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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] anziehen/ und nur zu Fusse unsere Reise fortse-
tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kräutern und Milch
etliche Tage behelffen musten. Nach dem wir
zehn Tage über die höchsten Gebürge/ und un-
serm Bedüncken nach offtmals durch die Wol-
cken gestiegen waren/ auch unterweges aus den
Brunnen der berühmten Flüsse Abascus/ Corax
und Astelephus zu trincken das Glücke gehabt
hatten/ kamen wir endlich in ein sehr fruchtba-
res/ und zu unserer höchsten Verwunderung
mit Reben und Oelbäumen überdecktes Thal/
darinnen ein einfältiges Volck wohnhaft ist/
welches uns mit allerhand Erfrischungen er-
quickte/ und diesen Winckel der Welt für das
glückseligste Land preisete/ darein von undenckli-
cher Zeit die Begierde der Menschen keinen
Feind geführet hätte. Wir traffen über die in
unsern Landen bekanten herrlichen Früchte und
Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un-
ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe-
dern geschmückten und einen Purpur-rothen
Schnabel habenden Vogel an/ welcher von einer
Blume wächst/ und nicht länger lebet/ als die
Blume tauret/ also/ daß er gleichsam für eine
fliegende Blume zu halten ist. Gleicher Ge-
stalt fanden wir ein Gewächse in Gestalt eines
Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine
den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an
Grösse und Vielheit der Blätter sie aber weit
übertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein
gantz Haus einzubisamen genung ist; Rosen/
welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur-
pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und
Pomerantzen streiffweise sich in einem Apfel ver-
mählen; und endlich ein Kraut/ dessen Genüs-
sung traurige lustig macht/ ja die Tieger-Thie-
re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die
Schlangen eben so wohl von keinem Gifte/ als
die Einwohner/ ausser der Liebe/ von den schäd-
lichsten Gemüths-Regungen/ nehmlich/ Ehr-
sucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/
also/ daß diese Landschafft mit Rechte der Garten
[Spaltenumbruch] der Welt/ und ein Meister-Stücke der Natur
genennet zu werden verdiente. Auch Oropa-
stes und Syrmanis daselbst so gar ihr Leben zu-
zubringen schlüssig wurden; mir auch/ welchem
ohne diß der Himmel meines Vaterlandes so
ungütig gewest war/ und dem in Abwesenheit
meiner Erato alle Gestirne finster und schrecklich
fürkamen/ leicht die übrige gantze Welt vergället
haben würde/ wenn mich der innerliche Magnet
nicht gezogen hätte meine Sonne auch
unter dem eysichten Wirbel-Sterne aufzusu-
chen. Gleichwol schlug ich nicht aus mich in diesen
Paradise von meinen überstandenen Verdrüß-
ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir
hinkamen/ waren wir angenehme Gäste/ die
Gärten und Aecker waren so wenig durch
Gräntzmale/ als alle Bedürftigkeiten durchs
Eigenthum unterschieden/ sondern der Uberfluß
aller Dinge machte hier alles gemein/ diese
Gemeinschafft aber stellte die Wahrheit der er-
tichteten güldenen Zeit/ das von Milch und Ho-
nig flüssende Land der glückseligen Jnseln oder
des so sehr beruffenen Eylands Taprobane für;
also/ daß wir seines Reichthums halber derselben
Vorwitz verlachten/ die umb die unnützen
Spitz-Thürme Egyptens zu sehen/ oder ei-
nen güldenen Widder zu holen alle Unlust
und Gefahr des Meeres ausstünden/ wegen
seiner Einwohner aber es uns nicht anders als
jenem von Corinth nach Sparta kommenden
fürkam/ daß wir alldar die ersten rechten Men-
schen sehen. Die Einwohner wusten wenig
von unsern Göttern/ sondern stunden wegen
etlicher von andern Völckern erfahrner Nach-
richten in denen Gedancken/ daß/ ausser ihnen/
die gantze Welt das Glücke für seinen Gott
anbetete/ und ieder Mensch nach dem Triebe
des blinden Glückes insgemein aus seiner thö-
richten Einbildung/ offtmals auch aus schänd-
licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die meisten
Laster aber zu einem Gottes-Dienste machte.
Es ist wunder/ sagte Hertzog Herrmann/ daß

