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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] zur schwartzen Farbe trug; sondern das Römische
Volck spaltete sich ihnen zu Liebe gleichsam in 2. 3.
widrige Farbenbuhler/ also/ daß in denen Schau-
Plätzen mehrmals/ insonderheit wenn Cajus
und Lucius den Spielen beywohnten/ sich hier-
über Zwist ereignete/ und ein Theil dieser/ das
ander Theil der andern Farbe so wohl mit ihren
Kleidern als Ruhmsprüchen beypflichtete. Die-
semnach der Käyser selbst dieser weit aussehenden
Uneinigkeit zu begegnen kein klüger Mittel wu-
ste/ als andere Farben ans Bret/ und in Ansehn
zu bringen/ und dardurch dem Pöfel entweder
seine Eitelkeit zu zeigen/ und zu bestillen/ oder
doch die mehrere Verwirrungen/ wie die schwer-
menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen.
Er stellte diesemnach Livien an/ daß sie einen
solchen Tantz hielt/ in welchem sie die Farben als
Schäferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf-
führte/ darunter sie selbst als eine Blumen-Göt-
tin der grünen den Siegs-Krantz aufsetzte. Zu-
letzt aber folgte ein Tantz von zwölff grün-ge-
kleideten Närrinnen/ dardurch sie die Erweh-
lung einer gewissen Farbe gleichsam als eine
Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorsichtig
verblümet ward/ daß zwar die grüne Farbe mit
allen andern eine Verwandnüß habe/ und also
hochschätzbar/ ja gleichsam der fruchtbaren Na-
tur allgemeine Leib-Farbe sey/ aber doch von der
Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau-
chet werde. Servilia hielt auf des Käysers
Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig
Zwerge so viel Farben in Gestalt der Gestirne
aufführeten/ und nach dem Stande der zwölff
himmlischen Zeichen künstliche Stellungen mach-
ten. Sie krönete selbst in Gestalt der Juno die
blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-
Krantze. Zuletzt aber erschienen so viel Todten-
Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der ängst-
lichen Steröligkeit durch seltsame Geberden ab-
bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und
Trauren geschicktesie Farbe wäre/ sich miteinan-
der zanckten/ endlich die blaue Farbe darzu erweh-
[Spaltenumbruch] leten/ als welche ohn diß bey den meisten Morgen-
Ländern die Kleidung der Leidtragenden wäre.
Livia/ des Drusus Tochter/ folgte mit einem
Tantze/ darinnen sieben Laster sieben Farben
fürstellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau-
samkeit roth/ die Hoffart grün/ der Neid blau/ der
Haß schwartz/ die Ehrsucht braun/ die Eifersucht
gelbe geputzt/ und diese ward von dreyen Unhol-
din zur Königin erwehlet/ und ihr Haupt mit
gelben Blumen geschmückt. Endlich beschloß
Lollia mit einem von zwölff Holdinnen und so
viel Liebes-Göttern gehegtem Tantze/ darinnen
sie nicht so wohl als eine angeberdete als wesent-
liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrschaffts-
Farbe mit einem Rosen-Krantz beschenckte/ wel-
chen aber der Neid/ der Haß/ die Eifersucht/ die
Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieser süssen
Regung ihr abrissen/ und ihr einen Dornen-
Krantz aufsetzten.

Bey diesen öftern Versammlungen ließ
Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung
nach etwas blicken/ welches mich einiger ge-
gen mich tragenden Gewogenheit zu versi-
chern schien/ und mir Terentiens Räthsel ausleg-
te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der
Liebe noch nie gefühlet hatte/ mich auch nicht des
Lucius Eifersucht zu erregen sehr behutsam an-
stellen muste/ begegnete ihr mit einer ziemlich
kaltsinnigen Höfligkeit. Den Morgen nach
dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter
Knabe auf dem Reit-Platze einen Püschel weis-
ser Blumen/ daraus ich nach derselben genauer
Beschauung folgende Zeilen laß:

Weil der weisse Flavius nichts minder ein
Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat;
bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß
alles weisse nicht nur unempfindlich/ sondern
auch ohne Seele sey. Nach dem mir aber diese
Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe
ich mich verbunden geachtet ihn durch dieser Leb-
haftigkeit zu erinnern [d]aß nicht alles/ was weiß
ist/ Schnee seyn musse.

