Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] me. Sintemal auch die nicht ohne Schuld
leidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin-
sterte Monde die Augen der Menschen an sich
zu ziehen/ und die Unglückseligsten gegen sich
nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnüß
zu erwecken pflegten. Also wiche man eben
so gern einem Blinden/ als einem Könige aus
dem Wege; und die Alten hätten die von dem
Donner berührten Oerter zu Heiligthümern
eingeweihet. So würde sie wohl/ antwortete
Thußnelde/ einer der grösten Tempel in
Deutschland werden/ ungeachtet sie sich für keine
Gott zu wiedmen würdige Hecke hielte.
Sintemal das Unglück seine äuserste Kräfften
an ihr prüfete/ und eines alle Tage dem andern
die Hand reichte. Massen sie denn ihr Vater
Segesthes zeither fast so vielen Götzen zun Füs-
sen geleget/ als seine Veränderung ihm neue An-
schläge an die Hand gegeben hätte. Der Feld-
herr begegnete ihr: Gleichwohl hätte er unter
diesen ihrer beyder Wuntsch billigen/ und dar-
durch bestärcken müssen/ daß/ wie vieler abson-
derlich tödtlichen Gifte Vereinbarung heilsam/
also mehrmals ein Ubel des andern Artzney wä-
re. Wenn auch der Sturmwind und das Un-
glücke so gar arg rasete/ wäre es ein Merckmahl
der äuserst angewehrten Kräfften/ und daß bey-
de bald aufhören würden. Die schwärtzeste
Wolcke wäre durch die letzthin erhaltene väter-
liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben;
sintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den-
noch der Völcker der Eltern Beyfall zu der Kin-
der Verehligung erforderte; alle übrigen/ wel-
che Arglist oder Verläumbdung erdächten/ wä-
ren nur unter die so geringschätzigen Verdrüß-
ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und
die Egyptischen Weiber durch das Kraut Ne-
penthes in die Vergessenheit zu vergraben ge-
trauten. Nach dem aber in allen diesen Unfäl-
len das unveränderliche Verhängnüß seine
Hand hätte/ und unsere Feinde nur Werckzeu-
ge des Göttlichen Zornes wären/ stünde es uns
[Spaltenumbruch] ja besser an/ uns der unvermeidlichen Noth zu
unterwerffen/ als ein Sclave unsers verzärtelten
und offt der Natur unverträglichen Willens zu
seyn. Der Himmel wolte zuweilen unsere
Vergnügung durch die Schärffe der Wider-
wertigkeiten/ wie die übermässige Süssigkeit
durch eine annehmliche Säure verbessern/ ja zu-
weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen
der Glückseligkeit treiben. Also pflegten die
Aertzte zuweilen selbst ihren Krancken ein Fieber
zu machen/ umb gefährlichere Schwachheiten
abzuleiten. Gleicher gestalt hätten die Rho-
dier bey Einfallung ihres Colossus aus dem gut-
hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor-
theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun-
den. Einigen hätte ein in der Schlacht sie ver-
wundender Pfeil ihr Geschwüre eröffnet/ wel-
ches die Aertzte mit einigem Finger an zurühren
sich gefürchtet hätten. Mit einem Worte:
Die so süsse Milch hätte ihren Ursprung aus
Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und
die grösseste Ergetzligkeit aus überstandenem
Unglücke. Thußneldens Hertze ward nicht so
wohl durch die Krafft der angezogenen Gründe/
als durch das Ansehen des Redners selbst gerüh-
ret/ daß sie eine merckliche Gemüths-Beruhi-
gung von sich blicken ließ. Gleichwohl aber
giengen ihr die Augen noch über/ und sie gab die-
se Ursache ihrer Wehmuth zu verstehen/ daß sie
all ihr Unglück zu vergessen verbunden wäre/
weil das Verhängnüß sie durch die Liebe des
Feldherrn mit tausendfacher Glückseligkeit über-
schwemmete. Alleine/ diß stiege ihr noch allzu-
sehr zum Hertzen/ daß ihr Unstern so viel andere
Unschuldige mit drückte; oder/ daß für die Wie-
derbringung ihres Heiles andere so viel leiden
müsten. Wie denn die holdselige Königin Era-
to nur deshalben/ daß sie sich an sie einen zer-
brechlichen Rohr-Stab gelehnet hätte/ in die
Gefahr verfallen wäre/ Hertzog Herrmann/
Jubil und Malovend ihr Blut verspritzet/ viel
andere auch/ und vielleicht der großmüthige

Zeno

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] me. Sintemal auch die nicht ohne Schuld
leidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin-
ſterte Monde die Augen der Menſchen an ſich
zu ziehen/ und die Ungluͤckſeligſten gegen ſich
nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnuͤß
zu erwecken pflegten. Alſo wiche man eben
ſo gern einem Blinden/ als einem Koͤnige aus
dem Wege; und die Alten haͤtten die von dem
Donner beruͤhrten Oerter zu Heiligthuͤmern
eingeweihet. So wuͤrde ſie wohl/ antwortete
Thußnelde/ einer der groͤſten Tempel in
Deutſchland werden/ ungeachtet ſie ſich fuͤr keine
Gott zu wiedmen wuͤrdige Hecke hielte.
