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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] König Chungting noch itzt nicht sattsam zu rüh-
men wissen/ ihm aufs festeste verknüpffte sondern
sie ziehe auch eine kräfftigere Würckung als der
Blitz nach sich/ welcher die gifftigen Thiere ent-
gifftet/ die nicht-gifftigen aber vergifftet. Denn
diese zwölff Jungfrauen/ welche zum theil sich
schon in Gedancken mit dem grossen Huhan-
sien inbrünstig umhalset hatten/ gelobeten ewi-
ge Jungfrauschafft; Die zeither aber gegen des
Königs Liebkosungen allzulaue Syrmanis
empfand augenblicklich eine Erweichung ihres
Hertzens/ hernach eine ungemeine Zuneigung/
und endlich die vollkommene Krafft der Liebe;
also/ daß sie Noth hatte selbte zuverhölen. Al-
leine weil es leichter ist eine Schlange im Bu-
sen/ das Feuer in der Hand/ als die Liebe im
Hertzen zu verbergen/ nahm der König in we-
niger Zeit nichts minder die Veränderung ih-
rer vorigen Unempfindligkeit/ als ihrer Blicke
und Bezeigungen wahr. Und weil nichts
mehr als die Liebe leichtgläubig macht/ so über-
redete ihn seine Einbildung/ daß er ihre Zunei-
gung täglich mehr als den zunehmenden Mon-
den wachsen sehe. Jn dieser stillen Hoffnung
zohe der König mit dem Groß seines Hee-
res/ nach dem er den Sogdianischen Unter-
König bey der Stadt Qveicheu/ die Gräntze Su-
chuens mit hundert tausend Mann zu beobach-
ten/ und ferner in dem Reiche Huqvang einen
festen Fuß zu setzen/ hinterlassen/ an dem Flus-
se Sung Strom-auf biß zu der lustigen Stadt
Ganhan. Daselbst belustigte sich der König
in dem Gebürge Co/ welches mit eitel Granat-
Aepffel- und Pomerantz-Bäumen bedeckt ist;
von dem man den zwölf-spitzichten/ und mit
neun Saltz-Brunnen versehenen Berg Nan-
min gleichsam zum Gegensatz selbiger Frucht-
barkeit liegen siehet. Wie nun die Königin
Syrmanis sich über dem mercklichen Unter-
scheide dieser Gegend überaus wunderte/ hole-
te Huhansien aus seinem tiefsten Hertzen einen
beweglichen Seuffzer/ und fing an: Ach voll-
[Spaltenumbruch] kommenste Syrmanis! Gläubet sie wol/ daß
jener rauhe Fels/ und diese von Fruchtbarkeit
trieffende Hügel einander unehnlicher sind/
als der Lust-Garten ihres Antlitzes/ und die
Unbarmhertzigkeit ihres steinernen Hertzens?
Zweiffelt sie/ daß jene Saltz-Brunnen von
so viel Wasser/ als meine Augen über ihr heim-
liche Thränen vergossen/ nicht würden süsse
gemacht worden seyn? Da doch ich noch zur
Zeit kein Kennzeichen einer Empfindligkeit
wahrnehmen kan. Unvergleichliche Syr-
manis! Jch erkenne ja wohl/ daß kein Sterb-
licher ihrer Liebe/ und die Herrschafft der
Welt nicht ihrer Vollkommenheit fähig sey;
Aber verschmähe nicht Huhansien/ welcher in
seiner Seele dir einen Tempel gebauet/ in
welchem er dir sein selbsteigenes Hertz aufopf-
fert/ und die Oberherrschafft der Scythen un-
terwirfft/ derer Siegen die Götter kein Ziel/
den Reichs-Gräntzen die Natur kein Maß ge-
setzet hat. Syrmanis überwand bey dieser
zwar unvermutheten Ansprache alle empfind-
liche Aufwallungen ihres Gemüthes; ungeach-
tet sie Huhansien recht in ihre Blösse traf. Da-
her neigte sie sich mit tieffster Ehrerbietung/
und antwortete dem Könige ohne die mindeste
Veränderung des Antlitzes: Großmächti-
ger Huhansien/ ich würde diesen Fürtrag für
einen Schertz/ wo nicht für einen Traum anzu-
nehmen haben/ daß der/ dessen Herrschafft die
Welt zu enge/ dessen Tugend der Himmel zu
niedrig ist/ seine Gewogenheit auf die unwür-
dige Syrmanis absencket/ wenn ich nicht be-
reit erfahren hätte/ daß es dem Haupte der
Scythen ein geringes sey/ Königreiche zu ver-
schencken/ und daß seine Gnade nicht mehr
auff seine Freygebigkeit als auff der beschenck-
ten Würdigkeit ziele. Zwar benimmet der
niedrige Fuß einem hohen Colossen/ und ein
tieffes Thal einem spitzigen Felsen nichts
von seiner Grösse/ und die Sonne streicht auch
irrdischen Dingen ein Licht an. Aber Heyra-

