Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
haften Frauen-Gestalt die Göttin Puße ausüberaus wohlrüchendem Calambi-Holtze ge- macht/ das in den Landschafften Jnunan und Chiamsi auf den allerhöchsten Steinklippen wächst. Jhr Rock war oben blau und feuer- farbicht/ unten aber grün und weiß; von wel- chem aber allerhand mit Blumen und Sternen gestückte Binden hin und her flatterten. Das Haupt und die Schläffe waren mit allerhand Früchten beschattet. Aus ieglicher Seite gin- gen acht Armen/ welche Schwerdter/ Spiesse/ Kräuter/ Räder/ Flaschen/ Bücher/ und andere mir unkenntliche Zierrathen in Händen hielten. Für diesem Bilde fielen die Reichs-Räthe nie- der/ und beschwuren gleichfalls den Frieden/ sich dieser Göttin Hülffe entäusernde/ da sie selbtem iemals widerkommen würden. Diese erzehl- ten mir von diesem Abgotte allerhand seltzame Geschichte/ insonderheit daß sie vom Himmel auf Erden kommen/ von einer genossenen Frucht schwanger worden wäre/ und einen fürtreffli- chen Sohn gebohren hätte/ dessen Nachkommen das Serische Reich 1600. Jahr glücklich beherr- schet hätten. Jn dem grossen Reiche Zipangri/ welches als eine Halb-Jnsel in den grossen Welt- Meere noch weiter gegen Morgen liegt/ gegen Nord aber an dem äusersten Ecke des Scythi- schen Reiches henckt/ würde diese Göttin/ wie- wohl in Gestalt eines mit der Sonne bekleideten schönen Antlitzes verehrt/ welches im Wasser über zusammen gefügten Kirsch - Stämmen/ schwartzen Elefanten-Zähnen und güldenen Blumen auf einer Muschel stünde/ und mit Abschlachtung eines Bocks versöhnt würde. Kurtz zu melden: Es scheinet mir hier durch der Egyptier viel-gebrüstete Jsis und die durch un- sere Cybele abgebildete Zeuge-Mutter die güti- ge Natur für gestellet zu seyn. Nach dem nun derogestalt der Friede bestätigt war/ ließ der Kö- nig mir folgenden Tag unter dem Schein einer sonderbaren Höfligkeit die Abschieds-Verhör selbst andeuten. Sintemal die arggedenckli- [Spaltenumbruch] chen Serer denen Ausländern schwer ihre Ein- kunft/ noch schwerer aber langen Aufenthalt er- lauben. Nach meinem Abschiede brachten mir die Königlichen Trabanten die dem Huhansien bestimmten Geschencke/ welches nebst köstlichen Edelgesteinen/ darunter einer/ der in des Se- rischen Feinxes oder des Vogels Fum Neste/ auf dem Berge Fungsao gefunden worden/ für unschätzbar gehalten wird/ an allerhand seltza- men Thieren und Gewächsen bestand. Darunter waren die fürnehmften ein wohlrüchender Hirsch aus der Landschaft Yundan/ aus dessen Nabel der Musch geschnitten wird/ etliche rechte Schaf- Wolle tragende Hüner/ der schöne Vogel Fum/ und der oben schon beschriebene fremde Wun- der-Vogel/ welchen man Kanib hieß. Auch waren hierbey eine Kiste knorpelne Vogel-Ne- ster/ welche auf dem felsichten Gestade der Land- schafft Tungking/ und der Jnsel Aynan aus ei- nem von ihnen selbst ausgespeytem Talcke berei- tet/ und für die niedlichste Speise gessen werden. Unter denen Gewächsen waren etliche seltzame Rosen-Sträuche/ etliche junge Stauden/ wor- aus die Bäume in Quangsi wachsen/ die statt des Kernes köstliches Brodt-Meel haben; das tausend Jahr tauernde Kraut Pusu aus Hu- quang/ welches alte