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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] umzukehren/ und anitzt von seinem Herrn/
an den er bereit durch einen Nachen hiervon
Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er-
warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als
unterschiedene hohe Beamptete/ so wohl des
Königs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff
traten/ und mir andeuteten: Es wäre im
Tempel alles zur Vermählung fertig/ beyde
Könige selbst schon anwesend/ und würde ich
mit höchster Begierde erwartet. Jch hätte
für Unlust vergehen mögen/ auch würde mich
niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha-
ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge-
waltthat und Beleidigung befreyten Heilig-
thume eine Ausflucht zu finden/ oder Hülffe
von den Göttern zu erbitten gehoffet. Also
folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem-
pels/ da mir ein prächtiges Braut-Kleid ange-
leget/ und ich so denn ferner in den innersten
Tempel geführet ward. Das in- und um den
Tempel versammlete unzehlbare Volck fro-
lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die
Königin Dynamis in dem innersten Gemache
der Priester/ in unaufhörliche Ohnmachten fiel;
König Polemon/ der dem Altare gegen über
auff einem hohen Stuhle saß/ bewillkommte
mich mit einem zornigen Blicke/ und ich mühe-
te mich alle Galle meines Hertzens durch mei-
ne Augen über den neben ihm sitzenden Ario-
barzanes auszuschütten. Alles dessen unge-
achtet/ gab der König den Priestern ein Zei-
chen/ daß sie der Göttin Derceto/ die ihr ge-
wiedmeten Fische abschlachten/ selbige über
dem heiligen Feuer sieden/ rösten/ und in de-
nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfäs-
sern den Weyrauch anzünden solten. Ario-
barzanes-stieg von seinem mit Gold und Pur-
pur ausgeputzten Sitze herab/ und stützte sich
auff die Achseln der Königlichen Stadthalter
in den Ländern Bogdomanis und Timonitis.
Sein eigener Unter-König zu Ecbatane trug
[Spaltenumbruch] das ewige Feuer/ der zu Thospia eine güldene
Schale voll Syrischen Balsams/ die Stadt-
halter zu Tigranocerta und Satala zwey
Schüsseln mit güldenen und silbernen Fischen
für ihm her; welches der König alles der Göt-
tin ablieferte/ und den Balsam in das Opffer-
Feuer goß. Er fassete auch die rechte Hand der
Göttin/ und der oberste Priester winckte mir/
daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar
weisse Tauben herzu bringen solte. Jch aber
ergriff der Derceto von silbernen Schoppen
gläntzenden Fisch-Schwantz/ welches eine Ab-
schwerungs-Art ist/ und fing an: Heilige Der-
ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den
See bey Ascalon gestürtzet/ und von den Fi-
schen erhalten worden bist/ nimm auch mich all-
hier in deine Schutz-Armen/ und beschirme
mich wider die Gewalt dieses Fremdlings/ wel-
chen ich/ bey deinen Augen schwerende/ nimmer-
mehr ehlichen kan. Alle Zuschauer wurden
über dieser meiner Enteuserung bestürtzet/ der
oberste Priester ließ das in der Hand gehaltene
Rauchfaß fallen; Ariobarzanes schäumte für
Zorn/ und König Polemon sprang von seinem
Stuhle zu dem Opffer-Tische/ ergrief das
Schlachtmesser/ und wolte es mir in die Brust
stossen. Ein Priester aber erwischte ihm den
Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver-
giessen nicht das Heiligthum entweihen/ und
der Göttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al-
len Opffern herfür blickte/ nicht auff sich laden
solte. Zwey andere Priester führten mich in
ihr eigenes Behältnüß/ darinnen die Königin
Dynamis sich in Thränen badete/ wenn ihr
noch die stete Ohnmacht so viel Kräfften über-
ließ. Der König mit dem obersten Priester
folgten mir auf dem Fusse nach/ und weil jener
für Ungedult kein Wort fürbringen konte/ er-
mahnte mich dieser bey der Gottheit/ die selbi-
gen Tempel bewohnte/ die Ursache meiner Ab-
scheu für dem so tapfferen Ariobarzanes zu ent-

decken.

