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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] befunden/ daß man durchs Athemholen von
der Lufft/ als durch Speise und Tranck
aus Erd und Wasser Nahrung schöpffete/ ü-
berdiß es auch allbereit ziemlich finster zu wer-
den anfing/ und wir unwahr zu seyn erfuh-
ren/ daß auff dem Gipffel dieses Berges die
Sonnen-Stralen fast die gantze Nacht durch
schimmerten/ und es darauff vier Stunden
länger Tag seyn solte; so machten wir uns
auff der Seite gegen Sud in ein Thalher-
unter/ zu dem uhralten Tempel des Prome-
theus/ darinnen zu übernachten. Der abschüs-
sige Weg nöthigte uns gleichsam von der Hö-
he eben so springend herunter zu eilen/ wie
man in Africa einen gewissen Berg tantzend
zu übersteigen genöthiget seyn soll/ wenn man
nicht vom Feber befallen werden will/ oder
vielmehr eines Weisen Lebens-Art seyn soll/
daß er den Pfad aller Beschwerligkeiten mit
einem freudigen Geiste wandele/ und durch kei-
ne Unruhe die Ruhe seines Gemüthes stören
lasse. Vorerwehnter Tempel ist in einen gan-
tzen auff der Fläche dieses Thales liegenden
Stein-Felß entweder von einem künstlichen
Werck-Meister gehanen/ oder von der Natur
selbst ausgehölet. Er ist groß/ inwendig ku-
gelrund/ und empfängt von einem oben durch
den sich zusammen welbenden Felß gebroche-
nem Lufft-Loche nur ein weniges Licht. Wenn
Agrippa diesen Tempel/ oder seinen Abriß ge-
sehen hätte/ wolte ich kühnlich sagen/ daß er
nach diesem Muster zu Rom sein Pantheon
gebauet. Jn der Mitte stehet ein steinern
Altar/ darauff liget eine Erdkugel/ welche über
die uns bekandte Länder/ Meere und Flüsse
mit vielen neuen bezeichnet ist; Uugeachtet
diese Kugel sonder allen Zweiffel viel älter ist/
als die ins gemein für die älteste gehaltene Land-
Charte Anaximanders. Sie übertrifft an Voll-
kommenheit auch die kupfferne Taffel des A-
ristagoras/ und die vom grossen Alexander in
[Spaltenumbruch] den Tempel des Ammonischen Jupiters ver-
ehrete goldene/ welche doch alle Länder/ Mee-
re und Flüsse auffs genaueste für Augen stellen
solte; wo anders unsere itzige Abrisse nicht man-
gelhafft sind. Der Fuß/ darauff die Kugel
liegt/ ist mit einer Eins beziffert; Gleich als
diese dem Menschen bekandteste Kugel der Meß-
stab aller andern Cörper seyn solte. Uber der
Erd-Kugel stehet das aus dichtem Golde ge-
gossene Bild der Sonne/ auff seinem rechten
Fusse die Ziffer 140. weil sie so vielmahl grös-
ser als die Erde seyn soll. Wiewohl einige
Weltweisen sie für hundert sechs und sechzig
tausend mahl grösser halten. Hingegen Epi-
cur ihm hat träumen lassen/ daß weder die Son-
ne noch andere Sternen grösser wären/ als
sie uns unser Augen-Maaß fürbildete; ja einige
gar auff den Wahn gerathen sind/ daß wie
der Stern im Auge keine wesentliche Kugel/
sondern nur ein rundes Loch in der mitlern
Augen-Haut sey; Also die Sonne nur ein klei-
ner Platz des obersten Feuer-Himmels/ wel-
cher so weit in die Runde eröffnet stünde. Auff
dem lincken Fuße ist ein Jahr verzeichnet/
weil sie in dieser Zeit alle zwölff himmlische
Zeichen durchlauffet/ also/ daß kein Theil des
Erdbodens länger oder weniger als das ande-
re bestrahlet wird; Ob schon unter den An-
gel-Sternen das gantze Jahr nur ein Tag und
eine Nacht eines halben Jahres lang zu ver-
spühren ist. Auff dem Nabel sind sieben und
zwantzig Tage vermercket; weil in so vielen
sich die Sonne um ihren eigenen Mittelpunct
herum drehet/ wormit sie nicht nur der Erde/
aus allen ihren vielfältigen Schatzkammern ihren
Reichthum zu neigen/ und sie mit ihrer tau-
sendfachen Besämungs-Krafft überschritten;
sondern auch einem ieden Jrrsterne seiner Ei-
genschafft gemässe Strahlen und Tugenden/
aus ihren unzählbaren Röhren nicht anders/
als das Meer durch seine Bewegung und Ein-

drin-