Leute zu verjüngern/ und die unserm Alrau fast ähnliche Wurzel Ginseng aus Leabtung/ welches denen Halb-Todten noch eine empfindliche Lebens-Krafft zu geben mächtig seyn soll; nichts minder das Kraut Yu aus Fokien/ welches wie Seide gewebt/ aber viel köstlicher ge- halten wird. Uber diß war eine Schachtel voll des Krautes Quei/ das alsofort die Traurigkeit ver- treibet; und etliche Kisten von dem besten Trinck- Kraute Snuglocha/ das in Kiangnan bey der Stadt Hoeicheu wächst/ und wider den Stein/ die Gicht und Schlafsucht eine unvergleichliche Artzney ist; endlich so viel der gelben Winter- Wurtzel Rheubarbara/ die in rothen Leime an der grossen Mauer am besten gezeugt wird. Alles dieses ließ ich auf dem Strome Kiang in der Köni-
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
haften Frauen-Geſtalt die Goͤttin Puße ausuͤberaus wohlruͤchendem Calambi-Holtze ge- macht/ das in den Landſchafften Jnunan und Chiamſi auf den allerhoͤchſten Steinklippen waͤchſt. Jhr Rock war oben blau und feuer- farbicht/ unten aber gruͤn und weiß; von wel- chem aber allerhand mit Blumen und Sternen geſtuͤckte Binden hin und her flatterten. Das Haupt und die Schlaͤffe waren mit allerhand Fruͤchten beſchattet. Aus ieglicher Seite gin- gen acht Armen/ welche Schwerdter/ Spieſſe/ Kraͤuter/ Raͤder/ Flaſchen/ Buͤcher/ und andere mir unkenntliche Zierrathen in Haͤnden hielten. Fuͤr dieſem Bilde fielen die Reichs-Raͤthe nie- der/ und beſchwuren gleichfalls den Frieden/ ſich dieſer Goͤttin Huͤlffe entaͤuſernde/ da ſie ſelbtem iemals widerkommen wuͤrden. Dieſe erzehl- ten mir von dieſem Abgotte allerhand ſeltzame Geſchichte/ inſonderheit daß ſie vom Himmel auf Erden kommen/ von einer genoſſenen Frucht ſchwanger worden waͤre/ und einen fuͤrtreffli- chen Sohn gebohren haͤtte/ deſſen Nachkommen das Seriſche Reich 1600. Jahr gluͤcklich beherr- ſchet haͤtten. Jn dem groſſen Reiche Zipangri/ welches als eine Halb-Jnſel in dẽ groſſen Welt- Meere noch weiter gegen Morgen liegt/ gegen Nord aber an dem aͤuſerſten Ecke des Scythi- ſchen Reiches henckt/ wuͤrde dieſe Goͤttin/ wie- wohl in Geſtalt eines mit der Sonne bekleideten ſchoͤnen Antlitzes verehrt/ welches im Waſſer uͤber zuſammen gefuͤgten Kirſch - Staͤmmen/ ſchwartzen Elefanten-Zaͤhnen und guͤldenen Blumen auf einer Muſchel ſtuͤnde/ und mit Abſchlachtung eines Bocks verſoͤhnt wuͤrde. Kurtz zu melden: Es ſcheinet mir hier durch der Egyptier viel-gebruͤſtete Jſis und die durch un- ſere Cybele abgebildete Zeuge-Mutter die guͤti- ge Natur fuͤr geſtellet zu ſeyn. Nach dem nun derogeſtalt der Friede beſtaͤtigt war/ ließ der Koͤ- nig mir folgenden Tag unter dem Schein einer ſonderbaren Hoͤfligkeit die Abſchieds-Verhoͤr ſelbſt andeuten. Sintemal die arggedenckli- [Spaltenumbruch] chen Serer denen Auslaͤndern ſchwer ihre Ein- kunft/ noch ſchwerer aber langen Aufenthalt er- lauben. Nach meinem Abſchiede brachten mir die Koͤniglichen Trabanten die dem Huhanſien beſtim̃ten Geſchencke/ welches nebſt koͤſtlichen Edelgeſteinen/ darunter einer/ der in des Se- riſchen Feinxes oder des Vogels Fum Neſte/ auf dem Berge Fungſao gefunden worden/ fuͤr unſchaͤtzbar gehalten wird/ an allerhand ſeltza- men