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] umzukehren/ und anitzt von ſeinem Herrn/
an den er bereit durch einen Nachen hiervon
Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er-
warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als
unterſchiedene hohe Beamptete/ ſo wohl des
Koͤnigs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff
traten/ und mir andeuteten: Es waͤre im
Tempel alles zur Vermaͤhlung fertig/ beyde
Koͤnige ſelbſt ſchon anweſend/ und wuͤrde ich
mit hoͤchſter Begierde erwartet. Jch haͤtte
fuͤr Unluſt vergehen moͤgen/ auch wuͤrde mich
niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha-
ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge-
waltthat und Beleidigung befreyten Heilig-
thume eine Ausflucht zu finden/ oder Huͤlffe
von den Goͤttern zu erbitten gehoffet. Alſo
folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem-
pels/ da mir ein praͤchtiges Braut-Kleid ange-
leget/ und ich ſo denn ferner in den innerſten
Tempel gefuͤhret ward. Das in- und um den
Tempel verſammlete unzehlbare Volck fro-
lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die
Koͤnigin Dynamis in dem innerſten Gemache
der Prieſter/ in unaufhoͤrliche Ohnmachten fiel;
Koͤnig Polemon/ der dem Altare gegen uͤber
auff einem hohen Stuhle ſaß/ bewillkommte
mich mit einem zornigen Blicke/ und ich muͤhe-
te mich alle Galle meines Hertzens durch mei-
ne Augen uͤber den neben ihm ſitzenden Ario-
barzanes auszuſchuͤtten. Alles deſſen unge-
achtet/ gab der Koͤnig den Prieſtern ein Zei-
chen/ daß ſie der Goͤttin Derceto/ die ihr ge-
wiedmeten Fiſche abſchlachten/ ſelbige uͤber
dem heiligen Feuer ſieden/ roͤſten/ und in de-
nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfaͤſ-
ſern den Weyrauch anzuͤnden ſolten. Ario-
barzanes-ſtieg von ſeinem mit Gold und Pur-
pur ausgeputzten Sitze herab/ und ſtuͤtzte ſich
auff die Achſeln der Koͤniglichen Stadthalter
in den Laͤndern Bogdomanis und Timonitis.
Sein eigener Unter-Koͤnig zu Ecbatane trug
[Spaltenumbruch] das ewige Feuer/ der zu Thoſpia eine guͤldene
Schale voll Syriſchen Balſams/ die Stadt-
halter zu Tigranocerta und Satala zwey
Schuͤſſeln mit guͤldenen und ſilbernen Fiſchen
fuͤr ihm her; welches der Koͤnig alles der Goͤt-
tin ablieferte/ und den Balſam in das Opffer-
Feuer goß. Er faſſete auch die rechte Hand der
Goͤttin/ und der oberſte Prieſter winckte mir/
daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar
weiſſe Tauben herzu bringen ſolte. Jch aber
ergriff der Derceto von ſilbernen Schoppen
glaͤntzenden Fiſch-Schwantz/ welches eine Ab-
ſchwerungs-Art iſt/ und fing an: Heilige Der-
ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den
See bey Aſcalon geſtuͤrtzet/ und von den Fi-
ſchen erhalten worden biſt/ nimm auch mich all-
hier in deine Schutz-Armen/ und beſchirme
mich wider die Gewalt dieſes Fremdlings/ wel-
chen ich/ bey deinen Augen ſchwerende/ nimmeꝛ-
mehr ehlichen kan. Alle Zuſchauer wurden
uͤber dieſer meiner Enteuſerung beſtuͤrtzet/ der
oberſte Prieſter ließ das in der Hand gehaltene
Rauchfaß fallen; Ariobarzanes ſchaͤumte fuͤr
Zorn/ und Koͤnig Polemon ſprang von ſeinem
Stuhle zu dem Opffer-Tiſche/ ergrief das
Schlachtmeſſer/ und wolte es mir in die Bruſt
ſtoſſen. Ein Prieſter aber erwiſchte ihm den
Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver-
gieſſen nicht das Heiligthum entweihen/ und
der Goͤttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al-
len Opffern herfuͤr blickte/ nicht auff ſich laden
ſolte. Zwey andere Prieſter fuͤhrten mich in
ihr eigenes Behaͤltnuͤß/ darinnen die Koͤnigin
Dynamis ſich in Thraͤnen badete/ wenn ihr
noch die ſtete Ohnmacht ſo viel Kraͤfften uͤber-
ließ. Der Koͤnig mit dem oberſten Prieſter
folgten mir auf dem Fuſſe nach/ und weil jener
fuͤr Ungedult kein Wort fuͤrbringen konte/ er-
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gen Tempel bewohnte/ die Urſache meiner Ab-
ſcheu fuͤr dem ſo tapfferen Ariobarzanes zu ent-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/566>, abgerufen am 24.11.2024.