Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit
ärgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen
mir zwey Reichs-Räthe entgegen/ diese führten
mich auff ein überaus prächtiges Schiff/ wel-
ches mit der Vorderspitze einen schrecklichen
Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter
Götze saß/ unten aber viel lebendige Endten
hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen
Schlangenschwantz/ an dem ein sich schwen-
ckender Gauckler oben und unter dem Wasser
allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a-
ber mit grün- und gelbichten Schuppen einen
Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte
ein schneeweisses Dach; auf der Seiten waren
goldgestückte Vorhänge fürgezogen/ und an
wol zwantzig hohen Säulen weheten unzehlba-
re seidene Fahnen/ zwölf Bootsknechte warf-
fen mit ihren nach Art der Löffel gehöleten Ru-
dern das geschöpffte Wasser so behende hinter
sich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich-
sam verschwindenden Ufern vorbey flog. Wir
kamen also in weniger Zeit auff der noch immer
währenden Farth in den überaus grossen Fluß
Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer-
Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir strom-
ab bey der grossen Stadt Changcheu auf die Jn-
sel Zingkiang/ unter welcher dieser Fluß nun
nicht mehr zu übersehen ist/ und sich mit dem
grossen Meere vermählet. An der eusersten
Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Was-
ser/ auff diesen zweyen stehet das Bild des Flus-
ses Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ also/
daß zwischen denen zwey Schenckeln so gut/ als
durch den Rhodischen Sonnen-Colossus/ wel-
cher noch um zehn Ellen niedriger gewest/ die
Schisse durchsegeln können. Dieses Wun-
derbild/ gegen welches ohne diß der Apollonische
Apollo/ der Tarentinische Jupiter und Hercu-
les für Zwerge zu achten/ wird dardurch noch
mehr vergrössert/ daß es aus einem güldenen
Kruge eine Bach süssen Wassers in das unten
strömende Saltz-Wasser ausgeust/ welches für
[Spaltenumbruch] so köstlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage
dem Serischen Könige seine Nothdurfft zu dem
gesunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach
Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche
sich keines besser darzu schicken soll. Wie ich
nun alles dieses/ sagte Zeno/ erstarrende ansah;
erzehlte mir einer von den Reichs-Räthen/ diß
wäre gleicher gestalt ein Werck des grossen Xius/
der die lange Mauer gebauet hätte. Das her-
ausschüssende süsse Wasser habe er aus einem
starcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den sie mir
Sud-Ost-wärts von ferne zeigeten/ steinernen
Röhren biß in dieses Riesen-Bild/ welches er
iederzeit höher als die Mauer geschätzt/ mit un-
glaublicher Müh und Unkosten geleitet. Weil
man mich nun ohne diß dieses Wunder zu be-
schauen durch einen Umweg hieher geführet
hatte/ fuhren wir etliche mal unter diesem Bilde
durch/ endlich stiegen wir gar aus/ und auff de-
nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da
ich denn unten an dem rechten Fusse diese aus
dichtem Golde geetzte Uberschrifft zu lesen be-
kam:

Halt' allen Flüssen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?
Mein Wasserreicher Krug kan Länder überschwemmen/
Doch meinen strengen Strom kein Berg noch Felß umtämmen.
Wie kommt's denn/ daß allhier das Wasser mir gebricht?
Bin ich getrocknet aus durch's heisse Sonnen-Licht?
Kan ein Medusen Kopff die flücht' gen Wellen hemmen?
Was weiß für Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?
Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht.
Nein es ist's Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/
Den müden Lauff benimmt den Blitz-geschwinden Füssen;
Mich trocknet/ daß von mir solln keine Thränen flüssen/
Mich anhält; weil er auch den Zügel hemmt der Zeit/
Mein flüchtig Wesen bringt zu Stande/ daß wir wissen:
Er könn' auch irrdisch Ding verkehrn in Ewigkeit.

Auf der andern Seite war an den in der ausge-
streckten lincken Hand gehaltenen güldenen
Wasser-Krug eingepräget:

Des Monden Thau-Horn trörsst ja Wasser in den Sand/
Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/
Man sieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balsam thauen/
Ja Feuer-Brunnen sind bey uns nicht unbekand.
