Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
den sey; also daß sie ihre Schiffarthen mit ihrergrossen Gefahr und Zeitverlierung immer an denen Ufern/ und nach der allzu entfernten Richtschnur etlicher Sterne/ oder aus dem Schiffe loßgelassener Vögel vollführen müsten. Der Feldherr fiel ein: Er wundere sich nicht von den Egyptiern/ weil sie aus Verächtligkeit aller andern Völcker die Schiffarthauser ihrem Reiche verboten/ und sich gleichsam aus einer Andacht gegen ihrem Nil/ des Meeres gäntz- lich/ als eines vom Typhon herrührenden Schaumes/ enteusert. Gleicherweise hätten auch die Serer sich aller fremden Völcker mit Fleiß entschlagen/ und ihr einiges Reich für eine für sich selbst vollkommene Welt geachtet; aber aus den fernen Schiffarthen der Tyrier und Carthaginenser muthmaste er/ daß sie diese Kunst auch gehabt/ und wäre glaublich/ daß der Ma- gnet bey ihnen deßhalben dieser Krafft halber des Hercules Stein geheissen/ welchen sie für den allgemeinen Wegweiser verehrten. Je- doch wäre diese Wissenschafft hernach auser Acht gelassen worden/ und wie viel andere Künste der Alten in Vergessen kommen. Von den Frie- sen aber hätte er bereits etwas erzehlet/ was mit dieser Kunst eine Verwandschafft hätte. Uber diß brauchten sie auf ihren Schiffen ein gewisses Eisen/ welches in seiner Ader gegen Mittag ge- legen/ dasselbe bestrichen sie an der einen Seite mit dem Magnet; also wiese ihnen die sich be- wegende Spitze iederzeit den Mittagsstrich. Es scheinet/ sagte Zeno/ beyderley Kunst aus ei- nerley Nachdencken entsprungen zu seyn/ ich aber bin erstaunet/ wie gewiß der Steuermann auf diesem strengen Flusse auch bey stockfinsterer Nacht das Schiff geleitet/ also/ daß unsere Reise noch einst so geschwinde/ als ich mir eingebildet hatte/ von statten ging. Wir kamen also glück- lich in die Landschafft Xantung/ fuhren den Fluß Su hinauf zu der Stadt Sao uns zu er- frischen/ und sodenn biß in den Pful Lui den aus einem Steinfels gemachten Drachen mit einem [Spaltenumbruch] Menschen-Kopff in dessen Mitte zu beschauen/ der/ wenn man auf seinen Bauch schlägt/ ein Gethöne wie der Donner von sich giebt/ und deßhalben der Donner-Geist genennet wird. Von dar giengen wir zu Lande wieder in den Saffran-Fluß. Weil aber aus diesem biß in den Strom Guei eine tieffe und breite Wasser- farth gegraben/ mit eitel geschnittenen Steinen besetzt/ und mit zwantzig beqvemen Schleussen versehen ist; vermochte ich mich von der Be- schauung nicht zu enthalten/ theils aus Vor- witz/ theils zum Unterrichte derogleichen viel- leicht anderwerts darnach anzugeben. Wo der Wasser gang in den Fluß Guei bey Lincing fällt/ stehet ein achteckichter Thurm mit neun Umgängen/ der von der Spitze biß zum Grun- de neun hundert Ellen hoch/ auswendig mit dem feinsten Porcellan inwendig mit Spiegel- glattem Marmel bedeckt ist/ oben aber einen küpffernen und starck ver goldeten Götzen stehen hat. Wir kehrten von Lincing über den Berg Minaxe/ darauf eine Säule hundert Meß-Ru- then hoch steht/ von dem geringsten Anrühren wie ein Drommel klingt/ und von dar auff dem Flusse Mingto über die Haupt-Stadt