Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
Bewegungs-Ziele empfindlich versaltzte. Esging kein Tag/ ja zu sagen kein Augenblick vor- bey/ da ich nicht gewahr ward/ wie eine iede abge- sonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach Vereinbarung mit der andern verlange/ und dadurch vollkommen zu werden begierig sey. Diß aber/ was wir lieben/ ist sicher eine Helffte von uns/ und ein zu unser Vergnügung nothwendig gehöriges Theil. Diesemnach ist eines Verlieb- ten Hertz in einer unauffhörlichen Unruh/ und in mühsamer Bewegung; die Gedancken ren- nen in steter Botschafft; die Seele liegt in halber Ohnmacht/ biß durch Vereinbarung der Leiber die Gemüther auch in ihren richtigen Stand und Wesen gedeyen. Mich anlangend/ die War- heit eigentlich zu sagen/ war ich nach so langer Abwesenheit so unvermögend über mich/ oder meine Kräffte so verfallen/ daß ich nicht so wohl die Königin Erato als eine Helffte meiner Liebe zu besitzen/ als das wenige übrige/ was ich mit meinem Leibe in der Welt herum trug/ ihr vol- lends zum Vesitz einzuräumen verlangte. Sin- temal meine Seele fürlängst aus meinem Her- tzen die Wohnstadt verändert/ und sich so wohl in ihre Verwahrung oder Dienstbarkeit geliefert/ oder klärer zu sagen/ von ihrer Liebe umfangen zu seyn sich gesehnet hatte. Denn ob es zwar nicht ohne ist/ daß eine ungefälschte Liebe ohne den Ge- nuß der ergetzenden Anwesenheit bestehen/ nichts von ihrem Nachdrucke verlieren könne/ ja der entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals eine Ubermaß beysetze; so ist doch die Zusammen- kunfft die Frucht und das höchste Gut der Liebe/ welche durch die verwechselten Anblicke als durch eine Kette beyde Seelen zusammen knüpft/ und die vorhin trüben und wässerichten Tage al- lererst mit einem Sonnenscheine beglückseligt. Die Fürstin Thußnelda fing an: Warlich/ Zeno weiß die Bewegungen der Liebe so eigentlich zu. beschreiben/ daß es scheinet/ er habe ihr recht an Pulß/ und sie ihm recht an die Seele gegriffen. Dahero wolte ich wenig Bedencken haben/ der Königin Erato meine Bürgschafft anzutragen/ [Spaltenumbruch] daß seine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe wohne/ als in seinem/ welchen sie doch beseelen muß. Jch kan es nicht läugnen/ antwortete Zeno/ daß diß die einige Ursache war/ warum ich Hu- hansien/ der mich inzwischen unter den Todten mit tausend Bejammerungen vergebens suchen ließ/ meine Gefangenschaft nicht zuwissen mach- te/ von welchem ich versichert bin/ daß er mich ge- gen Ausfolgung der Jndianischen Königin aus- gelöset haben würde. Die Königin Erato brach ein: da Fürst Zeno eine so empfindliche Seele hat/ wie hat er seine so holdselige Reise-Gefärthin Syrmanis/ und den wohlthätigen Huhansien mit seinem unter den Gnaden-Blicken eines so mächtigen Welt-Beherrschers so bald ausser Acht lassen können? Alleine was befremdet mich? daß Zeno sich die Annehmligkeiten Jndiens nicht hat anfeßeln lassen. Denn man wird des mildesten Himmels/ und