Sintemal das Ungluͤck ſeine aͤuſerſte Kraͤfften
an ihr pruͤfete/ und eines alle Tage dem andern
die Hand reichte. Maſſen ſie denn ihr Vater
Segeſthes zeither faſt ſo vielen Goͤtzen zun Fuͤſ-
ſen geleget/ als ſeine Veraͤnderung ihm neue An-
ſchlaͤge an die Hand gegeben haͤtte. Der Feld-
herr begegnete ihr: Gleichwohl haͤtte er unter
dieſen ihrer beyder Wuntſch billigen/ und dar-
durch beſtaͤrcken muͤſſen/ daß/ wie vieler abſon-
derlich toͤdtlichen Gifte Vereinbarung heilſam/
alſo mehrmals ein Ubel des andern Artzney waͤ-
re. Wenn auch der Sturmwind und das Un-
gluͤcke ſo gar arg raſete/ waͤre es ein Merckmahl
der aͤuſerſt angewehrten Kraͤfften/ und daß bey-
de bald aufhoͤren wuͤrden. Die ſchwaͤrtzeſte
Wolcke waͤre durch die letzthin erhaltene vaͤter-
liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben;
ſintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den-
noch der Voͤlcker der Eltern Beyfall zu der Kin-
der Verehligung erforderte; alle uͤbrigen/ wel-
che Argliſt oder Verlaͤumbdung erdaͤchten/ waͤ-
ren nur unter die ſo geringſchaͤtzigen Verdruͤß-
ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und
die Egyptiſchen Weiber durch das Kraut Ne-
penthes in die Vergeſſenheit zu vergraben ge-
trauten. Nach dem aber in allen dieſen Unfaͤl-
len das unveraͤnderliche Verhaͤngnuͤß ſeine
Hand haͤtte/ und unſere Feinde nur Werckzeu-
ge des Goͤttlichen Zornes waͤren/ ſtuͤnde es uns
[Spaltenumbruch] ja beſſer an/ uns der unvermeidlichen Noth zu
unterwerffen/ als ein Sclave unſers verzaͤrtelten
und offt der Natur unvertraͤglichen Willens zu
ſeyn. Der Himmel wolte zuweilen unſere
Vergnuͤgung durch die Schaͤrffe der Wider-
wertigkeiten/ wie die uͤbermaͤſſige Suͤſſigkeit
durch eine annehmliche Saͤure verbeſſern/ ja zu-
weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen
der Gluͤckſeligkeit treiben. Alſo pflegten die
Aertzte zuweilen ſelbſt ihren Krancken ein Fieber
zu machen/ umb gefaͤhrlichere Schwachheiten
abzuleiten. Gleicher geſtalt haͤtten die Rho-
dier bey Einfallung ihres Coloſſus aus dem gut-
hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor-
theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun-
den. Einigen haͤtte ein in der Schlacht ſie ver-
wundender Pfeil ihr Geſchwuͤre eroͤffnet/ wel-
ches die Aertzte mit einigem Finger an zuruͤhren
ſich gefuͤrchtet haͤtten. Mit einem Worte:
Die ſo ſuͤſſe Milch haͤtte ihren Urſprung aus
Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und
die groͤſſeſte Ergetzligkeit aus uͤberſtandenem
Ungluͤcke. Thußneldens Hertze ward nicht ſo
wohl durch die Krafft der angezogenen Gruͤnde/
als durch das Anſehen des Redners ſelbſt geruͤh-
ret/ daß ſie eine merckliche Gemuͤths-Beruhi-
gung von ſich blicken ließ. Gleichwohl aber
giengen ihr die Augen noch uͤber/ und ſie gab die-
ſe Urſache ihrer Wehmuth zu verſtehen/ daß ſie
all ihr Ungluͤck zu vergeſſen verbunden waͤre/
weil das Verhaͤngnuͤß ſie durch die Liebe des
Feldheꝛꝛn mit tauſendfacher Gluͤckſeligkeit uͤber-
ſchwemmete. Alleine/ diß ſtiege ihr noch allzu-
ſehr zum Hertzen/ daß ihr Unſtern ſo viel andere
Unſchuldige mit druͤckte; oder/ daß fuͤr die Wie-
derbringung ihres Heiles andere ſo viel leiden
muͤſten. Wie denn die holdſelige Koͤnigin Era-
to nur deshalben/ daß ſie ſich an ſie einen zer-
brechlichen Rohr-Stab gelehnet haͤtte/ in die
Gefahr verfallen waͤre/ Hertzog Herrmann/
Jubil und Malovend ihr Blut verſpritzet/ viel
andere auch/ und vielleicht der großmuͤthige

Zeno
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0493" n="439"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
