Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch]
Ob diese gleich von Schweiß/ auch offt von Blute trieffen/
Mein't ieder doch ein Herr/ kein Ruderknecht zu seyn/
Ob dessen Fuß gleich nur von Banden wird gekräncket/
Ein Höfling aber liegt an Seel und Geist umschräncket.
Bey uns ist iederman sein Herr/ sein Fürst/ sein König;
Man dringet uns kein Joch/ auch wir niemanden auf.
Jedweder ist vergnügt/ und keiner uns zu wenig/
Der Tugend lassen wir den Preiß/ der Zeit den Lauff.
Wer für's gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden/
Dem hilfft man selbst ans Bret und trägt ihn auf den Händen.
Es ist des Glückes Rad recht eine Töpffer-Scheibe/
Die aus geringem Lett' oft güldne Götzen dreht.
Und ihre schnöde Gunst gleicht einem geilen Weibe/
Die Kriepel hälß't und küß't/ und Zwerge nicht verschmäht.
Hier ist die Tugend nur gesehn und hoch erhoben/
Dort schimmert Schein und Spreu/ hier Schwerdt und Wesen
oben.
Auch der drey Kronen trägt/ den Stul auf Tugend gründet/
Verfäll't in Staub und Koth/ wird aller Pracht beraubt.
Dem man itzt Weyrauch streut/ und Sieges-Kräntze windet/
Dem trit ein Scherge noch für Morgens auf sein Haupt.
Hier fürchtet niemand nicht/ Volck/ Richter/ Hencker/ Büttel/
Ein einig Wechsel hängt uns zu/ der Sterbekittel.
Von dem sind aber auch Palläste nicht befreyet/
Und zwar mit herberm Ach und ängst' ger Furcht umhüllt.
Denn sie sind zu Altarn der Eitelkeit geweihet;
Jhr sterblich König ist ihr schnödes Götzen-Bild.
Wir aber seh'n dem Tod' hertzhafftig ins Gesichte/
Denn er versetzt das Bild der Tugend erst ins Lichte.
Dort tobet Glück und Neid auch auf die Ehren-Mahle;
Zermalmt Ertzt und Porphir/ wirfft Bilder in den Schach.
Der Schutz-Herr gestern hieß/ der steckt heut auff dem Pfahle/
Der ihn vor segnete/ rufft ihm itzt/ Schelme/ nach.
Hier meiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm versehre.
Die Andacht klimmt zu Gott/ die Tugend strebt nach Ehre.

Saloninen lieffen über diesen Reimen tau-
send Thränen über die Wangen/ welche bey
derselben Schlusse sie mit diesen Worten recht-
fertigte: Warlich/ dieser Meherdates muß
den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben
kennen lernen/ weil er ihn mit so lebendigen
Farben abzubilden gewüst. Aber ach! nein/
wer wil diese Mißgeburt abbilden/ welche die
Larve niemals vom Gesichte legt/ und gleichwol
alle Stunden verwechselt/ welche durch aller-
hand-falfchen Schein das Antlitz verstellet/ und
ihr Hertze auszuschütten für ärgsten Schiff-
[Spaltenumbruch] bruch hält/ welche nichts mehr zu verlangen sich
angebehrdet/ als worfür sie die heftigste Abscheu
hat/ ja niemanden bey ihr seinen freyen Willen
läst/ als alleine darinnen/ daß sie sich zu freyge-
lassenen Knechten des Hoffes machen mögen.
