Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
fing auch alsofort an: Entsetze dich nicht/ meinSohn/ daß du in diesem Heiligthume weniger annehmliches/ als in des Boßhaften Aristippus Garten zu sehen bekommest/ darinnen aber keine Frucht zu finden/ die nicht von einem schädli- chern Drachen/ als welcher die Aepfel der Hespe- riden bewacht hat/ verwahret/ oder vielmehr ver- giftet werden. Jch bin Sotion/ von Geburt ein Cherusker/ von Ursprung ein Cattischer Fürst/ von Glauben ein Druys/ von Lebens- Art ein Pilgram/ ein Knecht des Cheruskischen Hauses/ des Libys Bruder/ welcher ietzt ober- ster Priester in dem Tanfanischen Tempel seyn soll. Meine mit Begierde der Weltweißheit vermischte Andacht hat mich schon für gerau- men Jahren aus meinem Vaterlande in Thra- cien gelocket/ theils des berühmten Zamolxis von dem Pythagoras gelernete/ und zu denen Druyden und biß zu denen Hyperborischen Völckern von ihm gebrachte Weißheit zu be- greiffen; theils auch mich umb das Glücke zu bewerben/ daß ich durch meine Aufopferung zum Gesandten der Thracier an den Halb- Gott Zamolxis erkieset werden möchte. Das Looß fugte auch meinem Verlangen; weil ich aber ein Ausländer war/ ward ich von dem Glücke eines so herrlichen Todes und eines ewigen Nachruhms verdrungen. Jch wen- dete mich hierauf nach Athen; weil ich aber daselbst die wahre Weißheit/ welche der Jude Phereeydes des Pythagoras Lehrer in Grie- chenland bracht/ in die Striche des immer wei- nenden Democritus/ und in die Spitzfindig- keiten des Protagoras verwandelt fand/ fuhr ich in Syrien/ verrichtete ein gantzes Jahr meine Andacht in dem heiligen Tempel der Juden zu Jerusalem/ darein mir aber nicht ehe der Eingang verlaubt ward/ als biß ich nach dem Beyspiele des Pythagoras mich be- schneiden/ und wie jener seine Tochter Sara/ also ich mich Moses nennen ließ. Von dar [Spaltenumbruch] kam ich in Epypten/ und nach einer sieben Jahr mit dieses Landes Priestern gepflogenen Verträuligkeit reisete ich nach Cyrene/ aus welcher Stadt alleine so viel Welt-Weisen/ als aus gantz Griechenland kommen seyn sollen. Daselbst habe ich den Verführer Ari- stippus angetroffen. Ob nun wohl diese Stadt noch von des alten Aristippus gelehrten Uppigkeiten angesteckt ist/ also/ daß man daselbst keinen Wein ohne eingemischten Balsam trin- cket/ und auch Mägde sich mit dem köstlichsten Veilgen-Oel und Rosen-Salbe einbisamen; also ihnen Plato einiges Gesetze zu geben sich nicht unbillich geweigert hatte; so waren doch seine Unterfangungen so abscheulich/ indem Ehbruch/ Blutschande/ unnatürliche Brunst die geringsten Laster waren/ welche dieser geile Bock und unverschämte Hund der al- bern Jugend durch seine verdammte Lehre und ärgerliches Beyspiel eingeflöst hatte/ daß er in Hafft genommen/ und als ein Knecht seiner fchändlichen Begierden mit seiner von gar- stigem Unflathe der Unzucht stinckenden Gefertin der Hure Cyrene/ welche darin- nen zwölff neue Stellungen erfunden zu haben sich rühmte/ und ein zauberisches Kraut verkauffte/ welches zu siebentzigmali- gem Beyschlaf fähig machte/ zum Creutze verdammt. Weil aber zu Cyrene die obrig- keitliche Macht denen Lastern nicht gewachsen war/ wurden diese zwey Ubelthäter von einem Hauffen verwegener Buben dem Scharffrichter aus den Händen gerissen/ und durch ein fertiges Schiff entführet. Jch nahm von Cyrene als einer Spiel- Tonne aller Laster zeitlich meinen Abschied/ und bin für acht Monden zu Metapont ankommen/ alldar ich in Beschauung des von dem Pythagoras bewohnten/ und zu seiner Zeit stets mit sechs hundert Schü- lern angefüllten Ceres-Tempels/ und an- derer
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