der Hesperischen Lustgärte endlich überdrüßig/ aus einer eingepflantzten Sehnsucht nach einer steinichten und wilden Heimath. Diß aber ist vielmehr bedencklich/ wie Zeno seinem im Morgenlande auffgehenden Glücke den Rücken und der ihn mit so viel Sturm und trüben Wol- cken verjagenden Mitternacht das Antlitz keh- ren können? Zeno versetzte: Sie wüste selbst allzu wohl/ daß Gewogenheit und Liebe von einander so weit unterschieden wären/ als der kleineste Stern in der Milchstrasse und die Sonne. Der Syrmanis Freundschafft und der Magnethät- ten beyde in sich wohl einen Zug; aber diese Kraft verliere sich/ wenn der Glantz einer Erato und eines Diamants sich näherte. Das Glücke hät- te ihm zwar mit den Händen des gütigen Hu- hansien liebgekoset/ sie kennte aber allzuwohl sein Gemüthe/ daß er dieses unvernünfftige Weib/ welches zwischen Geitz und Verschwendung kein Mittel wüste/ welche zwar geil seyn/ aber nicht lieben könte/ niemals zu seiner Gemahlin erkie- sen solte; da sie nicht einst zu einem Kebs-Weibe taugte. Sie würffe zwar Kronen und Für- sten-Hüte auch Knechten zu/ und verwandelte auch Thon/ wenn sie ihn anrührte/ in Gold; sie
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
Bewegungs-Ziele empfindlich verſaltzte. Esging kein Tag/ ja zu ſagen kein Augenblick vor- bey/ da ich nicht gewahr ward/ wie eine iede abge- ſonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach Vereinbarung mit der andern verlange/ und dadurch vollkom̃en zu werden begierig ſey. Diß aber/ was wir lieben/ iſt ſicher eine Helffte von uns/ und ein zu unſer Vergnuͤgung nothwendig gehoͤriges Theil. Dieſemnach iſt eines Verlieb- ten Hertz in einer unauffhoͤrlichen Unruh/ und in muͤhſamer Bewegung; die Gedancken ren- nen in ſteter Botſchafft; die Seele liegt in halber Ohnmacht/ biß durch Vereinbarung der Leiber die Gemuͤther auch in ihren richtigen Stand und Weſen gedeyen. Mich anlangend/ die War- heit eigentlich zu ſagen/ war ich nach ſo langer Abweſenheit ſo unvermoͤgend uͤber mich/ oder meine Kraͤffte ſo verfallen/ daß ich nicht ſo wohl die Koͤnigin Erato als eine Helffte meiner Liebe zu beſitzen/ als das wenige uͤbrige/ was ich mit meinem Leibe in der Welt herum trug/ ihr vol- lends zum Veſitz einzuraͤumen verlangte. Sin- temal meine Seele fuͤrlaͤngſt aus meinem Her- tzen die Wohnſtadt veraͤndert/ und ſich ſo wohl in ihre Verwahrung oder Dienſtbarkeit geliefert/ oder klaͤrer zu ſagen/ von ihrer Liebe umfangen zu ſeyn ſich geſehnet hatte. Denn ob es zwar nicht ohne iſt/ daß eine ungefaͤlſchte Liebe ohne den Ge- nuß der ergetzenden Anweſenheit beſtehen/ nichts von ihrem Nachdrucke verlieren koͤnne/ ja der entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals eine Ubermaß beyſetze; ſo iſt doch die Zuſam̃en- kunfft die Frucht und das hoͤchſte Gut der Liebe/ welche durch die verwechſelten Anblicke als durch eine Kette beyde Seelen zuſam̃en knuͤpft/ und die vorhin truͤben und waͤſſerichten Tage al- lererſt mit einem Sonnenſcheine