Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ und
stach ihn der Dido zwischen das Schulterblat
hinein. Micipsa/ ein die Dido bedienender
Edelknabe/ ward dessen gewahr; ergrief also
seinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei-
le Agrippen ins Bein. Hierüber entstand ein
grosser Lermen/ und kamen alle im Garten An-
wesende/ ja der Käyser selbst mit Livien herbey;
welcher über denen auf der Erden für todt aus-
gestreckten/ und häuffiges Blut von sich lassen-
den vier Verwundeten aufs euserste bestürtzt
war. Die Sorge für ihr Leben verschob die
Untersuchung dieser Begebnüs. Gleichwohl
wurden alle Deutschen und Mohren gefäng-
lich eingezogen. Agrippens und der Dido
Verletzung ward für nicht so sehr gefährlich;
meine und des Lucius aber für tödtlich befunden.
Agrippa kam derogestalt bald zu rechte; Dido
aber/ als sie meinen Zustand vernahm/ riß ihr
selbst die Pflaster von der Wunde/ und sagte of-
fentlich/ daß sie mich nicht zu überleben begehr-
te: Jnzwischen schöpfften die Wund-Aertzte
auch von des Lucius Genesung einige Hofnung;
worüber Dido fast unsinnig ward/ und in ihrer
Raserey tausend Flüche und Dräuungen auff
den Lucius ausschüttete; welcher inmittelst mit
einem Wundfeber überfallen/ und sein Aufkom-
men sehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich
gab sich ein Britannischer Artzt beym Käyser/
an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey
Verlust seines Kopffes versprach. Weil uns
nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns
der Käyser dieses gefangenen Britanniers
Willkühr übergeben/ ihm auch nebst seiner
Freyheit ansehnliche Belohnung versprechen.
Dieser riß so wol dem Lucius als mir alle Pfla-
ster ab/ und wusch unsere Wunden mit einem
gewissen Weine aus. Hernach forderte er den
Dolch/ von welchem wir waren beschädigt wor-
den; sauberte selbten aufs fleißigste/ salbete ihn
ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche;
unsere Wunden aber verhüllete er nur mit ei-
[Spaltenumbruch] nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng
nicht nur mir und dem Lucius/ sondern auch der
Dido/ welche durch ihr Pflaster-abreissen ihren
Schaden wiederum sehr verärgert hatte/ alle
bißherige Hitze. Nach dem dieser Artzt drey-
mal unser Wunden ausgewaschen/ und so viel
mal den Dolch mit einem gewissen Staube be-
streut und verbunden hatte/ wurden wir nicht
nur der Schwulst/ sondern auch der Schmertzen
erledigt. Als dieses Lucius wahrnahm; frag-
te er den Britannier: Ob denn die Verbindung
des Beleidigung-Waffens der Wunde durch
natürliche Würckung zu statten käme? Als der
Artzt diß verjahete/ und daß diese Heilung ver-
mittelst einer geheimen Verwandnüß gewisser
Dinge geschehe; ja dessen Warheit dardurch
bewährete/ daß wenn er den verbundenen Dolch
über das Kohlfeuer hielt/ den Lucius seine Wun-
de hitzte; Bey dessen Annetzung aber wieder
schmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle
mit diesem Dolche gemachte Wunden zugleich
heileten? und wie der Britannier abermals diß
bestätigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen
könte/ daß nur seine darvon heil/ des Flavius a-
ber ärger würde; verneinte es der Artzt und mel-
dete: Er hätte an diese unbarmhertzige Kunst
noch nie gedacht. Uber diesem Bescheide fuhr
Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der
Faust/ und stach ihn selbst dem Artzte in Bauch/
mit Beysetzung dieser verzweiffelten Worte:
Jch will lieber mit meinem Feinde sterben/ als
ihn mit mir genesen sehen. Alle Umstehenden
erschracken hierüber euserst; der Britannier a-
ber zohe ihm unerschrocken den Dolch aus dem
Leibe/ wischte selbten ab/ und verband ihn aufs
neue. Jch und Dido empfanden um selbige
Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/
als wenn wir in unsere alte Wunde einen neuen
Stich bekämen. August schöpffte über des Lu-
cius erfahrnen Grausamkeit einen hefftigen
Unwillen; ließ also den Lucius nicht allein be-
wachen/ sondern auch binden; wormit er nicht in

meh-
Erster Theil. O o o

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ und
ſtach ihn der Dido zwiſchen das Schulterblat
hinein. Micipſa/ ein die Dido bedienender
Edelknabe/ ward deſſen gewahr; ergrief alſo
ſeinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei-
le Agrippen ins Bein. Hieruͤber entſtand ein
groſſer Lermen/ und kamen alle im Garten An-
weſende/ ja der Kaͤyſer ſelbſt mit Livien herbey;
welcher uͤber denen auf der Erden fuͤr todt aus-
geſtreckten/ und haͤuffiges Blut von ſich laſſen-
den vier Verwundeten aufs euſerſte beſtuͤrtzt
war. Die Sorge fuͤr ihr Leben verſchob die
Unterſuchung dieſer Begebnuͤs. Gleichwohl
wurden alle Deutſchen und Mohren gefaͤng-
lich eingezogen. Agrippens und der Dido
Verletzung ward fuͤr nicht ſo ſehr gefaͤhrlich;
meine und des Lucius aber fuͤr toͤdtlich befunden.
