Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] diese heiligen Leute/ da ihnen niemand ande-
rer Völcker Thun aufrichtig entdeckt/ glauben/
daß sie Menschen sind/ weil sie insgemein im
Bösen andere Thiere übertreffen. Noch
mehr aber befrembdet mich/ daß sie in den
Kreiß ihrer Ruhe aus der andern stürmerischen
Welt einigen Frembden einlassen. Allein ich
bin wohl begierig dieses unschuldigen Volckes
Gottes - Dienst zu vernehmen. Zeno
fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen ver-
langten/ führten sie uns in die Mitte ihrer
Landschafft/ und zeigten uns auf einem lusti-
gen mit fruchtbaren Bäumen und kräfftigen
Kräutern bewachsenem Hügel ihren einigen
Tempel. Dieser war ein von dreyhundert
Himmel-hohen Cedern umbsetzter Umbkreiß.
Jn der Mitte stand das alabasterne Bild ihrer
einigen Göttin/ nemlich der Natur. Den ei-
nen Fuß hatte es auf einer ertztenen/ den an-
dern auf einer gläsernen Kugel/ hiermit auf
den Erd- und den Wasser-Kreiß zielende.
Das. Haupt war mit der Sonne bekleidet/
an der Stirne hing der Monde/ das Halsband
war eine Reye fünckelnder Sterne; umb den
Leib trug sie einen Gürtel/ darauf die zwölff
himmlische Zeichen gepräget waren. Aus der
rechten Brust spritzte sie Wein/ aus der lincken
Milch/ aus dem Geburts-Gliede Wasser/ wel-
ches sich in einer Schale von Agat zusammen
vermischte/ und in einer verborgenen Röhre
auf das Altar der Göttin geleitet ward. Auf
der äusersten rechten Hand stand das Zeichen
des Schwefels/ und in selbter hielt sie eine nie
verleschende Ampel; unter dem lincken Arme
ein Horn des Uberflusses/ welches mit tausen-
derley Früchten und Blumen erfüllet war.
Jn dem lincken Hand-Teller war das Zeichen
des Saltzes/ und aus einem Glase troff fort für
fort Oel in die Schale. Auf dem rechten
Fusse stand das Zeichen des Quecksilbers in
der Mitten/ und umb selbtes herumb des Gol-
[Spaltenumbruch] des/ des Silbers/ des Kupfers/ des Zienes/ des
Eisens/ und des Bleyes. Auf dem lincken
Fusse des Spießglases/ des Salpeters/ und an-
derer Berg-Gewächse. Zwischen den Zehen
stachen Corallen-Zapfen/ Purpur und Per-
len-Muscheln/ rauhe Diamante und andere
Edelgesteine herfür. Der Rücken war über
und über/ nach Pythagorischer Art mit eitel
Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte/ daß die
gantze Natur von nichts als Zahlen bestünde.
Dieses Sinne-Bild der Natur/ und die
Freundligkeit des uns anweisenden Priesters
vergnügte uns überaus/ veranlaßte auch uns
ihn so wohl umb den Ursprung dieses Gottes-
Diensts/ als die Art der Verehrung zu fragen.
Der Priester unterrichtete uns: Dieser Gottes-
Dienst wäre so alt als die Natur selbst/ und
darumb auch der reineste/ ja nicht allein den
Menschen/ sondern allen Geschöpfen gemein.
Denn nicht nur der Mensch mit seiner Spra-
che/ die Nachtigal mit ihrem Gesange/ sondern
auch die Löwen lobten mit ihrem grausamen
Brüllen/ die Pferde mit ihrem Wiegern/ die
geringschätzigen Raben mit ihrem unartigen
Geschrey/ das Gewürme mit seinem ohnmäch-
tigen Athem - holen ihren Schöpfer. Nicht
nur die Sonnenwende durch ihre Umbwen-
dung/ das Gewächse Acacia/ wenn es seine
Blätter von Mitternacht biß an Mittag auf-
nach der Zeit aber zuschleust; ein ander Kraut/
wenn es mit der untergehenden Sonne ver-
welcket/ mit der aufgehenden wieder grünet/
ein anders bey untergehender Sonne seine ho-
he Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt/
ein anders des Abends seine Blätter in
eine Knospe zusammen zeucht/ früh aber wie-
der ausbreitet/ bezeugeten ihre Andacht ge-
gen ihrem Ursprunge; sondern auch der
Trauer-Baum/ der des Tages seine Blät-
ter abwirfft und welck wird/ des Nachts
hingegen frische wohlrüchende Blumen

bekommt/

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] dieſe heiligen Leute/ da ihnen niemand ande-
rer Voͤlcker Thun aufrichtig entdeckt/ glauben/
daß ſie Menſchen ſind/ weil ſie insgemein im
Boͤſen andere Thiere uͤbertreffen. Noch
mehr aber befrembdet mich/ daß ſie in den
Kreiß ihrer Ruhe aus der andern ſtuͤrmeriſchen
Welt einigen Frembden einlaſſen. Allein ich
bin wohl begierig dieſes unſchuldigen Volckes
Gottes - Dienſt zu vernehmen. Zeno
fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen ver-
langten/ fuͤhrten ſie uns in die Mitte ihrer
Landſchafft/ und zeigten uns auf einem luſti-
gen mit fruchtbaren Baͤumen und kraͤfftigen
Kraͤutern bewachſenem Huͤgel ihren einigen
Tempel. Dieſer war ein von dreyhundert
Himmel-hohen Cedern umbſetzter Umbkreiß.