begluͤckſeligt. Die Fuͤrſtin Thußnelda fing an: Warlich/ Zeno weiß die Bewegungen der Liebe ſo eigentlich zu. beſchreiben/ daß es ſcheinet/ er habe ihr recht an Pulß/ und ſie ihm recht an die Seele gegriffen. Dahero wolte ich wenig Bedencken haben/ der Koͤnigin Erato meine Buͤrgſchafft anzutragen/ [Spaltenumbruch] daß ſeine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe wohne/ als in ſeinem/ welchen ſie doch beſeelen muß. Jch kan es nicht laͤugnen/ antwoꝛtete Zeno/ daß diß die einige Urſache war/ warum ich Hu- hanſien/ der mich inzwiſchen unter den Todten mit tauſend Bejam̃erungen vergebens ſuchen ließ/ meine Gefangenſchaft nicht zuwiſſen mach- te/ von welchem ich verſichert bin/ daß er mich ge- gen Ausfolgung der Jndianiſchen Koͤnigin aus- geloͤſet haben wuͤrde. Die Koͤnigin Erato brach ein: da Fuͤrſt Zeno eine ſo empfindliche Seele hat/ wie hat er ſeine ſo holdſelige Reiſe-Gefaͤrthin Syrmanis/ und den wohlthaͤtigen Huhanſien mit ſeinem unter den Gnaden-Blicken eines ſo maͤchtigen Welt-Beherrſchers ſo bald auſſer Acht laſſen koͤnnen? Alleine was befꝛemdet mich? daß Zeno ſich die Annehmligkeiten Jndiens nicht hat anfeßeln laſſen. Deñ man wird des mildeſten Him̃els/ und der Heſperiſchen Luſtgaͤrte endlich uͤberdruͤßig/ aus einer eingepflantztẽ Sehnſucht nach einer ſteinichten und wilden Heimath. Diß abeꝛ iſt vielmehr bedencklich/ wie Zeno ſeinem im Morgenlande auffgehenden Gluͤcke den Ruͤcken und der ihn mit ſo viel Sturm und truͤben Wol- cken verjagenden Mitternacht das Antlitz keh- ren koͤnnen? Zeno verſetzte: Sie wuͤſte ſelbſt allzu wohl/ daß Gewogenheit und Liebe von einander ſo weit unterſchieden waͤren/ als der kleineſte Stern in der Milchſtraſſe und die Sonne. Der Syrmanis Freundſchafft und der Magnethaͤt- ten beyde in ſich wohl einen Zug; aber dieſe Kraft verliere ſich/ wenn der Glantz einer Erato und eines Diamants ſich naͤherte. Das Gluͤcke haͤt- te ihm zwar mit den Haͤnden des guͤtigen Hu- hanſien liebgekoſet/ ſie kennte aber allzuwohl ſein Gemuͤthe/ daß er dieſes unvernuͤnfftige Weib/ welches zwiſchen Geitz uñ Verſchwendung kein Mittel wuͤſte/ welche zwar geil ſeyn/ aber nicht lieben koͤnte/ niemals zu ſeiner Gemahlin erkie- ſen ſolte; da ſie nicht einſt zu einem Kebs-Weibe taugte. Sie wuͤrffe zwar Kronen und Fuͤr- ſten-Huͤte auch Knechten zu/ und verwandelte auch Thon/ wenn ſie ihn anruͤhrte/ in Gold; ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0708" n="652"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fuͤnfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Bewegungs-Ziele empfindlich verſaltzte. Es<lb/> ging kein Tag/ ja zu ſagen kein Augenblick vor-<lb/> bey/ da ich nicht gewahr ward/ wie eine iede abge-<lb/> ſonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach<lb/> Vereinbarung mit der andern verlange/ und<lb/> dadurch vollkom̃en zu werden begierig ſey. Diß<lb/> aber/ was wir lieben/ iſt ſicher eine Helffte von<lb/> uns/ und ein zu unſer Vergnuͤgung nothwendig<lb/> gehoͤriges