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] befunden/ daß man durchs Athemholen von
der Lufft/ als durch Speiſe und Tranck
aus Erd und Waſſer Nahrung ſchoͤpffete/ uͤ-
berdiß es auch allbereit ziemlich finſter zu wer-
den anfing/ und wir unwahr zu ſeyn erfuh-
ren/ daß auff dem Gipffel dieſes Berges die
Sonnen-Stralen faſt die gantze Nacht durch
ſchimmerten/ und es darauff vier Stunden
laͤnger Tag ſeyn ſolte; ſo machten wir uns
auff der Seite gegen Sud in ein Thalher-
unter/ zu dem uhralten Tempel des Prome-
theus/ darinnen zu uͤbernachten. Der abſchuͤſ-
ſige Weg noͤthigte uns gleichſam von der Hoͤ-
he eben ſo ſpringend herunter zu eilen/ wie
man in Africa einen gewiſſen Berg tantzend
zu uͤberſteigen genoͤthiget ſeyn ſoll/ wenn man
nicht vom Feber befallen werden will/ oder
vielmehr eines Weiſen Lebens-Art ſeyn ſoll/
daß er den Pfad aller Beſchwerligkeiten mit
einem freudigen Geiſte wandele/ und durch kei-
ne Unruhe die Ruhe ſeines Gemuͤthes ſtoͤren
laſſe. Vorerwehnter Tempel iſt in einen gan-
tzen auff der Flaͤche dieſes Thales liegenden
Stein-Felß entweder von einem kuͤnſtlichen
Werck-Meiſter gehanen/ oder von der Natur
ſelbſt ausgehoͤlet. Er iſt groß/ inwendig ku-
gelrund/ und empfaͤngt von einem oben durch
den ſich zuſammen welbenden Felß gebroche-
nem Lufft-Loche nur ein weniges Licht. Wenn
Agrippa dieſen Tempel/ oder ſeinen Abriß ge-
ſehen haͤtte/ wolte ich kuͤhnlich ſagen/ daß er
nach dieſem Muſter zu Rom ſein Pantheon
gebauet. Jn der Mitte ſtehet ein ſteinern
Altar/ darauff liget eine Erdkugel/ welche uͤber
die uns bekandte Laͤnder/ Meere und Fluͤſſe
mit vielen neuen bezeichnet iſt; Uugeachtet
dieſe Kugel ſonder allen Zweiffel viel aͤlter iſt/
als die ins gemein fuͤr die aͤlteſte gehaltene Land-
Charte Anaximanders. Sie uͤbertrifft an Voll-
kommenheit auch die kupfferne Taffel des A-
riſtagoras/ und die vom groſſen Alexander in
[Spaltenumbruch] den Tempel des Ammoniſchen Jupiters ver-
ehrete goldene/ welche doch alle Laͤnder/ Mee-
re und Fluͤſſe auffs genaueſte fuͤr Augen ſtellen
ſolte; wo anders unſere itzige Abriſſe nicht man-
gelhafft ſind. Der Fuß/ darauff die Kugel
liegt/ iſt mit einer Eins beziffert; Gleich als
dieſe dem Menſchen bekandteſte Kugel der Meß-
ſtab aller andern Coͤrper ſeyn ſolte. Uber der
Erd-Kugel ſtehet das aus dichtem Golde ge-
goſſene Bild der Sonne/ auff ſeinem rechten
Fuſſe die Ziffer 140. weil ſie ſo vielmahl groͤſ-
ſer als die Erde ſeyn ſoll. Wiewohl einige
Weltweiſen ſie fuͤr hundert ſechs und ſechzig
tauſend mahl groͤſſer halten. Hingegen Epi-
cur ihm hat traͤumen laſſen/ daß weder die Son-
ne noch andere Sternen groͤſſer waͤren/ als
ſie uns unſer Augen-Maaß fuͤrbildete; ja einige
gar auff den Wahn gerathen ſind/ daß wie
der Stern im Auge keine weſentliche Kugel/
ſondern nur ein rundes Loch in der mitlern
Augen-Haut ſey; Alſo die Sonne nur ein klei-
ner Platz des oberſten Feuer-Himmels/ wel-
cher ſo weit in die Runde eroͤffnet ſtuͤnde. Auff
dem lincken Fuße iſt ein Jahr verzeichnet/
weil ſie in dieſer Zeit alle zwoͤlff himmliſche
Zeichen durchlauffet/ alſo/ daß kein Theil des
Erdbodens laͤnger oder weniger als das ande-
re beſtrahlet wird; Ob ſchon unter den An-
gel-Sternen das gantze Jahr nur ein Tag und
eine Nacht eines halben Jahres lang zu ver-
ſpuͤhren iſt. Auff dem Nabel ſind ſieben und
zwantzig Tage vermercket; weil in ſo vielen
ſich die Sonne um ihren eigenen Mittelpunct
herum drehet/ wormit ſie nicht nur der Erde/
aus allen ihren vielfaͤltigen Schatzkam̃ern ihren
Reichthum zu neigen/ und ſie mit ihrer tau-
ſendfachen Beſaͤmungs-Krafft uͤberſchritten;
ſondern auch einem ieden Jrrſterne ſeiner Ei-
genſchafft gemaͤſſe Strahlen und Tugenden/
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als das Meer durch ſeine Bewegung und Ein-

