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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu schmücken allein befugt/ denen Heldinnen
aber sich mit Unflate der Laster zu besudeln eine
anständige Tracht seyn? Der Koth bleibt heß-
lich und so viel mehr kenntbar in Krystallenen
Geschirren; und die Laster garstig/ wenn sie
schon in Sammet und Gold-Stück gehüllet/
oder auf helffenbeinerne Stüle gesetzet werden.
Die Straalen des Gelückes haben so wenig die
Krafft aus einem stinckenden Verbrechen eine
Tugend zu machen/ als das Gestirne aus Krö-
ten-Gerecke oder Frosch-Leich reine Thiere zu
gebehren. Warlich es scheines nichts unge-
reimter zu seyn; als daß dis/ was in eines Bür-
gers Hause stincket/ auf der Burg den Geruch
des Ambra vertreten; daß ein eytrichter Hader
ein gemeines Weib verstellen/ einer Fürstin
aber wol anstehen/ daß Hurerey und Ehbruch
an Mägden gestrafft/ an Göttern aber mit dem
abergläubischen Griechen-Lande angebetet
werden soll. Der Adel hat ja zu seinem Eben-
Bilde die Perlen/ welche von dem reinen Thaue
des Himmels gezeuget werden/ und ohne ihren
gäntzlichen Verderb keinen unsaubern Bey-
Satz annehmen. Die grösten Diamanten/
wenn sie unrein sind/ sind unwerther/ als kleine.
Das Feuer/ als das oberste unter den natürli-
chen Dingen ist reiner/ als die niedrigern; ja es ist
denen Flecken so sehr feind/ daß es viel schwartze
Dinge weiß macht/ viel Ungestalten die Farbe
des Himmels oder des Gestirnes zueignet/ die
unverbrennliche Leinwand von aller Unsauber-
keit/ das Gold von Kupfer und Schlacken sau-
bert. Wie mag man denn uns den Hütten-
Rauch schandbarer Geilheit für ein heiliges
Feuer der Liebe verkauffen? Nein fürwar;
ich lasse mich nicht bereden: daß die Natur für
den Schmuck des Fürstlichen Frauen-Zim-
mers nur Perlen und Rubinen/ der Himmel
aber für das gemeine die Reinligkeit der Keusch-
heit/ und das Feuer der Schamhaftigkeit auser-
wehlet habe. Jch kan nimmermehr glauben:
daß die Edlen deßwegen insgemein äuserlich
[Spaltenumbruch] schöner und lebhaffter/ die geringern ungestalter
und eingeschlaffener sind; womit jene den Ziey-
rath der Seele in dem Schlamme der Sünden
erstecken; diese aber in innerlicher Vollkom-
menheit den Vorzug haben möchten./ Wäre
es nicht eben so viel/ als die Seide aus Weid/
die Wolle aus Schnecken-Blute fär-
ben; und in ein Huren-Haus ein Bild aus
Golde/ in einen Tempel aus Thone setzen?
Wahr ist es zwar: daß in der Welt meist kleine
Missethaten gestrafft/ grosse noch mit Lorbeer-
Kräntzen verehret werden; und der allein ein
Ubelthäter ist/ der seiner Schwäche halben ge-
strafft werden kan; aber die gerechte Rache
GOttes schläget auf die hohen Häupter
öfter und grimmiger/ wie der Blitz eher in die
Gipfel der Gebürge/ und Cedern/ als in nie-
drige Thäler und auf Krumm-Holtz. Und die
Schmach unsers Thuns kömmt auch für der
Welt eher ans Tage-Licht/ denn derer/ welche
ihr niedriger Stand verdüstert: Sintemal un-
sere Fehler nicht minder genau als die Flecken
des Monden auf einen Finger breit ausgerech-
net/ ja unsere mit allem Fleiß verdeckte
Schwachheiten eben so wol als die auch unsicht-
baren Finsternüsse übel gedeutet werden. Zu
geschweigen: daß die Laster bey hohem Stande
und Ansehen nichts minder als das Gift in dem
gestirnten Scorpion unvergleichlich schädlicher/
als in dem irrdischen ist. Sintemal Unterthanen
in ihrer Fürsten Antlitzern auch die Feuer-Maa-
le für schön halten/ und ihre angebohrne Gebre-
chen nachäffen; also ihre Laster nichts minder für
Sitten/ als die heßlichsten Larven für eine anstän-
dige Tracht annehmen. Der für toller Brunst schier
wahnsinnige Varus meynte mit nichts weni-
germ/ als mit Worten abgespeiset zu seyn; daher
er der tugendhaften Walpurgis unter Augen
sagte: Es wäre da keine Zeit/ und verlorne Müh
einen Priester oder Weltweisen abzubilden/ son-
dern ihr läge die unvermeidliche Noth ob/ sich zu
erklären: ob sie gutwillig seines Willens leben/

oder

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu ſchmuͤcken allein befugt/ denen Heldinnen
aber ſich mit Unflate der Laſter zu beſudeln eine
anſtaͤndige Tracht ſeyn? Der Koth bleibt heß-
lich und ſo viel mehr kenntbar in Kryſtallenen
Geſchirren; und die Laſter garſtig/ wenn ſie
ſchon in Sammet und Gold-Stuͤck gehuͤllet/
oder auf helffenbeinerne Stuͤle geſetzet werden.
