten/ ehe ſich ie- mand deſſen verſahe/ zwey ſo grimmige Strei- che/ daß ſie todt zur Erden fielen. Die uͤbri- gen geriethen hierdurch in Schrecken und Flucht/ weil ſie Thußnelden mehr fuͤr eine Kriegs-Goͤttin/ als ein ſterbliches Frauen zim- mer anſahen. Hiermit riß ſie dem Feldherrn die unwuͤrdige Laſt der Kette vom Halſe/ der ſich denn Augenblicks mit dem Schilde und Degen eines Erſchlagenen waffnete; Und weil er dieſe Beſtrickung fuͤr die groͤſte Schmach ſei- nes Lebens hielt/ ſolche mit einem haͤuffigen Strome feindliches Blutes auszuleſchen alle Leibes-Kraͤfften anwendete. Denn Liebe und Rache hatten ohne diß vorher ſein Gemuͤthe auffs euſſerſte angeſtecket. Die großmuͤthige/ und numehr gleichſam aufs neue lebende Thuß- nelde bemuͤhete ſich ihrem gewiedmeten Helden alle Streiche nachzuthun/ und ſchlug auff die bey dem Marobod fechtenden Marckmaͤñer ge- troſt loß/ welche darum ſo viel mehr ausrichtete/ weil Marobod diß wahrnehmende den ſeini- gen bey Leibes-Straffe verbot/ ſie nur wieder zu fangen/ nicht zu verwunden. Es iſt un- moͤglich zu beſchreiben/ was dieſe zwey Hel- den gegen die groſſe Menge ihrer Feinde fuͤr Thaten ausuͤbten. Jnzwiſchen aber hatte Fuͤrſt Rhemetalces und die ihm zugegebenen Cheruſter die Gefahr und den Nothſtand des Feld-Herrn wahrgenommen/ und alſo ih- nen mit Blut und Leichen den Weg zu ſei- ner Errettung gebaͤhnet; Ja endlich drang der Ritter Horn harte an ihn/ ſprang vom Pferde/ wormit ſich Hertzog Herrmann deſſen bedienen/ und dem auff ihn dringenden Marobod begeg- nen konte. Wie nun dieſe zwey mit einander hertzhafft anbanden/ geriethen Rhemetalces und Segeſthes an einander. Beydes Gefech- te war wuͤrdig von der gantzen Welt geſehen zu werden. Segeſthes aber ward an den rechten Ell-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/478>, abgerufen am 22.11.2024.