Agrippa kam derogeſtalt bald zu rechte; Dido
aber/ als ſie meinen Zuſtand vernahm/ riß ihr
ſelbſt die Pflaſter von der Wunde/ und ſagte of-
fentlich/ daß ſie mich nicht zu uͤberleben begehr-
te: Jnzwiſchen ſchoͤpfften die Wund-Aertzte
auch von des Lucius Geneſung einige Hofnung;
woruͤber Dido faſt unſinnig ward/ und in ihrer
Raſerey tauſend Fluͤche und Draͤuungen auff
den Lucius ausſchuͤttete; welcher inmittelſt mit
einem Wundfeber uͤberfallen/ und ſein Aufkom-
men ſehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich
gab ſich ein Britanniſcher Artzt beym Kaͤyſer/
an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey
Verluſt ſeines Kopffes verſprach. Weil uns
nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns
der Kaͤyſer dieſes gefangenen Britanniers
Willkuͤhr uͤbergeben/ ihm auch nebſt ſeiner
Freyheit anſehnliche Belohnung verſprechen.
Dieſer riß ſo wol dem Lucius als mir alle Pfla-
ſter ab/ und wuſch unſere Wunden mit einem
gewiſſen Weine aus. Hernach forderte er den
Dolch/ von welchem wir waren beſchaͤdigt wor-
den; ſauberte ſelbten aufs fleißigſte/ ſalbete ihn
ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche;
unſere Wunden aber verhuͤllete er nur mit ei-
[Spaltenumbruch] nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng
nicht nur mir und dem Lucius/ ſondern auch der
Dido/ welche durch ihr Pflaſter-abreiſſen ihren
Schaden wiederum ſehr veraͤrgert hatte/ alle
bißherige Hitze. Nach dem dieſer Artzt drey-
mal unſer Wunden ausgewaſchen/ und ſo viel
mal den Dolch mit einem gewiſſen Staube be-
ſtreut und verbunden hatte/ wurden wir nicht
nur der Schwulſt/ ſondern auch der Schmertzen
erledigt. Als dieſes Lucius wahrnahm; frag-
te er den Britannier: Ob denn die Verbindung
des Beleidigung-Waffens der Wunde durch
natuͤrliche Wuͤrckung zu ſtatten kaͤme? Als der
Artzt diß verjahete/ und daß dieſe Heilung ver-
mittelſt einer geheimen Verwandnuͤß gewiſſer
Dinge geſchehe; ja deſſen Warheit dardurch
bewaͤhrete/ daß wenn er den verbundenen Dolch
uͤber das Kohlfeuer hielt/ den Lucius ſeine Wun-
de hitzte; Bey deſſen Annetzung aber wieder
ſchmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle
mit dieſem Dolche gemachte Wunden zugleich
heileten? und wie der Britannier abermals diß
beſtaͤtigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen
koͤnte/ daß nur ſeine darvon heil/ des Flavius a-
ber aͤrger wuͤrde; verneinte es der Artzt und mel-
dete: Er haͤtte an dieſe unbarmhertzige Kunſt
noch nie gedacht. Uber dieſem Beſcheide fuhr
Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der
Fauſt/ und ſtach ihn ſelbſt dem Artzte in Bauch/
mit Beyſetzung dieſer verzweiffelten Worte:
Jch will lieber mit meinem Feinde ſterben/ als
ihn mit mir geneſen ſehen. Alle Umſtehenden
erſchracken hieruͤber euſerſt; der Britannier a-
ber zohe ihm unerſchrocken den Dolch aus dem
Leibe/ wiſchte ſelbten ab/ und verband ihn aufs
neue. Jch und Dido empfanden um ſelbige
Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/
als wenn wir in unſere alte Wunde einen neuen
Stich bekaͤmen. Auguſt ſchoͤpffte uͤber des Lu-
cius erfahrnen Grauſamkeit einen hefftigen
Unwillen; ließ alſo den Lucius nicht allein be-
wachen/ ſondern auch binden; wormit er nicht in

meh-
Erſter Theil. O o o
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0527" n="473"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ und<lb/>
