Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]

Mit diesem abscheulichen Unterrichte nah-
men wir von dem Verführer Aristippus Ab-
schied/ und kamen mit Verwunderung des Ho-
fes/ daß Cajus und Lucius sich so sehr in die
Weltweißheit verliebt hätten/ nach Hause. Fol-
genden Tag fanden wir uns wieder gar zeitlich
in des Aristippus Garten/ da er denn uns und
der verhandenen grossen Menge der Zuhörer
fürtrug: Ein Weiser solte in allem/ was er thäte/
sein Absehn allein auf seine eigene Vergnügung
haben. Daher dörffte der/ welcher am Müssig-
gange Ergetzligkeit spürte/ sich nicht mit Erler-
nung schwerer Dinge quälen/ ein Geitziger
dörffte gegen niemanden freygebig seyn/ ein
Furchtsamer nicht in Krieg ziehen/ ein Unacht-
samer sich umb Gott nicht bekümmern. Zu-
letzt gab er uns ein Zeichen/ daß wir uns wieder
in seine geheime Schule einfinden solten. Cajus
und Lucius waren schon in das Lust-Haus hin-
ein/ und ich auf der Schwelle/ als ich fühlte/ daß
mich einer hinterrücks bey dem Kleide zurück
zoh. Als ich mich umbwendete/ sahe ich einen
alten Mann/ dessen Antlitz eine sonderbare An-
dacht/ seine Geberden aber eine grosse Bestür-
tzung andeuteten. Dieser fing mit aufgehobe-
nen Händen an: Tritt zurücke/ edelster Flavius/
von der Schwelle deines Untergangs. Hier-
mit ergriff er mich bey der Hand/ und führte
mich halb gezwungen und halb gutwillig in den
düstersten Gang des Gartens/ daselbst fiel er
mir umb den Hals/ küßte und benetzte mich mit
einem reichen Strome bitterer Zähren. Hier-
auf sahe er gegen dem Himmel/ und fieng an::
Ewiger Gott! lasse nicht zu/ daß der Sohn des
frommen Fürsten Segimers in den Klauen ei-
nes so schändlichen Gottes-Verächters/ und sei-
ne Seele von diesem Ertzt-Mörder umbkom-
me! Jch/ der ich anfangs gleich über der Kent-
nüß und hertzhaften Ansprache dieses Greises
mich verwunderte/ ward nunmehr durch einen
geheimen Trieb zu einer absondern Ehrerbie-
tung gegen ihn gereget/ und es schien ihm eine
[Spaltenumbruch] überirrdische Lebhaftigkeit aus den Augen zu se-
hen. Daher ich anfing: Sage mir/ Vater/
woher du mich kennest/ und was mir für ein Un-
glück vorstehe? Ach! fing er seufzende und zwar
nunmehr in deutscher Sprache an: Es ist hier
kein Ort dir alles zu offenbaren. Meine
Sprache versichert dich/ daß ich dein Lands-
mann/ und diese meine Betheuerung/ (hiermit
legte er seine Hand ihm flach aufs Haupt/) daß
ich ein treuer Knecht deines Vaters Segimers/
Aristippus aber der verfluchteste Unmensch
und euch den höllischen Unholden zu einem fetten
Schlacht-Opfer zu liefern vorhabens sey. Hier
leidet die Zeit nicht mehr Worte zu machen. Wilst
du dich aber erhalten wissen/ so entferne dich au-
genblicks aus diesem Garten/ und suche mich
morgen früh in dem Tempel der Jsis/ welchen
der Käyser unlängst an den Ort/ wo vorhin der
vom Julius eingerissene gestanden/ zu bauen er-
laubet hat. Hiermit setzte sich dieser Greiß in
einen Kahn auf die Tiber/ und fuhr davon; ich
aber verfügte mich in die grosse Renne-Bahn/
und brachte den Tag mit allerhand Ritterspielen
zu/ umb mich der von des vorhergehenden Tages
seltzamer Begebnüß/ oder dieses Alten Erinne-
rung zuhängenden Traurigkeit zu entschlagen.