Aber auch dieses thun sie aus keiner Freyheit/
sondern aus dem Nothzwange der sie fässelnden
Begierden. Denn keine Fliege strebet so sehr
nach Honige/ kein Raubvogel eilet so sehr nach
einem Aasse/ keine Egel dürstet so sehr nach Blu-
te/ keine Ameisse eilet so sehr mit dem gefunde-
nen Weitzen-Korne in ihr Läger/ ungeachtet sie
ihrer Grösse nach die Geschwindigkeit der Son-
neübereilet; als die Höflinge sich nach ihrer er-
bärmlichen Dienstbarkeit sehnen/ welche doch
von grossem Glücke zu sagen haben/ wenn sie
sich ihr Lebtage mit dem Traume süsser Hoff-
nung/ dem Brodte der Elenden speisen können/
nicht aber ihrer unerträglichen Folterung durch
das Messer der Verzweiffelung abzuhelffen ge-
zwungen werden. Rhemetalces fing an: Die-
se Gedancken des Meherdates sind sicher/ wei-
ser und heiliger/ als das Thun seines Vaters
Archelaus/ da er in Armenien sich bey seiner
Priesterlichen Würde in die weltliche Herr-
schafft einmischete/ ja diese Süßigkeit ihn endlich
so gar lüstern machte/ daß er an den Cappadoci-
schen Zepter die Hand zu legen/ und seinen recht-
mäßigen König Ariarathes darvon arglistig zu
verdringen sich unterstanden. Seiner Boß-
heit aber hätte des Himmels gerechter Rache
seine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel ge-
setzt/ und dardurch seinen Sohn angewiesen/
daß die Priesterliche Würde nicht mit die Hand
im Spiele irrdischer Dinge/ keine Stimme im
Fürsten-Rathe/ und den Fuß nicht auff dem
Richterstuhle haben solle. Hertzog Zeno bege-
gnete dem Feldherrn mit einer sonderbaren Be-
scheidenheit: Er könte dem Archelaus freylich
das Wort nicht reden/ daß er den Ariarathes
aus eigener Herrschenssucht ein Bein unterge-
schlagen/ und sich in seinen Purpur gehüllet hät-

te;
Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch]
Ob dieſe gleich von Schweiß/ auch offt von Blute trieffen/
Mein’t ieder doch ein Herr/ kein Ruderknecht zu ſeyn/
Ob deſſen Fuß gleich nur von Banden wird gekraͤncket/
Ein Hoͤfling aber liegt an Seel und Geiſt umſchraͤncket.
Bey uns iſt iederman ſein Herr/ ſein Fuͤrſt/ ſein Koͤnig;
Man dringet uns kein Joch/ auch wir niemanden auf.
Jedweder iſt vergnuͤgt/ und keiner uns zu wenig/
Der Tugend laſſen wir den Preiß/ der Zeit den Lauff.
Wer fuͤr’s gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden/
Dem hilfft man ſelbſt ans Bret und traͤgt ihn auf den Haͤnden.
Es iſt des Gluͤckes Rad recht eine Toͤpffer-Scheibe/
Die aus geringem Lett’ oft guͤldne Goͤtzen dreht.
Und ihre ſchnoͤde Gunſt gleicht einem geilen Weibe/
Die Kriepel haͤlß’t und kuͤß’t/ und Zwerge nicht verſchmaͤht.
Hier iſt die Tugend nur geſehn und hoch erhoben/
Dort ſchimmert Schein und Spreu/ hier Schwerdt und Weſen
oben.
Auch der drey Kronen traͤgt/ den Stul auf Tugend gruͤndet/
Verfaͤll’t in Staub und Koth/ wird aller Pracht beraubt.
Dem man itzt Weyrauch ſtreut/ und Sieges-Kraͤntze windet/
Dem trit ein Scherge noch fuͤr Morgens auf ſein Haupt.
Hier fuͤrchtet niemand nicht/ Volck/ Richter/ Hencker/ Buͤttel/
Ein einig Wechſel haͤngt uns zu/ der Sterbekittel.
Von dem ſind aber auch Pallaͤſte nicht befreyet/
Und zwar mit herberm Ach und aͤngſt’ ger Furcht umhuͤllt.
Denn ſie ſind zu Altarn der Eitelkeit geweihet;
Jhr ſterblich Koͤnig iſt ihr ſchnoͤdes Goͤtzen-Bild.
Wir aber ſeh’n dem Tod’ hertzhafftig ins Geſichte/
Denn er verſetzt das Bild der Tugend erſt ins Lichte.
Dort tobet Gluͤck und Neid auch auf die Ehren-Mahle;
Zermalmt Ertzt und Porphir/ wirfft Bilder in den Schach.