Jn der Mitte ſtand das alabaſterne Bild ihrer
einigen Goͤttin/ nemlich der Natur. Den ei-
nen Fuß hatte es auf einer ertztenen/ den an-
dern auf einer glaͤſernen Kugel/ hiermit auf
den Erd- und den Waſſer-Kreiß zielende.
Das. Haupt war mit der Sonne bekleidet/
an der Stirne hing der Monde/ das Halsband
war eine Reye fuͤnckelnder Sterne; umb den
Leib trug ſie einen Guͤrtel/ darauf die zwoͤlff
him̃liſche Zeichen gepraͤget waren. Aus der
rechten Bruſt ſpritzte ſie Wein/ aus der lincken
Milch/ aus dem Geburts-Gliede Waſſer/ wel-
ches ſich in einer Schale von Agat zuſammen
vermiſchte/ und in einer verborgenen Roͤhre
auf das Altar der Goͤttin geleitet ward. Auf
der aͤuſerſten rechten Hand ſtand das Zeichen
des Schwefels/ und in ſelbter hielt ſie eine nie
verleſchende Ampel; unter dem lincken Arme
ein Horn des Uberfluſſes/ welches mit tauſen-
derley Fruͤchten und Blumen erfuͤllet war.
Jn dem lincken Hand-Teller war das Zeichen
des Saltzes/ und aus einem Glaſe troff fort fuͤr
fort Oel in die Schale. Auf dem rechten
Fuſſe ſtand das Zeichen des Queckſilbers in
der Mitten/ und umb ſelbtes herumb des Gol-
[Spaltenumbruch] des/ des Silbers/ des Kupfers/ des Zienes/ des
Eiſens/ und des Bleyes. Auf dem lincken
Fuſſe des Spießglaſes/ des Salpeters/ und an-
derer Berg-Gewaͤchſe. Zwiſchen den Zehen
ſtachen Corallen-Zapfen/ Purpur und Per-
len-Muſcheln/ rauhe Diamante und andere
Edelgeſteine herfuͤr. Der Ruͤcken war uͤber
und uͤber/ nach Pythagoriſcher Art mit eitel
Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte/ daß die
gantze Natur von nichts als Zahlen beſtuͤnde.
Dieſes Sinne-Bild der Natur/ und die
Freundligkeit des uns anweiſenden Prieſters
vergnuͤgte uns uͤberaus/ veranlaßte auch uns
ihn ſo wohl umb den Urſprung dieſes Gottes-
Dienſts/ als die Art der Verehrung zu fragen.
Der Prieſter unterrichtete uns: Dieſer Gottes-
Dienſt waͤre ſo alt als die Natur ſelbſt/ und
darumb auch der reineſte/ ja nicht allein den
Menſchen/ ſondern allen Geſchoͤpfen gemein.