Umb Mitternacht kam Lucius in mein Zimmer
für mein Bette/ und wuste mir die beym Aristip-
pus genossene Lust/ welcher die erstere nicht das
Wasser reichte/ nicht genungsam heraus zu strei-
chen. Denn er hätte sie mit eitel jungen Moh-
ren und Mohrinnen bedienet/ gegen welcher feu-
rigem Liebes-Reitze des weissen Frauenzimmers
Anmuth nur für Schnee zu achten wäre. Jch
konte mich über diesem Vortrage nicht enthalten
überlaut zu lachen und zu fragen: Was Aristip-
pus für eine Beredsamkeit sie zu bereden gebrau-
chet/ daß die Raben schöner als die Schwanen
wären? Sind die Raben nicht schöner/ versetzte
Lucius/ so sind sie doch wahrhaftiger zum Reden/
als die Schwanen zum singen geschickt/ und also
anmuthiger. Warumb aber solte nicht auch

Schön-
Erster Theil. M m m
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]

Mit dieſem abſcheulichen Unterrichte nah-
men wir von dem Verfuͤhrer Ariſtippus Ab-
ſchied/ und kamen mit Verwunderung des Ho-
fes/ daß Cajus und Lucius ſich ſo ſehr in die
Weltweißheit verliebt haͤtten/ nach Hauſe. Fol-
genden Tag fanden wir uns wieder gar zeitlich
in des Ariſtippus Garten/ da er denn uns und
der verhandenen groſſen Menge der Zuhoͤrer
fuͤrtrug: Ein Weiſer ſolte in allem/ was er thaͤte/
ſein Abſehn allein auf ſeine eigene Vergnuͤgung
haben. Daher doͤrffte der/ welcher am Muͤſſig-
gange Ergetzligkeit ſpuͤrte/ ſich nicht mit Erler-
nung ſchwerer Dinge quaͤlen/ ein Geitziger
doͤrffte gegen niemanden freygebig ſeyn/ ein
Furchtſamer nicht in Krieg ziehen/ ein Unacht-
ſamer ſich umb Gott nicht bekuͤmmern. Zu-
letzt gab er uns ein Zeichen/ daß wir uns wieder
in ſeine geheime Schule einfinden ſolten. Cajus
und Lucius waren ſchon in das Luſt-Haus hin-
ein/ und ich auf der Schwelle/ als ich fuͤhlte/ daß
mich einer hinterruͤcks bey dem Kleide zuruͤck
zoh. Als ich mich umbwendete/ ſahe ich einen
alten Mann/ deſſen Antlitz eine ſonderbare An-
dacht/ ſeine Geberden aber eine groſſe Beſtuͤr-
tzung andeuteten. Dieſer fing mit aufgehobe-
nen Haͤnden an: Tritt zuruͤcke/ edelſter Flavius/
von der Schwelle deines Untergangs. Hier-
mit ergriff er mich bey der Hand/ und fuͤhrte
mich halb gezwungen und halb gutwillig in den
duͤſterſten Gang des Gartens/ daſelbſt fiel er
mir umb den Hals/ kuͤßte und benetzte mich mit
einem reichen Strome bitterer Zaͤhren. Hier-
auf ſahe er gegen dem Himmel/ und fieng an::
Ewiger Gott! laſſe nicht zu/ daß der Sohn des
frommen Fuͤrſten Segimers in den Klauen ei-
nes ſo ſchaͤndlichen Gottes-Veraͤchters/ und ſei-
ne Seele von dieſem Ertzt-Moͤrder umbkom-
me! Jch/ der ich anfangs gleich uͤber der Kent-
nuͤß und hertzhaften Anſprache dieſes Greiſes
mich verwunderte/ ward nunmehr durch einen
geheimen Trieb zu einer abſondern Ehrerbie-
tung gegen ihn gereget/ und es ſchien ihm eine
[Spaltenumbruch] uͤberirrdiſche Lebhaftigkeit aus den Augen zu ſe-
hen. Daher ich anfing: Sage mir/ Vater/
woher du mich kenneſt/ und was mir fuͤr ein Un-
gluͤck vorſtehe? Ach! fing er ſeufzende und zwar