&#x017F;tach ihn der Dido zwi&#x017F;chen das Schulterblat<lb/>
hinein. Micip&#x017F;a/ ein die Dido bedienender<lb/>
Edelknabe/ ward de&#x017F;&#x017F;en gewahr; ergrief al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;einen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei-<lb/>
le Agrippen ins Bein. Hieru&#x0364;ber ent&#x017F;tand ein<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Lermen/ und kamen alle im Garten An-<lb/>
we&#x017F;ende/ ja der Ka&#x0364;y&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t mit Livien herbey;<lb/>
welcher u&#x0364;ber denen auf der Erden fu&#x0364;r todt aus-<lb/>
ge&#x017F;treckten/ und ha&#x0364;uffiges Blut von &#x017F;ich la&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
den vier Verwundeten aufs eu&#x017F;er&#x017F;te be&#x017F;tu&#x0364;rtzt<lb/>
war. Die Sorge fu&#x0364;r ihr Leben ver&#x017F;chob die<lb/>
Unter&#x017F;uchung die&#x017F;er Begebnu&#x0364;s. Gleichwohl<lb/>
wurden alle Deut&#x017F;chen und Mohren gefa&#x0364;ng-<lb/>
lich eingezogen. Agrippens und der Dido<lb/>
Verletzung ward fu&#x0364;r nicht &#x017F;o &#x017F;ehr gefa&#x0364;hrlich;<lb/>
meine und des Lucius aber fu&#x0364;r to&#x0364;dtlich befunden.<lb/>
Agrippa kam deroge&#x017F;talt bald zu rechte; Dido<lb/>
aber/ als &#x017F;ie meinen Zu&#x017F;tand vernahm/ riß ihr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die Pfla&#x017F;ter von der Wunde/ und &#x017F;agte of-<lb/>
fentlich/ daß &#x017F;ie mich nicht zu u&#x0364;berleben begehr-<lb/>
te: Jnzwi&#x017F;chen &#x017F;cho&#x0364;pfften die Wund-Aertzte<lb/>
auch von des Lucius Gene&#x017F;ung einige Hofnung;<lb/>
woru&#x0364;ber Dido fa&#x017F;t un&#x017F;innig ward/ und in ihrer<lb/>
Ra&#x017F;erey tau&#x017F;end Flu&#x0364;che und Dra&#x0364;uungen auff<lb/>
den Lucius aus&#x017F;chu&#x0364;ttete; welcher inmittel&#x017F;t mit<lb/>
einem Wundfeber u&#x0364;berfallen/ und &#x017F;ein Aufkom-<lb/>
men &#x017F;ehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich<lb/>
gab &#x017F;ich ein Britanni&#x017F;cher Artzt beym Ka&#x0364;y&#x017F;er/<lb/>
an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey<lb/>
Verlu&#x017F;t &#x017F;eines Kopffes ver&#x017F;prach. Weil uns<lb/>
nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns<lb/>
der Ka&#x0364;y&#x017F;er die&#x017F;es gefangenen Britanniers<lb/>
Willku&#x0364;hr u&#x0364;bergeben/ ihm auch neb&#x017F;t &#x017F;einer<lb/>
Freyheit an&#x017F;ehnliche Belohnung ver&#x017F;prechen.<lb/>
Die&#x017F;er riß &#x017F;o wol dem Lucius als mir alle Pfla-<lb/>
&#x017F;ter ab/ und wu&#x017F;ch un&#x017F;ere Wunden mit einem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Weine aus. Hernach forderte er den<lb/>
Dolch/ von welchem wir waren be&#x017F;cha&#x0364;digt wor-<lb/>
den; &#x017F;auberte &#x017F;elbten aufs fleißig&#x017F;te/ &#x017F;albete ihn<lb/>
ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche;<lb/>
un&#x017F;ere Wunden aber verhu&#x0364;llete er nur mit ei-<lb/><cb/>
nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng<lb/>
nicht nur mir und dem Lucius/ &#x017F;ondern auch der<lb/>
Dido/ welche durch ihr Pfla&#x017F;ter-abrei&#x017F;&#x017F;en ihren<lb/>
Schaden wiederum &#x017F;ehr vera&#x0364;rgert hatte/ alle<lb/>
bißherige Hitze. Nach dem die&#x017F;er Artzt drey-<lb/>
mal un&#x017F;er Wunden ausgewa&#x017F;chen/ und &#x017F;o viel<lb/>
