Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
ben vermeinte; wie er denn wohl wuste/ daßkein Schweffel ein so geschwinder Zunder des Feuers/ als die Jugend der Laster sey; leitete er uns in ein ander Gemach; darinnen wir zwey marmelne Bilder/ des Bacchus und der Ve- nus/ derer erstem zwölf wie Wald-Götter/ dem andern wie Liebes-Götter geputzte Knaben bald raucherten/ bald darum nach einem verbor- genen süssen Gethöne tantzten; in der Mitte a- ber eine Taffel mit den seltzamsten Speisen be- deckt/ um selbte acht mit Persischen Teppich- ten bekleidete Bette antraffen. Wie wir uns nun auf seine Nöthigung auf vier Bette geleh- net hatten/ fanden sich so viel gantz nackte Frauenzimmer neben uns auff die noch leeren Bette; und zwölf andere ebenfals nackte Dir- nen bedienten uns insgesamt an der Taffel. Nach dem diese aufgehoben war/ hegten sie zu uns allerhand geile Täntze mit denen unver- schämtesten Stellungen. Cajus und Lucius verlohren sich dann und itzt in die Neben-Ge- mächer; und ich selbst wuste mich kaum zu be- sinnen/ ob mir träumete/ oder ob ich in dem Meer der selbst-ständigen Wollust badete. Jn dieser Entzückung brachten wir in dem fest ver- schlossenen Garten den halben Tag und die Helffte der Nacht zu/ biß uns Aristippus selbst erinnerte/ für dißmahl unsere Lehre zu beschlies- sen; Bey der Gesegnung aber erinnerte: wir solten nun die eigene Erfahrung als den klüg- sten Richter urtheilen lassen: Ob des Aristip- pus höchstes Gut nicht besser als des gramhaff- ten Athenodorus sey? Ob des Crates Tasche/ des Antisthenes Kappe/ des Diogenes Faß/ des Zeno Stab würdiger/ als des Epicurus Lustgarten zu achten wäre? Wiewohl alle diese Heuchler nur euserlich wie die Schauspieler sich in den Mantel der Tugend hülleten; im Her- tzen aber der Wollust beypflichteten/ und in ge- heim sich mit derselben vermählten. Plato hätte sich dardurch allzu sehr verrathen/ da er ge- [Spaltenumbruch] lehrt/ daß die Weiber allen Männern gemein seyn solten. Als Crates einmal eingeschlaf- fen/ hätte man in seiner Tasche noch tausend güldene Darier gefunden; ungeachtet er all sein Reichthum als Koth weggeworffen zu haben sich rühmete. Dem Antisthenes wären aus seinen zerrissenen Hosen offtmals Würffel und Karten gefallen. Diogenes wäre an Alexan- ders Hoffe über dem Diebstahle eines güldenen Bechers betreten/ und in seinem Schübsacke das Bild der unkeuschen Lais gefunden wor- den; ungeachtet er nur aus dem Hand-Teller zu trincken/ und die Weiber mit dem Stabe von seinem Fasse wegzutreiben pflegen. Eu- clides wäre in Weibskleidern zu Athen im Hurenhause angetroffen worden; als er unter dem Vorwand den Socrates zu hören von Megara dahin zur Nachtzeit geschlichen. Py- thagoras hätte in den Armen seiner Theano/ Socrates auff den Brüsten der Aspasia und ih- rer Dirnen gelechset/ durch welcher feil gehab- te Schönheit sie den Peloponnesischen Krieg an- gezündet hätte. Der scharffe Gesetzgeber So- lon hätte nicht nur der sich gemein machenden Venus einen Tempel gebaut/ sondern auch mit unkeuschen Weibern Gewerb getrieben. Des Parthaoins für einen Weltweisen gerühmter Sohn wolte eine schöne Täntzerin nicht neben sich niedersitzen lassen; als sie aber hernach feil geboten ward/ bot er nicht nur das meiste dar- für/ sondern raufte sich auch mit andern um sie. Fliehet daher diese Thoren/ folget dem viel wei- sern Epicur/ welcher mit seiner holdseligen Leontium den Zucker dieser Welt genoß/ und dem Aristippus/ welcher auf denselben Brüsten schlief/ von welchen alle Mahler zu Corinth das Muster ihrer zu bilden nöthigen Brüste nah- men. Opffert die Blüten eurer kräfftigen Ju- gend der ergetzenden Wollust/ und dencket/ daß sie im Alter welck wird; nach dem Tode aber keine mehr übrig sey. Mit
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