nunmehr in deutſcher Sprache an: Es iſt hier
kein Ort dir alles zu offenbaren. Meine
Sprache verſichert dich/ daß ich dein Lands-
mann/ und dieſe meine Betheuerung/ (hiermit
legte er ſeine Hand ihm flach aufs Haupt/) daß
ich ein treuer Knecht deines Vaters Segimers/
Ariſtippus aber der verfluchteſte Unmenſch
und euch den hoͤlliſchen Unholden zu einem fetten
Schlacht-Opfer zu liefern vorhabens ſey. Hier
leidet die Zeit nicht mehr Worte zu machẽ. Wilſt
du dich aber erhalten wiſſen/ ſo entferne dich au-
genblicks aus dieſem Garten/ und ſuche mich
morgen fruͤh in dem Tempel der Jſis/ welchen
der Kaͤyſer unlaͤngſt an den Ort/ wo vorhin der
vom Julius eingeriſſene geſtanden/ zu bauen er-
laubet hat. Hiermit ſetzte ſich dieſer Greiß in
einen Kahn auf die Tiber/ und fuhr davon; ich
aber verfuͤgte mich in die groſſe Renne-Bahn/
und brachte den Tag mit allerhand Ritterſpielen
zu/ umb mich der von des vorhergehenden Tages
ſeltzamer Begebnuͤß/ oder dieſes Alten Erinne-
rung zuhaͤngenden Traurigkeit zu entſchlagen.
Umb Mitternacht kam Lucius in mein Zimmer
fuͤr mein Bette/ und wuſte mir die beym Ariſtip-
pus genoſſene Luſt/ welcher die erſtere nicht das
Waſſer reichte/ nicht genungſam heraus zu ſtrei-
chen. Denn er haͤtte ſie mit eitel jungen Moh-
ren und Mohrinnen bedienet/ gegen welcher feu-
rigem Liebes-Reitze des weiſſen Frauenzimmers
Anmuth nur fuͤr Schnee zu achten waͤre. Jch
konte mich uͤber dieſem Vortrage nicht enthalten
uͤberlaut zu lachen und zu fragen: Was Ariſtip-
pus fuͤr eine Beredſamkeit ſie zu bereden gebrau-
chet/ daß die Raben ſchoͤner als die Schwanen
waͤren? Sind die Raben nicht ſchoͤner/ verſetzte
Lucius/ ſo ſind ſie doch wahrhaftiger zum Reden/
als die Schwanen zum ſingen geſchickt/ und alſo
anmuthiger. Warumb aber ſolte nicht auch

Schoͤn-
Erſter Theil. M m m
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0511" n="457"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi> </fw><lb/>
          <cb/>
          <p>Mit die&#x017F;em ab&#x017F;cheulichen Unterrichte nah-<lb/>
men wir von dem Verfu&#x0364;hrer Ari&#x017F;tippus Ab-<lb/>
&#x017F;chied/ und kamen mit Verwunderung des Ho-<lb/>
fes/ daß Cajus und Lucius &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr in die<lb/>
Weltweißheit verliebt ha&#x0364;tten/ nach Hau&#x017F;e. Fol-<lb/>
genden Tag fanden wir uns wieder gar zeitlich<lb/>
in des Ari&#x017F;tippus Garten/ da er denn uns und<lb/>
der verhandenen gro&#x017F;&#x017F;en Menge der Zuho&#x0364;rer<lb/>
fu&#x0364;rtrug: Ein Wei&#x017F;er &#x017F;olte in allem/ was er tha&#x0364;te/<lb/>
&#x017F;ein Ab&#x017F;ehn allein auf &#x017F;eine eigene Vergnu&#x0364;gung<lb/>
haben. Daher do&#x0364;rffte der/ welcher am Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig-<lb/>
gange Ergetzligkeit &#x017F;pu&#x0364;rte/ &#x017F;ich nicht mit Erler-<lb/>
nung &#x017F;chwerer Dinge qua&#x0364;len/ ein Geitziger<lb/>
do&#x0364;rffte gegen niemanden freygebig &#x017F;eyn/ ein<lb/>