Cinan meist durch flache mit Roßmarin/ Hirschen/ Re- hen und Fasanen häuffig bedeckte Felder/ end- lich auf dem Flusse Ven/ in die grosse Wasser- farth/ und in den Saffran-Fluß zurücke. Auf diesem kamen wir mit gutem Winde zu der ü- beraus grossen Handelstadt/ Linchoai wo der Saffran-Fluß und der grosse Strom Hoai zu- sammen kommen/ und durch einen Mund in das grosse Ost-Meer fallen. Von dar fuhren wir durch eine prächtig gegrabene/ und mit eitel weissen viergeeckten Steinen besetzte Wasser- farth/ 60. Stadien lang/ bey dem grossen See Piexe vorbey zu der von dem Saltzhandel über- aus reichen/ und mit unzehlbaren Brücken/ de- rer viel vier und zwantzig auch dreißig steinerne Bogen haben/ versehenen Stadt Kiangtu; Jn welcher das schönste Frauenzimmer gefunden/ aber L l l l 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
den ſey; alſo daß ſie ihre Schiffarthen mit ihrergroſſen Gefahr und Zeitverlierung immer an denen Ufern/ und nach der allzu entfernten Richtſchnur etlicher Sterne/ oder aus dem Schiffe loßgelaſſener Voͤgel vollfuͤhren muͤſten. Der Feldherr fiel ein: Er wundere ſich nicht von den Egyptiern/ weil ſie aus Veraͤchtligkeit aller andern Voͤlcker die Schiffarthauſer ihrem Reiche verboten/ und ſich gleichſam aus einer Andacht gegen ihrem Nil/ des Meeres gaͤntz- lich/ als eines vom Typhon herruͤhrenden Schaumes/ enteuſert. Gleicherweiſe haͤtten auch die Serer ſich aller fremden Voͤlcker mit Fleiß entſchlagen/ und ihr einiges Reich fuͤr eine fuͤr ſich ſelbſt vollkommene Welt geachtet; aber aus den fernen Schiffarthen der Tyrier und Carthaginenſer muthmaſte er/ daß ſie dieſe Kunſt auch gehabt/ und waͤre glaublich/ daß der Ma- gnet bey ihnen deßhalben dieſer Krafft halber des Hercules Stein geheiſſen/ welchen ſie fuͤr den allgemeinen Wegweiſer verehrten. Je- doch waͤre dieſe Wiſſenſchafft hernach auſer Acht gelaſſen worden/ und wie viel andere Kuͤnſte der Alten in Vergeſſen kommen. Von den Frie- ſen aber haͤtte er bereits etwas erzehlet/ was mit dieſer Kunſt eine Verwandſchafft haͤtte. Uber diß brauchten ſie auf ihren Schiffen ein gewiſſes Eiſen/ welches in ſeiner Ader gegen Mittag ge- legen/ daſſelbe beſtrichen ſie an der einen Seite mit dem Magnet; alſo wieſe ihnen die ſich be- wegende Spitze iederzeit den Mittagsſtrich. Es ſcheinet/ ſagte Zeno/ beyderley Kunſt aus ei- nerley Nachdencken entſprungen zu ſeyn/ ich aber bin erſtaunet/ wie gewiß der Steuermann auf dieſem ſtrengen Fluſſe auch bey ſtockfinſterer Nacht das Schiff geleitet/ alſo/ daß unſere Reiſe noch einſt ſo geſchwinde/ als ich mir eingebildet hatte/ von ſtatten ging. Wir kamen alſo gluͤck- lich in die Landſchafft Xantung/ fuhren den Fluß Su hinauf zu der Stadt Sao uns zu er- friſchen/ und ſodenn biß in den Pful Lui den aus einem Steinfels gemachten Drachen mit einem [Spaltenumbruch] Menſchen-Kopff in deſſen Mitte zu beſchauen/ der/ wenn man auf ſeinen Bauch ſchlaͤgt/ ein Gethoͤne wie der Donner von ſich giebt/ und deßhalben der Donner-Geiſt genennet wird. Von dar giengen wir zu Lande wieder in den Saffran-Fluß. Weil aber aus dieſem biß in den Strom Guei eine tieffe und breite Waſſer- farth