Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] an: Es hätte diß schöne Stücke wol verdienet/
daß sein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/
und von bekräntzten Schallmeyern wäre aufge-
tragen worden. Wie denn auch die Beotier
die Aale mit Kräntzen ziereten/ und sie ihren Göt-
tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus-
geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei-
ne Schüssel rothe Aale aufsatzte; Welches die
fremde Gäste noch mehr verwundernd machte.
Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden
Gaste eine Schale mit einem köstlichen am
Flusse Pathissus gewachsenem Weine zu ge-
ben/ und erinnerte sie solche zu genüssen; weil
nur die lebenden Fische im Wasser/ die todten
aber in etwas heisserem schwimmen. Daher
müsten sie des Fürsten Zeno seinem Wasser er-
theilten Ruhm für dißmal etwas miltern. Rhe-
metalces fing an: Er hätte gleichwol in Pan-
nonien bey Saline in brüh-heissem Wasser-Fi-
sche schwimmen sehen. Auch solte das Wasser
zur Verdäuung besser seyn/ als der Wein. Für-
nehmlich aber wäre der Hunger der beste Koch/
und der Durst der beste Kellermeister. Daher
dörfte man sich nicht wundern/ daß schlechtes
Wasser dem Fürsten Zeno nicht nur besser als
der so hoch beschriehne Nectar geschmecket hät-
te/ sondern auch wol bekommen wäre. Er hät-
te sich gleichfals offt darmit gelabet/ und er könte
dem Pindarus ohne grosses Bedencken enthen-
gen/ daß das Wasser unter den Elementen/ was
das Gold unter den Metallen wäre. Unter-
dessen aber wäre doch dem so grossen Geschencke
der Natur dem Saffte der edlen Reben sein
Vorzug für dem Wasser nicht zu entziehen/ son-
dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine
Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des
Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen-
net zu werden verdiente. Jn welchem Absehn
Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja sein Ge-
wächse selbst in Africa für einen Gott verehret
würde. Jederman müste den Wein für einen
Zunder der Hertzhafftigkeit/ und für ein heilsa-
[Spaltenumbruch] mes Mittel wider die Traurigkeit gelten lassen.
Dahingegen das Wasser betrübt/ und etliches
gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei-
bisch machte. Zeno versetzte: Er wäre kein
abgesagter Feind des Weines/ und hielte es für
Verleumdung/ daß einige ihn für ein im Holtze
der Reben verfaultes Wasser schielten. Er
hielte ihn auch für eine Hertzstärckung/ und eine
der köstlichsten Artzneyen; aber nicht für ein
dienliches Geträncke. Denn er grieffe die Le-
bens-Geister an/ erhitzte das Geblüte/ zerrütte-
te das Gehirne/ zerstörete die Fruchtbarkeit/
und schwächte die Kräfften der Vernunfft. Da-
her die Griechen die Schrifften des Demosthe-
nes dem/ was Eschines schrieb/ nicht wegen sei-
ner bessern Geburts-Art vorzohen/ sondern
weil dieser Wasser/ jener Wein tranck. Und ob
zwar hierinnen die Maßhaltung eine Gräntz-
scheidung zwischen dem Nutzen und Schaden
seyn solte; so bezeugte doch die Erfahrung/ daß
diesen Unterscheid zu beobachten schwerer als die
Aus-Eckung eines Zirckels wäre. Die uns
angebohrne Lüsternheit setzte dem Glase der Ge-
sundheit einen Becher der Freundschafft bey/
und das dritte schenckte man zu Erfreuung des
Gemüthes ein. Hiermit erschlieche uns ein
halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein
Mensch schon nicht mehr seiner mächtig wäre/
sondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien-
ge. Auf diese Art hätte die Trunckenheit sich
gantzer Völcker bemächtiget/ daß sie bey ihnen
den Nahmen der Sitten/ und das Vermögen
viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er-
langt. Da doch der Mensch dardurch sich gleich-
sam zu was ärgerm/ als einem Vieh machte;
sintemal/ kein Thier auser dem Menschen/ ohne
und über den Durst trincke. Daher die Römer
allen Weibern/ die Carthaginenser allen Krie-
gesleuten das Weintrincken so scharf verboten/
daß es bey ihnen dem Ehebruche/ bey diesen der
Verrätherey gleiche gestrafft ward. Pytha-
goras hätte die/ welche sich des Weines nicht

gäntz-
D d d d 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] an: Es haͤtte diß ſchoͤne Stuͤcke wol verdienet/
daß ſein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/
und von bekraͤntzten Schallmeyern waͤre aufge-
tragen worden. Wie denn auch die Beotier
die Aale mit Kraͤntzen ziereten/ und ſie ihꝛen Goͤt-
tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus-
geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei-
ne Schuͤſſel rothe Aale aufſatzte; Welches die
fremde Gaͤſte noch mehr verwundernd machte.
Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden
Gaſte eine Schale mit einem koͤſtlichen am
Fluſſe Pathiſſus gewachſenem Weine zu ge-
ben/ und erinnerte ſie ſolche zu genuͤſſen; weil
nur die lebenden Fiſche im Waſſer/ die todten
aber in etwas heiſſerem ſchwimmen. Daher
muͤſten ſie des Fuͤrſten Zeno ſeinem Waſſer er-
theilten Ruhm fuͤr dißmal etwas miltern. Rhe-
metalces fing an: Er haͤtte gleichwol in Pan-
nonien bey Saline in bruͤh-heiſſem Waſſer-Fi-
ſche ſchwimmen ſehen. Auch ſolte das Waſſer
zur Verdaͤuung beſſer ſeyn/ als der Wein. Fuͤr-
nehmlich aber waͤre der Hunger der beſte Koch/
und der Durſt der beſte Kellermeiſter. Daher
doͤrfte man ſich nicht wundern/ daß ſchlechtes
Waſſer dem Fuͤrſten Zeno nicht nur beſſer als
der ſo hoch beſchriehne Nectar geſchmecket haͤt-
te/ ſondern auch wol bekommen waͤre. Er haͤt-
te ſich gleichfals offt darmit gelabet/ und er koͤnte
dem Pindarus ohne groſſes Bedencken enthen-
gen/ daß das Waſſer unter den Elementen/ was
das Gold unter den Metallen waͤre. Unter-
deſſen aber waͤre doch dem ſo groſſen Geſchencke
der Natur dem Saffte der edlen Reben ſein
Vorzug fuͤr dem Waſſer nicht zu entziehen/ ſon-
dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine
Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des
Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen-
net zu werden verdiente. Jn welchem Abſehn
Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja ſein Ge-
waͤchſe ſelbſt in Africa fuͤr einen Gott verehret
wuͤrde. Jederman muͤſte den Wein fuͤr einen
Zunder der Hertzhafftigkeit/ und fuͤr ein heilſa-
[Spaltenumbruch] mes Mittel wider die Traurigkeit gelten laſſen.
Dahingegen das Waſſer betruͤbt/ und etliches
gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei-
biſch machte. Zeno verſetzte: Er waͤre kein
abgeſagter Feind des Weines/ und hielte es fuͤr
Verleumdung/ daß einige ihn fuͤr ein im Holtze
der Reben verfaultes Waſſer ſchielten. Er
hielte ihn auch fuͤr eine Hertzſtaͤrckung/ und eine
der koͤſtlichſten Artzneyen; aber nicht fuͤr ein
dienliches Getraͤncke. Denn er grieffe die Le-
bens-Geiſter an/ erhitzte das Gebluͤte/ zerruͤtte-
te das Gehirne/ zerſtoͤrete die Fruchtbarkeit/
und ſchwaͤchte die Kraͤfften der Vernunfft. Da-
her die Griechen die Schrifften des Demoſthe-
nes dem/ was Eſchines ſchrieb/ nicht wegen ſei-
ner beſſern Geburts-Art vorzohen/ ſondern
weil dieſer Waſſer/ jener Wein tranck. Und ob
zwar hierinnen die Maßhaltung eine Graͤntz-
ſcheidung zwiſchen dem Nutzen und Schaden
ſeyn ſolte; ſo bezeugte doch die Erfahrung/ daß
dieſen Unterſcheid zu beobachten ſchwerer als die
Aus-Eckung eines Zirckels waͤre. Die uns
angebohrne Luͤſternheit ſetzte dem Glaſe der Ge-
ſundheit einen Becher der Freundſchafft bey/
und das dritte ſchenckte man zu Erfreuung des
Gemuͤthes ein. Hiermit erſchlieche uns ein
halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein
Menſch ſchon nicht mehr ſeiner maͤchtig waͤre/
ſondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien-
ge. Auf dieſe Art haͤtte die Trunckenheit ſich
gantzer Voͤlcker bemaͤchtiget/ daß ſie bey ihnen
den Nahmen der Sitten/ und das Vermoͤgen
viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er-
langt. Da doch der Menſch dardurch ſich gleich-
ſam zu was aͤrgerm/ als einem Vieh machte;
ſintemal/ kein Thier auſer dem Menſchen/ ohne
und uͤber den Durſt trincke. Daher die Roͤmer
allen Weibern/ die Carthaginenſer allen Krie-
gesleuten das Weintrincken ſo ſcharf verboten/
daß es bey ihnen dem Ehebruche/ bey dieſen der
Verraͤtherey gleiche geſtrafft ward. Pytha-
