Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
Nachsinnen dienen? Warum soll meine Fin-sterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzün- den/ welches dem Himmel am ähnlichsten/ kei- ner Fäulniß unterworffen/ der Ursprung alles Glantzes ist; welches die todte Erde beseelet/ zu allen Geburten der Thiere und Pflantzen be- hülfflich seyn muß/ die stärckste Würckungs- Krafft in sich hat/ und als das aller fruchtbar- ste Wesen sich aus sich selbst zeuget/ und daher von eurem Heraclitus die Natur für nichts an- ders/ als für ein würckendes Feuer gehalten worden ist; ja welches die nachdrücklichste Tu- gend zu reinigen hat; also/ daß so viel Völcker sol- ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren Opffern nehmen/ die feurigen Thiere für die e- delsten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei- chen verbrennen: wormit die Glut dieselben Flecken vollends vertilge/ welche durch kein Weyhwasser haben können abgewaschen werden. Am allermeisten aber haben wir unsere Au- gen und Gemüther an die Sternen zu nageln; Denn geben sie gleich nicht nach vieler Meinung lebhaffte und beseelte Schutz-Engel der Men- schen und Thiere ab/ so sind sie doch die helle- sten Spiegel der göttlichen Weißheit und All- macht. Zeugen selbte aus sich neue Sternen/ wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin- der Gottes; ja sie sind nicht so wohl Lichter des Tages und der Nacht/ als Wegweiser zu Gott dem unerschaffenem Lichte. Zwischen diesen Gesprächen vergaß Zar- so
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
Nachſinnen dienen? Warum ſoll meine Fin-ſterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzuͤn- den/ welches dem Himmel am aͤhnlichſten/ kei- ner Faͤulniß unterworffen/ der Urſprung alles Glantzes iſt; welches die todte Erde beſeelet/ zu allen Geburten der Thiere und Pflantzen be- huͤlfflich ſeyn muß/ die ſtaͤrckſte Wuͤrckungs- Krafft in ſich hat/ und als das aller fruchtbar- ſte Weſen ſich aus ſich ſelbſt zeuget/ und daher von eurem Heraclitus die Natur fuͤr nichts an- ders/ als fuͤr ein wuͤrckendes Feuer gehalten worden iſt; ja welches die nachdruͤcklichſte Tu- gend zu reinigen hat; alſo/ daß ſo viel Voͤlcker ſol- ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren Opffern nehmen/ die feurigen Thiere fuͤr die e- delſten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei- chen verbrennen: wormit die Glut dieſelben Flecken vollends vertilge/ welche durch kein Weyhwaſſer haben koͤñen abgewaſchen werden. Am allermeiſten aber haben wir unſere Au- gen und Gemuͤther an die Sternen zu nageln; Deñ geben ſie gleich nicht nach vieler Meinung lebhaffte und beſeelte Schutz-Engel der Men- ſchen und Thiere ab/ ſo ſind ſie doch die helle- ſten Spiegel der goͤttlichen Weißheit und All- macht. Zeugen ſelbte aus ſich neue Sternen/ wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin- der Gottes; ja ſie ſind nicht ſo wohl Lichter des Tages und der Nacht/ als Wegweiſer zu Gott dem unerſchaffenem Lichte. Zwiſchen dieſen Geſpraͤchen vergaß Zar- ſo
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Fuͤnfftes Buch
Nachſinnen dienen? Warum ſoll meine Fin-
ſterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzuͤn-
den/ welches dem Himmel am aͤhnlichſten/ kei-
ner Faͤulniß unterworffen/ der Urſprung alles
Glantzes iſt; welches die todte Erde beſeelet/ zu
allen Geburten der Thiere und Pflantzen be-
huͤlfflich ſeyn muß/ die ſtaͤrckſte Wuͤrckungs-
Krafft in ſich hat/ und als das aller fruchtbar-
ſte Weſen ſich aus ſich ſelbſt zeuget/ und daher
von eurem Heraclitus die Natur fuͤr nichts an-
ders/ als fuͤr ein wuͤrckendes Feuer gehalten
worden iſt; ja welches die nachdruͤcklichſte Tu-
gend zu reinigen hat; alſo/ daß ſo viel Voͤlcker ſol-
ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren
Opffern nehmen/ die feurigen Thiere fuͤr die e-
delſten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei-
chen verbrennen: wormit die Glut dieſelben
Flecken vollends vertilge/ welche durch kein
Weyhwaſſer haben koͤñen abgewaſchen werden.