Die

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit
aͤrgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen
mir zwey Reichs-Raͤthe entgegen/ dieſe fuͤhrten
mich auff ein uͤberaus praͤchtiges Schiff/ wel-
ches mit der Vorderſpitze einen ſchrecklichen
Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter
Goͤtze ſaß/ unten aber viel lebendige Endten
hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen
Schlangenſchwantz/ an dem ein ſich ſchwen-
ckender Gauckler oben und unter dem Waſſer
allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a-
ber mit gruͤn- und gelbichten Schuppen einen
Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte
ein ſchneeweiſſes Dach; auf der Seiten waren
goldgeſtuͤckte Vorhaͤnge fuͤrgezogen/ und an
wol zwantzig hohen Saͤulen weheten unzehlba-
re ſeidene Fahnen/ zwoͤlf Bootsknechte warf-
fen mit ihren nach Art der Loͤffel gehoͤleten Ru-
dern das geſchoͤpffte Waſſer ſo behende hinter
ſich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich-
ſam verſchwindenden Ufern vorbey flog. Wir
kamen alſo in weniger Zeit auff der noch immer
waͤhrenden Farth in den uͤberaus groſſen Fluß
Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer-
Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir ſtrom-
ab bey der groſſen Stadt Changcheu auf die Jn-
ſel Zingkiang/ unter welcher dieſer Fluß nun
nicht mehr zu uͤberſehen iſt/ und ſich mit dem
groſſen Meere vermaͤhlet. An der euſerſten
Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Waſ-
ſer/ auff dieſen zweyen ſtehet das Bild des Fluſ-
ſes Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ alſo/
daß zwiſchen denen zwey Schenckeln ſo gut/ als
durch den Rhodiſchen Sonnen-Coloſſus/ wel-
cher noch um zehn Ellen niedriger geweſt/ die
Schiſſe durchſegeln koͤnnen. Dieſes Wun-
derbild/ gegen welches ohne diß der Apolloniſche
Apollo/ der Tarentiniſche Jupiter und Hercu-
les fuͤr Zwerge zu achten/ wird dardurch noch
mehr vergroͤſſert/ daß es aus einem guͤldenen
Kruge eine Bach ſuͤſſen Waſſers in das unten
ſtroͤmende Saltz-Waſſer ausgeuſt/ welches fuͤr
[Spaltenumbruch] ſo koͤſtlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage
dem Seriſchen Koͤnige ſeine Nothdurfft zu dem
geſunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach
Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche
ſich keines beſſer darzu ſchicken ſoll. Wie ich
nun alles dieſes/ ſagte Zeno/ erſtarrende anſah;
erzehlte mir einer von den Reichs-Raͤthen/ diß
waͤre gleicher geſtalt ein Werck des groſſen Xius/
der die lange Mauer gebauet haͤtte. Das her-
ausſchuͤſſende ſuͤſſe Waſſer habe er aus einem
ſtarcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den ſie mir
Sud-Oſt-waͤrts von ferne zeigeten/ ſteinernen
Roͤhren biß in dieſes Rieſen-Bild/ welches er
iederzeit hoͤher als die Mauer geſchaͤtzt/ mit un-
glaublicher Muͤh und Unkoſten geleitet. Weil
man mich nun ohne diß dieſes Wunder zu be-
ſchauen durch einen Umweg hieher gefuͤhret
hatte/ fuhren wir etliche mal unter dieſem Bilde
durch/ endlich ſtiegen wir gar aus/ und auff de-
nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da
ich denn unten an dem rechten Fuſſe dieſe aus
dichtem Golde geetzte Uberſchrifft zu leſen be-
kam:

Halt’ allen Fluͤſſen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?
Mein Waſſerreicher Krug kan Laͤnder uͤberſchwemmen/
Doch meinen ſtrengen Strom kein Berg noch Felß umtaͤmmen.
Wie kommt’s denn/ daß allhier das Waſſer mir gebricht?
Bin ich getrocknet aus durch’s heiſſe Sonnen-Licht?
Kan ein Meduſen Kopff die fluͤcht’ gen Wellen hemmen?
Was weiß fuͤr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?
Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht.
Nein es iſt’s Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/
Den muͤden Lauff benimmt den Blitz-geſchwinden Fuͤſſen;
Mich trocknet/ daß von mir ſolln keine Thraͤnen fluͤſſen/
Mich anhaͤlt; weil er auch den Zuͤgel hemmt der Zeit/
Mein fluͤchtig Weſen bringt zu Stande/ daß wir wiſſen:
Er koͤnn’ auch irrdiſch Ding verkehrn in Ewigkeit.