Der Schutz-Herr geſtern hieß/ der ſteckt heut auff dem Pfahle/
Der ihn vor ſegnete/ rufft ihm itzt/ Schelme/ nach.
Hier meiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm verſehre.
Die Andacht klimmt zu Gott/ die Tugend ſtrebt nach Ehre.

Saloninen lieffen uͤber dieſen Reimen tau-
ſend Thraͤnen uͤber die Wangen/ welche bey
derſelben Schluſſe ſie mit dieſen Worten recht-
fertigte: Warlich/ dieſer Meherdates muß
den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben
kennen lernen/ weil er ihn mit ſo lebendigen
Farben abzubilden gewuͤſt. Aber ach! nein/
wer wil dieſe Mißgeburt abbilden/ welche die
Larve niemals vom Geſichte legt/ und gleichwol
alle Stunden verwechſelt/ welche durch aller-
hand-falfchen Schein das Antlitz verſtellet/ und
ihr Hertze auszuſchuͤtten fuͤr aͤrgſten Schiff-
[Spaltenumbruch] bruch haͤlt/ welche nichts mehr zu verlangen ſich
angebehrdet/ als worfuͤr ſie die heftigſte Abſcheu
hat/ ja niemanden bey ihr ſeinen freyen Willen
laͤſt/ als alleine darinnen/ daß ſie ſich zu freyge-
laſſenen Knechten des Hoffes machen moͤgen.
Aber auch dieſes thun ſie aus keiner Freyheit/
ſondern aus dem Nothzwange der ſie faͤſſelnden
Begierden. Denn keine Fliege ſtrebet ſo ſehr
nach Honige/ kein Raubvogel eilet ſo ſehr nach
einem Aaſſe/ keine Egel duͤrſtet ſo ſehr nach Blu-
te/ keine Ameiſſe eilet ſo ſehr mit dem gefunde-
nen Weitzen-Korne in ihr Laͤger/ ungeachtet ſie
ihrer Groͤſſe nach die Geſchwindigkeit der Son-
neuͤbereilet; als die Hoͤflinge ſich nach ihrer er-
baͤrmlichen Dienſtbarkeit ſehnen/ welche doch
von groſſem Gluͤcke zu ſagen haben/ wenn ſie
ſich ihr Lebtage mit dem Traume ſuͤſſer Hoff-
nung/ dem Brodte der Elenden ſpeiſen koͤnnen/
nicht aber ihrer unertraͤglichen Folterung durch
das Meſſer der Verzweiffelung abzuhelffen ge-
zwungen werden. Rhemetalces fing an: Die-
ſe Gedancken des Meherdates ſind ſicher/ wei-
ſer und heiliger/ als das Thun ſeines Vaters
Archelaus/ da er in Armenien ſich bey ſeiner
Prieſterlichen Wuͤrde in die weltliche Herr-
ſchafft einmiſchete/ ja dieſe Suͤßigkeit ihn endlich
ſo gar luͤſtern machte/ daß er an den Cappadoci-
ſchen Zepter die Hand zu legen/ und ſeinen recht-
maͤßigen Koͤnig Ariarathes darvon argliſtig zu
verdringen ſich unterſtanden. Seiner Boß-
heit aber haͤtte des Himmels gerechter Rache
ſeine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel ge-
ſetzt/ und dardurch ſeinen Sohn angewieſen/
daß die Prieſterliche Wuͤrde nicht mit die Hand
im Spiele irrdiſcher Dinge/ keine Stimme im
Fuͤrſten-Rathe/ und den Fuß nicht auff dem
Richterſtuhle haben ſolle. Hertzog Zeno bege-
gnete dem Feldherrn mit einer ſonderbaren Be-
ſcheidenheit: Er koͤnte dem Archelaus freylich
das Wort nicht reden/ daß er den Ariarathes
aus eigener Herrſchensſucht ein Bein unterge-
ſchlagen/ und ſich in ſeinen Purpur gehuͤllet haͤt-

te;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0614" n="558"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi> </fw><lb/>
            <cb/>
            <lg n="25">
              <l>Ob die&#x017F;e gleich von Schweiß/ auch offt von Blute trieffen/</l><lb/>