Dieses

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] zur ſchwartzen Farbe trug; ſondern das Roͤmiſche
Volck ſpaltete ſich ihnẽ zu Liebe gleichſam in 2. 3.
widrige Farbenbuhler/ alſo/ daß in denen Schau-
Plaͤtzen mehrmals/ inſonderheit wenn Cajus
und Lucius den Spielen beywohnten/ ſich hier-
uͤber Zwiſt ereignete/ und ein Theil dieſer/ das
ander Theil der andern Farbe ſo wohl mit ihren
Kleidern als Ruhmſpruͤchen beypflichtete. Die-
ſemnach der Kaͤyſer ſelbſt dieſer weit ausſehenden
Uneinigkeit zu begegnen kein kluͤger Mittel wu-
ſte/ als andere Farben ans Bret/ und in Anſehn
zu bringen/ und dardurch dem Poͤfel entweder
ſeine Eitelkeit zu zeigen/ und zu beſtillen/ oder
doch die mehrere Verwirrungen/ wie die ſchwer-
menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen.
Er ſtellte dieſemnach Livien an/ daß ſie einen
ſolchen Tantz hielt/ in welchem ſie die Farben als
Schaͤferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf-
fuͤhrte/ darunter ſie ſelbſt als eine Blumen-Goͤt-
tin der gruͤnen den Siegs-Krantz aufſetzte. Zu-
letzt aber folgte ein Tantz von zwoͤlff gruͤn-ge-
kleideten Naͤrrinnen/ dardurch ſie die Erweh-
lung einer gewiſſen Farbe gleichſam als eine
Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorſichtig
verbluͤmet ward/ daß zwar die gruͤne Farbe mit
allen andern eine Verwandnuͤß habe/ und alſo
hochſchaͤtzbar/ ja gleichſam der fruchtbaren Na-
tur allgemeine Leib-Farbe ſey/ aber doch von der
Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau-
chet werde. Servilia hielt auf des Kaͤyſers
Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig
Zwerge ſo viel Farben in Geſtalt der Geſtirne
auffuͤhreten/ und nach dem Stande der zwoͤlff
him̃liſchen Zeichen kuͤnſtliche Stellungen mach-
ten. Sie kroͤnete ſelbſt in Geſtalt der Juno die
blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-
Krantze. Zuletzt aber erſchienen ſo viel Todten-
Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der aͤngſt-
lichen Steroͤligkeit durch ſeltſame Geberden ab-
bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und
Trauren geſchickteſie Farbe waͤre/ ſich miteinan-
der zancktẽ/ endlich die blaue Farbe darzu erweh-
[Spaltenumbruch] leten/ als welche ohn diß bey den meiſten Morgẽ-
Laͤndern die Kleidung der Leidtragenden waͤre.
Livia/ des Druſus Tochter/ folgte mit einem
Tantze/ darinnen ſieben Laſter ſieben Farben
fuͤrſtellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau-
ſamkeit roth/ die Hoffart gruͤn/ der Neid blau/ der
Haß ſchwartz/ die Ehrſucht braun/ die Eiferſucht
gelbe geputzt/ und dieſe ward von dreyen Unhol-
din zur Koͤnigin erwehlet/ und ihr Haupt mit
gelben Blumen geſchmuͤckt. Endlich beſchloß
Lollia mit einem von zwoͤlff Holdinnen und ſo
viel Liebes-Goͤttern gehegtem Tantze/ darinnen
ſie nicht ſo wohl als eine angeberdete als weſent-
liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrſchaffts-
Farbe mit einem Roſen-Krantz beſchenckte/ wel-
chen aber der Neid/ der Haß/ die Eiferſucht/ die
Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieſer ſuͤſſen
Regung ihr abriſſen/ und ihr einen Dornen-
Krantz aufſetzten.

Bey dieſen oͤftern Verſam̃lungen ließ
Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung
nach etwas blickẽ/ welches mich einiger ge-
gen mich tragenden Gewogenheit zu verſi-
chern ſchien/ und mir Terentiens Raͤthſel ausleg-
te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der
Liebe noch nie gefuͤhlet hatte/ mich auch nicht des
Lucius Eiferſucht zu erregen ſehr behutſam an-
ſtellen muſte/ begegnete ihr mit einer ziemlich
kaltſinnigen Hoͤfligkeit. Den Morgen nach
dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter
Knabe auf dem Reit-Platze einen Puͤſchel weiſ-
ſer Blumen/ daraus ich nach derſelben genauer
Beſchauung folgende Zeilen laß:

Weil der weiſſe Flavius nichts minder ein
Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat;
bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß
alles weiſſe nicht nur unempfindlich/ ſondern
auch ohne Seele ſey. Nach dem mir aber dieſe
Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe
ich mich verbunden geachtet ihn durch dieſer Leb-
haftigkeit zu erinnern [d]aß nicht alles/ was weiß
iſt/ Schnee ſeyn muſſe.

