Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Fuchses/ und den Wanckelmuth des vielfüßich-ten Meerfisches genommen hätte. Sie stäche ihr selbst die Augen aus/ daß sie weder Schande noch Gefahr sehen/ sondern desto blinder und verzweiffelter in den Pful aller Laster rennen könte. Sie liesse sich anbeten als einen Ab- gott; und würde hernach ein Hencker ihrer ei- genen Priester. Sie äscherte Städte und Länder ein/ darinnen man sie beherbergt/ und auf Gold und Purpur gelegt hätte; Sie besu- delte mit Mord und Blut das Ehbette/ und die Taffeln der Eltern; und ersteckte wie die Schlangen die Kinder ihres gutthätigen Wir- thes. Jhre Augen tödteten wie die Basilisken ohne Verwundung/ ihr Athem vergifftete/ was er anhauchte; ihre streichelnde Hände hät- ten Kreile wie die Egyptischen Mäuse/ welche mit ihrem Krimmen die Eingeweide zerfleisch- ten. Jhre Armen erwürgten wie die Affen mit ihren Umhalsungen. Jhr Mund bliesse wie jener Wald-Gott kalt und warm heraus; und ihr Hertze nährete/ wie gewisse Berge/ bald feu- rige Ströme brünstiger Liebe/ bald eusersten Schnee des bittersten Hasses. Sie rotte alle andere Tugenden mit Strumpfund Stiel aus/ und brauche die besten Wissen schafften zu einem Richtscheite nach der Kunst zu sündigen/ und auch in der Boßheit dem Pöfel überlegen zu seyn. Alles diß/ was die hefftige Ungedult dem Athenodor wider die Wollust und das weibliche Geschlechte heraus lockete/ merckte Lucius fleißiger auf/ als nichts vorher. Hier- durch machte er seinem Lehrmeister keine geringe Hoffnung der in seinem Gemüthe noch glimmen- den Funcken der Tugend. Alleine Lucius ver- fügte sich ins geheim fast täglich zu dem weltwei- sen Aristippus/ welcher sich für einen Nachfol- ger des Epicur ausgab/ und dahero vom Mece- nas an der Tiber einen Garten geschenckt be- kommen; auch an dessen Thüre/ eben wie vorhin Epicur/ angeschrieben hatte: Hier werden die Gäste wol bewirthet; denn hier ist [Spaltenumbruch] die Wollust das höchste Gut. Jn der Warheit aber pflichtete dieser Aristippus dem Aristippus bey/ der ein Uhrheber der Cyreni- schen Weltweisen war/ und die Wollust des Lei- bes für das höchste Gut hielt; Also von dem E- picur so weit als schwartz und weiß entfernet war. Sintemal diesen alleine die Verleum- dung zu einem Freunde der Faulheit/ und die zu einem Beschirmer der Uppigkeit machen wol- len/ welche ihre Laster in der Schoß der Welt- weißheit verber gen wollen. Dahingegen Epicur nur dieselbe Wollust billigt/ welche man aus der Tugend schöpffet; und daher der Wollust eben diß Gesetze vorschreibt/ was Zeno der Tugend. Dahero er auch selbst sein nur mit Wasser und Brod unterhaltenes Leben in der höchsten Mäßigkeithingebracht/ das euserliche Glücke für einen seltenen Gefärthen eines Weisen ge- halten/ auch zuweilen selbst den Schmertz ver- langet hat/ wenn er zumal sich besorgt/ daß auff die Wollust einige Reue folgen dörffte. Un- geachtet er nun seine verdammte Lehre stets