Furcht&#x017F;amer nicht in Krieg ziehen/ ein Unacht-<lb/>
&#x017F;amer &#x017F;ich umb Gott nicht beku&#x0364;mmern. Zu-<lb/>
letzt gab er uns ein Zeichen/ daß wir uns wieder<lb/>
in &#x017F;eine geheime Schule einfinden &#x017F;olten. Cajus<lb/>
und Lucius waren &#x017F;chon in das Lu&#x017F;t-Haus hin-<lb/>
ein/ und ich auf der Schwelle/ als ich fu&#x0364;hlte/ daß<lb/>
mich einer hinterru&#x0364;cks bey dem Kleide zuru&#x0364;ck<lb/>
zoh. Als ich mich umbwendete/ &#x017F;ahe ich einen<lb/>
alten Mann/ de&#x017F;&#x017F;en Antlitz eine &#x017F;onderbare An-<lb/>
dacht/ &#x017F;eine Geberden aber eine gro&#x017F;&#x017F;e Be&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
tzung andeuteten. Die&#x017F;er fing mit aufgehobe-<lb/>
nen Ha&#x0364;nden an: Tritt zuru&#x0364;cke/ edel&#x017F;ter Flavius/<lb/>
von der Schwelle deines Untergangs. Hier-<lb/>
mit ergriff er mich bey der Hand/ und fu&#x0364;hrte<lb/>
mich halb gezwungen und halb gutwillig in den<lb/>
du&#x0364;&#x017F;ter&#x017F;ten Gang des Gartens/ da&#x017F;elb&#x017F;t fiel er<lb/>
mir umb den Hals/ ku&#x0364;ßte und benetzte mich mit<lb/>
einem reichen Strome bitterer Za&#x0364;hren. Hier-<lb/>
auf &#x017F;ahe er gegen dem Himmel/ und fieng an::<lb/>
Ewiger Gott! la&#x017F;&#x017F;e nicht zu/ daß der Sohn des<lb/>
frommen Fu&#x0364;r&#x017F;ten Segimers in den Klauen ei-<lb/>
nes &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Gottes-Vera&#x0364;chters/ und &#x017F;ei-<lb/>
ne Seele von die&#x017F;em Ertzt-Mo&#x0364;rder umbkom-<lb/>
me! Jch/ der ich anfangs gleich u&#x0364;ber der Kent-<lb/>
nu&#x0364;ß und hertzhaften An&#x017F;prache die&#x017F;es Grei&#x017F;es<lb/>
mich verwunderte/ ward nunmehr durch einen<lb/>
geheimen Trieb zu einer ab&#x017F;ondern Ehrerbie-<lb/>
tung gegen ihn gereget/ und es &#x017F;chien ihm eine<lb/><cb/>
u&#x0364;berirrdi&#x017F;che Lebhaftigkeit aus den Augen zu &#x017F;e-<lb/>
hen. Daher ich anfing: Sage mir/ Vater/<lb/>
woher du mich kenne&#x017F;t/ und was mir fu&#x0364;r ein Un-<lb/>
glu&#x0364;ck vor&#x017F;tehe? Ach! fing er &#x017F;eufzende und zwar<lb/>
nunmehr in deut&#x017F;cher Sprache an: Es i&#x017F;t hier<lb/>
kein Ort dir alles zu offenbaren. Meine<lb/>
Sprache ver&#x017F;ichert dich/ daß ich dein Lands-<lb/>
mann/ und die&#x017F;e meine Betheuerung/ (hiermit<lb/>
legte er &#x017F;eine Hand ihm flach aufs Haupt/) daß<lb/>
ich ein treuer Knecht deines Vaters Segimers/<lb/>
Ari&#x017F;tippus aber der verfluchte&#x017F;te Unmen&#x017F;ch<lb/>
und euch den ho&#x0364;lli&#x017F;chen Unholden zu einem fetten<lb/>
Schlacht-Opfer zu liefern vorhabens &#x017F;ey. Hier<lb/>
leidet die Zeit nicht mehr Worte zu mache&#x0303;. Wil&#x017F;t<lb/>
du dich aber erhalten wi&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o entferne dich au-<lb/>
genblicks aus die&#x017F;em Garten/ und &#x017F;uche mich<lb/>
morgen fru&#x0364;h in dem Tempel der J&#x017F;is/ welchen<lb/>
der Ka&#x0364;y&#x017F;er unla&#x0364;ng&#x017F;t an den Ort/ wo vorhin der<lb/>