me. Sintemal auch die nicht ohne Schuld<lb/>
leidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin-<lb/>
&#x017F;terte Monde die Augen der Men&#x017F;chen an &#x017F;ich<lb/>
zu ziehen/ und die Unglu&#x0364;ck&#x017F;elig&#x017F;ten gegen &#x017F;ich<lb/>
nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnu&#x0364;ß<lb/>
zu erwecken pflegten. Al&#x017F;o wiche man eben<lb/>
&#x017F;o gern einem Blinden/ als einem Ko&#x0364;nige aus<lb/>
dem Wege; und die Alten ha&#x0364;tten die von dem<lb/>
Donner beru&#x0364;hrten Oerter zu Heiligthu&#x0364;mern<lb/>
eingeweihet. So wu&#x0364;rde &#x017F;ie wohl/ antwortete<lb/>
Thußnelde/ einer der gro&#x0364;&#x017F;ten Tempel in<lb/>
Deut&#x017F;chland werden/ ungeachtet &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;r keine<lb/>
Gott zu wiedmen wu&#x0364;rdige Hecke hielte.<lb/>
Sintemal das Unglu&#x0364;ck &#x017F;eine a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;te Kra&#x0364;fften<lb/>
an ihr pru&#x0364;fete/ und eines alle Tage dem andern<lb/>
die Hand reichte. Ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie denn ihr Vater<lb/>
Sege&#x017F;thes zeither fa&#x017F;t &#x017F;o vielen Go&#x0364;tzen zun Fu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en geleget/ als &#x017F;eine Vera&#x0364;nderung ihm neue An-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge an die Hand gegeben ha&#x0364;tte. Der Feld-<lb/>
herr begegnete ihr: Gleichwohl ha&#x0364;tte er unter<lb/>
die&#x017F;en ihrer beyder Wunt&#x017F;ch billigen/ und dar-<lb/>
durch be&#x017F;ta&#x0364;rcken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ daß/ wie vieler ab&#x017F;on-<lb/>
derlich to&#x0364;dtlichen Gifte Vereinbarung heil&#x017F;am/<lb/>
al&#x017F;o mehrmals ein Ubel des andern Artzney wa&#x0364;-<lb/>
re. Wenn auch der Sturmwind und das Un-<lb/>
glu&#x0364;cke &#x017F;o gar arg ra&#x017F;ete/ wa&#x0364;re es ein Merckmahl<lb/>
der a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;t angewehrten Kra&#x0364;fften/ und daß bey-<lb/>
de bald aufho&#x0364;ren wu&#x0364;rden. Die &#x017F;chwa&#x0364;rtze&#x017F;te<lb/>
Wolcke wa&#x0364;re durch die letzthin erhaltene va&#x0364;ter-<lb/>
liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben;<lb/>
&#x017F;intemal zwar nicht das Recht der Natur/ den-<lb/>
noch der Vo&#x0364;lcker der Eltern Beyfall zu der Kin-<lb/>
der Verehligung erforderte; alle u&#x0364;brigen/ wel-<lb/>
che Argli&#x017F;t oder Verla&#x0364;umbdung erda&#x0364;chten/ wa&#x0364;-<lb/>
ren nur unter die &#x017F;o gering&#x017F;cha&#x0364;tzigen Verdru&#x0364;ß-<lb/>
ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und<lb/>
die Egypti&#x017F;chen Weiber durch das Kraut Ne-<lb/>
penthes in die Verge&#x017F;&#x017F;enheit zu vergraben ge-<lb/>
trauten. Nach dem aber in allen die&#x017F;en Unfa&#x0364;l-<lb/>
len das unvera&#x0364;nderliche Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß &#x017F;eine<lb/>
Hand ha&#x0364;tte/ und un&#x017F;ere Feinde nur Werckzeu-<lb/>
ge des Go&#x0364;ttlichen Zornes wa&#x0364;ren/ &#x017F;tu&#x0364;nde es uns<lb/><cb/>
ja be&#x017F;&#x017F;er an/ uns der unvermeidlichen Noth zu<lb/>
unterwerffen/ als ein Sclave un&#x017F;ers verza&#x0364;rtelten<lb/>
und offt der Natur unvertra&#x0364;glichen Willens zu<lb/>
&#x017F;eyn. Der Himmel wolte zuweilen un&#x017F;ere<lb/>
Vergnu&#x0364;gung durch die Scha&#x0364;rffe der Wider-<lb/>
