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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] dörffte? mit der Erinnerung/ daß die Unwahr-
heit in eines Sclaven Munde eine Schande/
in eines Edelmannes eine unausleschliche Un-
Ehre/ bey den Scythen aber ein sterbens-wür-
diges Laster wäre. Als ich ihm nun selbtes be-
theuerte/ Oropastes es auch nicht allein mit sei-
nen Worten/ sondern fürnehmlich mit scheinba-
rer Ehrligkeit bestätigte; Ließ er die Syrma-
nis für sich kommen/ erzeigte selbter überaus
grosse Ehrerbietung/ verordnete ihr eine Fürst-
liche Bedienung zu. Wir selbst kamen hier-
durch in grösseres Ansehen/ ob wir uns gleich
nur für Edelleute aus gaben/ auch die Ursache so
grosser Gnaden nicht ergründen konten. Al-
leine die Liebe hat die Aehnligkeit des Himmels.
Dieser ist ein versiegeltes Buch für allen Gei-
stern; tausend Weisen haben mit ihren Fern-
Gläsern die Heimligkeit ihres Wesens noch
nicht zu erforschen vermocht. Unterdessen
leuchtet doch seine Annehmligkeit in aller Au-
gen. Nicht anders war es mit der Liebe des
Scythischen Königs beschaffen. Er mühte
sich seine Neigung gegen der Syrmanis so sehr
zu verbergen/ als die Beschaffenheit der Liebe
an ihr selbst unbekandt ist. Gleichwol aber ver-
hüllete ihr Band nur seine/ nicht aber unsere
Augen. Denn wir wurden bey Zeiten/ Syr-
manis aber noch zeitlicher inne/ daß Huhansien
ein Auge auf sie hatte. Seine Höfligkeit ver-
wandelte sich in wenig Tagen in Liebkosung/
und nach und nach in eine inbrünstige Liebe.
Denn ob zwar diese die Flüchtigkeit und Em-
pfindligkeit der Liebe in sich hat/ und ihre Mut-
ter die Gewogenheit wie die Regenbogen in ei-
nem Augenblicke gezeuget wird/ so unterwerf-
fen sie doch alle kluge Leute der Berathschla-
gung/ und eröffnen ihr allererst die Pforte des
Hertzens nach einem vernünfftigen Urthel.
Die Schönheit der Syrmanis legte hierzu
zwar den ersten Grundstein; aber ihre Tugend
machte es vollends aus/ und den König Huhan-
sien zu einem Gefangenen/ als seine Gedancken
[Spaltenumbruch] mit Uberwindung des Serischen Reiches
schwanger giengen. Weil aber nur die thum-
me Liebe ein verführisches Jrrlicht; die ver-
nünfftige aber ein Leitstern zur Tugend/ und in-
sonderheit ein Wetzstein zur Tapfferkeit ist;
vergaß Huhansien nicht der Waffen. Denn
dieser großmüthige Fürst meinte/ daß die Uber-
windung der Seren ein Werckzeug seyn wür-
de/ auch der tugendhafften Syrmanis Hertze
zu gewinnen. Der König ließ hiermit sein
Heer über das Damasische Gebürge fortrücken/
welches zu aller Verwunderung schlecht besetzet
war/ und wir kamen fast ohne Schwerdschlag
in das Königreich Suchuen. Von diesem er-
zehlte mir ein Scythischer Fürst/ daß nach dem
Könige Sophites/ welcher sich dem grossen Ale-
xander ergeben hätte/ seine Nachkommen selb-
tes beherrschet/ iedoch allezeit die Scythischen
Könige für ihre Schutzherren erkennet hätten.
