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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Morgen musten wir wegen angehender Ge-
higkeit die Maulthiere zurücke/ und unsere
Erfrischungen durch etliche Bergleute tragen
lassen. Gegen Mittag verminderte sich die
Wärmde nach und nach/ und wir kamen end-
lich in eitel Schnee und Eiß; die Lufft war auch
so kalt gegen Abend/ daß wir ein Feuer machen/
uns und unser bey nahe gefrornes Geträncke
wärmen/ und bey einem hellen Qvell/ welches
eines Armes dicke/ und wohl drey Männer
hoch aus der Spitze eines Stein-Felsens em-
por spritzte/ übernachten musten. Befunden
auch/ daß unsere Krafft-Wasser alle Stärcke
verlohren/ der Wein aber mehr Krafft bekom-
men hatte. Folgenden Tag singen wir mit
auffgehender Sonnen an wieder empor zu klim-
men/ kamen in einen dicken Nebel/ welcher
unsere Kleider fast durch und durch annetzte/ nach
Mittages aber in eine helle sehr dünne/ aber/
weil die Sonnen-Stralen so hoch von der Erde
nicht zurück schlagen können/ überaus kalte
Lufft/ und eine Stunde vor Abend auff die
verlangte Spitze des Caucasus/ welche dem
Bley-Maße nach vier hundert und acht Sta-
dien/ oder ein und funffzig tausend Schritte hoch
ist. Diese hat eine Fläche etwan einer halben
Meile in sich/ wir empfanden den wenigsten
Wind nicht/ und zu unser höchsten Verwun-
derung oben in dem weissen Sande mit einem
Stabe folgende Reime gantz unversehrt ge-
schrieben:

Der hohe Fels hier ist des Weisen Ebenbild.
Man lacht hier wenn es blitzt/ wenn Schloß und Hagel fällt;
Wenn bald der heisse Sud versengt die Unter-Welt/
Bald sie der kalte Nord in Frost und Schnee einhüllt.
So macht den Weisen auch kein Unfall kalt noch heiß/
Kein Neid/ kein Schwamm der Zeit/ lescht seine Zirckel aus.
Denn Tugend ist sein Thun/ ein himmlisch Geist sein Hauß/
Das stets hat Sonnenschein/ und nichts vom Winter weiß.

Diese Beschaffenheit bestetigte unsern Glau-
ben/ daß die Opffer-Asche auff dem Peloponesi-
schen Berge Cylene ein gantz Jahr unverwehet
bliebe; und daß beyde Gipffel den dritten Strich
[Spaltenumbruch] der Lufft erreichten/ wegen welcher Abtheilung
halber die Griechen sonder Zweiffel den Tem-
pel der Lufft dreyen Gottheiten eingesegnet hät-
ten. Wirkonten von dieser unglaublichen Hö-
he zu unser höchsten Belustigung beyde das
schwartze und Caspische Meer/ nicht aber die
Meotische Pfütze/ wie nach des Aristoteles Be-
richt insgemein von diesem Berge geglaubet
wird/ erblicken; Welche beyde aber ein viel dü-
sterners Ansehen hatten/ als die herum liegende
Berge/ weil diese die Sonnen-Strahlen fester
und gewaltsamer zurück schlagen/ jene aber sol-
che gleichsam in sich schlucken/ und also keinen
Widerschein geben. Die andern Taurischen
Berge/ auff welchen die weit unter uns schwe-
benden Wolcken lagen/ kamen uns wie schnee-
weisse niedrige Hügel/ und ein Regenbogen wie
unser Fuß-Schemmel für; Auser der uns nach
Sud recht gegen über liegende Berg Ararat/
auff dem ein grosses Schiff stehen sol/ worauff
sich der Scythische Deucalion mit seiner Asia
und Kindern/ auff Einrathung seines Vaters
Prometheus für der allgemeinen Sündfluth
soll errettet haben. Wovon die Griechen her-
nach getichtet/ daß dieses Schiff nach Wegwei-
sung einer ausgelassenen Taube auff dem Ver-
ge Parnassus angelendet/ ja das übrige Wasser
zu Athen in einen Schlund eingeschlucket wor-
den wäre/ worüber sie hernach dem Olympischen
Jupiter einen Tempel gebauet/ darein sie jähr-
lich einen von Honig und weitzenem Mehle
gebackenen Kuchen als ein Opffer zu werffen
pflegen. Dieser Berg Ararat/ sagte Zeno/
schien so hoch/ wo nicht höher/ als der Caucasus
zu seyn/ soll aber/ nachdem durch Erdbeben et-
liche Klüffte davon abgespalten sind/ nicht mehr
bestiegen werden können.

