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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünftes Buch
[Spaltenumbruch] tze eine grosse Menge Volcks an/ welches mei-
nen Vorwitz veranlaßte mich selbtem zu nähern.
Jch sahe daselbst eine grosse Anzahl der edelsten
und schönsten Weiber/ welche in ihrem köstlich-
sten Schmuck nach allerhand Saiten-Spielen
umb unterschiedene nur zum anzünden fertige
Holtz-Stösse von Morellen-Aloe-Sandel-
und Zimmet-Holtz tantzten. Kurtz hierauf
brachte man eine Reihe eingebalsamter Leichen:
von denen mir die Umbstehenden meldeten: Es
wären die vornehmsten in der Schlacht geblie-
benen/ und umb grosse Kosten gelöseten Herren;
die Tantzenden aber ihre Wittiben/ welche sich
nach ihren Landes-Gesetzen mit ihnen verbren-
nen würden. Jch näherte mich hiermit einer
in der Mitten stehenden/ und aus einem einigen
Marmel-Steine gehauenen Spitz-Säule/ auf
welcher oben aus Golde ein sich verbrennender
Phönix zu sehen war. Unter dieser Säule sind
überaus herrliche Grufften gebauet/ in welche
der verbrennten Asche in köstlichen Gefässern
aufgehoben wird. An dem Fusse dieser Säule
war mit güldenen Buchstaben eingeetzet:

Jhr Heuchler/ weichet weg von diesen Grabes-Hölen!
Wo ieder Todten-Kopf beherberget zwey Seelen.
Ein Hertz/ ein Geist/ ein Sinn/ ein Tod/ ein Grab/ ein Graus/
Muß/ wenn's Verhängnüß gleich lescht zwey paar Augen aus/
Allhier vereinbart seyn. Wil auch des Todes Rachen
Gleich einen Unterscheid durch halbe Trennung machen/
So zwingt doch's andre Theil zu sterben ein Gebot
Der Liebe. Denn die ist viel stärcker als der Tod/
Die zeuget aus der Asch' ein unverweslich Leben/
Kan Seelen auf zu Gott/ den Ruhm zur Sonnen heben.
Und also ist die Lieb' auch Herr der Eitelkeit/
Und ein keusch Weib durch sie ein Phönix ihrer Zeit.

So bald die Leichen oben auf die Holtz-
Stösse gelegt waren/ nahmen die nun dem
Sterben so nahe Frauen mit lachendem Mun-
de und annehmlichen Küssen von ihren Be-
freundeten/ unter die sie noch ihren an sich tra-
genden Schmuck austheilten/ behertzten Ab-
schied; wuschen sich hierauf in einem nahe dar-
bey mit Marmel umbsetzten Weiher/ stiegen
darmit in der einen Hand eine Pomerantze/ in
[Spaltenumbruch] der andern einen Spiegel haltend/ auf die Staf-
felweise gebauten Holtz-Stösse/ setzten sich auf
die Leichen ihrer mit Lorbeer-Kräntzen ge-
schmückten Ehe-Männer/ und machten ihnen
die Augen-Lieder auf/ unter tausend Lob-Sprü-
chen der Umbstehenden/ weil dieser Tod ihnen
selbst nicht nur zu künftiger Ehre/ sondern ihren
Männern auch zu ewiger Freude dienen soll. Zu
geschweigen: daß die zu diesem Feuer allzu zärt-
liche Wittiben Schandflecken ihres Geschlech-
tes/ ein Spott des Pöfels bleiben/ und ihre See-
le so wenig der andern Eh/ als ihr Haupt eini-
ger Edelgesteine gewürdiget würden. Dahe-
ro man die sich weigernden Edlen auch wider
Willen mit in die Flamme stürtzt/ wie man bey
etlichen andern Völckern die Leibeigenen auf
ihrer Herren Gräber abgeschlachtet. Nach-
dem nun auf ihr gegebenes Zeichen man unten
die Holtz-Stösse anzündet/ und die Flamme an
dem überall angehefteten schnellen Zunder
empor stieg/ gossen sie aus einem Kruge ein
wohlrüchendes Oel über ihr Haupt/ welches
alsobald Feuer fing/ und diese hertzhaften Wei-
ber wie ein Blitz im Augenblick tödtete. Die
Königin Erato fing hierüber laut an zu
ruffen: O heiliges Gesetze! O löbliche Ge-
wohnheit! wolte Gott! es wäre der gantzen
Welt allgemein/ daß kein Weib ihren Ehe-
mann überleben dörffte! O des nur dieser weib-
lichen Großmüthigkeit halber ruhmwürdigsten
Jndiens! Rhemetalces wolte hierbey seiner
Thracier Lob nicht verborgen seyn lassen/ sondern
meldete: daß für Zeiten daselbst des verstorbenen
Ehweiber mit einander gerechtet hätten/ welche
sich mit ihm solte ins Grab scharren lassen. Die
vernünftige Thußnelda begegnete beyden mit
einem anmuthigen Lächeln: Jch würde der E-
rato Meynung Beyfall geben müssen/ wenn
ich alleine die Heftigkeit meiner Liebe/ so wie sie
die ihrige/ hierinnen zum Richter machte.
Diese gibet freylich den Verzweifelten Gifft
und Messer in die Hand; diese heisset uns die

