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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und folgenden Tag beschweren würde; also
wolte er nichts vergessen/ was zu Hu-
hansiens Vergnügen/ und beyder Völcker Ein-
tracht würde dienlich seyn. Hiermit endigte
sich diese Verhör; auf den Morgen aber kamen
abermals zwey Reichs-Räthe mit drey vergül-
deten Drachen - Schiffen für das mir einge-
räumte Schloß/ und führten mich auf einem
Arm aus dem Flusse Kiang Nord-Ostwerts für
die Stadt in einen überaus grossen umbmauer-
ten Tannen-Wald/ in welchem ein hoher Berg/
in dessen Steinfels eine herrliche Grufft gehau-
en/ darinnen ebenfalls vieler alten Könige Leiber
verwahrt werden/ noch mehrer Bilder aber dar-
innen theils aus vergüldetem Ertzte/ theils aus
köstlichen Steinen auf gesetzt stehen. Unter die-
sen befand sich auch bereit des letztern von der
Syrmanis erlegten Königs Juen Bild aus A-
labaster/ welches eine güldene Himmels-Kugel
auf der lincken Achsel trug/ an der die Sonne
gleich an der West-Spitze stand/ und also ihre
Straalen theils auf die Ober-Theils auf die
Unter-Welt warff. An dem ertztenen Fusse
stand eingeetzet:

Wer in dem Leben Gott zu dienen sich befleißt/
Fürs Vaterland setzt auf Schweiß/ Kräffte/ Blut und Geist/
Der steht/ wenn er gleich fällt/ auf festem Fuß und Knichel.
Sein ihn verkleinernd Sarch wird sein Vergrösse-Glas/
Er nimmt dem Neide's Gift/ der Zeit ihr Winckelmaß/
Dem Tode seinen Pfeil/ der Eitelkeit die Sichel.
Bey denen/ die uns gleich das Fußbret kehrn/ behält
Die Tugend doch den Lauff/ die Sonne dieser Welt;
Auch klimmt die Seel' ins Licht/ schmeltzt gleich der Glieder
Löthe.
Wenn Sonn' und Juen uns gleich scheint zu untergehn/
Jst's doch ihr Anfang nur; und beyder Glantz bleibt stehn/
Ein gut Gedächtnüß ist der Tugend Abend-Röthe.

Diesen Begräbnüssen gegen über stehet auf
einem lustigen und mit eitel fruchtbaren Bäu-
men/ Blumen und Kräutern bedecktem Hügel/
ein viereckichter/ prächtiger und überaus grosser
Tempel/ welcher aus eitel Eben- und anderm
köstlichem Holtz gebauet ist. Umb denselben
[Spaltenumbruch] herumb sihet man viel aus rothstreiffichtem
Marmel-Steine der Sonne/ dem Monden/
den Bergen und Flüssen zu Ehren gebaute Al-
täre/ aber ohne einiges Götzen-Bild. Auf ie-
der Seite recht gegen den vier Winden gehet ei-
ne breite Stiege in Tempel/ da ieder Stuffen
ein Marmel-Stein ist. Den Tempel theilen
vier Reyen aus Spiegel-glatten Ceder-Bäu-
men aufgerichteten Pfeiler in fünf Gewölber/
welche so dicke/ daß sie zwey Männer nicht umb-
armen können/ und so hoch/ daß ich nicht geglau-
bet hätte/ es wären in der gantzen Welt so schön
und gleiche Gewächse aufzufinden. Recht in
der Mitten stehen zwey mit Edelgesteinen reich-
lich versetzte güldene Drachen-Stüle; auf derer
einen sich der Serische König/ nachdem er sich
vorher in der Halle in einem alabasternen
Spring-Brunnen gebadet hatte/ setzte/ und dem
unsichtbaren Schöpfer/ welcher den gegen über
stehenden Stul zu besitzen geglaubt wird; wie
auch dem Himmel/ der Sonne und dem Mon-
den durch Ausstreuung Goldes/ Weyrauchs/
und allerhand Feld-Früchte unter die armen
Leute opferte. Hierauf nahm er das seidene
Papier/ darauf der Friedens-Vergleich ge-
schrieben/ und mit beyden Reichs-Siegeln be-
kräfftiget war/ legte selbtes aufs Haupt/ und
hierauf streckte er beyde Hände aus/ mit heller
Stimme ruffende: Himmel/ Sonne und Mon-
de seyd Zeugen und Rächer dieses von mir be-
liebten Frieden-Schlusses. Euer Licht leuchte
dem/ der ihn bewahret/ und lesche meines aus/
so bald ich hiervon eines Nagels breit weiche.
Als diß vollbracht/ gab er den Frieden-Schluß
einem seiner Reichs-Räthe/ umb selbten mir/ der
ich ein wenig auf der Seite einen köstlichen Stul
besaß/ einzuhändigen. Nach diesem ward ich
in einen andern/ aber viel kleinern Tempel ge-
leitet/ worein mir die zwölff obersten Reichs-
Räthe folgten. Jn der Mitte stand der aus
Ertzt gegossene Wasser-Brunn Lothus/ auf des-
sen ausgebreiteter Blume saß in einer ernst-