vom Julius eingeri&#x017F;&#x017F;ene ge&#x017F;tanden/ zu bauen er-<lb/>
laubet hat. Hiermit &#x017F;etzte &#x017F;ich die&#x017F;er Greiß in<lb/>
einen Kahn auf die Tiber/ und fuhr davon; ich<lb/>
aber verfu&#x0364;gte mich in die gro&#x017F;&#x017F;e Renne-Bahn/<lb/>
und brachte den Tag mit allerhand Ritter&#x017F;pielen<lb/>
zu/ umb mich der von des vorhergehenden Tages<lb/>
&#x017F;eltzamer Begebnu&#x0364;ß/ oder die&#x017F;es Alten Erinne-<lb/>
rung zuha&#x0364;ngenden Traurigkeit zu ent&#x017F;chlagen.<lb/>
Umb Mitternacht kam Lucius in mein Zimmer<lb/>
fu&#x0364;r mein Bette/ und wu&#x017F;te mir die beym Ari&#x017F;tip-<lb/>
pus geno&#x017F;&#x017F;ene Lu&#x017F;t/ welcher die er&#x017F;tere nicht das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er reichte/ nicht genung&#x017F;am heraus zu &#x017F;trei-<lb/>
chen. Denn er ha&#x0364;tte &#x017F;ie mit eitel jungen Moh-<lb/>
ren und Mohrinnen bedienet/ gegen welcher feu-<lb/>
rigem Liebes-Reitze des wei&#x017F;&#x017F;en Frauenzimmers<lb/>
Anmuth nur fu&#x0364;r Schnee zu achten wa&#x0364;re. Jch<lb/>
konte mich u&#x0364;ber die&#x017F;em Vortrage nicht enthalten<lb/>
u&#x0364;berlaut zu lachen und zu fragen: Was Ari&#x017F;tip-<lb/>
pus fu&#x0364;r eine Bered&#x017F;amkeit &#x017F;ie zu bereden gebrau-<lb/>
chet/ daß die Raben &#x017F;cho&#x0364;ner als die Schwanen<lb/>
wa&#x0364;ren? Sind die Raben nicht &#x017F;cho&#x0364;ner/ ver&#x017F;etzte<lb/>
Lucius/ &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie doch wahrhaftiger zum Reden/<lb/>
als die Schwanen zum &#x017F;ingen ge&#x017F;chickt/ und al&#x017F;o<lb/>
anmuthiger. Warumb aber &#x017F;olte nicht auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. M m m</fw><fw place="bottom" type="catch">Scho&#x0364;n-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[457/0511] Arminius und Thußnelda. Mit dieſem abſcheulichen Unterrichte nah- men wir von dem Verfuͤhrer Ariſtippus Ab- ſchied/ und kamen mit Verwunderung des Ho- fes/ daß Cajus und Lucius ſich ſo ſehr in die Weltweißheit verliebt haͤtten/ nach Hauſe. Fol- genden Tag fanden wir uns wieder gar zeitlich in des Ariſtippus Garten/ da er denn uns und der verhandenen groſſen Menge der Zuhoͤrer fuͤrtrug: Ein Weiſer ſolte in allem/ was er thaͤte/ ſein Abſehn allein auf ſeine eigene Vergnuͤgung haben. Daher doͤrffte der/ welcher am Muͤſſig- gange Ergetzligkeit ſpuͤrte/ ſich nicht mit Erler- nung ſchwerer Dinge quaͤlen/ ein Geitziger doͤrffte gegen niemanden freygebig ſeyn/ ein Furchtſamer nicht in Krieg ziehen/ ein Unacht- ſamer ſich umb Gott nicht bekuͤmmern. Zu- letzt gab er uns ein Zeichen/ daß wir uns wieder in ſeine geheime Schule einfinden ſolten. Cajus und Lucius waren ſchon in das Luſt-Haus hin- ein/ und ich auf der Schwelle/ als ich fuͤhlte/ daß mich einer hinterruͤcks bey dem Kleide zuruͤck zoh. Als ich mich umbwendete/ ſahe ich einen alten Mann/ deſſen Antlitz eine ſonderbare An- dacht/ ſeine Geberden aber eine