gegraben/ mit eitel geſchnittenen Steinen beſetzt/ und mit zwantzig beqvemen Schleuſſen verſehen iſt; vermochte ich mich von der Be- ſchauung nicht zu enthalten/ theils aus Vor- witz/ theils zum Unterrichte derogleichen viel- leicht anderwerts darnach anzugeben. Wo der Waſſer gang in den Fluß Guei bey Lincing faͤllt/ ſtehet ein achteckichter Thurm mit neun Umgaͤngen/ der von der Spitze biß zum Grun- de neun hundert Ellen hoch/ auswendig mit dem feinſten Porcellan inwendig mit Spiegel- glattem Marmel bedeckt iſt/ oben aber einen kuͤpffernen und ſtarck ver goldeten Goͤtzen ſtehen hat. Wir kehrten von Lincing uͤber den Berg Minaxe/ darauf eine Saͤule hundeꝛt Meß-Ru- then hoch ſteht/ von dem geringſten Anruͤhren wie ein Drommel klingt/ und von dar auff dem Fluſſe Mingto uͤber die Haupt-Stadt Cinan meiſt durch flache mit Roßmarin/ Hirſchen/ Re- hen und Faſanen haͤuffig bedeckte Felder/ end- lich auf dem Fluſſe Ven/ in die groſſe Waſſer- farth/ und in den Saffran-Fluß zuruͤcke. Auf dieſem kamen wir mit gutem Winde zu der uͤ- beraus groſſen Handelſtadt/ Linchoai wo der Saffran-Fluß und der groſſe Strom Hoai zu- ſammen kommen/ und durch einen Mund in das groſſe Oſt-Meer fallen. Von dar fuhren wir durch eine praͤchtig gegrabene/ und mit eitel weiſſen viergeeckten Steinen beſetzte Waſſer- farth/ 60. Stadien lang/ bey dem groſſen See Piexe vorbey zu der von dem Saltzhandel uͤber- aus reichen/ und mit unzehlbaren Bruͤcken/ de- rer viel vier und zwantzig auch dreißig ſteinerne Bogen haben/ verſehenen Stadt Kiangtu; Jn welcher das ſchoͤnſte Frauenzimmer gefunden/ aber L l l l 3
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Arminius und Thußnelda.
den ſey; alſo daß ſie ihre Schiffarthen mit ihrer
groſſen Gefahr und Zeitverlierung immer an
denen Ufern/ und nach der allzu entfernten
Richtſchnur etlicher Sterne/ oder aus dem
Schiffe loßgelaſſener Voͤgel vollfuͤhren muͤſten.
Der Feldherr fiel ein: Er wundere ſich nicht
von den Egyptiern/ weil ſie aus Veraͤchtligkeit
aller andern Voͤlcker die Schiffarthauſer ihrem
Reiche verboten/ und ſich gleichſam aus einer
Andacht gegen ihrem Nil/ des Meeres gaͤntz-
lich/ als eines vom Typhon herruͤhrenden
Schaumes/ enteuſert. Gleicherweiſe haͤtten
auch die Serer ſich aller fremden Voͤlcker mit
Fleiß entſchlagen/ und ihr einiges Reich fuͤr eine
fuͤr ſich ſelbſt vollkommene Welt geachtet; aber
aus den fernen Schiffarthen der Tyrier und
Carthaginenſer muthmaſte er/ daß ſie dieſe Kunſt
auch gehabt/ und waͤre glaublich/ daß der Ma-
gnet bey ihnen deßhalben dieſer Krafft halber
des Hercules Stein geheiſſen/ welchen ſie fuͤr
den allgemeinen Wegweiſer verehrten. Je-
doch waͤre dieſe Wiſſenſchafft hernach auſer Acht
gelaſſen worden/ und wie viel andere Kuͤnſte der
Alten in Vergeſſen kommen. Von den Frie-
ſen aber haͤtte er bereits etwas erzehlet/ was mit
dieſer Kunſt eine Verwandſchafft haͤtte. Uber
diß brauchten ſie auf ihren Schiffen ein gewiſſes
Eiſen/ welches in ſeiner Ader gegen Mittag ge-
legen/ daſſelbe beſtrichen ſie an der einen Seite
mit dem Magnet; alſo wieſe ihnen die ſich be-
wegende Spitze iederzeit den Mittagsſtrich.