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[566/0622] Fuͤnfftes Buch befunden/ daß man durchs Athemholen von der Lufft/ als durch Speiſe und Tranck aus Erd und Waſſer Nahrung ſchoͤpffete/ uͤ- berdiß es auch allbereit ziemlich finſter zu wer- den anfing/ und wir unwahr zu ſeyn erfuh- ren/ daß auff dem Gipffel dieſes Berges die Sonnen-Stralen faſt die gantze Nacht durch ſchimmerten/ und es darauff vier Stunden laͤnger Tag ſeyn ſolte; ſo machten wir uns auff der Seite gegen Sud in ein Thalher- unter/ zu dem uhralten Tempel des Prome- theus/ darinnen zu uͤbernachten. Der abſchuͤſ- ſige Weg noͤthigte uns gleichſam von der Hoͤ- he eben ſo ſpringend herunter zu eilen/ wie man in Africa einen gewiſſen Berg tantzend zu uͤberſteigen genoͤthiget ſeyn ſoll/ wenn man nicht vom Feber befallen werden will/ oder vielmehr eines Weiſen Lebens-Art ſeyn ſoll/ daß er den Pfad aller Beſchwerligkeiten mit einem freudigen Geiſte wandele/ und durch kei- ne Unruhe die Ruhe ſeines Gemuͤthes ſtoͤren laſſe. Vorerwehnter Tempel iſt in einen gan- tzen auff der Flaͤche dieſes Thales liegenden Stein-Felß entweder von einem kuͤnſtlichen Werck-Meiſter gehanen/ oder von der Natur ſelbſt ausgehoͤlet. Er iſt groß/ inwendig ku- gelrund/ und empfaͤngt von einem oben durch den ſich zuſammen welbenden Felß gebroche- nem Lufft-Loche nur ein weniges Licht. Wenn Agrippa dieſen Tempel/ oder ſeinen Abriß ge- ſehen haͤtte/ wolte ich kuͤhnlich ſagen/ daß er nach dieſem Muſter zu Rom ſein Pantheon gebauet. Jn der Mitte ſtehet ein ſteinern Altar/ darauff liget eine Erdkugel/ welche uͤber die uns bekandte Laͤnder/ Meere und Fluͤſſe mit vielen neuen bezeichnet iſt; Uugeachtet dieſe Kugel ſonder allen Zweiffel viel aͤlter iſt/ als die ins gemein fuͤr die aͤlteſte gehaltene Land- Charte Anaximanders. Sie uͤbertrifft an Voll- kommenheit auch die kupfferne Taffel des A- riſtagoras/ und die vom groſſen Alexander in den Tempel des Ammoniſchen Jupiters ver- ehrete goldene/ welche doch alle Laͤnder/ Mee- re und Fluͤſſe auffs genaueſte fuͤr Augen ſtellen ſolte; wo anders unſere itzige Abriſſe nicht man- gelhafft ſind. Der Fuß/ darauff die Kugel liegt/ iſt mit einer Eins beziffert; Gleich als dieſe dem Menſchen bekandteſte Kugel der Meß- ſtab aller andern Coͤrper ſeyn ſolte. Uber der Erd-Kugel ſtehet das aus dichtem Golde ge- goſſene Bild der Sonne/ auff ſeinem rechten Fuſſe die Ziffer 140. weil ſie ſo vielmahl groͤſ- ſer als die Erde ſeyn ſoll. Wiewohl einige Weltweiſen ſie fuͤr hundert ſechs und ſechzig tauſend mahl groͤſſer halten. Hingegen Epi- cur ihm hat traͤumen laſſen/ daß weder die Son- ne noch andere Sternen groͤſſer waͤren/ als ſie uns unſer Augen-Maaß fuͤrbildete; ja einige gar auff den Wahn gerathen ſind/ daß wie der Stern im Auge keine weſentliche Kugel/ ſondern nur ein rundes Loch in der mitlern Augen-Haut ſey; Alſo die Sonne nur ein klei- ner Platz des oberſten Feuer-Himmels/ wel- cher ſo weit in die Runde eroͤffnet ſtuͤnde. Auff dem lincken Fuße iſt ein Jahr verzeichnet/ weil ſie in dieſer Zeit alle zwoͤlff himmliſche Zeichen durchlauffet/ alſo/ daß kein Theil des Erdbodens laͤnger oder weniger als das ande- re beſtrahlet wird; Ob ſchon unter den An- gel-Sternen das gantze Jahr nur ein Tag und eine Nacht eines halben Jahres lang zu ver- ſpuͤhren iſt. Auff dem Nabel ſind ſieben und zwantzig Tage vermercket; weil in ſo vielen ſich die Sonne um ihren eigenen Mittelpunct herum drehet/ wormit ſie nicht nur der Erde/ aus allen ihren vielfaͤltigen Schatzkam̃ern ihren Reichthum zu neigen/ und ſie mit ihrer tau- ſendfachen Beſaͤmungs-Krafft uͤberſchritten; ſondern auch einem ieden Jrrſterne ſeiner Ei- genſchafft gemaͤſſe Strahlen und Tugenden/ aus ihren unzaͤhlbaren Roͤhren nicht anders/ als das Meer durch ſeine Bewegung und Ein- drin-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/622>, abgerufen am 22.11.2024.