Thierẽ und Gewaͤchſen beſtand. Darunter waren die fuͤrnehmften ein wohlruͤchender Hirſch aus der Landſchaft Yuñan/ aus deſſen Nabel der Muſch geſchnitten wird/ etliche rechte Schaf- Wolle tragende Huͤner/ der ſchoͤne Vogel Fum/ und der oben ſchon beſchriebene fremde Wun- der-Vogel/ welchen man Kanib hieß. Auch waren hierbey eine Kiſte knorpelne Vogel-Ne- ſter/ welche auf dem felſichten Geſtade der Land- ſchafft Tungking/ und der Jnſel Aynan aus ei- nem von ihnen ſelbſt ausgeſpeytem Talcke berei- tet/ und fuͤr die niedlichſte Speiſe geſſen werden. Unter denen Gewaͤchſen waren etliche ſeltzame Roſen-Straͤuche/ etliche junge Stauden/ wor- aus die Baͤume in Quangſi wachſen/ die ſtatt des Kernes koͤſtliches Brodt-Meel haben; das tauſend Jahr tauernde Kraut Puſu aus Hu- quang/ welches alte Leute zu verjuͤngern/ und die unſerm Alrau faſt aͤhnliche Wurzel Ginſeng aus Leabtung/ welches denen Halb-Todten noch eine empfindliche Lebens-Krafft zu geben maͤchtig ſeyn ſoll; nichts minder das Kraut Yu aus Fokiẽ/ welches wie Seide gewebt/ aber viel koͤſtlicher ge- haltẽ wird. Uber diß war eine Schachtel voll des Krautes Quei/ das alſofort die Traurigkeit ver- treibet; und etliche Kiſten von dem beſten Trinck- Kraute Snuglocha/ das in Kiangnan bey der Stadt Hoeicheu waͤchſt/ und wider den Stein/ die Gicht und Schlafſucht eine unvergleichliche Artzney iſt; endlich ſo viel der gelben Winter- Wurtzel Rheubarbara/ die in rothẽ Leime an der groſſen Mauer am beſten gezeugt wird. Alles dieſes ließ ich auf dem Strome Kiang in der Koͤni-
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Fuͤnfftes Buch
haften Frauen-Geſtalt die Goͤttin Puße aus
uͤberaus wohlruͤchendem Calambi-Holtze ge-
macht/ das in den Landſchafften Jnunan und
Chiamſi auf den allerhoͤchſten Steinklippen
waͤchſt. Jhr Rock war oben blau und feuer-
farbicht/ unten aber gruͤn und weiß; von wel-
chem aber allerhand mit Blumen und Sternen
geſtuͤckte Binden hin und her flatterten. Das
Haupt und die Schlaͤffe waren mit allerhand
Fruͤchten beſchattet. Aus ieglicher Seite gin-
gen acht Armen/ welche Schwerdter/ Spieſſe/
Kraͤuter/ Raͤder/ Flaſchen/ Buͤcher/ und andere
mir unkenntliche Zierrathen in Haͤnden hielten.
Fuͤr dieſem Bilde fielen die Reichs-Raͤthe nie-
der/ und beſchwuren gleichfalls den Frieden/ ſich
dieſer Goͤttin Huͤlffe entaͤuſernde/ da ſie ſelbtem
iemals widerkommen wuͤrden. Dieſe erzehl-
ten mir von dieſem Abgotte allerhand ſeltzame
Geſchichte/ inſonderheit daß ſie vom Himmel
auf Erden kommen/ von einer genoſſenen Frucht
ſchwanger worden waͤre/ und einen fuͤrtreffli-
chen Sohn gebohren haͤtte/ deſſen Nachkommen
das Seriſche Reich 1600. Jahr gluͤcklich beherr-
ſchet haͤtten. Jn dem groſſen Reiche Zipangri/
welches als eine Halb-Jnſel in dẽ groſſen Welt-
Meere noch weiter gegen Morgen liegt/ gegen
Nord aber an dem aͤuſerſten Ecke des Scythi-
ſchen Reiches henckt/ wuͤrde dieſe Goͤttin/ wie-
wohl in Geſtalt eines mit der Sonne bekleideten
ſchoͤnen Antlitzes verehrt/ welches im Waſſer
uͤber zuſammen gefuͤgten Kirſch - Staͤmmen/
ſchwartzen Elefanten-Zaͤhnen und guͤldenen
Blumen auf einer Muſchel ſtuͤnde/ und mit
Abſchlachtung eines Bocks verſoͤhnt wuͤrde.