mit den Meinungen des Epicur verhüllete/ so schwam ihm der Honig der Wollust doch immer auf der Zunge; also/ daß Lucius für dem Athe- nodor einen hefftigen Eckel/ zu dem Aristippus aber eine desto grössere Zuneigung empfing. Diesemnach brachte er den Vermerck der von Athenodor heraus gelassenen Heftigkeiten zu Livien/ und verlangte durch sie beym Käyser verbeten zu werden/ daß er sich eines so rauchen Lehrers entschlagen/ und mit bescheidenern ver- sorgt werden möchte. Livia zohe entweder aus einer weiblichen Schwachheit/ oder aus einer vorhin schon wider ihn gefasten Gramschafft des Athenodorus Lehre für eine sie selbst antastende Schmähung an[;] verklagte ihn beym Käyser/ und drang darauf/ daß er und alle Stoische Weisen aus Jtalien gejagt werden solten. Wie- wol sie nun diß nicht bey dem Käyser auswür- cken konte/ sondern er ihr zur Antwort gab: Man müste mit dem Socrates streiten/ mit dem Car- L l l 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Fuchſes/ und den Wanckelmuth des vielfuͤßich-ten Meerfiſches genommen haͤtte. Sie ſtaͤche ihr ſelbſt die Augen aus/ daß ſie weder Schande noch Gefahr ſehen/ ſondern deſto blinder und verzweiffelter in den Pful aller Laſter rennen koͤnte. Sie lieſſe ſich anbeten als einen Ab- gott; und wuͤrde hernach ein Hencker ihrer ei- genen Prieſter. Sie aͤſcherte Staͤdte und Laͤnder ein/ darinnen man ſie beherbergt/ und auf Gold und Purpur gelegt haͤtte; Sie beſu- delte mit Mord und Blut das Ehbette/ und die Taffeln der Eltern; und erſteckte wie die Schlangen die Kinder ihres gutthaͤtigen Wir- thes. Jhre Augen toͤdteten wie die Baſilisken ohne Verwundung/ ihr Athem vergifftete/ was er anhauchte; ihre ſtreichelnde Haͤnde haͤt- ten Kreile wie die Egyptiſchen Maͤuſe/ welche mit ihrem Krimmen die Eingeweide zerfleiſch- ten. Jhre Armen erwuͤrgten wie die Affen mit ihren Umhalſungen. Jhr Mund blieſſe wie jener Wald-Gott kalt und warm heraus; und ihr Hertze naͤhrete/ wie gewiſſe Berge/ bald feu- rige Stroͤme bruͤnſtiger Liebe/ bald euſerſten Schnee des bitterſten Haſſes. Sie rotte alle andere Tugenden mit Strumpfund Stiel aus/ und brauche die beſten Wiſſen ſchafften zu einem Richtſcheite nach der Kunſt zu ſuͤndigen/ und auch in der Boßheit dem Poͤfel uͤberlegen zu ſeyn. Alles diß/ was die hefftige Ungedult dem Athenodor wider die Wolluſt und das weibliche Geſchlechte heraus lockete/ merckte Lucius fleißiger auf/ als nichts vorher. Hier- durch machte er ſeinem Lehrmeiſter keine geringe Hoffnung der in ſeinem Gemuͤthe noch glim̃en- den Funcken der Tugend. Alleine Lucius ver- fuͤgte ſich ins geheim faſt taͤglich zu dem weltwei- ſen Ariſtippus/ welcher ſich fuͤr einen Nachfol- ger des Epicur ausgab/ und dahero vom Mece- nas an der Tiber einen Garten geſchenckt be- kommen; auch an deſſen Thuͤre/ eben wie vorhin Epicur/ angeſchrieben hatte: Hier werden die Gaͤſte wol bewirthet; denn hier iſt [Spaltenumbruch] die Wolluſt das hoͤchſte Gut. Jn der Warheit aber