mal den Dolch mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Staube be-<lb/>
&#x017F;treut und verbunden hatte/ wurden wir nicht<lb/>
nur der Schwul&#x017F;t/ &#x017F;ondern auch der Schmertzen<lb/>
erledigt. Als die&#x017F;es Lucius wahrnahm; frag-<lb/>
te er den Britannier: Ob denn die Verbindung<lb/>
des Beleidigung-Waffens der Wunde durch<lb/>
natu&#x0364;rliche Wu&#x0364;rckung zu &#x017F;tatten ka&#x0364;me? Als der<lb/>
Artzt diß verjahete/ und daß die&#x017F;e Heilung ver-<lb/>
mittel&#x017F;t einer geheimen Verwandnu&#x0364;ß gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Dinge ge&#x017F;chehe; ja de&#x017F;&#x017F;en Warheit dardurch<lb/>
bewa&#x0364;hrete/ daß wenn er den verbundenen Dolch<lb/>
u&#x0364;ber das Kohlfeuer hielt/ den Lucius &#x017F;eine Wun-<lb/>
de hitzte; Bey de&#x017F;&#x017F;en Annetzung aber wieder<lb/>
&#x017F;chmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle<lb/>
mit die&#x017F;em Dolche gemachte Wunden zugleich<lb/>
heileten? und wie der Britannier abermals diß<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen<lb/>
ko&#x0364;nte/ daß nur &#x017F;eine darvon heil/ des Flavius a-<lb/>
ber a&#x0364;rger wu&#x0364;rde; verneinte es der Artzt und mel-<lb/>
dete: Er ha&#x0364;tte an die&#x017F;e unbarmhertzige Kun&#x017F;t<lb/>
noch nie gedacht. Uber die&#x017F;em Be&#x017F;cheide fuhr<lb/>
Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der<lb/>
Fau&#x017F;t/ und &#x017F;tach ihn &#x017F;elb&#x017F;t dem Artzte in Bauch/<lb/>
mit Bey&#x017F;etzung die&#x017F;er verzweiffelten Worte:<lb/>
Jch will lieber mit meinem Feinde &#x017F;terben/ als<lb/>
ihn mit mir gene&#x017F;en &#x017F;ehen. Alle Um&#x017F;tehenden<lb/>
er&#x017F;chracken hieru&#x0364;ber eu&#x017F;er&#x017F;t; der Britannier a-<lb/>
ber zohe ihm uner&#x017F;chrocken den Dolch aus dem<lb/>
Leibe/ wi&#x017F;chte &#x017F;elbten ab/ und verband ihn aufs<lb/>
neue. Jch und Dido empfanden um &#x017F;elbige<lb/>
Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/<lb/>
als wenn wir in un&#x017F;ere alte Wunde einen neuen<lb/>
Stich beka&#x0364;men. Augu&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;pffte u&#x0364;ber des Lu-<lb/>
cius erfahrnen Grau&#x017F;amkeit einen hefftigen<lb/>
Unwillen; ließ al&#x017F;o den Lucius nicht allein be-<lb/>
wachen/ &#x017F;ondern auch binden; wormit er nicht in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. O o o</fw><fw place="bottom" type="catch">meh-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0527] Arminius und Thußnelda. pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ und ſtach ihn der Dido zwiſchen das Schulterblat hinein. Micipſa/ ein die Dido bedienender Edelknabe/ ward deſſen gewahr; ergrief alſo ſeinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei- le Agrippen ins Bein. Hieruͤber entſtand ein groſſer Lermen/ und kamen alle im Garten An- weſende/ ja der Kaͤyſer ſelbſt mit Livien herbey; welcher uͤber denen auf der Erden fuͤr todt aus- geſtreckten/ und haͤuffiges Blut von ſich laſſen- den vier Verwundeten aufs euſerſte beſtuͤrtzt war. Die Sorge fuͤr ihr Leben verſchob die Unterſuchung dieſer Begebnuͤs. Gleichwohl wurden alle Deutſchen und Mohren gefaͤng- lich eingezogen. Agrippens und der Dido Verletzung ward fuͤr nicht ſo ſehr gefaͤhrlich; meine und des Lucius aber fuͤr toͤdtlich