Dieſes
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[470/0524] Vierdtes Buch zur ſchwartzen Farbe trug; ſondern das Roͤmiſche Volck ſpaltete ſich ihnẽ zu Liebe gleichſam in 2. 3. widrige Farbenbuhler/ alſo/ daß in denen Schau- Plaͤtzen mehrmals/ inſonderheit wenn Cajus und Lucius den Spielen beywohnten/ ſich hier- uͤber Zwiſt ereignete/ und ein Theil dieſer/ das ander Theil der andern Farbe ſo wohl mit ihren Kleidern als Ruhmſpruͤchen beypflichtete. Die- ſemnach der Kaͤyſer ſelbſt dieſer weit ausſehenden Uneinigkeit zu begegnen kein kluͤger Mittel wu- ſte/ als andere Farben ans Bret/ und in Anſehn zu bringen/ und dardurch dem Poͤfel entweder ſeine Eitelkeit zu zeigen/ und zu beſtillen/ oder doch die mehrere Verwirrungen/ wie die ſchwer- menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen. Er ſtellte dieſemnach Livien an/ daß ſie einen ſolchen Tantz hielt/ in welchem ſie die Farben als Schaͤferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf- fuͤhrte/ darunter ſie ſelbſt als eine Blumen-Goͤt- tin der gruͤnen den Siegs-Krantz aufſetzte. Zu- letzt aber folgte ein Tantz von zwoͤlff gruͤn-ge- kleideten Naͤrrinnen/ dardurch ſie die Erweh- lung einer gewiſſen Farbe gleichſam als eine Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorſichtig verbluͤmet ward/ daß zwar die gruͤne Farbe mit allen andern eine Verwandnuͤß habe/ und alſo hochſchaͤtzbar/ ja gleichſam der fruchtbaren Na- tur allgemeine Leib-Farbe ſey/ aber doch von der Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau- chet werde. Servilia hielt auf des Kaͤyſers Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig Zwerge ſo viel Farben in Geſtalt der Geſtirne auffuͤhreten/ und nach dem Stande der zwoͤlff him̃liſchen Zeichen kuͤnſtliche Stellungen mach- ten. Sie kroͤnete ſelbſt in Geſtalt der Juno die blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen- Krantze. Zuletzt aber erſchienen ſo viel Todten- Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der aͤngſt- lichen Steroͤligkeit durch ſeltſame Geberden ab- bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und Trauren geſchickteſie Farbe waͤre/ ſich miteinan- der zancktẽ/ endlich die blaue Farbe darzu erweh- leten/ als welche ohn diß bey den meiſten Morgẽ- Laͤndern die Kleidung der Leidtragenden waͤre. Livia/ des Druſus Tochter/ folgte mit einem Tantze/ darinnen ſieben Laſter ſieben Farben fuͤrſtellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau- ſamkeit roth/ die Hoffart gruͤn/ der Neid blau/ der Haß ſchwartz/ die Ehrſucht braun/ die Eiferſucht gelbe geputzt/ und dieſe ward von dreyen Unhol- din zur Koͤnigin erwehlet/ und ihr Haupt mit gelben Blumen geſchmuͤckt. Endlich beſchloß Lollia mit einem von zwoͤlff Holdinnen und ſo viel Liebes-Goͤttern gehegtem Tantze/ darinnen ſie nicht ſo wohl als eine angeberdete als weſent- liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrſchaffts- Farbe mit einem Roſen-Krantz beſchenckte/ wel- chen aber der Neid/ der Haß/ die Eiferſucht/ die Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieſer ſuͤſſen Regung ihr abriſſen/ und ihr einen Dornen- Krantz aufſetzten. Bey dieſen oͤftern Verſam̃lungen ließ Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung nach etwas blickẽ/ welches mich einiger ge- gen mich tragenden Gewogenheit zu verſi- chern ſchien/ und mir Terentiens Raͤthſel ausleg- te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der Liebe noch nie gefuͤhlet hatte/ mich auch nicht des Lucius Eiferſucht zu erregen ſehr behutſam an- ſtellen muſte/ begegnete ihr mit einer ziemlich kaltſinnigen Hoͤfligkeit. Den Morgen nach dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter Knabe auf dem Reit-Platze einen Puͤſchel weiſ- ſer Blumen/ daraus ich nach derſelben genauer Beſchauung folgende Zeilen laß: Weil der weiſſe Flavius nichts minder ein Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat; bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß alles weiſſe nicht nur unempfindlich/ ſondern auch ohne Seele ſey. Nach dem mir aber dieſe Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe ich mich verbunden geachtet ihn durch dieſer Leb- haftigkeit zu erinnern daß nicht alles/ was weiß iſt/ Schnee ſeyn muſſe. Dieſes

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/524>, abgerufen am 22.11.2024.