Für ungefehr zwey hundert und viertzig Jahren
aber hätte der großmächtige König der Serer/
der das Geschlechte Tschina auf den Königlichen
Stul erhoben/ und sein grosses Reich mit diesen
Nahmen genennt/ aus angebohrner Feind-
schafft gegen die Scythen (als welche schon für
zwey tausend drey hundert Jahren unter dem
glückseligen/ in iedem Auge zwey Aug-Aepffel
habenden Könige Xunus in das Hertze des Se-
rischen Reiches eingebrochen wären) die damals
darinnen herrschenden Fürsten Pa und Cho
vertrieben/ und solches Volck/ welches aber noch
immer nach der viel gerechtern Herrschafft der
Scythen seufzete/ bezwungen. Jch ward
durch diese Erzehlung überaus begierig von der
Beschaffenheit des Serischen Reiches/ und der
Ursache itzigen Krieges mehrern Grund zu er-
fahren. Daher dieser leutselige Fürst mir auf
mein Ansuchen erzehlte: Es wären schon bey
nahe 3000. Jahr/ als Fohius/ der erste König/
oder Himmels-Sohn (diesen Rahmen gäben
sie ihren Beherrschern) das Serische Reich ge-
stifftet/ und mit heilsamen Gesetzen versehen/

also

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] doͤrffte? mit der Erinnerung/ daß die Unwahr-
heit in eines Sclaven Munde eine Schande/
in eines Edelmannes eine unausleſchliche Un-
Ehre/ bey den Scythen aber ein ſterbens-wuͤr-
diges Laſter waͤre. Als ich ihm nun ſelbtes be-
theuerte/ Oropaſtes es auch nicht allein mit ſei-
nen Worten/ ſondern fuͤrnehmlich mit ſcheinba-
rer Ehrligkeit beſtaͤtigte; Ließ er die Syrma-
nis fuͤr ſich kommen/ erzeigte ſelbter uͤberaus
groſſe Ehrerbietung/ verordnete ihr eine Fuͤrſt-
liche Bedienung zu. Wir ſelbſt kamen hier-
durch in groͤſſeres Anſehen/ ob wir uns gleich
nur fuͤr Edelleute aus gaben/ auch die Urſache ſo
groſſer Gnaden nicht ergruͤnden konten. Al-
leine die Liebe hat die Aehnligkeit des Himmels.
Dieſer iſt ein verſiegeltes Buch fuͤr allen Gei-
ſtern; tauſend Weiſen haben mit ihren Fern-
Glaͤſern die Heimligkeit ihres Weſens noch
nicht zu erforſchen vermocht. Unterdeſſen
leuchtet doch ſeine Annehmligkeit in aller Au-
gen. Nicht anders war es mit der Liebe des
Scythiſchen Koͤnigs beſchaffen. Er muͤhte
ſich ſeine Neigung gegen der Syrmanis ſo ſehr
zu verbergen/ als die Beſchaffenheit der Liebe
an ihr ſelbſt unbekandt iſt. Gleichwol aber ver-
huͤllete ihr Band nur ſeine/ nicht aber unſere
Augen. Denn wir wurden bey Zeiten/ Syr-
manis aber noch zeitlicher inne/ daß Huhanſien
ein Auge auf ſie hatte. Seine Hoͤfligkeit ver-
wandelte ſich in wenig Tagen in Liebkoſung/
und nach und nach in eine inbruͤnſtige Liebe.
Denn ob zwar dieſe die Fluͤchtigkeit und Em-
pfindligkeit der Liebe in ſich hat/ und ihre Mut-
ter die Gewogenheit wie die Regenbogen in ei-
nem Augenblicke gezeuget wird/ ſo unterwerf-
fen ſie doch alle kluge Leute der Berathſchla-
gung/ und eroͤffnen ihr allererſt die Pforte des
Hertzens nach einem vernuͤnfftigen Urthel.