Nach dem wir nun auff dieser stillen Höhe
uns nicht lange auffzuhalten vermochten/ weil
uns der Athem wegen Dünnigkeit der Lufft ü-
beraus verlag/ also daß wir nasse Tücher für
den Mund halten musten/ hieraus also wahr

befun-
B b b b 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Morgen muſten wir wegen angehender Ge-
higkeit die Maulthiere zuruͤcke/ und unſere
Erfriſchungen durch etliche Bergleute tragen
laſſen. Gegen Mittag verminderte ſich die
Waͤrmde nach und nach/ und wir kamen end-
lich in eitel Schnee und Eiß; die Lufft war auch
ſo kalt gegen Abend/ daß wir ein Feuer machen/
uns und unſer bey nahe gefrornes Getraͤncke
waͤrmen/ und bey einem hellen Qvell/ welches
eines Armes dicke/ und wohl drey Maͤnner
hoch aus der Spitze eines Stein-Felſens em-
por ſpritzte/ uͤbernachten muſten. Befunden
auch/ daß unſere Krafft-Waſſer alle Staͤrcke
verlohren/ der Wein aber mehr Krafft bekom-
men hatte. Folgenden Tag ſingen wir mit
auffgehender Sonnen an wieder empor zu klim-
men/ kamen in einen dicken Nebel/ welcher
unſere Kleider faſt durch und durch annetzte/ nach
Mittages aber in eine helle ſehr duͤnne/ aber/
weil die Sonnen-Stralen ſo hoch von der Erde
nicht zuruͤck ſchlagen koͤnnen/ uͤberaus kalte
Lufft/ und eine Stunde vor Abend auff die
verlangte Spitze des Caucaſus/ welche dem
Bley-Maße nach vier hundert und acht Sta-
dien/ oder ein und funffzig tauſend Schritte hoch
iſt. Dieſe hat eine Flaͤche etwan einer halben
Meile in ſich/ wir empfanden den wenigſten
Wind nicht/ und zu unſer hoͤchſten Verwun-
derung oben in dem weiſſen Sande mit einem
Stabe folgende Reime gantz unverſehrt ge-
ſchrieben:

Der hohe Fels hier iſt des Weiſen Ebenbild.
Man lacht hier wenn es blitzt/ wenn Schloß und Hagel faͤllt;
Wenn bald der heiſſe Sud verſengt die Unter-Welt/
Bald ſie der kalte Nord in Froſt und Schnee einhuͤllt.
So macht den Weiſen auch kein Unfall kalt noch heiß/
Kein Neid/ kein Schwamm der Zeit/ leſcht ſeine Zirckel aus.
Denn Tugend iſt ſein Thun/ ein himmliſch Geiſt ſein Hauß/
Das ſtets hat Sonnenſchein/ und nichts vom Winter weiß.