              <l>Mein&#x2019;t ieder doch ein Herr/ kein Ruderknecht zu &#x017F;eyn/</l><lb/>
              <l>Ob de&#x017F;&#x017F;en Fuß gleich nur von Banden wird gekra&#x0364;ncket/</l><lb/>
              <l>Ein Ho&#x0364;fling aber liegt an Seel und Gei&#x017F;t um&#x017F;chra&#x0364;ncket.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>Bey uns i&#x017F;t iederman &#x017F;ein Herr/ &#x017F;ein Fu&#x0364;r&#x017F;t/ &#x017F;ein Ko&#x0364;nig;</l><lb/>
              <l>Man dringet uns kein Joch/ auch wir niemanden auf.</l><lb/>
              <l>Jedweder i&#x017F;t vergnu&#x0364;gt/ und keiner uns zu wenig/</l><lb/>
              <l>Der Tugend la&#x017F;&#x017F;en wir den Preiß/ der Zeit den Lauff.</l><lb/>
              <l>Wer fu&#x0364;r&#x2019;s gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden/</l><lb/>
              <l>Dem hilfft man &#x017F;elb&#x017F;t ans Bret und tra&#x0364;gt ihn auf den Ha&#x0364;nden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l>Es i&#x017F;t des Glu&#x0364;ckes Rad recht eine To&#x0364;pffer-Scheibe/</l><lb/>
              <l>Die aus geringem Lett&#x2019; oft gu&#x0364;ldne Go&#x0364;tzen dreht.</l><lb/>
              <l>Und ihre &#x017F;chno&#x0364;de Gun&#x017F;t gleicht einem geilen Weibe/</l><lb/>
              <l>Die Kriepel ha&#x0364;&#x2019;t und ku&#x0364;ß&#x2019;t/ und Zwerge nicht ver&#x017F;chma&#x0364;ht.</l><lb/>
              <l>Hier i&#x017F;t die Tugend nur ge&#x017F;ehn und hoch erhoben/</l><lb/>
              <l>Dort &#x017F;chimmert Schein und Spreu/ hier Schwerdt und We&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">oben.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l>Auch der drey Kronen tra&#x0364;gt/ den Stul auf Tugend gru&#x0364;ndet/</l><lb/>
              <l>Verfa&#x0364;ll&#x2019;t in Staub und Koth/ wird aller Pracht beraubt.</l><lb/>
              <l>Dem man itzt Weyrauch &#x017F;treut/ und Sieges-Kra&#x0364;ntze windet/</l><lb/>
              <l>Dem trit ein Scherge noch fu&#x0364;r Morgens auf &#x017F;ein Haupt.</l><lb/>
              <l>Hier fu&#x0364;rchtet niemand nicht/ Volck/ Richter/ Hencker/ Bu&#x0364;ttel/</l><lb/>
              <l>Ein einig Wech&#x017F;el ha&#x0364;ngt uns zu/ der Sterbekittel.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>Von dem &#x017F;ind aber auch Palla&#x0364;&#x017F;te nicht befreyet/</l><lb/>
              <l>Und zwar mit herberm Ach und a&#x0364;ng&#x017F;t&#x2019; ger Furcht umhu&#x0364;llt.</l><lb/>
              <l>Denn &#x017F;ie &#x017F;ind zu Altarn der Eitelkeit geweihet;</l><lb/>
              <l>Jhr &#x017F;terblich Ko&#x0364;nig i&#x017F;t ihr &#x017F;chno&#x0364;des Go&#x0364;tzen-Bild.</l><lb/>
              <l>Wir aber &#x017F;eh&#x2019;n dem Tod&#x2019; hertzhafftig ins Ge&#x017F;ichte/</l><lb/>
              <l>Denn er ver&#x017F;etzt das Bild der Tugend er&#x017F;t ins Lichte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l>Dort tobet Glu&#x0364;ck und Neid auch auf die Ehren-Mahle;</l><lb/>