Die Straalen des Geluͤckes haben ſo wenig die
Krafft aus einem ſtinckenden Verbrechen eine
Tugend zu machen/ als das Geſtirne aus Kroͤ-
ten-Gerecke oder Froſch-Leich reine Thiere zu
gebehren. Warlich es ſcheines nichts unge-
reimter zu ſeyn; als daß dis/ was in eines Buͤr-
gers Hauſe ſtincket/ auf der Burg den Geruch
des Ambra vertreten; daß ein eytrichter Hader
ein gemeines Weib verſtellen/ einer Fuͤrſtin
aber wol anſtehen/ daß Hurerey und Ehbruch
an Maͤgden geſtrafft/ an Goͤttern aber mit dem
aberglaͤubiſchen Griechen-Lande angebetet
werden ſoll. Der Adel hat ja zu ſeinem Eben-
Bilde die Perlen/ welche von dem reinen Thaue
des Himmels gezeuget werden/ und ohne ihren
gaͤntzlichen Verderb keinen unſaubern Bey-
Satz annehmen. Die groͤſten Diamanten/
wenn ſie unrein ſind/ ſind unwerther/ als kleine.
Das Feuer/ als das oberſte unter den natuͤrli-
chen Dingen iſt reiner/ als die niedrigern; ja es iſt
denen Flecken ſo ſehr feind/ daß es viel ſchwartze
Dinge weiß macht/ viel Ungeſtalten die Farbe
des Himmels oder des Geſtirnes zueignet/ die
unverbrennliche Leinwand von aller Unſauber-
keit/ das Gold von Kupfer und Schlacken ſau-
bert. Wie mag man denn uns den Huͤtten-
Rauch ſchandbarer Geilheit fuͤr ein heiliges
Feuer der Liebe verkauffen? Nein fuͤrwar;
ich laſſe mich nicht bereden: daß die Natur fuͤr
den Schmuck des Fuͤrſtlichen Frauen-Zim-
mers nur Perlen und Rubinen/ der Himmel
aber fuͤr das gemeine die Reinligkeit der Keuſch-
heit/ und das Feuer der Schamhaftigkeit auser-
wehlet habe. Jch kan nimmermehr glauben:
daß die Edlen deßwegen insgemein aͤuſerlich
[Spaltenumbruch] ſchoͤner und lebhaffter/ die geringern ungeſtalter
und eingeſchlaffener ſind; womit jene den Ziey-
rath der Seele in dem Schlamme der Suͤnden
erſtecken; dieſe aber in innerlicher Vollkom-
menheit den Vorzug haben moͤchten./ Waͤre
es nicht eben ſo viel/ als die Seide aus Weid/
die Wolle aus Schnecken-Blute faͤr-
ben; und in ein Huren-Haus ein Bild aus
Golde/ in einen Tempel aus Thone ſetzen?
Wahr iſt es zwar: daß in der Welt meiſt kleine
Miſſethaten geſtrafft/ groſſe noch mit Lorbeer-
Kraͤntzen verehret werden; und der allein ein
Ubelthaͤter iſt/ der ſeiner Schwaͤche halben ge-
ſtrafft werden kan; aber die gerechte Rache
GOttes ſchlaͤget auf die hohen Haͤupter
oͤfter und grimmiger/ wie der Blitz eher in die
Gipfel der Gebuͤrge/ und Cedern/ als in nie-
drige Thaͤler und auf Krumm-Holtz. Und die
Schmach unſers Thuns koͤm̃t auch fuͤr der
Welt eher ans Tage-Licht/ denn derer/ welche
ihr niedriger Stand verduͤſtert: Sintemal un-
ſere Fehler nicht minder genau als die Flecken
des Monden auf einen Finger breit ausgerech-
net/ ja unſere mit allem Fleiß verdeckte
Schwachheiten eben ſo wol als die auch unſicht-
baren Finſternuͤſſe uͤbel gedeutet werden. Zu
geſchweigen: daß die Laſter bey hohem Stande
und Anſehen nichts minder als das Gift in dem
geſtirnten Scorpion unvergleichlich ſchaͤdlicher/
als in dem irrdiſchen iſt. Sintemal Unterthanen
in ihrer Fuͤrſtẽ Antlitzern auch die Feuer-Maa-
le fuͤr ſchoͤn halten/ und ihre angebohrne Gebre-
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Sitten/ als die heßlichſtẽ Larven fuͤr eine anſtaͤn-
dige Tracht añehmẽ. Der fuͤr toller Brunſt ſchier
wahnſinnige Varus meynte mit nichts weni-
germ/ als mit Worten abgeſpeiſet zu ſeyn; daher
er der tugendhaften Walpurgis unter Augen
ſagte: Es waͤre da keine Zeit/ und verlorne Muͤh
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dern ihr laͤge die unvermeidliche Noth ob/ ſich zu
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oder
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/63>, abgerufen am 24.11.2024.