Dieſe Beſchaffenheit beſtetigte unſern Glau-
ben/ daß die Opffer-Aſche auff dem Peloponeſi-
ſchen Berge Cylene ein gantz Jahr unverwehet
bliebe; und daß beyde Gipffel den dritten Strich
[Spaltenumbruch] der Lufft erreichten/ wegen welcher Abtheilung
halber die Griechen ſonder Zweiffel den Tem-
pel der Lufft dreyen Gottheiten eingeſegnet haͤt-
ten. Wirkonten von dieſer unglaublichen Hoͤ-
he zu unſer hoͤchſten Beluſtigung beyde das
ſchwartze und Caſpiſche Meer/ nicht aber die
Meotiſche Pfuͤtze/ wie nach des Ariſtoteles Be-
richt insgemein von dieſem Berge geglaubet
wird/ erblicken; Welche beyde aber ein viel duͤ-
ſterners Anſehen hatten/ als die herum liegende
Berge/ weil dieſe die Sonnen-Strahlen feſter
und gewaltſamer zuruͤck ſchlagen/ jene aber ſol-
che gleichſam in ſich ſchlucken/ und alſo keinen
Widerſchein geben. Die andern Tauriſchen
Berge/ auff welchen die weit unter uns ſchwe-
benden Wolcken lagen/ kamen uns wie ſchnee-
weiſſe niedrige Huͤgel/ und ein Regenbogen wie
unſer Fuß-Schemmel fuͤr; Auſer der uns nach
Sud recht gegen uͤber liegende Berg Ararat/
auff dem ein groſſes Schiff ſtehen ſol/ worauff
ſich der Scythiſche Deucalion mit ſeiner Aſia
und Kindern/ auff Einrathung ſeines Vaters
Prometheus fuͤr der allgemeinen Suͤndfluth
ſoll errettet haben. Wovon die Griechen her-
nach getichtet/ daß dieſes Schiff nach Wegwei-
ſung einer ausgelaſſenen Taube auff dem Ver-
ge Parnaſſus angelendet/ ja das uͤbrige Waſſer
zu Athen in einen Schlund eingeſchlucket wor-
den waͤre/ woruͤbeꝛ ſie hernach dem Olympiſchen
Jupiter einen Tempel gebauet/ darein ſie jaͤhr-
lich einen von Honig und weitzenem Mehle
gebackenen Kuchen als ein Opffer zu werffen
pflegen. Dieſer Berg Ararat/ ſagte Zeno/
ſchien ſo hoch/ wo nicht hoͤher/ als der Caucaſus
zu ſeyn/ ſoll abeꝛ/ nachdem durch Erdbeben et-
liche Kluͤffte davon abgeſpalten ſind/ nicht mehr
beſtiegen werden koͤnnen.

Nach dem wir nun auff dieſer ſtillen Hoͤhe
uns nicht lange auffzuhalten vermochten/ weil
uns der Athem wegen Duͤnnigkeit der Lufft uͤ-
beraus verlag/ alſo daß wir naſſe Tuͤcher fuͤr
den Mund halten muſten/ hieraus alſo wahr