              <l>Zermalmt Ertzt und Porphir/ wirfft Bilder in den Schach.</l><lb/>
              <l>Der Schutz-Herr ge&#x017F;tern hieß/ der &#x017F;teckt heut auff dem Pfahle/</l><lb/>
              <l>Der ihn vor &#x017F;egnete/ rufft ihm itzt/ Schelme/ nach.</l><lb/>
              <l>Hier meiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm ver&#x017F;ehre.</l><lb/>
              <l>Die Andacht klimmt zu Gott/ die Tugend &#x017F;trebt nach Ehre.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <p>Saloninen lieffen u&#x0364;ber die&#x017F;en Reimen tau-<lb/>
&#x017F;end Thra&#x0364;nen u&#x0364;ber die Wangen/ welche bey<lb/>
der&#x017F;elben Schlu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie mit die&#x017F;en Worten recht-<lb/>
fertigte: Warlich/ die&#x017F;er Meherdates muß<lb/>
den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben<lb/>
kennen lernen/ weil er ihn mit &#x017F;o lebendigen<lb/>
Farben abzubilden gewu&#x0364;&#x017F;t. Aber ach! nein/<lb/>
wer wil die&#x017F;e Mißgeburt abbilden/ welche die<lb/>
Larve niemals vom Ge&#x017F;ichte legt/ und gleichwol<lb/>
alle Stunden verwech&#x017F;elt/ welche durch aller-<lb/>
hand-falfchen Schein das Antlitz ver&#x017F;tellet/ und<lb/>
ihr Hertze auszu&#x017F;chu&#x0364;tten fu&#x0364;r a&#x0364;rg&#x017F;ten Schiff-<lb/><cb/>
bruch ha&#x0364;lt/ welche nichts mehr zu verlangen &#x017F;ich<lb/>
angebehrdet/ als worfu&#x0364;r &#x017F;ie die heftig&#x017F;te Ab&#x017F;cheu<lb/>
hat/ ja niemanden bey ihr &#x017F;einen freyen Willen<lb/>
la&#x0364;&#x017F;t/ als alleine darinnen/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich zu freyge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enen Knechten des Hoffes machen mo&#x0364;gen.<lb/>
Aber auch die&#x017F;es thun &#x017F;ie aus keiner Freyheit/<lb/>
&#x017F;ondern aus dem Nothzwange der &#x017F;ie fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;elnden<lb/>
Begierden. Denn keine Fliege &#x017F;trebet &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
nach Honige/ kein Raubvogel eilet &#x017F;o &#x017F;ehr nach<lb/>
einem Aa&#x017F;&#x017F;e/ keine Egel du&#x0364;r&#x017F;tet &#x017F;o &#x017F;ehr nach Blu-<lb/>
te/ keine Amei&#x017F;&#x017F;e eilet &#x017F;o &#x017F;ehr mit dem gefunde-<lb/>
nen Weitzen-Korne in ihr La&#x0364;ger/ ungeachtet &#x017F;ie<lb/>
ihrer Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nach die Ge&#x017F;chwindigkeit der Son-<lb/>
neu&#x0364;bereilet; als die Ho&#x0364;flinge &#x017F;ich nach ihrer er-<lb/>
ba&#x0364;rmlichen Dien&#x017F;tbarkeit &#x017F;ehnen/ welche doch<lb/>
von gro&#x017F;&#x017F;em Glu&#x0364;cke zu &#x017F;agen haben/ wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich ihr Lebtage mit dem Traume &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Hoff-<lb/>
nung/ dem Brodte der Elenden &#x017F;pei&#x017F;en ko&#x0364;nnen/<lb/>
nicht aber ihrer unertra&#x0364;glichen Folterung durch<lb/>
das Me&#x017F;&#x017F;er der Verzweiffelung abzuhelffen ge-<lb/>
zwungen werden. Rhemetalces fing an: Die-<lb/>
&#x017F;e Gedancken des Meherdates &#x017F;ind &#x017F;icher/ wei-<lb/>