Am allermeiſten aber haben wir unſere Au-
gen und Gemuͤther an die Sternen zu nageln;
Deñ geben ſie gleich nicht nach vieler Meinung
lebhaffte und beſeelte Schutz-Engel der Men-
ſchen und Thiere ab/ ſo ſind ſie doch die helle-
ſten Spiegel der goͤttlichen Weißheit und All-
macht. Zeugen ſelbte aus ſich neue Sternen/
wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin-
der Gottes; ja ſie ſind nicht ſo wohl Lichter des
Tages und der Nacht/ als Wegweiſer zu Gott
dem unerſchaffenem Lichte.
Zwiſchen dieſen Geſpraͤchen vergaß Zar-
mar als ein erfahrner Gaͤriner nicht/ uns die
Eigenſchafften der ſeltzamſten Gewaͤchſe/ inſon-
derheit aber der unterſchiedenen Aloe zu zeigen
und auszulegen. Unter dieſen allen war die
koͤſtliche Holtz-Aloe/ wormit die Morgenlaͤndi-
ſchen Koͤnige ihre Kleider und Bettgewand ein-
biſamen; welcher annehmlicher Geruch ſo
durchdringend war/ daß einige unſerer Leute
genoͤthiget wurden aus dem Garten zu wei-
chen. Es iſt/ ſagte Rhemetalces/ diß ein unfehl-
barer Beweiß eines ſehr durchdringenden Ge-
ruchs; weil der Menſch/ als welcher ſeiner
Groͤſſe nach das meiſte und feuchteſte Gehirne
haben ſoll/ unter allen Thieren den ſchwaͤchſten
Geruch hat; hingegen wie andere in andern
Sinnen; alſo die Raben und Geyer den Men-
ſchen hierinnen vielfaͤltig uͤbertreffen. Maſſen
denn alle dieſe Voͤgel von Athen/ und aus dem
Peloponeſus nach der Pharſaliſchen Niederla-
ge der Meden von den ſtinckenden Leichen/ und
ein Habicht von einem Aaße aus der Damaſ-
kiſchen Gegend biß nach Babylon gelockt wor-
den. Zenobegegnete ihm/ es waͤre diß aller-
dings wahr; iedoch gaͤbe es auch Thiere/ welche
viel weniger ruͤchen/ als die Menſchen insge-
mein. Unter dieſe waͤre fuͤrnehmlich der Loͤ-
we zu rechnen; welcher wegen mangelnden Ge-
ruchs die Syriſche Katze/ als ſeine Wegweiſe-
rin mit auff die Jagt naͤhme/ und den Raub
mit ihr theilte. Hingegen haͤtten viel Men-
ſchen ein ſehr ſcharffen Geruch/ beſonders die
ſtumpffen Geſichts waͤren. Jubil ſetzte bey:
Auch die Albern ſolten eine duͤnnſchaͤlichte Na-
ſe/ ſcharffſinnige Leute aber einen ſchlechten
Geruch haben. Deſſen Beyſpiel man an dem
uͤberaus klugen Koͤnige Hippon in Britanni-
en haͤtte/ welcher weder Zibet noch Bibergeil/
weder Ambra noch Huͤttenrauch zu unterſchei-
den gewuͤſt. Rhemetalces antwortete: Jch ſol-
te vielmehr das Widerſpiel glauben/ weil nach
der Lehre des Heraclitus die den Geruch daͤmpf-
fende Feuchtigkeit auch den Kraͤfften der Ver-
nunfft ſoll Abbruch thun. So haͤtte auch der
ſcharffſinnige Phercydes einen ſo herrlichen
Werckzeug des Geruches/ er beſtehe nun gleich
an einem Beine/ oder an einem Fleiſche/ oder
an einer gewiſſen Spann-Ader/ gehabt/ daß
er aus Anruͤchung der Erde ein Erdbeben ge-
wahrſagt. Nichts minder haͤtte Democritus
bey der Unterredung mit dem Hippocrates
durch ſeinen Geruch die ihnen gebrachte Milch
zu unterſcheiden gewuͤft/ daß ſie von einer ſchwaꝛ-
tzen Ziege waͤre. Der Hirte Agathion aber haͤtte
ſo
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/726>, abgerufen am 29.06.2024. |