fing auch alſofort an: Entſetze dich nicht/ meinSohn/ daß du in dieſem Heiligthume weniger annehmliches/ als in des Boßhaften Ariſtippus Garten zu ſehen bekommeſt/ darinnen aber keine Frucht zu finden/ die nicht von einem ſchaͤdli- chern Drachen/ als welcher die Aepfel der Heſpe- riden bewacht hat/ verwahret/ oder vielmehr ver- giftet werden. Jch bin Sotion/ von Geburt ein Cherusker/ von Urſprung ein Cattiſcher Fuͤrſt/ von Glauben ein Druys/ von Lebens- Art ein Pilgram/ ein Knecht des Cheruskiſchen Hauſes/ des Libys Bruder/ welcher ietzt ober- ſter Prieſter in dem Tanfaniſchen Tempel ſeyn ſoll. Meine mit Begierde der Weltweißheit vermiſchte Andacht hat mich ſchon fuͤr gerau- men Jahren aus meinem Vaterlande in Thra- cien gelocket/ theils des beruͤhmten Zamolxis von dem Pythagoras gelernete/ und zu denen Druyden und biß zu denen Hyperboriſchen Voͤlckern von ihm gebrachte Weißheit zu be- greiffen; theils auch mich umb das Gluͤcke zu bewerben/ daß ich durch meine Aufopferung zum Geſandten der Thracier an den Halb- Gott Zamolxis erkieſet werden moͤchte. Das Looß fugte auch meinem Verlangen; weil ich aber ein Auslaͤnder war/ ward ich von dem Gluͤcke eines ſo herrlichen Todes und eines ewigen Nachruhms verdrungen. Jch wen- dete mich hierauf nach Athen; weil ich aber daſelbſt die wahre Weißheit/ welche der Jude Phereeydes des Pythagoras Lehrer in Grie- chenland bracht/ in die Striche des immer wei- nenden Democritus/ und in die Spitzfindig- keiten des Protagoras verwandelt fand/ fuhr ich in Syrien/ verrichtete ein gantzes Jahr meine Andacht in dem heiligen Tempel der Juden zu Jeruſalem/ darein mir aber nicht ehe der Eingang verlaubt ward/ als biß ich nach dem Beyſpiele des Pythagoras mich be- ſchneiden/ und wie jener ſeine Tochter Sara/ alſo ich mich Moſes nennen ließ. Von dar [Spaltenumbruch] kam ich in Epypten/ und nach einer ſieben Jahr mit dieſes Landes Prieſtern gepflogenen Vertraͤuligkeit reiſete ich nach Cyrene/ aus welcher Stadt alleine ſo viel Welt-Weiſen/ als aus gantz Griechenland kommen ſeyn ſollen. Daſelbſt habe ich den Verfuͤhrer Ari- ſtippus angetroffen. Ob nun wohl dieſe Stadt noch von des alten Ariſtippus gelehrten Uppigkeiten angeſteckt iſt/ alſo/ daß man daſelbſt keinen Wein ohne eingemiſchten Balſam trin- cket/ und auch Maͤgde ſich mit dem koͤſtlichſten Veilgen-Oel und Roſen-Salbe einbiſamen; alſo ihnen Plato einiges Geſetze zu geben ſich nicht unbillich geweigert hatte; ſo waren doch ſeine Unterfangungen ſo abſcheulich/ indem Ehbruch/ Blutſchande/ unnatuͤrliche Brunſt die geringſten Laſter waren/ welche dieſer geile Bock und unverſchaͤmte Hund der al- bern Jugend durch ſeine verdam̃te Lehre und aͤrgerliches Beyſpiel eingefloͤſt hatte/ daß er in Hafft genommen/ und als ein Knecht ſeiner fchaͤndlichen Begierden mit ſeiner von gar- ſtigem Unflathe der Unzucht ſtinckenden Gefertin der Hure Cyrene/ welche darin- nen zwoͤlff neue Stellungen erfunden zu haben ſich ruͤhmte/ und ein zauberiſches Kraut verkauffte/ welches zu ſiebentzigmali- gem Beyſchlaf faͤhig machte/ zum Creutze verdammt. Weil aber zu Cyrene die obrig- keitliche Macht denen Laſtern nicht gewachſen war/ wurden dieſe zwey Ubelthaͤter von einem Hauffen verwegener Buben dem Scharffrichter aus den Haͤnden geriſſen/ und durch ein fertiges Schiff entfuͤhret. Jch nahm von Cyrene als einer Spiel- Tonne aller Laſter zeitlich meinen Abſchied/ und bin fuͤr acht Monden zu Metapont ankommen/ alldar ich in Beſchauung des von dem Pythagoras bewohnten/ und zu ſeiner Zeit ſtets mit ſechs hundert Schuͤ- lern angefuͤllten Ceres-Tempels/ und an- derer
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Vierdtes Buch