befun-
B b b b 3
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[565/0621] Arminius und Thußnelda. Morgen muſten wir wegen angehender Ge- higkeit die Maulthiere zuruͤcke/ und unſere Erfriſchungen durch etliche Bergleute tragen laſſen. Gegen Mittag verminderte ſich die Waͤrmde nach und nach/ und wir kamen end- lich in eitel Schnee und Eiß; die Lufft war auch ſo kalt gegen Abend/ daß wir ein Feuer machen/ uns und unſer bey nahe gefrornes Getraͤncke waͤrmen/ und bey einem hellen Qvell/ welches eines Armes dicke/ und wohl drey Maͤnner hoch aus der Spitze eines Stein-Felſens em- por ſpritzte/ uͤbernachten muſten. Befunden auch/ daß unſere Krafft-Waſſer alle Staͤrcke verlohren/ der Wein aber mehr Krafft bekom- men hatte. Folgenden Tag ſingen wir mit auffgehender Sonnen an wieder empor zu klim- men/ kamen in einen dicken Nebel/ welcher unſere Kleider faſt durch und durch annetzte/ nach Mittages aber in eine helle ſehr duͤnne/ aber/ weil die Sonnen-Stralen ſo hoch von der Erde nicht zuruͤck ſchlagen koͤnnen/ uͤberaus kalte Lufft/ und eine Stunde vor Abend auff die verlangte Spitze des Caucaſus/ welche dem Bley-Maße nach vier hundert und acht Sta- dien/ oder ein und funffzig tauſend Schritte hoch iſt. Dieſe hat eine Flaͤche etwan einer halben Meile in ſich/ wir empfanden den wenigſten Wind nicht/ und zu unſer hoͤchſten Verwun- derung oben in dem weiſſen Sande mit einem Stabe folgende Reime gantz unverſehrt ge- ſchrieben: Der hohe Fels hier iſt des Weiſen Ebenbild. Man lacht hier wenn es blitzt/ wenn Schloß und Hagel faͤllt; Wenn bald der heiſſe Sud verſengt die Unter-Welt/ Bald ſie der kalte Nord in Froſt und Schnee einhuͤllt. So macht den Weiſen auch kein Unfall kalt noch heiß/ Kein Neid/ kein Schwamm der Zeit/ leſcht ſeine Zirckel aus. Denn Tugend iſt ſein Thun/ ein himmliſch Geiſt ſein Hauß/ Das ſtets hat Sonnenſchein/ und nichts vom Winter weiß. Dieſe Beſchaffenheit beſtetigte unſern Glau- ben/ daß die Opffer-Aſche auff dem Peloponeſi- ſchen Berge Cylene ein gantz Jahr unverwehet bliebe; und daß beyde Gipffel den dritten Strich der Lufft erreichten/ wegen welcher Abtheilung halber die Griechen ſonder Zweiffel den Tem- pel der Lufft dreyen Gottheiten eingeſegnet haͤt- ten. Wirkonten von dieſer unglaublichen Hoͤ- he zu unſer hoͤchſten Beluſtigung beyde das ſchwartze und Caſpiſche Meer/ nicht aber die Meotiſche Pfuͤtze/ wie nach des Ariſtoteles Be- richt insgemein von dieſem Berge geglaubet wird/ erblicken; Welche beyde aber ein viel duͤ- ſterners Anſehen hatten/ als die herum liegende Berge/ weil dieſe die Sonnen-Strahlen feſter und gewaltſamer zuruͤck ſchlagen/ jene aber ſol- che gleichſam in ſich ſchlucken/ und alſo keinen Widerſchein geben. Die andern Tauriſchen Berge/ auff welchen die weit unter uns ſchwe- benden Wolcken lagen/ kamen uns wie ſchnee- weiſſe niedrige Huͤgel/ und ein Regenbogen wie unſer Fuß-Schemmel fuͤr; Auſer der uns nach Sud recht gegen uͤber liegende Berg Ararat/ auff dem ein groſſes Schiff ſtehen ſol/ worauff ſich der Scythiſche Deucalion mit ſeiner Aſia und Kindern/ auff Einrathung ſeines Vaters Prometheus fuͤr der allgemeinen Suͤndfluth ſoll errettet haben. Wovon die Griechen her- nach getichtet/ daß dieſes Schiff nach Wegwei- ſung einer ausgelaſſenen Taube auff dem Ver- ge Parnaſſus angelendet/ ja das uͤbrige Waſſer zu Athen in einen Schlund eingeſchlucket wor- den waͤre/ woruͤbeꝛ ſie hernach dem Olympiſchen Jupiter einen Tempel gebauet/ darein ſie jaͤhr- lich einen von Honig und weitzenem Mehle gebackenen Kuchen als ein Opffer zu werffen pflegen. Dieſer Berg Ararat/ ſagte Zeno/ ſchien ſo hoch/ wo nicht hoͤher/ als der Caucaſus zu ſeyn/ ſoll abeꝛ/ nachdem durch Erdbeben et- liche Kluͤffte davon abgeſpalten ſind/ nicht mehr beſtiegen werden koͤnnen. Nach dem wir nun auff dieſer ſtillen Hoͤhe uns nicht lange auffzuhalten vermochten/ weil uns der Athem wegen Duͤnnigkeit der Lufft uͤ- beraus verlag/ alſo daß wir naſſe Tuͤcher fuͤr den Mund halten muſten/ hieraus alſo wahr befun- B b b b 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/621>, abgerufen am 22.11.2024.