pflichtete dieſer Ariſtippus dem Ariſtippus bey/ der ein Uhrheber der Cyreni- ſchen Weltweiſen war/ und die Wolluſt des Lei- bes fuͤr das hoͤchſte Gut hielt; Alſo von dem E- picur ſo weit als ſchwartz und weiß entfernet war. Sintemal dieſen alleine die Verleum- dung zu einem Freunde der Faulheit/ und die zu einem Beſchirmer der Uppigkeit machen wol- len/ welche ihre Laſter in der Schoß der Welt- weißheit verber gen wollen. Dahingegen Epicuꝛ nur dieſelbe Wolluſt billigt/ welche man aus der Tugend ſchoͤpffet; und daher der Wolluſt eben diß Geſetze vorſchreibt/ was Zeno der Tugend. Dahero er auch ſelbſt ſein nur mit Waſſer und Brod unterhaltenes Leben in der hoͤchſten Maͤßigkeithingebracht/ das euſerliche Gluͤcke fuͤr einen ſeltenen Gefaͤrthen eines Weiſen ge- halten/ auch zuweilen ſelbſt den Schmertz ver- langet hat/ wenn er zumal ſich beſorgt/ daß auff die Wolluſt einige Reue folgen doͤrffte. Un- geachtet er nun ſeine verdammte Lehre ſtets mit den Meinungen des Epicur verhuͤllete/ ſo ſchwam ihm der Honig der Wolluſt doch immer auf der Zunge; alſo/ daß Lucius fuͤr dem Athe- nodor einen hefftigen Eckel/ zu dem Ariſtippus aber eine deſto groͤſſere Zuneigung empfing. Dieſemnach brachte er den Vermerck der von Athenodor heraus gelaſſenen Heftigkeiten zu Livien/ und verlangte durch ſie beym Kaͤyſer verbeten zu werden/ daß er ſich eines ſo rauchen Lehrers entſchlagen/ und mit beſcheidenern ver- ſorgt werden moͤchte. Livia zohe entweder aus einer weiblichen Schwachheit/ oder aus einer vorhin ſchon wider ihn gefaſten Gramſchafft des Athenodorus Lehre fuͤr eine ſie ſelbſt antaſtende Schmaͤhung an[;] verklagte ihn beym Kaͤyſer/ und drang darauf/ daß er und alle Stoiſche Weiſen aus Jtalien gejagt werden ſolten. Wie- wol ſie nun diß nicht bey dem Kaͤyſer auswuͤr- cken konte/ ſondern er ihr zur Antwort gab: Man muͤſte mit dem Socrates ſtreiten/ mit dem Car- L l l 3
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Arminius und Thußnelda.
Fuchſes/ und den Wanckelmuth des vielfuͤßich-
ten Meerfiſches genommen haͤtte. Sie ſtaͤche
ihr ſelbſt die Augen aus/ daß ſie weder Schande
noch Gefahr ſehen/ ſondern deſto blinder und
verzweiffelter in den Pful aller Laſter rennen
koͤnte. Sie lieſſe ſich anbeten als einen Ab-
gott; und wuͤrde hernach ein Hencker ihrer ei-
genen Prieſter. Sie aͤſcherte Staͤdte und
Laͤnder ein/ darinnen man ſie beherbergt/ und
auf Gold und Purpur gelegt haͤtte; Sie beſu-
delte mit Mord und Blut das Ehbette/ und die
Taffeln der Eltern; und erſteckte wie die
Schlangen die Kinder ihres gutthaͤtigen Wir-
thes. Jhre Augen toͤdteten wie die Baſilisken
ohne Verwundung/ ihr Athem vergifftete/
was er anhauchte; ihre ſtreichelnde Haͤnde haͤt-
ten Kreile wie die Egyptiſchen Maͤuſe/ welche
mit ihrem Krimmen die Eingeweide zerfleiſch-
ten. Jhre Armen erwuͤrgten wie die Affen mit
ihren Umhalſungen. Jhr Mund blieſſe wie
jener Wald-Gott kalt und warm heraus; und
ihr Hertze naͤhrete/ wie gewiſſe Berge/ bald feu-