Denn nicht nur der Menſch mit ſeiner Spra-
che/ die Nachtigal mit ihrem Geſange/ ſondern
auch die Loͤwen lobten mit ihrem grauſamen
Bruͤllen/ die Pferde mit ihrem Wiegern/ die
geringſchaͤtzigen Raben mit ihrem unartigen
Geſchrey/ das Gewuͤrme mit ſeinem ohnmaͤch-
tigen Athem - holen ihren Schoͤpfer. Nicht
nur die Sonnenwende durch ihre Umbwen-
dung/ das Gewaͤchſe Acacia/ wenn es ſeine
Blaͤtter von Mitternacht biß an Mittag auf-
nach der Zeit aber zuſchleuſt; ein ander Kraut/
wenn es mit der untergehenden Sonne ver-
welcket/ mit der aufgehenden wieder gruͤnet/
ein anders bey untergehender Sonne ſeine ho-
he Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt/
ein anders des Abends ſeine Blaͤtter in
eine Knoſpe zuſammen zeucht/ fruͤh aber wie-
der ausbreitet/ bezeugeten ihre Andacht ge-
gen ihrem Urſprunge; ſondern auch der
Trauer-Baum/ der des Tages ſeine Blaͤt-
ter abwirfft und welck wird/ des Nachts
hingegen friſche wohlruͤchende Blumen

bekom̃t/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0608" n="552"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
die&#x017F;e heiligen Leute/ da ihnen niemand ande-<lb/>
rer Vo&#x0364;lcker Thun aufrichtig entdeckt/ glauben/<lb/>
daß &#x017F;ie Men&#x017F;chen &#x017F;ind/ weil &#x017F;ie insgemein im<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;en andere Thiere u&#x0364;bertreffen. Noch<lb/>
mehr aber befrembdet mich/ daß &#x017F;ie in den<lb/>
Kreiß ihrer Ruhe aus der andern &#x017F;tu&#x0364;rmeri&#x017F;chen<lb/>
Welt einigen Frembden einla&#x017F;&#x017F;en. Allein ich<lb/>
bin wohl begierig die&#x017F;es un&#x017F;chuldigen Volckes<lb/>
Gottes - Dien&#x017F;t zu vernehmen. Zeno<lb/>
fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen ver-<lb/>
langten/ fu&#x0364;hrten &#x017F;ie uns in die Mitte ihrer<lb/>
Land&#x017F;chafft/ und zeigten uns auf einem lu&#x017F;ti-<lb/>
gen mit fruchtbaren Ba&#x0364;umen und kra&#x0364;fftigen<lb/>
Kra&#x0364;utern bewach&#x017F;enem Hu&#x0364;gel ihren einigen<lb/>
Tempel. Die&#x017F;er war ein von dreyhundert<lb/>
Himmel-hohen Cedern umb&#x017F;etzter Umbkreiß.<lb/>
Jn der Mitte &#x017F;tand das alaba&#x017F;terne Bild ihrer<lb/>
einigen Go&#x0364;ttin/ nemlich der Natur. Den ei-<lb/>
nen Fuß hatte es auf einer ertztenen/ den an-<lb/>
dern auf einer gla&#x0364;&#x017F;ernen Kugel/ hiermit auf<lb/>
den Erd- und den Wa&#x017F;&#x017F;er-Kreiß zielende.<lb/>
Das. Haupt war mit der Sonne bekleidet/<lb/>
an der Stirne hing der Monde/ das Halsband<lb/>
war eine Reye fu&#x0364;nckelnder Sterne; umb den<lb/>
Leib trug &#x017F;ie einen Gu&#x0364;rtel/ darauf die zwo&#x0364;lff<lb/>
him&#x0303;li&#x017F;che Zeichen gepra&#x0364;get waren. Aus der<lb/>
rechten Bru&#x017F;t &#x017F;pritzte &#x017F;ie Wein/ aus der lincken<lb/>
Milch/ aus dem Geburts-Gliede Wa&#x017F;&#x017F;er/ wel-<lb/>
ches &#x017F;ich in einer Schale von Agat zu&#x017F;ammen<lb/>
vermi&#x017F;chte/ und in einer verborgenen Ro&#x0364;hre<lb/>
auf das Altar der Go&#x0364;ttin geleitet ward. Auf<lb/>
der a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;ten rechten Hand &#x017F;tand das Zeichen<lb/>
des Schwefels/ und in &#x017F;elbter hielt &#x017F;ie eine nie<lb/>
verle&#x017F;chende Ampel; unter dem lincken Arme<lb/>
ein Horn des Uberflu&#x017F;&#x017F;es/ welches mit tau&#x017F;en-<lb/>
derley Fru&#x0364;chten und Blumen erfu&#x0364;llet war.<lb/>