wertigkeiten/ wie die u&#x0364;berma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Su&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit<lb/>
durch eine annehmliche Sa&#x0364;ure verbe&#x017F;&#x017F;ern/ ja zu-<lb/>
weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen<lb/>
der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit treiben. Al&#x017F;o pflegten die<lb/>
Aertzte zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t ihren Krancken ein Fieber<lb/>
zu machen/ umb gefa&#x0364;hrlichere Schwachheiten<lb/>
abzuleiten. Gleicher ge&#x017F;talt ha&#x0364;tten die Rho-<lb/>
dier bey Einfallung ihres Colo&#x017F;&#x017F;us aus dem gut-<lb/>
hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor-<lb/>
theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun-<lb/>
den. Einigen ha&#x0364;tte ein in der Schlacht &#x017F;ie ver-<lb/>
wundender Pfeil ihr Ge&#x017F;chwu&#x0364;re ero&#x0364;ffnet/ wel-<lb/>
ches die Aertzte mit einigem Finger an zuru&#x0364;hren<lb/>
&#x017F;ich gefu&#x0364;rchtet ha&#x0364;tten. Mit einem Worte:<lb/>
Die &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Milch ha&#x0364;tte ihren Ur&#x017F;prung aus<lb/>
Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und<lb/>
die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Ergetzligkeit aus u&#x0364;ber&#x017F;tandenem<lb/>
Unglu&#x0364;cke. Thußneldens Hertze ward nicht &#x017F;o<lb/>
wohl durch die Krafft der angezogenen Gru&#x0364;nde/<lb/>
als durch das An&#x017F;ehen des Redners &#x017F;elb&#x017F;t geru&#x0364;h-<lb/>
ret/ daß &#x017F;ie eine merckliche Gemu&#x0364;ths-Beruhi-<lb/>
gung von &#x017F;ich blicken ließ. Gleichwohl aber<lb/>
giengen ihr die Augen noch u&#x0364;ber/ und &#x017F;ie gab die-<lb/>
&#x017F;e Ur&#x017F;ache ihrer Wehmuth zu ver&#x017F;tehen/ daß &#x017F;ie<lb/>
all ihr Unglu&#x0364;ck zu verge&#x017F;&#x017F;en verbunden wa&#x0364;re/<lb/>
weil das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß &#x017F;ie durch die Liebe des<lb/>
Feldhe&#xA75B;&#xA75B;n mit tau&#x017F;endfacher Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chwemmete. Alleine/ diß &#x017F;tiege ihr noch allzu-<lb/>
&#x017F;ehr zum Hertzen/ daß ihr Un&#x017F;tern &#x017F;o viel andere<lb/>
Un&#x017F;chuldige mit dru&#x0364;ckte; oder/ daß fu&#x0364;r die Wie-<lb/>
derbringung ihres Heiles andere &#x017F;o viel leiden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten. Wie denn die hold&#x017F;elige Ko&#x0364;nigin Era-<lb/>
to nur deshalben/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich an &#x017F;ie einen zer-<lb/>
brechlichen Rohr-Stab gelehnet ha&#x0364;tte/ in die<lb/>
Gefahr verfallen wa&#x0364;re/ Hertzog Herrmann/<lb/>
Jubil und Malovend ihr Blut ver&#x017F;pritzet/ viel<lb/>
andere auch/ und vielleicht der großmu&#x0364;thige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zeno</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0493] Arminius und Thußnelda. me. Sintemal auch die nicht ohne Schuld leidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin- ſterte Monde die Augen der Menſchen an ſich zu ziehen/ und die Ungluͤckſeligſten gegen ſich nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnuͤß zu erwecken pflegten. Alſo wiche man eben ſo gern einem Blinden/ als einem Koͤnige aus dem Wege; und die Alten haͤtten die von dem Donner beruͤhrten Oerter zu Heiligthuͤmern eingeweihet. So wuͤrde ſie wohl/ antwortete Thußnelde/ einer der groͤſten Tempel in Deutſchland werden/ ungeachtet ſie ſich fuͤr keine Gott zu wiedmen wuͤrdige Hecke hielte. Sintemal das Ungluͤck ſeine aͤuſerſte Kraͤfften