rige Stroͤme bruͤnſtiger Liebe/ bald euſerſten
Schnee des bitterſten Haſſes. Sie rotte alle
andere Tugenden mit Strumpfund Stiel aus/
und brauche die beſten Wiſſen ſchafften zu einem
Richtſcheite nach der Kunſt zu ſuͤndigen/ und
auch in der Boßheit dem Poͤfel uͤberlegen zu
ſeyn. Alles diß/ was die hefftige Ungedult
dem Athenodor wider die Wolluſt und das
weibliche Geſchlechte heraus lockete/ merckte
Lucius fleißiger auf/ als nichts vorher. Hier-
durch machte er ſeinem Lehrmeiſter keine geringe
Hoffnung der in ſeinem Gemuͤthe noch glim̃en-
den Funcken der Tugend. Alleine Lucius ver-
fuͤgte ſich ins geheim faſt taͤglich zu dem weltwei-
ſen Ariſtippus/ welcher ſich fuͤr einen Nachfol-
ger des Epicur ausgab/ und dahero vom Mece-
nas an der Tiber einen Garten geſchenckt be-
kommen; auch an deſſen Thuͤre/ eben wie vorhin
Epicur/ angeſchrieben hatte: Hier werden
die Gaͤſte wol bewirthet; denn hier iſt
die Wolluſt das hoͤchſte Gut. Jn der
Warheit aber pflichtete dieſer Ariſtippus dem
Ariſtippus bey/ der ein Uhrheber der Cyreni-
ſchen Weltweiſen war/ und die Wolluſt des Lei-
bes fuͤr das hoͤchſte Gut hielt; Alſo von dem E-
picur ſo weit als ſchwartz und weiß entfernet
war. Sintemal dieſen alleine die Verleum-
dung zu einem Freunde der Faulheit/ und die zu
einem Beſchirmer der Uppigkeit machen wol-
len/ welche ihre Laſter in der Schoß der Welt-
weißheit verber gen wollen. Dahingegen Epicuꝛ
nur dieſelbe Wolluſt billigt/ welche man aus der
Tugend ſchoͤpffet; und daher der Wolluſt eben
diß Geſetze vorſchreibt/ was Zeno der Tugend.
Dahero er auch ſelbſt ſein nur mit Waſſer und
Brod unterhaltenes Leben in der hoͤchſten
Maͤßigkeithingebracht/ das euſerliche Gluͤcke
fuͤr einen ſeltenen Gefaͤrthen eines Weiſen ge-
halten/ auch zuweilen ſelbſt den Schmertz ver-
langet hat/ wenn er zumal ſich beſorgt/ daß auff
die Wolluſt einige Reue folgen doͤrffte. Un-
geachtet er nun ſeine verdammte Lehre ſtets mit
den Meinungen des Epicur verhuͤllete/ ſo
ſchwam ihm der Honig der Wolluſt doch immer
auf der Zunge; alſo/ daß Lucius fuͤr dem Athe-
nodor einen hefftigen Eckel/ zu dem Ariſtippus
aber eine deſto groͤſſere Zuneigung empfing.
Dieſemnach brachte er den Vermerck der von
Athenodor heraus gelaſſenen Heftigkeiten zu
Livien/ und verlangte durch ſie beym Kaͤyſer
verbeten zu werden/ daß er ſich eines ſo rauchen
Lehrers entſchlagen/ und mit beſcheidenern ver-
ſorgt werden moͤchte. Livia zohe entweder aus
einer weiblichen Schwachheit/ oder aus einer
vorhin ſchon wider ihn gefaſten Gramſchafft des
Athenodorus Lehre fuͤr eine ſie ſelbſt antaſtende
Schmaͤhung an; verklagte ihn beym Kaͤyſer/
und drang darauf/ daß er und alle Stoiſche
Weiſen aus Jtalien gejagt werden ſolten. Wie-
wol ſie nun diß nicht bey dem Kaͤyſer auswuͤr-
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Man muͤſte mit dem Socrates ſtreiten/ mit dem
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/507>, abgerufen am 26.06.2024. |