Haare

Fuͤnftes Buch
[Spaltenumbruch] tze eine groſſe Menge Volcks an/ welches mei-
nen Vorwitz veranlaßte mich ſelbtem zu naͤhern.
Jch ſahe daſelbſt eine groſſe Anzahl der edelſten
und ſchoͤnſten Weiber/ welche in ihrem koͤſtlich-
ſten Schmuck nach allerhand Saiten-Spielen
umb unterſchiedene nur zum anzuͤnden fertige
Holtz-Stoͤſſe von Morellen-Aloe-Sandel-
und Zimmet-Holtz tantzten. Kurtz hierauf
brachte man eine Reihe eingebalſamter Leichen:
von denen mir die Umbſtehenden meldeten: Es
waͤren die vornehmſten in der Schlacht geblie-
benen/ und umb groſſe Koſten geloͤſeten Herren;
die Tantzenden aber ihre Wittiben/ welche ſich
nach ihren Landes-Geſetzen mit ihnen verbren-
nen wuͤrden. Jch naͤherte mich hiermit einer
in der Mitten ſtehenden/ und aus einem einigen
Marmel-Steine gehauenen Spitz-Saͤule/ auf
welcher oben aus Golde ein ſich verbrennender
Phoͤnix zu ſehen war. Unter dieſer Saͤule ſind
uͤberaus herrliche Grufften gebauet/ in welche
der verbrennten Aſche in koͤſtlichen Gefaͤſſern
aufgehoben wird. An dem Fuſſe dieſer Saͤule
war mit guͤldenen Buchſtaben eingeetzet:

Jhr Heuchler/ weichet weg von dieſen Grabes-Hoͤlen!
Wo ieder Todten-Kopf beherberget zwey Seelen.
Ein Hertz/ ein Geiſt/ ein Sinn/ ein Tod/ ein Grab/ ein Graus/
Muß/ wenn’s Verhaͤngnuͤß gleich leſcht zwey paar Augen aus/
Allhier vereinbart ſeyn. Wil auch des Todes Rachen
Gleich einen Unterſcheid durch halbe Trennung machen/
So zwingt doch’s andre Theil zu ſterben ein Gebot
Der Liebe. Denn die iſt viel ſtaͤrcker als der Tod/
Die zeuget aus der Aſch’ ein unverweslich Leben/
Kan Seelen auf zu Gott/ den Ruhm zur Sonnen heben.
Und alſo iſt die Lieb’ auch Herr der Eitelkeit/
Und ein keuſch Weib durch ſie ein Phoͤnix ihrer Zeit.

So bald die Leichen oben auf die Holtz-
Stoͤſſe gelegt waren/ nahmen die nun dem
Sterben ſo nahe Frauen mit lachendem Mun-
de und annehmlichen Kuͤſſen von ihren Be-
freundeten/ unter die ſie noch ihren an ſich tra-
genden Schmuck austheilten/ behertzten Ab-
ſchied; wuſchen ſich hierauf in einem nahe dar-
bey mit Marmel umbſetzten Weiher/ ſtiegen
darmit in der einen Hand eine Pomerantze/ in
[Spaltenumbruch] der andern einen Spiegel haltend/ auf die Staf-
felweiſe gebauten Holtz-Stoͤſſe/ ſetzten ſich auf
die Leichen ihrer mit Lorbeer-Kraͤntzen ge-
ſchmuͤckten Ehe-Maͤnner/ und machten ihnen
die Augen-Lieder auf/ unter tauſend Lob-Spruͤ-
chen der Umbſtehenden/ weil dieſer Tod ihnen
ſelbſt nicht nur zu kuͤnftiger Ehre/ ſondern ihren
Maͤnnern auch zu ewiger Freude dienen ſoll. Zu
geſchweigen: daß die zu dieſem Feuer allzu zaͤrt-
liche Wittiben Schandflecken ihres Geſchlech-
tes/ ein Spott des Poͤfels bleiben/ und ihre See-
le ſo wenig der andern Eh/ als ihr Haupt eini-
ger Edelgeſteine gewuͤrdiget wuͤrden. Dahe-
ro man die ſich weigernden Edlen auch wider
Willen mit in die Flamme ſtuͤrtzt/ wie man bey
etlichen andern Voͤlckern die Leibeigenen auf
ihrer Herren Graͤber abgeſchlachtet. Nach-
dem nun auf ihr gegebenes Zeichen man unten
die Holtz-Stoͤſſe anzuͤndet/ und die Flamme an
dem uͤberall angehefteten ſchnellen Zunder
empor ſtieg/ goſſen ſie aus einem Kruge ein
wohlruͤchendes Oel uͤber ihr Haupt/ welches
alſobald Feuer fing/ und dieſe hertzhaften Wei-
ber wie ein Blitz im Augenblick toͤdtete. Die
Koͤnigin Erato fing hieruͤber laut an zu
ruffen: O heiliges Geſetze! O loͤbliche Ge-
wohnheit! wolte Gott! es waͤre der gantzen
Welt allgemein/ daß kein Weib ihren Ehe-
mann uͤberleben doͤrffte! O des nur dieſer weib-
lichen Großmuͤthigkeit halber ruhmwuͤrdigſten
Jndiens! Rhemetalces wolte hierbey ſeiner
Thracier Lob nicht verborgen ſeyn laſſen/ ſondern
meldete: daß fuͤr Zeiten daſelbſt des verſtorbenen
Ehweiber mit einander gerechtet haͤtten/ welche
ſich mit ihm ſolte ins Grab ſcharren laſſen. Die
vernuͤnftige Thußnelda begegnete beyden mit
einem anmuthigen Laͤcheln: Jch wuͤrde der E-
rato Meynung Beyfall geben muͤſſen/ wenn
ich alleine die Heftigkeit meiner Liebe/ ſo wie ſie
die ihrige/ hierinnen zum Richter machte.
Dieſe gibet freylich den Verzweifelten Gifft
und Meſſer in die Hand; dieſe heiſſet uns die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/710>, abgerufen am 29.06.2024.