Theil. Dieſemnach iſt eines Verlieb-<lb/> ten Hertz in einer unauffhoͤrlichen Unruh/ und<lb/> in muͤhſamer Bewegung; die Gedancken ren-<lb/> nen in ſteter Botſchafft; die Seele liegt in halber<lb/> Ohnmacht/ biß durch Vereinbarung der Leiber<lb/> die Gemuͤther auch in ihren richtigen Stand<lb/> und Weſen gedeyen. Mich anlangend/ die War-<lb/> heit eigentlich zu ſagen/ war ich nach ſo langer<lb/> Abweſenheit ſo unvermoͤgend uͤber mich/ oder<lb/> meine Kraͤffte ſo verfallen/ daß ich nicht ſo wohl<lb/> die Koͤnigin Erato als eine Helffte meiner Liebe<lb/> zu beſitzen/ als das wenige uͤbrige/ was ich mit<lb/> meinem Leibe in der Welt herum trug/ ihr vol-<lb/> lends zum Veſitz einzuraͤumen verlangte. Sin-<lb/> temal meine Seele fuͤrlaͤngſt aus meinem Her-<lb/> tzen die Wohnſtadt veraͤndert/ und ſich ſo wohl in<lb/> ihre Verwahrung oder Dienſtbarkeit geliefert/<lb/> oder klaͤrer zu ſagen/ von ihrer Liebe umfangen<lb/> zu ſeyn ſich geſehnet hatte. Denn ob es zwar nicht<lb/> ohne iſt/ daß eine ungefaͤlſchte Liebe ohne den Ge-<lb/> nuß der ergetzenden Anweſenheit beſtehen/ nichts<lb/> von ihrem Nachdrucke verlieren koͤnne/ ja der<lb/> entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals<lb/> eine Ubermaß beyſetze; ſo iſt doch die Zuſam̃en-<lb/> kunfft die Frucht und das hoͤchſte Gut der Liebe/<lb/> welche durch die verwechſelten Anblicke als<lb/> durch eine Kette beyde Seelen zuſam̃en knuͤpft/<lb/> und die vorhin truͤben und waͤſſerichten Tage al-<lb/> lererſt mit einem Sonnenſcheine begluͤckſeligt.<lb/> Die Fuͤrſtin Thußnelda fing an: Warlich/ Zeno<lb/> weiß die Bewegungen der Liebe ſo eigentlich zu.<lb/> beſchreiben/ daß es ſcheinet/ er habe ihr recht an<lb/> Pulß/ und ſie ihm recht an die Seele gegriffen.<lb/> Dahero wolte ich wenig Bedencken haben/ der<lb/> Koͤnigin Erato meine Buͤrgſchafft anzutragen/<lb/><cb/> daß ſeine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe<lb/> wohne/ als in ſeinem/ welchen ſie doch beſeelen<lb/> muß. Jch kan es nicht laͤugnen/ antwoꝛtete Zeno/<lb/> daß diß die einige Urſache war/ warum ich Hu-<lb/> hanſien/ der mich inzwiſchen unter den Todten<lb/> mit tauſend Bejam̃erungen vergebens ſuchen<lb/> ließ/ meine Gefangenſchaft nicht zuwiſſen mach-<lb/> te/ von welchem ich verſichert bin/ daß er mich ge-<lb/> gen Ausfolgung der Jndianiſchen Koͤnigin aus-<lb/> geloͤſet haben wuͤrde. Die Koͤnigin Erato brach<lb/> ein: da Fuͤrſt Zeno eine ſo empfindliche Seele<lb/> hat/ wie hat er ſeine ſo holdſelige Reiſe-Gefaͤrthin<lb/> Syrmanis/ und den wohlthaͤtigen Huhanſien<lb/> mit ſeinem unter den Gnaden-Blicken eines ſo<lb/> maͤchtigen Welt-Beherrſchers ſo bald auſſer<lb/> Acht laſſen koͤnnen? Alleine was befꝛemdet mich?