Kurtz zu melden: Es ſcheinet mir hier durch der
Egyptier viel-gebruͤſtete Jſis und die durch un-
ſere Cybele abgebildete Zeuge-Mutter die guͤti-
ge Natur fuͤr geſtellet zu ſeyn. Nach dem nun
derogeſtalt der Friede beſtaͤtigt war/ ließ der Koͤ-
nig mir folgenden Tag unter dem Schein einer
ſonderbaren Hoͤfligkeit die Abſchieds-Verhoͤr
ſelbſt andeuten. Sintemal die arggedenckli-
chen Serer denen Auslaͤndern ſchwer ihre Ein-
kunft/ noch ſchwerer aber langen Aufenthalt er-
lauben. Nach meinem Abſchiede brachten mir
die Koͤniglichen Trabanten die dem Huhanſien
beſtim̃ten Geſchencke/ welches nebſt koͤſtlichen
Edelgeſteinen/ darunter einer/ der in des Se-
riſchen Feinxes oder des Vogels Fum Neſte/
auf dem Berge Fungſao gefunden worden/ fuͤr
unſchaͤtzbar gehalten wird/ an allerhand ſeltza-
men Thierẽ und Gewaͤchſen beſtand. Darunter
waren die fuͤrnehmften ein wohlruͤchender Hirſch
aus der Landſchaft Yuñan/ aus deſſen Nabel der
Muſch geſchnitten wird/ etliche rechte Schaf-
Wolle tragende Huͤner/ der ſchoͤne Vogel Fum/
und der oben ſchon beſchriebene fremde Wun-
der-Vogel/ welchen man Kanib hieß. Auch
waren hierbey eine Kiſte knorpelne Vogel-Ne-
ſter/ welche auf dem felſichten Geſtade der Land-
ſchafft Tungking/ und der Jnſel Aynan aus ei-
nem von ihnen ſelbſt ausgeſpeytem Talcke berei-
tet/ und fuͤr die niedlichſte Speiſe geſſen werden.
Unter denen Gewaͤchſen waren etliche ſeltzame
Roſen-Straͤuche/ etliche junge Stauden/ wor-
aus die Baͤume in Quangſi wachſen/ die ſtatt
des Kernes koͤſtliches Brodt-Meel haben; das
tauſend Jahr tauernde Kraut Puſu aus Hu-
quang/ welches alte Leute zu verjuͤngern/ und die
unſerm Alrau faſt aͤhnliche Wurzel Ginſeng aus
Leabtung/ welches denen Halb-Todten noch eine
empfindliche Lebens-Krafft zu geben maͤchtig
ſeyn ſoll; nichts minder das Kraut Yu aus Fokiẽ/
welches wie Seide gewebt/ aber viel koͤſtlicher ge-
haltẽ wird. Uber diß war eine Schachtel voll des
Krautes Quei/ das alſofort die Traurigkeit ver-
treibet; und etliche Kiſten von dem beſten Trinck-
Kraute Snuglocha/ das in Kiangnan bey der
Stadt Hoeicheu waͤchſt/ und wider den Stein/ die
Gicht und Schlafſucht eine unvergleichliche
Artzney iſt; endlich ſo viel der gelben Winter-
Wurtzel Rheubarbara/ die in rothẽ Leime an der
groſſen Mauer am beſten gezeugt wird. Alles
dieſes ließ ich auf dem Strome Kiang in der
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/698>, abgerufen am 29.06.2024. |