Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] sen lassen? warumb hätte sie so viel Steine
gleichsam mit einem künstlichen Pinsel gemah-
let? was wäre nicht für Ordnung in den Schne-
cken-Häusern/ für Glantz in den Perlen-Mu-
scheln; für Abtheilung in den Spinnweben/ für
Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Würmer
zu sehen? Wie viel mehr solten nun auch Fürsten
ihrem Ansehn anständige Häuser haben. Gott
hätte sein Zelt in dem allerschönsten Gestirne/
nemlich in der Sonne aufgeschlagen; warumb
solten denn seine Stadthalter auf der Welt sich
in Schacht/ oder düsterne Winckel verstecken?
Zumal da die Vollkommenheit eines Fürstlichen
Schlosses nicht so wohl an Kostbarkeit des Zeu-
ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes
läge; die Ordnung aber mehr zu Erspar-als zu
Vergrösserung der Unkosten diente; und wenn
die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un-
zeit herbey geschafft/ selbte auch bald anfangs an
gesunde und feste Stellen gesetzt/ nicht flüchtig
überhin gemacht; sondern auf beständigen Fuß
gegründet würden/ die Tauerhaftigkeit alle
Ausgaben reichlich erstattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach
Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/
berichtete uns Petronius: daß der Käyser nach
Besichtigung Asiens auf dem Eylande Samos
wäre/ daselbst aber nicht lange verbleiben würde.
Daher ging der Jndianische Gesandte alsofort
zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Städten Busi-
ris/ Bubastus und Phacusa vorbey/ und auf
dem Pelusischen Strome hinab in das mittellän-
dische Meer mit einem erwüntschten Sudwind.
Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar
in der Stadt Marmacus glücklich an/fanden
auch zwar den Käyser/ der aber noch selbigen Tag
nach Athen segelte/ und uns ihm zu folgen erin-
nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß
diese Stadt des Pythagoras und seines Knech-
tes Zamolxis/ wie auch der Samischen Sybille
Vaterland wäre/ lag er dem Gesandten an/ ein
paar Tage daselbst zu verharren. Wir liessen
uns durch einen lustigen Wald von eitel Oelbäu-
[Spaltenumbruch] men zu dem berühmten Tempel der Ceres leiten/
worinnen der Käyser für etlichen Tagen selbst ge-
opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der
Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei-
ligthümern auch die Seelen der härtesten Men-
schen gerühret würden; daher ich entweder durch
diß Andencken/ oder durch die Eigenschafft die-
ses Heiligthums eine besondere Andacht in mir
empfand. Der Tempel war recht viereckicht
aus weissem Marmel gebaut. Jn der Mitte
stand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich-
tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige
Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur
höchsten Betheuerung der Wahrheit gebraucht
hat. Der einigen Pforte gegen über stand auf
einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/
welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern
den Pythagoras ausdrückte. Dieses zweyfache
Bild hielt in seinen Händen einen umb selbtes
herumb gehenden güldenen Circkel/ in welchen
eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott
speiset durch Gewächse den Leib.
Auf
des Pythagoras Seite: Durch Weißheit
die Seele.
An dem Fusse war auf des Py-
thagoras Seite zu lesen: Pythagoras der erste
wahrhafte Weise; weil seine Demut der Fuß aller
Tugenden sich dieses Tituls entäusert/ und sich
mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnüget/
hat durch seine Geburt nichts minder diß Thal/
als Jupiter durch seine den Berg Jda berühmt ge-
macht. Was die Juden von Gott/ die Phönicier
von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon
vom Himmel/ Creta und Sparta von vernünfti-
gen Gesetzen/ Pherecydes von der Weißheit ge-
wüßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in
ihm in einem kurtzen Begriffe beysammen. Er
war beschnidten in seiner Vorhaut/ aber mehr in
Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunst/
als ihr Verbesserer. Gleichwohl aber eignete er
alles nicht ihm/ sondern der Eingebung des ersten
Ursprungs zu; und opferte für ein ausgedachtes
Mäßwerck den Musen hundert; und ein ander

mal

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] ſen laſſen? warumb haͤtte ſie ſo viel Steine
gleichſam mit einem kuͤnſtlichen Pinſel gemah-
let? was waͤre nicht fuͤr Ordnung in den Schne-
cken-Haͤuſern/ fuͤr Glantz in den Perlen-Mu-
ſcheln; fuͤr Abtheilung in den Spinnweben/ fuͤr
Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Wuͤrmer
zu ſehen? Wie viel mehr ſolten nun auch Fuͤrſten
ihrem Anſehn anſtaͤndige Haͤuſer haben. Gott
haͤtte ſein Zelt in dem allerſchoͤnſten Geſtirne/
nemlich in der Sonne aufgeſchlagen; warumb
ſolten denn ſeine Stadthalter auf der Welt ſich
in Schacht/ oder duͤſterne Winckel verſtecken?