befunden. Agrippa kam derogeſtalt bald zu rechte; Dido aber/ als ſie meinen Zuſtand vernahm/ riß ihr ſelbſt die Pflaſter von der Wunde/ und ſagte of- fentlich/ daß ſie mich nicht zu uͤberleben begehr- te: Jnzwiſchen ſchoͤpfften die Wund-Aertzte auch von des Lucius Geneſung einige Hofnung; woruͤber Dido faſt unſinnig ward/ und in ihrer Raſerey tauſend Fluͤche und Draͤuungen auff den Lucius ausſchuͤttete; welcher inmittelſt mit einem Wundfeber uͤberfallen/ und ſein Aufkom- men ſehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich gab ſich ein Britanniſcher Artzt beym Kaͤyſer/ an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey Verluſt ſeines Kopffes verſprach. Weil uns nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns der Kaͤyſer dieſes gefangenen Britanniers Willkuͤhr uͤbergeben/ ihm auch nebſt ſeiner Freyheit anſehnliche Belohnung verſprechen. Dieſer riß ſo wol dem Lucius als mir alle Pfla- ſter ab/ und wuſch unſere Wunden mit einem gewiſſen Weine aus. Hernach forderte er den Dolch/ von welchem wir waren beſchaͤdigt wor- den; ſauberte ſelbten aufs fleißigſte/ ſalbete ihn ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche; unſere Wunden aber verhuͤllete er nur mit ei- nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng nicht nur mir und dem Lucius/ ſondern auch der Dido/ welche durch ihr Pflaſter-abreiſſen ihren Schaden wiederum ſehr veraͤrgert hatte/ alle bißherige Hitze. Nach dem dieſer Artzt drey- mal unſer Wunden ausgewaſchen/ und ſo viel mal den Dolch mit einem gewiſſen Staube be- ſtreut und verbunden hatte/ wurden wir nicht nur der Schwulſt/ ſondern auch der Schmertzen erledigt. Als dieſes Lucius wahrnahm; frag- te er den Britannier: Ob denn die Verbindung des Beleidigung-Waffens der Wunde durch natuͤrliche Wuͤrckung zu ſtatten kaͤme? Als der Artzt diß verjahete/ und daß dieſe Heilung ver- mittelſt einer geheimen Verwandnuͤß gewiſſer Dinge geſchehe; ja deſſen Warheit dardurch bewaͤhrete/ daß wenn er den verbundenen Dolch uͤber das Kohlfeuer hielt/ den Lucius ſeine Wun- de hitzte; Bey deſſen Annetzung aber wieder ſchmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle mit dieſem Dolche gemachte Wunden zugleich heileten? und wie der Britannier abermals diß beſtaͤtigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen koͤnte/ daß nur ſeine darvon heil/ des Flavius a- ber aͤrger wuͤrde; verneinte es der Artzt und mel- dete: Er haͤtte an dieſe unbarmhertzige Kunſt noch nie gedacht. Uber dieſem Beſcheide fuhr Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der Fauſt/ und ſtach ihn ſelbſt dem Artzte in Bauch/ mit Beyſetzung dieſer verzweiffelten Worte: Jch will lieber mit meinem Feinde ſterben/ als ihn mit mir geneſen ſehen. Alle Umſtehenden erſchracken hieruͤber euſerſt; der Britannier a- ber zohe ihm unerſchrocken den Dolch aus dem Leibe/ wiſchte ſelbten ab/ und verband ihn aufs neue. Jch und Dido empfanden um ſelbige Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/ als wenn wir in unſere alte Wunde einen neuen Stich bekaͤmen. Auguſt ſchoͤpffte uͤber des Lu- cius erfahrnen Grauſamkeit einen hefftigen Unwillen; ließ alſo den Lucius nicht allein be- wachen/ ſondern auch binden; wormit er nicht in meh- Erſter Theil. O o o

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/527
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/527>, abgerufen am 22.11.2024.