Auf der andern Seite war an den in der ausge-
ſtreckten lincken Hand gehaltenen guͤldenen
Waſſer-Krug eingepraͤget:

Des Monden Thau-Horn troͤrſſt ja Waſſer in den Sand/
Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/
Man ſieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balſam thauen/
Ja Feuer-Brunnen ſind bey uns nicht unbekand.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0694" n="638"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit<lb/>
a&#x0364;rgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen<lb/>
mir zwey Reichs-Ra&#x0364;the entgegen/ die&#x017F;e fu&#x0364;hrten<lb/>
mich auff ein u&#x0364;beraus pra&#x0364;chtiges Schiff/ wel-<lb/>
ches mit der Vorder&#x017F;pitze einen &#x017F;chrecklichen<lb/>
Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter<lb/>
Go&#x0364;tze &#x017F;aß/ unten aber viel lebendige Endten<lb/>
hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen<lb/>
Schlangen&#x017F;chwantz/ an dem ein &#x017F;ich &#x017F;chwen-<lb/>
ckender Gauckler oben und unter dem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a-<lb/>
ber mit gru&#x0364;n- und gelbichten Schuppen einen<lb/>
Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte<lb/>
ein &#x017F;chneewei&#x017F;&#x017F;es Dach; auf der Seiten waren<lb/>
goldge&#x017F;tu&#x0364;ckte Vorha&#x0364;nge fu&#x0364;rgezogen/ und an<lb/>
wol zwantzig hohen Sa&#x0364;ulen weheten unzehlba-<lb/>
re &#x017F;eidene Fahnen/ zwo&#x0364;lf Bootsknechte warf-<lb/>
fen mit ihren nach Art der Lo&#x0364;ffel geho&#x0364;leten Ru-<lb/>
dern das ge&#x017F;cho&#x0364;pffte Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o behende hinter<lb/>
&#x017F;ich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich-<lb/>
&#x017F;am ver&#x017F;chwindenden Ufern vorbey flog. Wir<lb/>
kamen al&#x017F;o in weniger Zeit auff der noch immer<lb/>
wa&#x0364;hrenden Farth in den u&#x0364;beraus gro&#x017F;&#x017F;en Fluß<lb/>
Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer-<lb/>
Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir &#x017F;trom-<lb/>
ab bey der gro&#x017F;&#x017F;en Stadt Changcheu auf die Jn-<lb/>
&#x017F;el Zingkiang/ unter welcher die&#x017F;er Fluß nun<lb/>
nicht mehr zu u&#x0364;ber&#x017F;ehen i&#x017F;t/ und &#x017F;ich mit dem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Meere verma&#x0364;hlet. An der eu&#x017F;er&#x017F;ten<lb/>
Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er/ auff die&#x017F;en zweyen &#x017F;tehet das Bild des Flu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ al&#x017F;o/<lb/>
daß zwi&#x017F;chen denen zwey Schenckeln &#x017F;o gut/ als<lb/>
durch den Rhodi&#x017F;chen Sonnen-Colo&#x017F;&#x017F;us/ wel-<lb/>
cher noch um zehn Ellen niedriger gewe&#x017F;t/ die<lb/>
Schi&#x017F;&#x017F;e durch&#x017F;egeln ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;es Wun-<lb/>
derbild/ gegen welches ohne diß der Apolloni&#x017F;che<lb/>
Apollo/ der Tarentini&#x017F;che Jupiter und Hercu-<lb/>
les fu&#x0364;r Zwerge zu achten/ wird dardurch noch<lb/>
mehr vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert/ daß es aus einem gu&#x0364;ldenen<lb/>
Kruge eine Bach &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;ers in das unten<lb/>
&#x017F;tro&#x0364;mende Saltz-Wa&#x017F;&#x017F;er ausgeu&#x017F;t/ welches fu&#x0364;r<lb/><cb/>
&#x017F;o ko&#x0364;&#x017F;tlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage<lb/>
dem Seri&#x017F;chen Ko&#x0364;nige &#x017F;eine Nothdurfft zu dem<lb/>
ge&#x017F;unden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach<lb/>
Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche<lb/>
&#x017F;ich keines be&#x017F;&#x017F;er darzu &#x017F;chicken &#x017F;oll. Wie ich<lb/>
nun alles die&#x017F;es/ &#x017F;agte Zeno/ er&#x017F;tarrende an&#x017F;ah;<lb/>