Die Schoͤnheit der Syrmanis legte hierzu
zwar den erſten Grundſtein; aber ihre Tugend
machte es vollends aus/ und den Koͤnig Huhan-
ſien zu einem Gefangenen/ als ſeine Gedancken
[Spaltenumbruch] mit Uberwindung des Seriſchen Reiches
ſchwanger giengen. Weil aber nur die thum-
me Liebe ein verfuͤhriſches Jrrlicht; die ver-
nuͤnfftige aber ein Leitſtern zur Tugend/ und in-
ſonderheit ein Wetzſtein zur Tapfferkeit iſt;
vergaß Huhanſien nicht der Waffen. Denn
dieſer großmuͤthige Fuͤrſt meinte/ daß die Uber-
windung der Seren ein Werckzeug ſeyn wuͤr-
de/ auch der tugendhafften Syrmanis Hertze
zu gewinnen. Der Koͤnig ließ hiermit ſein
Heer uͤber das Damaſiſche Gebuͤrge fortruͤcken/
welches zu aller Verwunderung ſchlecht beſetzet
war/ und wir kamen faſt ohne Schwerdſchlag
in das Koͤnigreich Suchuen. Von dieſem er-
zehlte mir ein Scythiſcher Fuͤrſt/ daß nach dem
Koͤnige Sophites/ welcher ſich dem groſſen Ale-
xander ergeben haͤtte/ ſeine Nachkommen ſelb-
tes beherrſchet/ iedoch allezeit die Scythiſchen
Koͤnige fuͤr ihre Schutzherren erkennet haͤtten.
Fuͤr ungefehr zwey hundert und viertzig Jahren
aber haͤtte der großmaͤchtige Koͤnig der Serer/
der das Geſchlechte Tſchina auf den Koͤniglichen
Stul erhoben/ und ſein groſſes Reich mit dieſen
Nahmen genennt/ aus angebohrner Feind-
ſchafft gegen die Scythen (als welche ſchon fuͤr
zwey tauſend drey hundert Jahren unter dem
gluͤckſeligen/ in iedem Auge zwey Aug-Aepffel
habenden Koͤnige Xunus in das Hertze des Se-
riſchen Reiches eingebrochen waͤren) die damals
darinnen herrſchenden Fuͤrſten Pa und Cho
vertrieben/ und ſolches Volck/ welches aber noch
immer nach der viel gerechtern Herrſchafft der
Scythen ſeufzete/ bezwungen. Jch ward
durch dieſe Erzehlung uͤberaus begierig von der
Beſchaffenheit des Seriſchen Reiches/ und der
Urſache itzigen Krieges mehrern Grund zu er-
fahren. Daher dieſer leutſelige Fuͤrſt mir auf
mein Anſuchen erzehlte: Es waͤren ſchon bey
nahe 3000. Jahr/ als Fohius/ der erſte Koͤnig/
oder Himmels-Sohn (dieſen Rahmen gaͤben
ſie ihren Beherrſchern) das Seriſche Reich ge-
ſtifftet/ und mit heilſamen Geſetzen verſehen/

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[594/0650] Fuͤnfftes Buch doͤrffte? mit der Erinnerung/ daß die Unwahr- heit in eines Sclaven Munde eine Schande/ in eines Edelmannes eine unausleſchliche Un- Ehre/ bey den Scythen aber ein ſterbens-wuͤr- diges Laſter waͤre. Als ich ihm nun ſelbtes be- theuerte/ Oropaſtes es auch nicht allein mit ſei- nen Worten/ ſondern fuͤrnehmlich mit ſcheinba- rer Ehrligkeit beſtaͤtigte; Ließ er die Syrma- nis fuͤr ſich kommen/ erzeigte ſelbter uͤberaus groſſe Ehrerbietung/ verordnete ihr eine Fuͤrſt- liche Bedienung zu. Wir ſelbſt kamen hier- durch in groͤſſeres Anſehen/ ob wir uns gleich nur fuͤr Edelleute aus gaben/ auch die Urſache ſo groſſer Gnaden nicht ergruͤnden konten. Al- leine die Liebe hat die Aehnligkeit des Himmels. Dieſer iſt ein verſiegeltes Buch fuͤr allen Gei- ſtern; tauſend Weiſen haben mit ihren Fern- Glaͤſern die Heimligkeit ihres Weſens noch nicht zu erforſchen vermocht. Unterdeſſen