ben vermeinte; wie er denn wohl wuſte/ daßkein Schweffel ein ſo geſchwinder Zunder des Feuers/ als die Jugend der Laſter ſey; leitete er uns in ein ander Gemach; darinnen wir zwey marmelne Bilder/ des Bacchus und der Ve- nus/ derer erſtem zwoͤlf wie Wald-Goͤtter/ dem andern wie Liebes-Goͤtter geputzte Knaben bald raucherten/ bald darum nach einem verbor- genen ſuͤſſen Gethoͤne tantzten; in der Mitte a- ber eine Taffel mit den ſeltzamſten Speiſen be- deckt/ um ſelbte acht mit Perſiſchen Teppich- ten bekleidete Bette antraffen. Wie wir uns nun auf ſeine Noͤthigung auf vier Bette geleh- net hatten/ fanden ſich ſo viel gantz nackte Frauenzimmer neben uns auff die noch leeren Bette; und zwoͤlf andere ebenfals nackte Dir- nen bedienten uns insgeſamt an der Taffel. Nach dem dieſe aufgehoben war/ hegten ſie zu uns allerhand geile Taͤntze mit denen unver- ſchaͤmteſten Stellungen. Cajus und Lucius verlohren ſich dann und itzt in die Neben-Ge- maͤcher; und ich ſelbſt wuſte mich kaum zu be- ſinnen/ ob mir traͤumete/ oder ob ich in dem Meer der ſelbſt-ſtaͤndigen Wolluſt badete. Jn dieſer Entzuͤckung brachten wir in dem feſt ver- ſchloſſenen Garten den halben Tag und die Helffte der Nacht zu/ biß uns Ariſtippus ſelbſt erinnerte/ fuͤr dißmahl unſere Lehre zu beſchlieſ- ſen; Bey der Geſegnung aber erinnerte: wir ſolten nun die eigene Erfahrung als den kluͤg- ſten Richter urtheilen laſſen: Ob des Ariſtip- pus hoͤchſtes Gut nicht beſſer als des gramhaff- ten Athenodorus ſey? Ob des Crates Taſche/ des Antiſthenes Kappe/ des Diogenes Faß/ des Zeno Stab wuͤrdiger/ als des Epicurus Luſtgarten zu achten waͤre? Wiewohl alle dieſe Heuchler nur euſerlich wie die Schauſpieler ſich in den Mantel der Tugend huͤlleten; im Her- tzen aber der Wolluſt beypflichteten/ und in ge- heim ſich mit derſelben vermaͤhlten. Plato haͤtte ſich dardurch allzu ſehr verrathen/ da er ge- [Spaltenumbruch] lehrt/ daß die Weiber allen Maͤnnern gemein ſeyn ſolten. Als Crates einmal eingeſchlaf- fen/ haͤtte man in ſeiner Taſche noch tauſend guͤldene Darier gefunden; ungeachtet er all ſein Reichthum als Koth weggeworffen zu haben ſich ruͤhmete. Dem Antiſthenes waͤren aus ſeinen zerriſſenen Hoſen offtmals Wuͤrffel und Karten gefallen. Diogenes waͤre an Alexan- ders Hoffe uͤber dem Diebſtahle eines guͤldenen Bechers betreten/ und in ſeinem Schuͤbſacke das Bild der unkeuſchen Lais gefunden wor- den; ungeachtet er nur aus dem Hand-Teller zu trincken/ und die Weiber mit dem Stabe von ſeinem Faſſe wegzutreiben pflegen. Eu- clides waͤre in Weibskleidern zu Athen im Hurenhauſe angetroffen worden; als er unter dem Vorwand den Socrates zu hoͤren von Megara dahin zur Nachtzeit geſchlichen. Py- thagoras haͤtte in den Armen ſeiner Theano/ Socrates auff den Bruͤſten der Aſpaſia und ih- rer Dirnen gelechſet/ durch welcher feil gehab- te Schoͤnheit ſie den Peloponneſiſchen Krieg an- gezuͤndet haͤtte. Der ſcharffe Geſetzgeber So- lon haͤtte nicht nur der ſich gemein machenden Venus einen Tempel gebaut/ ſondern auch mit unkeuſchen Weibern Gewerb getrieben. Des Parthaoins fuͤr einen Weltweiſen geruͤhmter Sohn wolte eine ſchoͤne Taͤntzerin nicht neben ſich niederſitzen laſſen; als ſie aber hernach feil geboten ward/ bot er nicht nur das meiſte dar- fuͤr/ ſondern raufte ſich auch mit andern um ſie. Fliehet daher dieſe Thoren/ folget dem viel wei- ſern Epicur/ welcher mit ſeiner holdſeligen Leontium den Zucker dieſer Welt genoß/ und dem Ariſtippus/ welcher auf denſelben Bruͤſten ſchlief/ von welchen alle Mahler zu Corinth das Muſter ihrer zu bilden noͤthigen Bruͤſte nah- men. Opffert die Bluͤten eurer kraͤfftigen Ju- gend der ergetzenden Wolluſt/ und dencket/ daß ſie im Alter welck wird; nach dem Tode aber keine mehr uͤbrig ſey. Mit
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Vierdtes Buch
ben vermeinte; wie er denn wohl wuſte/ daß
kein Schweffel ein ſo geſchwinder Zunder des
Feuers/ als die Jugend der Laſter ſey; leitete er
uns in ein ander Gemach; darinnen wir zwey
marmelne Bilder/ des Bacchus und der Ve-
nus/ derer erſtem zwoͤlf wie Wald-Goͤtter/ dem
andern wie Liebes-Goͤtter geputzte Knaben
bald raucherten/ bald darum nach einem verbor-
genen ſuͤſſen Gethoͤne tantzten; in der Mitte a-
ber eine Taffel mit den ſeltzamſten Speiſen be-
deckt/ um ſelbte acht mit Perſiſchen Teppich-
ten bekleidete Bette antraffen. Wie wir uns
nun auf ſeine Noͤthigung auf vier Bette geleh-
net hatten/ fanden ſich ſo viel gantz nackte
Frauenzimmer neben uns auff die noch leeren
Bette; und zwoͤlf andere ebenfals nackte Dir-
nen bedienten uns insgeſamt an der Taffel.