erzehlte mir einer von den Reichs-Ra&#x0364;then/ diß<lb/>
wa&#x0364;re gleicher ge&#x017F;talt ein Werck des gro&#x017F;&#x017F;en Xius/<lb/>
der die lange Mauer gebauet ha&#x0364;tte. Das her-<lb/>
aus&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ende &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;er habe er aus einem<lb/>
&#x017F;tarcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den &#x017F;ie mir<lb/>
Sud-O&#x017F;t-wa&#x0364;rts von ferne zeigeten/ &#x017F;teinernen<lb/>
Ro&#x0364;hren biß in die&#x017F;es Rie&#x017F;en-Bild/ welches er<lb/>
iederzeit ho&#x0364;her als die Mauer ge&#x017F;cha&#x0364;tzt/ mit un-<lb/>
glaublicher Mu&#x0364;h und Unko&#x017F;ten geleitet. Weil<lb/>
man mich nun ohne diß die&#x017F;es Wunder zu be-<lb/>
&#x017F;chauen durch einen Umweg hieher gefu&#x0364;hret<lb/>
hatte/ fuhren wir etliche mal unter die&#x017F;em Bilde<lb/>
durch/ endlich &#x017F;tiegen wir gar aus/ und auff de-<lb/>
nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da<lb/>
ich denn unten an dem rechten Fu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;e aus<lb/>
dichtem Golde geetzte Uber&#x017F;chrifft zu le&#x017F;en be-<lb/>
kam:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Halt&#x2019; allen Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?</l><lb/>
            <l>Mein Wa&#x017F;&#x017F;erreicher Krug kan La&#x0364;nder u&#x0364;ber&#x017F;chwemmen/</l><lb/>
            <l>Doch meinen &#x017F;trengen Strom kein Berg noch Felß umta&#x0364;mmen.</l><lb/>
            <l>Wie kommt&#x2019;s denn/ daß allhier das Wa&#x017F;&#x017F;er mir gebricht?</l><lb/>
            <l>Bin ich getrocknet aus durch&#x2019;s hei&#x017F;&#x017F;e Sonnen-Licht?</l><lb/>
            <l>Kan ein Medu&#x017F;en Kopff die flu&#x0364;cht&#x2019; gen Wellen hemmen?</l><lb/>
            <l>Was weiß fu&#x0364;r Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?</l><lb/>
            <l>Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Nein es i&#x017F;t&#x2019;s Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/</l><lb/>
            <l>Den mu&#x0364;den Lauff benimmt den Blitz-ge&#x017F;chwinden Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Mich trocknet/ daß von mir &#x017F;olln keine Thra&#x0364;nen flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Mich anha&#x0364;lt; weil er auch den Zu&#x0364;gel hemmt der Zeit/</l><lb/>
            <l>Mein flu&#x0364;chtig We&#x017F;en bringt zu Stande/ daß wir wi&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Er ko&#x0364;nn&#x2019; auch irrdi&#x017F;ch Ding verkehrn in Ewigkeit.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Auf der andern Seite war an den in der ausge-<lb/>
&#x017F;treckten lincken Hand gehaltenen gu&#x0364;ldenen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er-Krug eingepra&#x0364;get:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Des Monden Thau-Horn tro&#x0364;r&#x017F;&#x017F;t ja Wa&#x017F;&#x017F;er in den Sand/</l><lb/>
            <l>Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;ieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Bal&#x017F;am thauen/</l><lb/>
            <l>Ja Feuer-Brunnen &#x017F;ind bey uns nicht unbekand.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[638/0694] Fuͤnfftes Buch aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit aͤrgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen mir zwey Reichs-Raͤthe entgegen/ dieſe fuͤhrten mich auff ein uͤberaus praͤchtiges Schiff/ wel- ches mit der Vorderſpitze einen ſchrecklichen Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter Goͤtze ſaß/ unten aber viel lebendige Endten hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen Schlangenſchwantz/ an dem ein ſich ſchwen- ckender Gauckler oben und unter dem Waſſer allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a- ber mit