&#x017F;er und heiliger/ als das Thun &#x017F;eines Vaters<lb/>
Archelaus/ da er in Armenien &#x017F;ich bey &#x017F;einer<lb/>
Prie&#x017F;terlichen Wu&#x0364;rde in die weltliche Herr-<lb/>
&#x017F;chafft einmi&#x017F;chete/ ja die&#x017F;e Su&#x0364;ßigkeit ihn endlich<lb/>
&#x017F;o gar lu&#x0364;&#x017F;tern machte/ daß er an den Cappadoci-<lb/>
&#x017F;chen Zepter die Hand zu legen/ und &#x017F;einen recht-<lb/>
ma&#x0364;ßigen Ko&#x0364;nig Ariarathes darvon argli&#x017F;tig zu<lb/>
verdringen &#x017F;ich unter&#x017F;tanden. Seiner Boß-<lb/>
heit aber ha&#x0364;tte des Himmels gerechter Rache<lb/>
&#x017F;eine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel ge-<lb/>
&#x017F;etzt/ und dardurch &#x017F;einen Sohn angewie&#x017F;en/<lb/>
daß die Prie&#x017F;terliche Wu&#x0364;rde nicht mit die Hand<lb/>
im Spiele irrdi&#x017F;cher Dinge/ keine Stimme im<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Rathe/ und den Fuß nicht auff dem<lb/>
Richter&#x017F;tuhle haben &#x017F;olle. Hertzog Zeno bege-<lb/>
gnete dem Feldherrn mit einer &#x017F;onderbaren Be-<lb/>
&#x017F;cheidenheit: Er ko&#x0364;nte dem Archelaus freylich<lb/>
das Wort nicht reden/ daß er den Ariarathes<lb/>
aus eigener Herr&#x017F;chens&#x017F;ucht ein Bein unterge-<lb/>
&#x017F;chlagen/ und &#x017F;ich in &#x017F;einen Purpur gehu&#x0364;llet ha&#x0364;t-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te;</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[558/0614] Fuͤnfftes Buch Ob dieſe gleich von Schweiß/ auch offt von Blute trieffen/ Mein’t ieder doch ein Herr/ kein Ruderknecht zu ſeyn/ Ob deſſen Fuß gleich nur von Banden wird gekraͤncket/ Ein Hoͤfling aber liegt an Seel und Geiſt umſchraͤncket. Bey uns iſt iederman ſein Herr/ ſein Fuͤrſt/ ſein Koͤnig; Man dringet uns kein Joch/ auch wir niemanden auf. Jedweder iſt vergnuͤgt/ und keiner uns zu wenig/ Der Tugend laſſen wir den Preiß/ der Zeit den Lauff. Wer fuͤr’s gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden/ Dem hilfft man ſelbſt ans Bret und traͤgt ihn auf den Haͤnden. Es iſt des Gluͤckes Rad recht eine Toͤpffer-Scheibe/ Die aus geringem Lett’ oft guͤldne Goͤtzen dreht. Und ihre ſchnoͤde Gunſt gleicht einem geilen Weibe/ Die Kriepel haͤlß’t und kuͤß’t/ und Zwerge nicht verſchmaͤht. Hier iſt die Tugend nur geſehn und hoch erhoben/ Dort ſchimmert Schein und Spreu/ hier Schwerdt und Weſen oben. Auch der drey Kronen traͤgt/ den Stul auf Tugend gruͤndet/ Verfaͤll’t in Staub und Koth/ wird aller Pracht beraubt. Dem man itzt Weyrauch ſtreut/ und Sieges-Kraͤntze windet/ Dem trit ein Scherge noch fuͤr Morgens auf ſein Haupt. Hier fuͤrchtet niemand nicht/ Volck/ Richter/ Hencker/ Buͤttel/ Ein einig Wechſel haͤngt uns zu/ der Sterbekittel. Von dem ſind aber auch Pallaͤſte nicht befreyet/ Und zwar mit herberm Ach und aͤngſt’ ger Furcht umhuͤllt. Denn ſie ſind zu Altarn der Eitelkeit geweihet; Jhr ſterblich Koͤnig iſt ihr ſchnoͤdes Goͤtzen-Bild. Wir aber ſeh’n dem Tod’ hertzhafftig ins Geſichte/ Denn er verſetzt das Bild der Tugend