<lb/> daß Zeno ſich die Annehmligkeiten Jndiens nicht<lb/> hat anfeßeln laſſen. Deñ man wird des mildeſten<lb/> Him̃els/ und der Heſperiſchen Luſtgaͤrte endlich<lb/> uͤberdruͤßig/ aus einer eingepflantztẽ Sehnſucht<lb/> nach einer ſteinichten und wilden Heimath. Diß<lb/> abeꝛ iſt vielmehr bedencklich/ wie Zeno ſeinem im<lb/> Morgenlande auffgehenden Gluͤcke den Ruͤcken<lb/> und der ihn mit ſo viel Sturm und truͤben Wol-<lb/> cken verjagenden Mitternacht das Antlitz keh-<lb/> ren koͤnnen? Zeno verſetzte: Sie wuͤſte ſelbſt allzu<lb/> wohl/ daß Gewogenheit und Liebe von einander<lb/> ſo weit unterſchieden waͤren/ als der kleineſte<lb/> Stern in der Milchſtraſſe und die Sonne. Der<lb/> Syrmanis Freundſchafft und der Magnethaͤt-<lb/> ten beyde in ſich wohl einen Zug; aber dieſe Kraft<lb/> verliere ſich/ wenn der Glantz einer Erato und<lb/> eines Diamants ſich naͤherte. Das Gluͤcke haͤt-<lb/> te ihm zwar mit den Haͤnden des guͤtigen Hu-<lb/> hanſien liebgekoſet/ ſie kennte aber allzuwohl ſein<lb/> Gemuͤthe/ daß er dieſes unvernuͤnfftige Weib/<lb/> welches zwiſchen Geitz uñ Verſchwendung kein<lb/> Mittel wuͤſte/ welche zwar geil ſeyn/ aber nicht<lb/> lieben koͤnte/ niemals zu ſeiner Gemahlin erkie-<lb/> ſen ſolte; da ſie nicht einſt zu einem Kebs-Weibe<lb/> taugte. Sie wuͤrffe zwar Kronen und Fuͤr-<lb/> ſten-Huͤte auch Knechten zu/ und verwandelte<lb/> auch Thon/ wenn ſie ihn anruͤhrte/ in Gold;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [652/0708]
Fuͤnfftes Buch
Bewegungs-Ziele empfindlich verſaltzte. Es
ging kein Tag/ ja zu ſagen kein Augenblick vor-
bey/ da ich nicht gewahr ward/ wie eine iede abge-
ſonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach
Vereinbarung mit der andern verlange/ und
dadurch vollkom̃en zu werden begierig ſey. Diß
aber/ was wir lieben/ iſt ſicher eine Helffte von
uns/ und ein zu unſer Vergnuͤgung nothwendig
gehoͤriges Theil. Dieſemnach iſt eines Verlieb-
ten Hertz in einer unauffhoͤrlichen Unruh/ und
in muͤhſamer Bewegung; die Gedancken ren-
nen in ſteter Botſchafft; die Seele liegt in halber
Ohnmacht/ biß durch Vereinbarung der Leiber
die Gemuͤther auch in ihren richtigen Stand
und Weſen gedeyen. Mich anlangend/ die War-
heit eigentlich zu ſagen/ war ich nach ſo langer
Abweſenheit ſo unvermoͤgend uͤber mich/ oder
meine Kraͤffte ſo verfallen/ daß ich nicht ſo wohl
die Koͤnigin Erato als eine Helffte meiner Liebe
zu beſitzen/ als das wenige uͤbrige/ was ich mit
meinem Leibe in der Welt herum trug/ ihr vol-
lends zum Veſitz einzuraͤumen verlangte. Sin-
temal meine Seele fuͤrlaͤngſt aus meinem Her-
tzen die Wohnſtadt veraͤndert/ und ſich ſo wohl in
ihre Verwahrung oder Dienſtbarkeit geliefert/
oder klaͤrer zu ſagen/ von ihrer Liebe umfangen
zu ſeyn ſich geſehnet hatte. Denn ob es zwar nicht
ohne iſt/ daß eine ungefaͤlſchte Liebe ohne den Ge-
nuß der ergetzenden Anweſenheit beſtehen/ nichts
von ihrem Nachdrucke verlieren koͤnne/ ja der
entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals
eine Ubermaß beyſetze; ſo iſt doch die Zuſam̃en-
kunfft die Frucht und das hoͤchſte Gut der Liebe/
welche durch die verwechſelten Anblicke als
durch eine Kette beyde Seelen zuſam̃en knuͤpft/
und die vorhin truͤben und waͤſſerichten Tage al-
lererſt mit einem Sonnenſcheine begluͤckſeligt.