Es ſcheinet/ ſagte Zeno/ beyderley Kunſt aus ei-
nerley Nachdencken entſprungen zu ſeyn/ ich
aber bin erſtaunet/ wie gewiß der Steuermann
auf dieſem ſtrengen Fluſſe auch bey ſtockfinſterer
Nacht das Schiff geleitet/ alſo/ daß unſere Reiſe
noch einſt ſo geſchwinde/ als ich mir eingebildet
hatte/ von ſtatten ging. Wir kamen alſo gluͤck-
lich in die Landſchafft Xantung/ fuhren den
Fluß Su hinauf zu der Stadt Sao uns zu er-
friſchen/ und ſodenn biß in den Pful Lui den aus
einem Steinfels gemachten Drachen mit einem
Menſchen-Kopff in deſſen Mitte zu beſchauen/
der/ wenn man auf ſeinen Bauch ſchlaͤgt/ ein
Gethoͤne wie der Donner von ſich giebt/ und
deßhalben der Donner-Geiſt genennet wird.
Von dar giengen wir zu Lande wieder in den
Saffran-Fluß. Weil aber aus dieſem biß in
den Strom Guei eine tieffe und breite Waſſer-
farth gegraben/ mit eitel geſchnittenen Steinen
beſetzt/ und mit zwantzig beqvemen Schleuſſen
verſehen iſt; vermochte ich mich von der Be-
ſchauung nicht zu enthalten/ theils aus Vor-
witz/ theils zum Unterrichte derogleichen viel-
leicht anderwerts darnach anzugeben. Wo der
Waſſer gang in den Fluß Guei bey Lincing
faͤllt/ ſtehet ein achteckichter Thurm mit neun
Umgaͤngen/ der von der Spitze biß zum Grun-
de neun hundert Ellen hoch/ auswendig mit
dem feinſten Porcellan inwendig mit Spiegel-
glattem Marmel bedeckt iſt/ oben aber einen
kuͤpffernen und ſtarck ver goldeten Goͤtzen ſtehen
hat. Wir kehrten von Lincing uͤber den Berg
Minaxe/ darauf eine Saͤule hundeꝛt Meß-Ru-
then hoch ſteht/ von dem geringſten Anruͤhren
wie ein Drommel klingt/ und von dar auff dem
Fluſſe Mingto uͤber die Haupt-Stadt Cinan
meiſt durch flache mit Roßmarin/ Hirſchen/ Re-
hen und Faſanen haͤuffig bedeckte Felder/ end-
lich auf dem Fluſſe Ven/ in die groſſe Waſſer-
farth/ und in den Saffran-Fluß zuruͤcke. Auf
dieſem kamen wir mit gutem Winde zu der uͤ-
beraus groſſen Handelſtadt/ Linchoai wo der
Saffran-Fluß und der groſſe Strom Hoai zu-
ſammen kommen/ und durch einen Mund in
das groſſe Oſt-Meer fallen. Von dar fuhren
wir durch eine praͤchtig gegrabene/ und mit eitel
weiſſen viergeeckten Steinen beſetzte Waſſer-
farth/ 60. Stadien lang/ bey dem groſſen See
Piexe vorbey zu der von dem Saltzhandel uͤber-
aus reichen/ und mit unzehlbaren Bruͤcken/ de-
rer viel vier und zwantzig auch dreißig ſteinerne
Bogen haben/ verſehenen Stadt Kiangtu; Jn
welcher das ſchoͤnſte Frauenzimmer gefunden/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/693>, abgerufen am 29.06.2024. |