goras haͤtte die/ welche ſich des Weines nicht

gaͤntz-
D d d d 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0635" n="579"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
an: Es ha&#x0364;tte diß &#x017F;cho&#x0364;ne Stu&#x0364;cke wol verdienet/<lb/>
daß &#x017F;ein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/<lb/>
und von bekra&#x0364;ntzten Schallmeyern wa&#x0364;re aufge-<lb/>
tragen worden. Wie denn auch die Beotier<lb/>
die Aale mit Kra&#x0364;ntzen ziereten/ und &#x017F;ie ih&#xA75B;en Go&#x0364;t-<lb/>
tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus-<lb/>
geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei-<lb/>
ne Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el rothe Aale auf&#x017F;atzte; Welches die<lb/>
fremde Ga&#x0364;&#x017F;te noch mehr verwundernd machte.<lb/>
Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden<lb/>
Ga&#x017F;te eine Schale mit einem ko&#x0364;&#x017F;tlichen am<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;e Pathi&#x017F;&#x017F;us gewach&#x017F;enem Weine zu ge-<lb/>
ben/ und erinnerte &#x017F;ie &#x017F;olche zu genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; weil<lb/>
nur die lebenden Fi&#x017F;che im Wa&#x017F;&#x017F;er/ die todten<lb/>
aber in etwas hei&#x017F;&#x017F;erem &#x017F;chwimmen. Daher<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ie des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Zeno &#x017F;einem Wa&#x017F;&#x017F;er er-<lb/>
theilten Ruhm fu&#x0364;r dißmal etwas miltern. Rhe-<lb/>
metalces fing an: Er ha&#x0364;tte gleichwol in Pan-<lb/>
nonien bey Saline in bru&#x0364;h-hei&#x017F;&#x017F;em Wa&#x017F;&#x017F;er-Fi-<lb/>
&#x017F;che &#x017F;chwimmen &#x017F;ehen. Auch &#x017F;olte das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zur Verda&#x0364;uung be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn/ als der Wein. Fu&#x0364;r-<lb/>
nehmlich aber wa&#x0364;re der Hunger der be&#x017F;te Koch/<lb/>
und der Dur&#x017F;t der be&#x017F;te Kellermei&#x017F;ter. Daher<lb/>
do&#x0364;rfte man &#x017F;ich nicht wundern/ daß &#x017F;chlechtes<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Zeno nicht nur be&#x017F;&#x017F;er als<lb/>
der &#x017F;o hoch be&#x017F;chriehne Nectar ge&#x017F;chmecket ha&#x0364;t-<lb/>
te/ &#x017F;ondern auch wol bekommen wa&#x0364;re. Er ha&#x0364;t-<lb/>
te &#x017F;ich gleichfals offt darmit gelabet/ und er ko&#x0364;nte<lb/>
dem Pindarus ohne gro&#x017F;&#x017F;es Bedencken enthen-<lb/>
gen/ daß das Wa&#x017F;&#x017F;er unter den Elementen/ was<lb/>
das Gold unter den Metallen wa&#x0364;re. Unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en aber wa&#x0364;re doch dem &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;chencke<lb/>
der Natur dem Saffte der edlen Reben &#x017F;ein<lb/>
Vorzug fu&#x0364;r dem Wa&#x017F;&#x017F;er nicht zu entziehen/ &#x017F;on-<lb/>
dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine<lb/>
Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des<lb/>
Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen-<lb/>
net zu werden verdiente. Jn welchem Ab&#x017F;ehn<lb/>
Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja &#x017F;ein Ge-<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t in Africa fu&#x0364;r einen Gott verehret<lb/>
wu&#x0364;rde. Jederman mu&#x0364;&#x017F;te den Wein fu&#x0364;r einen<lb/>
Zunder der Hertzhafftigkeit/ und fu&#x0364;r ein heil&#x017F;a-<lb/><cb/>
mes Mittel wider die Traurigkeit gelten la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Dahingegen das Wa&#x017F;&#x017F;er betru&#x0364;bt/ und etliches<lb/>
gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei-<lb/>
bi&#x017F;ch machte. Zeno ver&#x017F;etzte: Er wa&#x0364;re kein<lb/>
abge&#x017F;agter Feind des Weines/ und hielte es fu&#x0364;r<lb/>
Verleumdung/ daß einige ihn fu&#x0364;r ein im Holtze<lb/>
der Reben verfaultes Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chielten. Er<lb/>
hielte ihn auch fu&#x0364;r eine Hertz&#x017F;ta&#x0364;rckung/ und eine<lb/>
der ko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten Artzneyen; aber nicht fu&#x0364;r ein<lb/>
dienliches Getra&#x0364;ncke. Denn er grieffe die Le-<lb/>
bens-Gei&#x017F;ter an/ erhitzte das Geblu&#x0364;te/ zerru&#x0364;tte-<lb/>
te das Gehirne/ zer&#x017F;to&#x0364;rete die Fruchtbarkeit/<lb/>
und &#x017F;chwa&#x0364;chte die Kra&#x0364;fften der Vernunfft. Da-<lb/>
her die Griechen die Schrifften des Demo&#x017F;the-<lb/>
nes dem/ was E&#x017F;chines &#x017F;chrieb/ nicht wegen &#x017F;ei-<lb/>
ner be&#x017F;&#x017F;ern Geburts-Art vorzohen/ &#x017F;ondern<lb/>
weil die&#x017F;er Wa&#x017F;&#x017F;er/ jener Wein tranck. Und ob<lb/>
zwar hierinnen die Maßhaltung eine Gra&#x0364;ntz-<lb/>
&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen dem Nutzen und Schaden<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte; &#x017F;o bezeugte doch die Erfahrung/ daß<lb/>
die&#x017F;en Unter&#x017F;cheid zu beobachten &#x017F;chwerer als die<lb/>
Aus-Eckung eines Zirckels wa&#x0364;re. Die uns<lb/>
angebohrne Lu&#x0364;&#x017F;ternheit &#x017F;etzte dem Gla&#x017F;e der Ge-<lb/>
&#x017F;undheit einen Becher der Freund&#x017F;chafft bey/<lb/>
und das dritte &#x017F;chenckte man zu Erfreuung des<lb/>
Gemu&#x0364;thes ein. Hiermit er&#x017F;chlieche uns ein<lb/>
halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;chon nicht mehr &#x017F;einer ma&#x0364;chtig wa&#x0364;re/<lb/>
&#x017F;ondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien-<lb/>
ge. Auf die&#x017F;e Art ha&#x0364;tte die Trunckenheit &#x017F;ich<lb/>
gantzer Vo&#x0364;lcker bema&#x0364;chtiget/ daß &#x017F;ie bey ihnen<lb/>
den Nahmen der Sitten/ und das Vermo&#x0364;gen<lb/>
viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er-<lb/>
langt. Da doch der Men&#x017F;ch dardurch &#x017F;ich gleich-<lb/>
&#x017F;am zu was a&#x0364;rgerm/ als einem Vieh machte;<lb/>
&#x017F;intemal/ kein Thier au&#x017F;er dem Men&#x017F;chen/ ohne<lb/>
und u&#x0364;ber den Dur&#x017F;t trincke. Daher die Ro&#x0364;mer<lb/>
allen Weibern/ die Carthaginen&#x017F;er allen Krie-<lb/>
gesleuten das Weintrincken &#x017F;o &#x017F;charf verboten/<lb/>
daß es bey ihnen dem Ehebruche/ bey die&#x017F;en der<lb/>
Verra&#x0364;therey gleiche ge&#x017F;trafft ward. Pytha-<lb/>
goras ha&#x0364;tte die/ welche &#x017F;ich des Weines nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d d 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ga&#x0364;ntz-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[579/0635] Arminius und Thußnelda. an: Es haͤtte diß ſchoͤne Stuͤcke wol verdienet/ daß ſein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/ und von bekraͤntzten Schallmeyern waͤre aufge- tragen worden. Wie denn auch die Beotier die Aale mit Kraͤntzen ziereten/ und ſie ihꝛen Goͤt- tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus- geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei- ne Schuͤſſel rothe Aale aufſatzte; Welches die fremde Gaͤſte noch mehr verwundernd machte. Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden Gaſte eine Schale mit einem koͤſtlichen am Fluſſe Pathiſſus gewachſenem Weine zu ge- ben/ und erinnerte ſie ſolche zu genuͤſſen; weil nur die lebenden Fiſche im Waſſer/ die todten aber in etwas heiſſerem ſchwimmen. Daher muͤſten ſie des Fuͤrſten Zeno ſeinem Waſſer er- theilten Ruhm fuͤr dißmal etwas miltern. Rhe- metalces fing an: Er haͤtte gleichwol in Pan- nonien bey Saline in bruͤh-heiſſem Waſſer-Fi- ſche ſchwimmen ſehen. Auch ſolte das Waſſer zur Verdaͤuung beſſer ſeyn/ als der Wein. Fuͤr- nehmlich aber waͤre der Hunger der beſte Koch/ und der Durſt der beſte Kellermeiſter. Daher doͤrfte man ſich nicht wundern/ daß ſchlechtes Waſſer dem Fuͤrſten Zeno nicht nur beſſer als der ſo hoch beſchriehne Nectar geſchmecket haͤt- te/ ſondern auch wol bekommen waͤre. Er haͤt- te ſich gleichfals offt darmit gelabet/ und er koͤnte dem Pindarus ohne groſſes Bedencken enthen- gen/ daß das Waſſer unter den Elementen/ was das Gold unter den Metallen waͤre. Unter- deſſen aber waͤre doch dem ſo groſſen Geſchencke der Natur dem Saffte der edlen Reben ſein Vorzug fuͤr dem Waſſer nicht zu entziehen/ ſon- dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen- net zu werden verdiente. Jn welchem Abſehn Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja ſein Ge- waͤchſe ſelbſt in Africa fuͤr einen Gott verehret wuͤrde. Jederman muͤſte den Wein fuͤr einen Zunder der Hertzhafftigkeit/ und fuͤr ein heilſa- mes Mittel wider die Traurigkeit gelten laſſen. Dahingegen das Waſſer betruͤbt/ und etliches gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei- biſch machte. Zeno verſetzte: Er waͤre kein abgeſagter Feind des Weines/ und hielte es fuͤr Verleumdung/ daß einige ihn fuͤr ein im Holtze der Reben verfaultes Waſſer ſchielten. Er hielte ihn auch fuͤr eine Hertzſtaͤrckung/ und eine der koͤſtlichſten Artzneyen; aber nicht fuͤr ein dienliches Getraͤncke. Denn er grieffe die Le- bens-Geiſter an/ erhitzte das Gebluͤte/ zerruͤtte- te das Gehirne/ zerſtoͤrete die Fruchtbarkeit/ und ſchwaͤchte die Kraͤfften der Vernunfft. Da- her die Griechen die Schrifften des Demoſthe- nes dem/ was Eſchines ſchrieb/ nicht wegen ſei- ner beſſern Geburts-Art vorzohen/ ſondern weil dieſer Waſſer/ jener Wein tranck. Und ob zwar hierinnen die Maßhaltung eine Graͤntz- ſcheidung zwiſchen dem Nutzen und Schaden ſeyn ſolte; ſo bezeugte doch die Erfahrung/ daß dieſen Unterſcheid zu beobachten ſchwerer als die Aus-Eckung eines Zirckels waͤre. Die uns angebohrne Luͤſternheit ſetzte dem Glaſe der Ge- ſundheit einen Becher der Freundſchafft bey/ und das dritte ſchenckte man zu Erfreuung des Gemuͤthes ein. Hiermit erſchlieche uns ein halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein Menſch ſchon nicht mehr ſeiner maͤchtig waͤre/ ſondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien- ge. Auf dieſe Art haͤtte die Trunckenheit ſich gantzer Voͤlcker bemaͤchtiget/ daß ſie bey ihnen den Nahmen der Sitten/ und das Vermoͤgen viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er- langt. Da doch der Menſch dardurch ſich gleich- ſam zu was aͤrgerm/ als einem Vieh machte; ſintemal/ kein Thier auſer dem Menſchen/ ohne und uͤber den Durſt trincke. Daher die Roͤmer allen Weibern/ die Carthaginenſer allen Krie- gesleuten das Weintrincken ſo ſcharf verboten/ daß es bey ihnen dem Ehebruche/ bey dieſen der Verraͤtherey gleiche geſtrafft ward. Pytha- goras haͤtte die/ welche ſich des Weines nicht gaͤntz- D d d d 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/635
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/635>, abgerufen am 26.06.2024.