fing auch alſofort an: Entſetze dich nicht/ mein
Sohn/ daß du in dieſem Heiligthume weniger
annehmliches/ als in des Boßhaften Ariſtippus
Garten zu ſehen bekommeſt/ darinnen aber keine
Frucht zu finden/ die nicht von einem ſchaͤdli-
chern Drachen/ als welcher die Aepfel der Heſpe-
riden bewacht hat/ verwahret/ oder vielmehr ver-
giftet werden. Jch bin Sotion/ von Geburt
ein Cherusker/ von Urſprung ein Cattiſcher
Fuͤrſt/ von Glauben ein Druys/ von Lebens-
Art ein Pilgram/ ein Knecht des Cheruskiſchen
Hauſes/ des Libys Bruder/ welcher ietzt ober-
ſter Prieſter in dem Tanfaniſchen Tempel ſeyn
ſoll. Meine mit Begierde der Weltweißheit
vermiſchte Andacht hat mich ſchon fuͤr gerau-
men Jahren aus meinem Vaterlande in Thra-
cien gelocket/ theils des beruͤhmten Zamolxis
von dem Pythagoras gelernete/ und zu denen
Druyden und biß zu denen Hyperboriſchen
Voͤlckern von ihm gebrachte Weißheit zu be-
greiffen; theils auch mich umb das Gluͤcke zu
bewerben/ daß ich durch meine Aufopferung
zum Geſandten der Thracier an den Halb-
Gott Zamolxis erkieſet werden moͤchte. Das
Looß fugte auch meinem Verlangen; weil ich
aber ein Auslaͤnder war/ ward ich von dem
Gluͤcke eines ſo herrlichen Todes und eines
ewigen Nachruhms verdrungen. Jch wen-
dete mich hierauf nach Athen; weil ich aber
daſelbſt die wahre Weißheit/ welche der Jude
Phereeydes des Pythagoras Lehrer in Grie-
chenland bracht/ in die Striche des immer wei-
nenden Democritus/ und in die Spitzfindig-
keiten des Protagoras verwandelt fand/ fuhr
ich in Syrien/ verrichtete ein gantzes Jahr
meine Andacht in dem heiligen Tempel der
Juden zu Jeruſalem/ darein mir aber nicht
ehe der Eingang verlaubt ward/ als biß ich
nach dem Beyſpiele des Pythagoras mich be-
ſchneiden/ und wie jener ſeine Tochter Sara/
alſo ich mich Moſes nennen ließ. Von dar
kam ich in Epypten/ und nach einer ſieben
Jahr mit dieſes Landes Prieſtern gepflogenen
Vertraͤuligkeit reiſete ich nach Cyrene/ aus
welcher Stadt alleine ſo viel Welt-Weiſen/
als aus gantz Griechenland kommen ſeyn
ſollen. Daſelbſt habe ich den Verfuͤhrer Ari-
ſtippus angetroffen. Ob nun wohl dieſe
Stadt noch von des alten Ariſtippus gelehrten
Uppigkeiten angeſteckt iſt/ alſo/ daß man daſelbſt
keinen Wein ohne eingemiſchten Balſam trin-
cket/ und auch Maͤgde ſich mit dem koͤſtlichſten
Veilgen-Oel und Roſen-Salbe einbiſamen;
alſo ihnen Plato einiges Geſetze zu geben ſich
nicht unbillich geweigert hatte; ſo waren doch
ſeine Unterfangungen ſo abſcheulich/ indem
Ehbruch/ Blutſchande/ unnatuͤrliche Brunſt
die geringſten Laſter waren/ welche dieſer
geile Bock und unverſchaͤmte Hund der al-
bern Jugend durch ſeine verdam̃te Lehre und
aͤrgerliches Beyſpiel eingefloͤſt hatte/ daß er
in Hafft genommen/ und als ein Knecht ſeiner
fchaͤndlichen Begierden mit ſeiner von gar-
ſtigem Unflathe der Unzucht ſtinckenden
Gefertin der Hure Cyrene/ welche darin-
nen zwoͤlff neue Stellungen erfunden zu
haben ſich ruͤhmte/ und ein zauberiſches
Kraut verkauffte/ welches zu ſiebentzigmali-
gem Beyſchlaf faͤhig machte/ zum Creutze
verdammt. Weil aber zu Cyrene die obrig-
keitliche Macht denen Laſtern nicht gewachſen
war/ wurden dieſe zwey Ubelthaͤter von
einem Hauffen verwegener Buben dem
Scharffrichter aus den Haͤnden geriſſen/
und durch ein fertiges Schiff entfuͤhret.
Jch nahm von Cyrene als einer Spiel-
Tonne aller Laſter zeitlich meinen Abſchied/
und bin fuͤr acht Monden zu Metapont
ankommen/ alldar ich in Beſchauung des
von dem Pythagoras bewohnten/ und zu
ſeiner Zeit ſtets mit ſechs hundert Schuͤ-
lern angefuͤllten Ceres-Tempels/ und an-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/514>, abgerufen am 26.06.2024. |