groſſe Beſtuͤr- tzung andeuteten. Dieſer fing mit aufgehobe- nen Haͤnden an: Tritt zuruͤcke/ edelſter Flavius/ von der Schwelle deines Untergangs. Hier- mit ergriff er mich bey der Hand/ und fuͤhrte mich halb gezwungen und halb gutwillig in den duͤſterſten Gang des Gartens/ daſelbſt fiel er mir umb den Hals/ kuͤßte und benetzte mich mit einem reichen Strome bitterer Zaͤhren. Hier- auf ſahe er gegen dem Himmel/ und fieng an:: Ewiger Gott! laſſe nicht zu/ daß der Sohn des frommen Fuͤrſten Segimers in den Klauen ei- nes ſo ſchaͤndlichen Gottes-Veraͤchters/ und ſei- ne Seele von dieſem Ertzt-Moͤrder umbkom- me! Jch/ der ich anfangs gleich uͤber der Kent- nuͤß und hertzhaften Anſprache dieſes Greiſes mich verwunderte/ ward nunmehr durch einen geheimen Trieb zu einer abſondern Ehrerbie- tung gegen ihn gereget/ und es ſchien ihm eine uͤberirrdiſche Lebhaftigkeit aus den Augen zu ſe- hen. Daher ich anfing: Sage mir/ Vater/ woher du mich kenneſt/ und was mir fuͤr ein Un- gluͤck vorſtehe? Ach! fing er ſeufzende und zwar nunmehr in deutſcher Sprache an: Es iſt hier kein Ort dir alles zu offenbaren. Meine Sprache verſichert dich/ daß ich dein Lands- mann/ und dieſe meine Betheuerung/ (hiermit legte er ſeine Hand ihm flach aufs Haupt/) daß ich ein treuer Knecht deines Vaters Segimers/ Ariſtippus aber der verfluchteſte Unmenſch und euch den hoͤlliſchen Unholden zu einem fetten Schlacht-Opfer zu liefern vorhabens ſey. Hier leidet die Zeit nicht mehr Worte zu machẽ. Wilſt du dich aber erhalten wiſſen/ ſo entferne dich au- genblicks aus dieſem Garten/ und ſuche mich morgen fruͤh in dem Tempel der Jſis/ welchen der Kaͤyſer unlaͤngſt an den Ort/ wo vorhin der vom Julius eingeriſſene geſtanden/ zu bauen er- laubet hat. Hiermit ſetzte ſich dieſer Greiß in einen Kahn auf die Tiber/ und fuhr davon; ich aber verfuͤgte mich in die groſſe Renne-Bahn/ und brachte den Tag mit allerhand Ritterſpielen zu/ umb mich der von des vorhergehenden Tages ſeltzamer Begebnuͤß/ oder dieſes Alten Erinne- rung zuhaͤngenden Traurigkeit zu entſchlagen. Umb Mitternacht kam Lucius in mein Zimmer fuͤr mein Bette/ und wuſte mir die beym Ariſtip- pus genoſſene Luſt/ welcher die erſtere nicht das Waſſer reichte/ nicht genungſam heraus zu ſtrei- chen. Denn er haͤtte ſie mit eitel jungen Moh- ren und Mohrinnen bedienet/ gegen welcher feu- rigem Liebes-Reitze des weiſſen Frauenzimmers Anmuth nur fuͤr Schnee zu achten waͤre. Jch konte mich uͤber dieſem Vortrage nicht enthalten uͤberlaut zu lachen und zu fragen: Was Ariſtip- pus fuͤr eine Beredſamkeit ſie zu bereden gebrau- chet/ daß die Raben ſchoͤner als die Schwanen waͤren? Sind die Raben nicht ſchoͤner/ verſetzte Lucius/ ſo ſind ſie doch wahrhaftiger zum Reden/ als die Schwanen zum ſingen geſchickt/ und alſo anmuthiger. Warumb aber ſolte nicht auch Schoͤn- Erſter Theil. M m m

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/511
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/511>, abgerufen am 26.06.2024.