gruͤn- und gelbichten Schuppen einen Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte ein ſchneeweiſſes Dach; auf der Seiten waren goldgeſtuͤckte Vorhaͤnge fuͤrgezogen/ und an wol zwantzig hohen Saͤulen weheten unzehlba- re ſeidene Fahnen/ zwoͤlf Bootsknechte warf- fen mit ihren nach Art der Loͤffel gehoͤleten Ru- dern das geſchoͤpffte Waſſer ſo behende hinter ſich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich- ſam verſchwindenden Ufern vorbey flog. Wir kamen alſo in weniger Zeit auff der noch immer waͤhrenden Farth in den uͤberaus groſſen Fluß Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer- Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir ſtrom- ab bey der groſſen Stadt Changcheu auf die Jn- ſel Zingkiang/ unter welcher dieſer Fluß nun nicht mehr zu uͤberſehen iſt/ und ſich mit dem groſſen Meere vermaͤhlet. An der euſerſten Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Waſ- ſer/ auff dieſen zweyen ſtehet das Bild des Fluſ- ſes Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ alſo/ daß zwiſchen denen zwey Schenckeln ſo gut/ als durch den Rhodiſchen Sonnen-Coloſſus/ wel- cher noch um zehn Ellen niedriger geweſt/ die Schiſſe durchſegeln koͤnnen. Dieſes Wun- derbild/ gegen welches ohne diß der Apolloniſche Apollo/ der Tarentiniſche Jupiter und Hercu- les fuͤr Zwerge zu achten/ wird dardurch noch mehr vergroͤſſert/ daß es aus einem guͤldenen Kruge eine Bach ſuͤſſen Waſſers in das unten ſtroͤmende Saltz-Waſſer ausgeuſt/ welches fuͤr ſo koͤſtlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage dem Seriſchen Koͤnige ſeine Nothdurfft zu dem geſunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche ſich keines beſſer darzu ſchicken ſoll. Wie ich nun alles dieſes/ ſagte Zeno/ erſtarrende anſah; erzehlte mir einer von den Reichs-Raͤthen/ diß waͤre gleicher geſtalt ein Werck des groſſen Xius/ der die lange Mauer gebauet haͤtte. Das her- ausſchuͤſſende ſuͤſſe Waſſer habe er aus einem ſtarcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den ſie mir Sud-Oſt-waͤrts von ferne zeigeten/ ſteinernen Roͤhren biß in dieſes Rieſen-Bild/ welches er iederzeit hoͤher als die Mauer geſchaͤtzt/ mit un- glaublicher Muͤh und Unkoſten geleitet. Weil man mich nun ohne diß dieſes Wunder zu be- ſchauen durch einen Umweg hieher gefuͤhret hatte/ fuhren wir etliche mal unter dieſem Bilde durch/ endlich ſtiegen wir gar aus/ und auff de- nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da ich denn unten an dem rechten Fuſſe dieſe aus dichtem Golde geetzte Uberſchrifft zu leſen be- kam: Halt’ allen Fluͤſſen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht? Mein Waſſerreicher Krug kan Laͤnder uͤberſchwemmen/ Doch meinen ſtrengen Strom kein Berg noch Felß umtaͤmmen. Wie kommt’s denn/ daß allhier das Waſſer mir gebricht? Bin ich getrocknet aus durch’s heiſſe Sonnen-Licht? Kan ein Meduſen Kopff die fluͤcht’ gen Wellen hemmen? Was weiß fuͤr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen? Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht. Nein es iſt’s Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/ Den muͤden Lauff benimmt den Blitz-geſchwinden Fuͤſſen; Mich trocknet/ daß von mir ſolln keine Thraͤnen fluͤſſen/ Mich anhaͤlt; weil er auch den Zuͤgel hemmt der Zeit/ Mein fluͤchtig Weſen bringt zu Stande/ daß wir wiſſen: Er koͤnn’ auch irrdiſch Ding verkehrn in Ewigkeit. Auf der andern Seite war an den in der ausge- ſtreckten lincken Hand gehaltenen guͤldenen Waſſer-Krug eingepraͤget: Des Monden Thau-Horn troͤrſſt ja Waſſer in den Sand/ Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/ Man ſieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balſam thauen/ Ja Feuer-Brunnen ſind bey uns nicht unbekand. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/694
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/694>, abgerufen am 29.06.2024.