an ihr pruͤfete/ und eines alle Tage dem andern die Hand reichte. Maſſen ſie denn ihr Vater Segeſthes zeither faſt ſo vielen Goͤtzen zun Fuͤſ- ſen geleget/ als ſeine Veraͤnderung ihm neue An- ſchlaͤge an die Hand gegeben haͤtte. Der Feld- herr begegnete ihr: Gleichwohl haͤtte er unter dieſen ihrer beyder Wuntſch billigen/ und dar- durch beſtaͤrcken muͤſſen/ daß/ wie vieler abſon- derlich toͤdtlichen Gifte Vereinbarung heilſam/ alſo mehrmals ein Ubel des andern Artzney waͤ- re. Wenn auch der Sturmwind und das Un- gluͤcke ſo gar arg raſete/ waͤre es ein Merckmahl der aͤuſerſt angewehrten Kraͤfften/ und daß bey- de bald aufhoͤren wuͤrden. Die ſchwaͤrtzeſte Wolcke waͤre durch die letzthin erhaltene vaͤter- liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben; ſintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den- noch der Voͤlcker der Eltern Beyfall zu der Kin- der Verehligung erforderte; alle uͤbrigen/ wel- che Argliſt oder Verlaͤumbdung erdaͤchten/ waͤ- ren nur unter die ſo geringſchaͤtzigen Verdruͤß- ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und die Egyptiſchen Weiber durch das Kraut Ne- penthes in die Vergeſſenheit zu vergraben ge- trauten. Nach dem aber in allen dieſen Unfaͤl- len das unveraͤnderliche Verhaͤngnuͤß ſeine Hand haͤtte/ und unſere Feinde nur Werckzeu- ge des Goͤttlichen Zornes waͤren/ ſtuͤnde es uns ja beſſer an/ uns der unvermeidlichen Noth zu unterwerffen/ als ein Sclave unſers verzaͤrtelten und offt der Natur unvertraͤglichen Willens zu ſeyn. Der Himmel wolte zuweilen unſere Vergnuͤgung durch die Schaͤrffe der Wider- wertigkeiten/ wie die uͤbermaͤſſige Suͤſſigkeit durch eine annehmliche Saͤure verbeſſern/ ja zu- weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen der Gluͤckſeligkeit treiben. Alſo pflegten die Aertzte zuweilen ſelbſt ihren Krancken ein Fieber zu machen/ umb gefaͤhrlichere Schwachheiten abzuleiten. Gleicher geſtalt haͤtten die Rho- dier bey Einfallung ihres Coloſſus aus dem gut- hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor- theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun- den. Einigen haͤtte ein in der Schlacht ſie ver- wundender Pfeil ihr Geſchwuͤre eroͤffnet/ wel- ches die Aertzte mit einigem Finger an zuruͤhren ſich gefuͤrchtet haͤtten. Mit einem Worte: Die ſo ſuͤſſe Milch haͤtte ihren Urſprung aus Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und die groͤſſeſte Ergetzligkeit aus uͤberſtandenem Ungluͤcke. Thußneldens Hertze ward nicht ſo wohl durch die Krafft der angezogenen Gruͤnde/ als durch das Anſehen des Redners ſelbſt geruͤh- ret/ daß ſie eine merckliche Gemuͤths-Beruhi- gung von ſich blicken ließ. Gleichwohl aber giengen ihr die Augen noch uͤber/ und ſie gab die- ſe Urſache ihrer Wehmuth zu verſtehen/ daß ſie all ihr Ungluͤck zu vergeſſen verbunden waͤre/ weil das Verhaͤngnuͤß ſie durch die Liebe des Feldheꝛꝛn mit tauſendfacher Gluͤckſeligkeit uͤber- ſchwemmete. Alleine/ diß ſtiege ihr noch allzu- ſehr zum Hertzen/ daß ihr Unſtern ſo viel andere Unſchuldige mit druͤckte; oder/ daß fuͤr die Wie- derbringung ihres Heiles andere ſo viel leiden muͤſten. Wie denn die holdſelige Koͤnigin Era- to nur deshalben/ daß ſie ſich an ſie einen zer- brechlichen Rohr-Stab gelehnet haͤtte/ in die Gefahr verfallen waͤre/ Hertzog Herrmann/ Jubil und Malovend ihr Blut verſpritzet/ viel andere auch/ und vielleicht der großmuͤthige Zeno

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/493
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/493>, abgerufen am 22.11.2024.