erſt ins Lichte. Dort tobet Gluͤck und Neid auch auf die Ehren-Mahle; Zermalmt Ertzt und Porphir/ wirfft Bilder in den Schach. Der Schutz-Herr geſtern hieß/ der ſteckt heut auff dem Pfahle/ Der ihn vor ſegnete/ rufft ihm itzt/ Schelme/ nach. Hier meiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm verſehre. Die Andacht klimmt zu Gott/ die Tugend ſtrebt nach Ehre. Saloninen lieffen uͤber dieſen Reimen tau- ſend Thraͤnen uͤber die Wangen/ welche bey derſelben Schluſſe ſie mit dieſen Worten recht- fertigte: Warlich/ dieſer Meherdates muß den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben kennen lernen/ weil er ihn mit ſo lebendigen Farben abzubilden gewuͤſt. Aber ach! nein/ wer wil dieſe Mißgeburt abbilden/ welche die Larve niemals vom Geſichte legt/ und gleichwol alle Stunden verwechſelt/ welche durch aller- hand-falfchen Schein das Antlitz verſtellet/ und ihr Hertze auszuſchuͤtten fuͤr aͤrgſten Schiff- bruch haͤlt/ welche nichts mehr zu verlangen ſich angebehrdet/ als worfuͤr ſie die heftigſte Abſcheu hat/ ja niemanden bey ihr ſeinen freyen Willen laͤſt/ als alleine darinnen/ daß ſie ſich zu freyge- laſſenen Knechten des Hoffes machen moͤgen. Aber auch dieſes thun ſie aus keiner Freyheit/ ſondern aus dem Nothzwange der ſie faͤſſelnden Begierden. Denn keine Fliege ſtrebet ſo ſehr nach Honige/ kein Raubvogel eilet ſo ſehr nach einem Aaſſe/ keine Egel duͤrſtet ſo ſehr nach Blu- te/ keine Ameiſſe eilet ſo ſehr mit dem gefunde- nen Weitzen-Korne in ihr Laͤger/ ungeachtet ſie ihrer Groͤſſe nach die Geſchwindigkeit der Son- neuͤbereilet; als die Hoͤflinge ſich nach ihrer er- baͤrmlichen Dienſtbarkeit ſehnen/ welche doch von groſſem Gluͤcke zu ſagen haben/ wenn ſie ſich ihr Lebtage mit dem Traume ſuͤſſer Hoff- nung/ dem Brodte der Elenden ſpeiſen koͤnnen/ nicht aber ihrer unertraͤglichen Folterung durch das Meſſer der Verzweiffelung abzuhelffen ge- zwungen werden. Rhemetalces fing an: Die- ſe Gedancken des Meherdates ſind ſicher/ wei- ſer und heiliger/ als das Thun ſeines Vaters Archelaus/ da er in Armenien ſich bey ſeiner Prieſterlichen Wuͤrde in die weltliche Herr- ſchafft einmiſchete/ ja dieſe Suͤßigkeit ihn endlich ſo gar luͤſtern machte/ daß er an den Cappadoci- ſchen Zepter die Hand zu legen/ und ſeinen recht- maͤßigen Koͤnig Ariarathes darvon argliſtig zu verdringen ſich unterſtanden. Seiner Boß- heit aber haͤtte des Himmels gerechter Rache ſeine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel ge- ſetzt/ und dardurch ſeinen Sohn angewieſen/ daß die Prieſterliche Wuͤrde nicht mit die Hand im Spiele irrdiſcher Dinge/ keine Stimme im Fuͤrſten-Rathe/ und den Fuß nicht auff dem Richterſtuhle haben ſolle. Hertzog Zeno bege- gnete dem Feldherrn mit einer ſonderbaren Be- ſcheidenheit: Er koͤnte dem Archelaus freylich das Wort nicht reden/ daß er den Ariarathes aus eigener Herrſchensſucht ein Bein unterge- ſchlagen/ und ſich in ſeinen Purpur gehuͤllet haͤt- te;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/614
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/614>, abgerufen am 22.11.2024.