leuchtet doch ſeine Annehmligkeit in aller Au- gen. Nicht anders war es mit der Liebe des Scythiſchen Koͤnigs beſchaffen. Er muͤhte ſich ſeine Neigung gegen der Syrmanis ſo ſehr zu verbergen/ als die Beſchaffenheit der Liebe an ihr ſelbſt unbekandt iſt. Gleichwol aber ver- huͤllete ihr Band nur ſeine/ nicht aber unſere Augen. Denn wir wurden bey Zeiten/ Syr- manis aber noch zeitlicher inne/ daß Huhanſien ein Auge auf ſie hatte. Seine Hoͤfligkeit ver- wandelte ſich in wenig Tagen in Liebkoſung/ und nach und nach in eine inbruͤnſtige Liebe. Denn ob zwar dieſe die Fluͤchtigkeit und Em- pfindligkeit der Liebe in ſich hat/ und ihre Mut- ter die Gewogenheit wie die Regenbogen in ei- nem Augenblicke gezeuget wird/ ſo unterwerf- fen ſie doch alle kluge Leute der Berathſchla- gung/ und eroͤffnen ihr allererſt die Pforte des Hertzens nach einem vernuͤnfftigen Urthel. Die Schoͤnheit der Syrmanis legte hierzu zwar den erſten Grundſtein; aber ihre Tugend machte es vollends aus/ und den Koͤnig Huhan- ſien zu einem Gefangenen/ als ſeine Gedancken mit Uberwindung des Seriſchen Reiches ſchwanger giengen. Weil aber nur die thum- me Liebe ein verfuͤhriſches Jrrlicht; die ver- nuͤnfftige aber ein Leitſtern zur Tugend/ und in- ſonderheit ein Wetzſtein zur Tapfferkeit iſt; vergaß Huhanſien nicht der Waffen. Denn dieſer großmuͤthige Fuͤrſt meinte/ daß die Uber- windung der Seren ein Werckzeug ſeyn wuͤr- de/ auch der tugendhafften Syrmanis Hertze zu gewinnen. Der Koͤnig ließ hiermit ſein Heer uͤber das Damaſiſche Gebuͤrge fortruͤcken/ welches zu aller Verwunderung ſchlecht beſetzet war/ und wir kamen faſt ohne Schwerdſchlag in das Koͤnigreich Suchuen. Von dieſem er- zehlte mir ein Scythiſcher Fuͤrſt/ daß nach dem Koͤnige Sophites/ welcher ſich dem groſſen Ale- xander ergeben haͤtte/ ſeine Nachkommen ſelb- tes beherrſchet/ iedoch allezeit die Scythiſchen Koͤnige fuͤr ihre Schutzherren erkennet haͤtten. Fuͤr ungefehr zwey hundert und viertzig Jahren aber haͤtte der großmaͤchtige Koͤnig der Serer/ der das Geſchlechte Tſchina auf den Koͤniglichen Stul erhoben/ und ſein groſſes Reich mit dieſen Nahmen genennt/ aus angebohrner Feind- ſchafft gegen die Scythen (als welche ſchon fuͤr zwey tauſend drey hundert Jahren unter dem gluͤckſeligen/ in iedem Auge zwey Aug-Aepffel habenden Koͤnige Xunus in das Hertze des Se- riſchen Reiches eingebrochen waͤren) die damals darinnen herrſchenden Fuͤrſten Pa und Cho vertrieben/ und ſolches Volck/ welches aber noch immer nach der viel gerechtern Herrſchafft der Scythen ſeufzete/ bezwungen. Jch ward durch dieſe Erzehlung uͤberaus begierig von der Beſchaffenheit des Seriſchen Reiches/ und der Urſache itzigen Krieges mehrern Grund zu er- fahren. Daher dieſer leutſelige Fuͤrſt mir auf mein Anſuchen erzehlte: Es waͤren ſchon bey nahe 3000. Jahr/ als Fohius/ der erſte Koͤnig/ oder Himmels-Sohn (dieſen Rahmen gaͤben ſie ihren Beherrſchern) das Seriſche Reich ge- ſtifftet/ und mit heilſamen Geſetzen verſehen/ alſo

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/650>, abgerufen am 22.11.2024.