diese

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] anziehen/ und nur zu Fuſſe unſere Reiſe fortſe-
tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kraͤutern und Milch
etliche Tage behelffen muſten. Nach dem wir
zehn Tage uͤber die hoͤchſten Gebuͤrge/ und un-
ſerm Beduͤncken nach offtmals durch die Wol-
cken geſtiegen waren/ auch unterweges aus den
Brunnen der beruͤhmten Fluͤſſe Abaſcus/ Corax
und Aſtelephus zu trincken das Gluͤcke gehabt
hatten/ kamen wir endlich in ein ſehr fruchtba-
res/ und zu unſerer hoͤchſten Verwunderung
mit Reben und Oelbaͤumen uͤberdecktes Thal/
darinnen ein einfaͤltiges Volck wohnhaft iſt/
welches uns mit allerhand Erfriſchungen er-
quickte/ und dieſen Winckel der Welt fuͤr das
gluͤckſeligſte Land preiſete/ darein von undenckli-
cher Zeit die Begierde der Menſchen keinen
Feind gefuͤhret haͤtte. Wir traffen uͤber die in
unſern Landen bekanten herrlichen Fruͤchte und
Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un-
ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe-
dern geſchmuͤckten und einen Purpur-rothen
Schnabel habendẽ Vogel an/ welcher von einer
Blume waͤchſt/ und nicht laͤnger lebet/ als die
Blume tauret/ alſo/ daß er gleichſam fuͤr eine
fliegende Blume zu halten iſt. Gleicher Ge-
ſtalt fanden wir ein Gewaͤchſe in Geſtalt eines
Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine
den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an
Groͤſſe und Vielheit der Blaͤtter ſie aber weit
uͤbertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein
gantz Haus einzubiſamen genung iſt; Roſen/
welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur-
pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und
Pomerantzen ſtreiffweiſe ſich in einem Apfel ver-
maͤhlen; und endlich ein Kraut/ deſſen Genuͤſ-
ſung traurige luſtig macht/ ja die Tieger-Thie-
re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die
Schlangen eben ſo wohl von keinem Gifte/ als
die Einwohner/ auſſer der Liebe/ von den ſchaͤd-
lichſten Gemuͤths-Regungen/ nehmlich/ Ehr-
ſucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/
alſo/ daß dieſe Landſchafft mit Rechte der Garten
[Spaltenumbruch] der Welt/ und ein Meiſter-Stuͤcke der Natur
genennet zu werden verdiente. Auch Oropa-
ſtes und Syrmanis daſelbſt ſo gar ihr Leben zu-
zubringen ſchluͤſſig wurden; mir auch/ welchem
ohne diß der Himmel meines Vaterlandes ſo
unguͤtig geweſt war/ und dem in Abweſenheit
meiner Erato alle Geſtirne finſter und ſchrecklich
fuͤrkamen/ leicht die uͤbrige gantze Welt vergaͤllet
haben wuͤrde/ wenn mich der innerliche Magnet
nicht gezogen haͤtte meine Sonne auch
unter dem eyſichten Wirbel-Sterne aufzuſu-
chen. Gleichwol ſchlug ich nicht aus mich in dieſẽ
Paradiſe von meinen uͤberſtandenen Verdruͤß-
ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir
hinkamen/ waren wir angenehme Gaͤſte/ die
Gaͤrten und Aecker waren ſo wenig durch
Graͤntzmale/ als alle Beduͤrftigkeiten durchs
Eigenthum unterſchieden/ ſondern der Uberfluß
aller Dinge machte hier alles gemein/ dieſe
Gemeinſchafft aber ſtellte die Wahrheit der er-
tichteten guͤldenen Zeit/ das von Milch und Ho-
nig fluͤſſende Land der gluͤckſeligen Jnſeln oder
des ſo ſehr beruffenen Eylands Taprobane fuͤr;
alſo/ daß wir ſeines Reichthums halber derſelben
Vorwitz verlachten/ die umb die unnuͤtzen
Spitz-Thuͤrme Egyptens zu ſehen/ oder ei-
nen guͤldenen Widder zu holen alle Unluſt
und Gefahr des Meeres ausſtuͤnden/ wegen
ſeiner Einwohner aber es uns nicht anders als
jenem von Corinth nach Sparta kommenden
fuͤrkam/ daß wir alldar die erſten rechten Men-
ſchen ſehen. Die Einwohner wuſten wenig
von unſern Goͤttern/ ſondern ſtunden wegen
etlicher von andern Voͤlckern erfahrner Nach-
richten in denen Gedancken/ daß/ auſſer ihnen/
die gantze Welt das Gluͤcke fuͤr ſeinen Gott
anbetete/ und ieder Menſch nach dem Triebe
des blinden Gluͤckes insgemein aus ſeiner thoͤ-
richten Einbildung/ offtmals auch aus ſchaͤnd-
licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die meiſten
Laſter aber zu einem Gottes-Dienſte machte.
Es iſt wunder/ ſagte Hertzog Herrmann/ daß

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/607>, abgerufen am 26.06.2024.