Nach dem dieſe aufgehoben war/ hegten ſie zu
uns allerhand geile Taͤntze mit denen unver-
ſchaͤmteſten Stellungen. Cajus und Lucius
verlohren ſich dann und itzt in die Neben-Ge-
maͤcher; und ich ſelbſt wuſte mich kaum zu be-
ſinnen/ ob mir traͤumete/ oder ob ich in dem
Meer der ſelbſt-ſtaͤndigen Wolluſt badete. Jn
dieſer Entzuͤckung brachten wir in dem feſt ver-
ſchloſſenen Garten den halben Tag und die
Helffte der Nacht zu/ biß uns Ariſtippus ſelbſt
erinnerte/ fuͤr dißmahl unſere Lehre zu beſchlieſ-
ſen; Bey der Geſegnung aber erinnerte: wir
ſolten nun die eigene Erfahrung als den kluͤg-
ſten Richter urtheilen laſſen: Ob des Ariſtip-
pus hoͤchſtes Gut nicht beſſer als des gramhaff-
ten Athenodorus ſey? Ob des Crates Taſche/
des Antiſthenes Kappe/ des Diogenes Faß/
des Zeno Stab wuͤrdiger/ als des Epicurus
Luſtgarten zu achten waͤre? Wiewohl alle dieſe
Heuchler nur euſerlich wie die Schauſpieler ſich
in den Mantel der Tugend huͤlleten; im Her-
tzen aber der Wolluſt beypflichteten/ und in ge-
heim ſich mit derſelben vermaͤhlten. Plato
haͤtte ſich dardurch allzu ſehr verrathen/ da er ge-
lehrt/ daß die Weiber allen Maͤnnern gemein
ſeyn ſolten. Als Crates einmal eingeſchlaf-
fen/ haͤtte man in ſeiner Taſche noch tauſend
guͤldene Darier gefunden; ungeachtet er all ſein
Reichthum als Koth weggeworffen zu haben
ſich ruͤhmete. Dem Antiſthenes waͤren aus
ſeinen zerriſſenen Hoſen offtmals Wuͤrffel und
Karten gefallen. Diogenes waͤre an Alexan-
ders Hoffe uͤber dem Diebſtahle eines guͤldenen
Bechers betreten/ und in ſeinem Schuͤbſacke
das Bild der unkeuſchen Lais gefunden wor-
den; ungeachtet er nur aus dem Hand-Teller
zu trincken/ und die Weiber mit dem Stabe
von ſeinem Faſſe wegzutreiben pflegen. Eu-
clides waͤre in Weibskleidern zu Athen im
Hurenhauſe angetroffen worden; als er unter
dem Vorwand den Socrates zu hoͤren von
Megara dahin zur Nachtzeit geſchlichen. Py-
thagoras haͤtte in den Armen ſeiner Theano/
Socrates auff den Bruͤſten der Aſpaſia und ih-
rer Dirnen gelechſet/ durch welcher feil gehab-
te Schoͤnheit ſie den Peloponneſiſchen Krieg an-
gezuͤndet haͤtte. Der ſcharffe Geſetzgeber So-
lon haͤtte nicht nur der ſich gemein machenden
Venus einen Tempel gebaut/ ſondern auch mit
unkeuſchen Weibern Gewerb getrieben. Des
Parthaoins fuͤr einen Weltweiſen geruͤhmter
Sohn wolte eine ſchoͤne Taͤntzerin nicht neben
ſich niederſitzen laſſen; als ſie aber hernach feil
geboten ward/ bot er nicht nur das meiſte dar-
fuͤr/ ſondern raufte ſich auch mit andern um ſie.
Fliehet daher dieſe Thoren/ folget dem viel wei-
ſern Epicur/ welcher mit ſeiner holdſeligen
Leontium den Zucker dieſer Welt genoß/ und
dem Ariſtippus/ welcher auf denſelben Bruͤſten
ſchlief/ von welchen alle Mahler zu Corinth das
Muſter ihrer zu bilden noͤthigen Bruͤſte nah-
men. Opffert die Bluͤten eurer kraͤfftigen Ju-
gend der ergetzenden Wolluſt/ und dencket/ daß
ſie im Alter welck wird; nach dem Tode aber
keine mehr uͤbrig ſey.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/510>, abgerufen am 26.06.2024. |