Die Fuͤrſtin Thußnelda fing an: Warlich/ Zeno
weiß die Bewegungen der Liebe ſo eigentlich zu.
beſchreiben/ daß es ſcheinet/ er habe ihr recht an
Pulß/ und ſie ihm recht an die Seele gegriffen.
Dahero wolte ich wenig Bedencken haben/ der
Koͤnigin Erato meine Buͤrgſchafft anzutragen/
daß ſeine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe
wohne/ als in ſeinem/ welchen ſie doch beſeelen
muß. Jch kan es nicht laͤugnen/ antwoꝛtete Zeno/
daß diß die einige Urſache war/ warum ich Hu-
hanſien/ der mich inzwiſchen unter den Todten
mit tauſend Bejam̃erungen vergebens ſuchen
ließ/ meine Gefangenſchaft nicht zuwiſſen mach-
te/ von welchem ich verſichert bin/ daß er mich ge-
gen Ausfolgung der Jndianiſchen Koͤnigin aus-
geloͤſet haben wuͤrde. Die Koͤnigin Erato brach
ein: da Fuͤrſt Zeno eine ſo empfindliche Seele
hat/ wie hat er ſeine ſo holdſelige Reiſe-Gefaͤrthin
Syrmanis/ und den wohlthaͤtigen Huhanſien
mit ſeinem unter den Gnaden-Blicken eines ſo
maͤchtigen Welt-Beherrſchers ſo bald auſſer
Acht laſſen koͤnnen? Alleine was befꝛemdet mich?
daß Zeno ſich die Annehmligkeiten Jndiens nicht
hat anfeßeln laſſen. Deñ man wird des mildeſten
Him̃els/ und der Heſperiſchen Luſtgaͤrte endlich
uͤberdruͤßig/ aus einer eingepflantztẽ Sehnſucht
nach einer ſteinichten und wilden Heimath. Diß
abeꝛ iſt vielmehr bedencklich/ wie Zeno ſeinem im
Morgenlande auffgehenden Gluͤcke den Ruͤcken
und der ihn mit ſo viel Sturm und truͤben Wol-
cken verjagenden Mitternacht das Antlitz keh-
ren koͤnnen? Zeno verſetzte: Sie wuͤſte ſelbſt allzu
wohl/ daß Gewogenheit und Liebe von einander
ſo weit unterſchieden waͤren/ als der kleineſte
Stern in der Milchſtraſſe und die Sonne. Der
Syrmanis Freundſchafft und der Magnethaͤt-
ten beyde in ſich wohl einen Zug; aber dieſe Kraft
verliere ſich/ wenn der Glantz einer Erato und
eines Diamants ſich naͤherte. Das Gluͤcke haͤt-
te ihm zwar mit den Haͤnden des guͤtigen Hu-
hanſien liebgekoſet/ ſie kennte aber allzuwohl ſein
Gemuͤthe/ daß er dieſes unvernuͤnfftige Weib/
welches zwiſchen Geitz uñ Verſchwendung kein
Mittel wuͤſte/ welche zwar geil ſeyn/ aber nicht
lieben koͤnte/ niemals zu ſeiner Gemahlin erkie-
ſen ſolte; da ſie nicht einſt zu einem Kebs-Weibe
taugte. Sie wuͤrffe zwar Kronen und Fuͤr-
ſten-Huͤte auch Knechten zu/ und verwandelte
auch Thon/ wenn ſie ihn anruͤhrte/ in Gold;
ſie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/708 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/708>, abgerufen am 29.06.2024. |