haften
Erster Theil. M m m m

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und folgenden Tag beſchweren wuͤrde; alſo
wolte er nichts vergeſſen/ was zu Hu-
hanſiens Vergnuͤgen/ und beyder Voͤlcker Ein-
tracht wuͤrde dienlich ſeyn. Hiermit endigte
ſich dieſe Verhoͤr; auf den Morgen aber kamen
abermals zwey Reichs-Raͤthe mit drey verguͤl-
deten Drachen - Schiffen fuͤr das mir einge-
raͤumte Schloß/ und fuͤhrten mich auf einem
Arm aus dem Fluſſe Kiang Nord-Oſtwerts fuͤr
die Stadt in einen uͤberaus groſſen umbmauer-
ten Tannen-Wald/ in welchem ein hoher Berg/
in deſſen Steinfels eine herrliche Grufft gehau-
en/ darinnen ebenfalls vieler alten Koͤnige Leiber
verwahrt werden/ noch mehrer Bilder aber dar-
innen theils aus verguͤldetem Ertzte/ theils aus
koͤſtlichen Steinen auf geſetzt ſtehen. Unter die-
ſen befand ſich auch bereit des letztern von der
Syrmanis erlegten Koͤnigs Juen Bild aus A-
labaſter/ welches eine guͤldene Himmels-Kugel
auf der lincken Achſel trug/ an der die Sonne
gleich an der Weſt-Spitze ſtand/ und alſo ihre
Straalen theils auf die Ober-Theils auf die
Unter-Welt warff. An dem ertztenen Fuſſe
ſtand eingeetzet:

Wer in dem Leben Gott zu dienen ſich befleißt/
Fuͤrs Vaterland ſetzt auf Schweiß/ Kraͤffte/ Blut und Geiſt/
Der ſteht/ wenn er gleich faͤllt/ auf feſtem Fuß und Knichel.
Sein ihn verkleinernd Sarch wird ſein Vergroͤſſe-Glas/
Er nim̃t dem Neide’s Gift/ der Zeit ihr Winckelmaß/
Dem Tode ſeinen Pfeil/ der Eitelkeit die Sichel.
Bey denen/ die uns gleich das Fußbret kehrn/ behaͤlt
Die Tugend doch den Lauff/ die Sonne dieſer Welt;
Auch klimmt die Seel’ ins Licht/ ſchmeltzt gleich der Glieder
Loͤthe.
Wenn Sonn’ und Juen uns gleich ſcheint zu untergehn/
Jſt’s doch ihr Anfang nur; und beyder Glantz bleibt ſtehn/
Ein gut Gedaͤchtnuͤß iſt der Tugend Abend-Roͤthe.

Dieſen Begraͤbnuͤſſen gegen uͤber ſtehet auf
einem luſtigen und mit eitel fruchtbaren Baͤu-
men/ Blumen und Kraͤutern bedecktem Huͤgel/
ein viereckichter/ praͤchtiger und uͤberaus groſſer
Tempel/ welcher aus eitel Eben- und anderm
koͤſtlichem Holtz gebauet iſt. Umb denſelben
[Spaltenumbruch] herumb ſihet man viel aus rothſtreiffichtem
Marmel-Steine der Sonne/ dem Monden/
den Bergen und Fluͤſſen zu Ehren gebaute Al-
taͤre/ aber ohne einiges Goͤtzen-Bild. Auf ie-
der Seite recht gegen den vier Winden gehet ei-
ne breite Stiege in Tempel/ da ieder Stuffen
ein Marmel-Stein iſt. Den Tempel theilen
vier Reyen aus Spiegel-glatten Ceder-Baͤu-
men aufgerichteten Pfeiler in fuͤnf Gewoͤlber/
welche ſo dicke/ daß ſie zwey Maͤnner nicht umb-
armen koͤnnen/ und ſo hoch/ daß ich nicht geglau-
bet haͤtte/ es waͤren in der gantzen Welt ſo ſchoͤn
und gleiche Gewaͤchſe aufzufinden. Recht in
der Mitten ſtehen zwey mit Edelgeſteinen reich-
lich verſetzte guͤldene Drachen-Stuͤle; auf derer
einen ſich der Seriſche Koͤnig/ nachdem er ſich
vorher in der Halle in einem alabaſternen
Spring-Brunnen gebadet hatte/ ſetzte/ und dem
unſichtbaren Schoͤpfer/ welcher den gegen uͤber
ſtehenden Stul zu beſitzen geglaubt wird; wie
auch dem Himmel/ der Sonne und dem Mon-
den durch Ausſtreuung Goldes/ Weyrauchs/
und allerhand Feld-Fruͤchte unter die armen
Leute opferte. Hierauf nahm er das ſeidene
Papier/ darauf der Friedens-Vergleich ge-
ſchrieben/ und mit beyden Reichs-Siegeln be-
kraͤfftiget war/ legte ſelbtes aufs Haupt/ und
hierauf ſtreckte er beyde Haͤnde aus/ mit heller
Stimme ruffende: Himmel/ Sonne und Mon-
de ſeyd Zeugen und Raͤcher dieſes von mir be-
liebten Frieden-Schluſſes. Euer Licht leuchte
dem/ der ihn bewahret/ und leſche meines aus/
ſo bald ich hiervon eines Nagels breit weiche.
Als diß vollbracht/ gab er den Frieden-Schluß
einem ſeiner Reichs-Raͤthe/ umb ſelbten mir/ der
ich ein wenig auf der Seite einen koͤſtlichen Stul
beſaß/ einzuhaͤndigen. Nach dieſem ward ich
in einen andern/ aber viel kleinern Tempel ge-
leitet/ worein mir die zwoͤlff oberſten Reichs-
Raͤthe folgten. Jn der Mitte ſtand der aus
Ertzt gegoſſene Waſſer-Brunn Lothus/ auf deſ-
ſen ausgebreiteter Blume ſaß in einer ernſt-

haften
Erſter Theil. M m m m
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/697>, abgerufen am 22.11.2024.