Jn dem lincken Hand-Teller war das Zeichen<lb/>
des Saltzes/ und aus einem Gla&#x017F;e troff fort fu&#x0364;r<lb/>
fort Oel in die Schale. Auf dem rechten<lb/>
Fu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tand das Zeichen des Queck&#x017F;ilbers in<lb/>
der Mitten/ und umb &#x017F;elbtes herumb des Gol-<lb/><cb/>
des/ des Silbers/ des Kupfers/ des Zienes/ des<lb/>
Ei&#x017F;ens/ und des Bleyes. Auf dem lincken<lb/>
Fu&#x017F;&#x017F;e des Spießgla&#x017F;es/ des Salpeters/ und an-<lb/>
derer Berg-Gewa&#x0364;ch&#x017F;e. Zwi&#x017F;chen den Zehen<lb/>
&#x017F;tachen Corallen-Zapfen/ Purpur und Per-<lb/>
len-Mu&#x017F;cheln/ rauhe Diamante und andere<lb/>
Edelge&#x017F;teine herfu&#x0364;r. Der Ru&#x0364;cken war u&#x0364;ber<lb/>
und u&#x0364;ber/ nach Pythagori&#x017F;cher Art mit eitel<lb/>
Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte/ daß die<lb/>
gantze Natur von nichts als Zahlen be&#x017F;tu&#x0364;nde.<lb/>
Die&#x017F;es Sinne-Bild der Natur/ und die<lb/>
Freundligkeit des uns anwei&#x017F;enden Prie&#x017F;ters<lb/>
vergnu&#x0364;gte uns u&#x0364;beraus/ veranlaßte auch uns<lb/>
ihn &#x017F;o wohl umb den Ur&#x017F;prung die&#x017F;es Gottes-<lb/>
Dien&#x017F;ts/ als die Art der Verehrung zu fragen.<lb/>
Der Prie&#x017F;ter unterrichtete uns: Die&#x017F;er Gottes-<lb/>
Dien&#x017F;t wa&#x0364;re &#x017F;o alt als die Natur &#x017F;elb&#x017F;t/ und<lb/>
darumb auch der reine&#x017F;te/ ja nicht allein den<lb/>
Men&#x017F;chen/ &#x017F;ondern allen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen gemein.<lb/>
Denn nicht nur der Men&#x017F;ch mit &#x017F;einer Spra-<lb/>
che/ die Nachtigal mit ihrem Ge&#x017F;ange/ &#x017F;ondern<lb/>
auch die Lo&#x0364;wen lobten mit ihrem grau&#x017F;amen<lb/>
Bru&#x0364;llen/ die Pferde mit ihrem Wiegern/ die<lb/>
gering&#x017F;cha&#x0364;tzigen Raben mit ihrem unartigen<lb/>
Ge&#x017F;chrey/ das Gewu&#x0364;rme mit &#x017F;einem ohnma&#x0364;ch-<lb/>
tigen Athem - holen ihren Scho&#x0364;pfer. Nicht<lb/>
nur die Sonnenwende durch ihre Umbwen-<lb/>
dung/ das Gewa&#x0364;ch&#x017F;e Acacia/ wenn es &#x017F;eine<lb/>
Bla&#x0364;tter von Mitternacht biß an Mittag auf-<lb/>
nach der Zeit aber zu&#x017F;chleu&#x017F;t; ein ander Kraut/<lb/>
wenn es mit der untergehenden Sonne ver-<lb/>
welcket/ mit der aufgehenden wieder gru&#x0364;net/<lb/>
ein anders bey untergehender Sonne &#x017F;eine ho-<lb/>
he Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt/<lb/>
ein anders des Abends &#x017F;eine Bla&#x0364;tter in<lb/>
eine Kno&#x017F;pe zu&#x017F;ammen zeucht/ fru&#x0364;h aber wie-<lb/>
der ausbreitet/ bezeugeten ihre Andacht ge-<lb/>
gen ihrem Ur&#x017F;prunge; &#x017F;ondern auch der<lb/>
Trauer-Baum/ der des Tages &#x017F;eine Bla&#x0364;t-<lb/>
ter abwirfft und welck wird/ des Nachts<lb/>
hingegen fri&#x017F;che wohlru&#x0364;chende Blumen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bekom&#x0303;t/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[552/0608] Fuͤnfftes Buch dieſe heiligen Leute/ da ihnen niemand ande- rer Voͤlcker Thun aufrichtig entdeckt/ glauben/ daß ſie Menſchen ſind/ weil ſie insgemein im Boͤſen andere Thiere uͤbertreffen. Noch mehr aber befrembdet mich/ daß ſie in den Kreiß ihrer Ruhe aus der andern ſtuͤrmeriſchen Welt einigen Frembden einlaſſen. Allein ich bin wohl begierig dieſes unſchuldigen Volckes Gottes - Dienſt zu vernehmen. Zeno fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen ver- langten/ fuͤhrten ſie uns in die Mitte ihrer Landſchafft/ und zeigten uns auf einem luſti- gen mit fruchtbaren Baͤumen und kraͤfftigen Kraͤutern bewachſenem Huͤgel ihren einigen Tempel. Dieſer war ein von dreyhundert Himmel-hohen Cedern umbſetzter Umbkreiß. Jn der Mitte ſtand das alabaſterne Bild ihrer einigen Goͤttin/ nemlich der Natur. Den ei- nen Fuß hatte es auf einer ertztenen/ den an- dern auf einer glaͤſernen Kugel/ hiermit auf den Erd- und den Waſſer-Kreiß zielende. Das. Haupt war mit der Sonne bekleidet/ an der Stirne hing der Monde/ das Halsband war eine Reye fuͤnckelnder Sterne; umb den Leib trug ſie einen Guͤrtel/ darauf die zwoͤlff him̃liſche Zeichen gepraͤget waren. Aus der rechten Bruſt ſpritzte ſie Wein/ aus der lincken Milch/ aus dem Geburts-Gliede Waſſer/ wel- ches ſich in einer Schale von Agat zuſammen vermiſchte/ und in einer verborgenen Roͤhre auf das Altar der Goͤttin geleitet ward. Auf der aͤuſerſten rechten Hand ſtand das Zeichen des Schwefels/ und in ſelbter hielt ſie eine nie verleſchende Ampel; unter dem lincken Arme ein Horn des Uberfluſſes/ welches mit tauſen- derley Fruͤchten und Blumen erfuͤllet war. Jn dem lincken Hand-Teller war das Zeichen des Saltzes/ und aus einem Glaſe troff fort fuͤr fort Oel in die Schale. Auf dem rechten Fuſſe ſtand das Zeichen des Queckſilbers in der Mitten/ und umb ſelbtes herumb des Gol- des/ des Silbers/ des Kupfers/ des Zienes/ des Eiſens/ und des Bleyes. Auf dem lincken Fuſſe des Spießglaſes/ des Salpeters/ und an- derer Berg-Gewaͤchſe. Zwiſchen den Zehen ſtachen Corallen-Zapfen/ Purpur und Per- len-Muſcheln/ rauhe Diamante und andere Edelgeſteine herfuͤr. Der Ruͤcken war uͤber und uͤber/ nach Pythagoriſcher Art mit eitel Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte/ daß die gantze Natur von nichts als Zahlen beſtuͤnde. Dieſes Sinne-Bild der Natur/ und die Freundligkeit des uns anweiſenden Prieſters vergnuͤgte uns uͤberaus/ veranlaßte auch uns ihn ſo wohl umb den Urſprung dieſes Gottes- Dienſts/ als die Art der Verehrung zu fragen. Der Prieſter unterrichtete uns: Dieſer Gottes- Dienſt waͤre ſo alt als die Natur ſelbſt/ und darumb auch der reineſte/ ja nicht allein den Menſchen/ ſondern allen Geſchoͤpfen gemein. Denn nicht nur der Menſch mit ſeiner Spra- che/ die Nachtigal mit ihrem Geſange/ ſondern auch die Loͤwen lobten mit ihrem grauſamen Bruͤllen/ die Pferde mit ihrem Wiegern/ die geringſchaͤtzigen Raben mit ihrem unartigen Geſchrey/ das Gewuͤrme mit ſeinem ohnmaͤch- tigen Athem - holen ihren Schoͤpfer. Nicht nur die Sonnenwende durch ihre Umbwen- dung/ das Gewaͤchſe Acacia/ wenn es ſeine Blaͤtter von Mitternacht biß an Mittag auf- nach der Zeit aber zuſchleuſt; ein ander Kraut/ wenn es mit der untergehenden Sonne ver- welcket/ mit der aufgehenden wieder gruͤnet/ ein anders bey untergehender Sonne ſeine ho- he Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt/ ein anders des Abends ſeine Blaͤtter in eine Knoſpe zuſammen zeucht/ fruͤh aber wie- der ausbreitet/ bezeugeten ihre Andacht ge- gen ihrem Urſprunge; ſondern auch der Trauer-Baum/ der des Tages ſeine Blaͤt- ter abwirfft und welck wird/ des Nachts hingegen friſche wohlruͤchende Blumen bekom̃t/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/608
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/608>, abgerufen am 26.06.2024.