then

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Koͤnig Chungting noch itzt nicht ſattſam zu ruͤh-
men wiſſen/ ihm aufs feſteſte verknuͤpffte ſondern
ſie ziehe auch eine kraͤfftigere Wuͤrckung als der
Blitz nach ſich/ welcher die gifftigen Thiere ent-
gifftet/ die nicht-gifftigen aber vergifftet. Denn
dieſe zwoͤlff Jungfrauen/ welche zum theil ſich
ſchon in Gedancken mit dem groſſen Huhan-
ſien inbruͤnſtig umhalſet hatten/ gelobeten ewi-
ge Jungfrauſchafft; Die zeither aber gegen des
Koͤnigs Liebkoſungen allzulaue Syrmanis
empfand augenblicklich eine Erweichung ihres
Hertzens/ hernach eine ungemeine Zuneigung/
und endlich die vollkommene Krafft der Liebe;
alſo/ daß ſie Noth hatte ſelbte zuverhoͤlen. Al-
leine weil es leichter iſt eine Schlange im Bu-
ſen/ das Feuer in der Hand/ als die Liebe im
Hertzen zu verbergen/ nahm der Koͤnig in we-
niger Zeit nichts minder die Veraͤnderung ih-
rer vorigen Unempfindligkeit/ als ihrer Blicke
und Bezeigungen wahr. Und weil nichts
mehr als die Liebe leichtglaͤubig macht/ ſo uͤber-
redete ihn ſeine Einbildung/ daß er ihre Zunei-
gung taͤglich mehr als den zunehmenden Mon-
den wachſen ſehe. Jn dieſer ſtillen Hoffnung
zohe der Koͤnig mit dem Groß ſeines Hee-
res/ nach dem er den Sogdianiſchen Unter-
Koͤnig bey deꝛ Stadt Qveicheu/ die Gꝛaͤntze Su-
chuens mit hundert tauſend Mann zu beobach-
ten/ und ferner in dem Reiche Huqvang einen
feſten Fuß zu ſetzen/ hinterlaſſen/ an dem Fluſ-
ſe Sung Strom-auf biß zu der luſtigen Stadt
Ganhan. Daſelbſt beluſtigte ſich der Koͤnig
in dem Gebuͤrge Co/ welches mit eitel Granat-
Aepffel- und Pomerantz-Baͤumen bedeckt iſt;
von dem man den zwoͤlf-ſpitzichten/ und mit
neun Saltz-Brunnen verſehenen Berg Nan-
min gleichſam zum Gegenſatz ſelbiger Frucht-
barkeit liegen ſiehet. Wie nun die Koͤnigin
Syrmanis ſich uͤber dem mercklichen Unter-
ſcheide dieſer Gegend uͤberaus wunderte/ hole-
te Huhanſien aus ſeinem tiefſten Hertzen einen
beweglichen Seuffzer/ und fing an: Ach voll-
[Spaltenumbruch] kommenſte Syrmanis! Glaͤubet ſie wol/ daß
jener rauhe Fels/ und dieſe von Fruchtbarkeit
trieffende Huͤgel einander unehnlicher ſind/
als der Luſt-Garten ihres Antlitzes/ und die
Unbarmhertzigkeit ihres ſteinernen Hertzens?
Zweiffelt ſie/ daß jene Saltz-Brunnen von
ſo viel Waſſer/ als meine Augen uͤber ihr heim-
liche Thraͤnen vergoſſen/ nicht wuͤrden ſuͤſſe
gemacht worden ſeyn? Da doch ich noch zur
Zeit kein Kennzeichen einer Empfindligkeit
wahrnehmen kan. Unvergleichliche Syr-
manis! Jch erkenne ja wohl/ daß kein Sterb-
licher ihrer Liebe/ und die Herrſchafft der
Welt nicht ihrer Vollkommenheit faͤhig ſey;
Aber verſchmaͤhe nicht Huhanſien/ welcher in
ſeiner Seele dir einen Tempel gebauet/ in
welchem er dir ſein ſelbſteigenes Hertz aufopf-
fert/ und die Oberherrſchafft der Scythen un-
terwirfft/ derer Siegen die Goͤtter kein Ziel/
den Reichs-Graͤntzen die Natur kein Maß ge-
ſetzet hat. Syrmanis uͤberwand bey dieſer
zwar unvermutheten Anſprache alle empfind-
liche Aufwallungen ihres Gemuͤthes; ungeach-
tet ſie Huhanſien recht in ihre Bloͤſſe traf. Da-
her neigte ſie ſich mit tieffſter Ehrerbietung/
und antwortete dem Koͤnige ohne die mindeſte
Veraͤnderung des Antlitzes: Großmaͤchti-
ger Huhanſien/ ich wuͤrde dieſen Fuͤrtrag fuͤr
einen Schertz/ wo nicht fuͤr einen Traum anzu-
nehmen haben/ daß der/ deſſen Herrſchafft die
Welt zu enge/ deſſen Tugend der Himmel zu
niedrig iſt/ ſeine Gewogenheit auf die unwuͤr-
dige Syrmanis abſencket/ wenn ich nicht be-
reit erfahren haͤtte/ daß es dem Haupte der
Scythen ein geringes ſey/ Koͤnigreiche zu ver-
ſchencken/ und daß ſeine Gnade nicht mehr
auff ſeine Freygebigkeit als auff der beſchenck-
ten Wuͤrdigkeit ziele. Zwar benimmet der
niedrige Fuß einem hohen Coloſſen/ und ein
tieffes Thal einem ſpitzigen Felſen nichts
von ſeiner Groͤſſe/ und die Sonne ſtreicht auch
irrdiſchen Dingen ein Licht an. Aber Heyra-

then
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/676>, abgerufen am 28.09.2024.