Zumal da die Vollkommenheit eines Fuͤrſtlichen
Schloſſes nicht ſo wohl an Koſtbarkeit des Zeu-
ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes
laͤge; die Ordnung aber mehr zu Erſpar-als zu
Vergroͤſſerung der Unkoſten diente; und wenn
die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un-
zeit herbey geſchafft/ ſelbte auch bald anfangs an
geſunde und feſte Stellen geſetzt/ nicht fluͤchtig
uͤberhin gemacht; ſondern auf beſtaͤndigen Fuß
gegruͤndet wuͤrden/ die Tauerhaftigkeit alle
Ausgaben reichlich erſtattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach
Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/
berichtete uns Petronius: daß der Kaͤyſer nach
Beſichtigung Aſiens auf dem Eylande Samos
waͤre/ daſelbſt aber nicht lange verbleiben wuͤrde.
Daher ging der Jndianiſche Geſandte alſofort
zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Staͤdten Buſi-
ris/ Bubaſtus und Phacuſa vorbey/ und auf
dem Peluſiſchen Strome hinab in das mittellaͤn-
diſche Meer mit einem erwuͤntſchten Sudwind.
Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar
in der Stadt Marmacus gluͤcklich an/fanden
auch zwar den Kaͤyſer/ der aber noch ſelbigen Tag
nach Athen ſegelte/ und uns ihm zu folgen erin-
nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß
dieſe Stadt des Pythagoras und ſeines Knech-
tes Zamolxis/ wie auch der Samiſchen Sybille
Vaterland waͤre/ lag er dem Geſandten an/ ein
paar Tage daſelbſt zu verharren. Wir lieſſen
uns durch einen luſtigen Wald von eitel Oelbaͤu-
[Spaltenumbruch] men zu dem beruͤhmten Tempel der Ceres leiten/
worinnen der Kaͤyſer fuͤr etlichen Tagen ſelbſt ge-
opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der
Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei-
ligthuͤmern auch die Seelen der haͤrteſten Men-
ſchen geruͤhret wuͤrden; daher ich entweder durch
diß Andencken/ oder durch die Eigenſchafft die-
ſes Heiligthums eine beſondere Andacht in mir
empfand. Der Tempel war recht viereckicht
aus weiſſem Marmel gebaut. Jn der Mitte
ſtand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich-
tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige
Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur
hoͤchſten Betheuerung der Wahrheit gebraucht
hat. Der einigen Pforte gegen uͤber ſtand auf
einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/
welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern
den Pythagoras ausdruͤckte. Dieſes zweyfache
Bild hielt in ſeinen Haͤnden einen umb ſelbtes
herumb gehenden guͤldenen Circkel/ in welchen
eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott
ſpeiſet durch Gewaͤchſe den Leib.
Auf
des Pythagoras Seite: Durch Weißheit
die Seele.
An dem Fuſſe war auf des Py-
thagoras Seite zu leſen: Pythagoras der erſte
wahrhafte Weiſe; weil ſeine Demut der Fuß alleꝛ
Tugenden ſich dieſes Tituls entaͤuſert/ und ſich
mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnuͤget/
hat durch ſeine Geburt nichts minder diß Thal/
als Jupiter durch ſeine dẽ Berg Jda beruͤhmt ge-
macht. Was die Juden von Gott/ die Phoͤnicier
von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon
vom Himmel/ Creta und Sparta von vernuͤnfti-
gen Geſetzen/ Pherecydes von der Weißheit ge-
wuͤßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in
ihm in einem kurtzen Begriffe beyſammen. Er
war beſchnidten in ſeiner Vorhaut/ aber mehr in
Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunſt/
als ihr Verbeſſerer. Gleichwohl aber eignete er
alles nicht ihm/ ſondern der Eingebung des erſten
Urſprungs zu; und opferte fuͤr ein ausgedachtes
Maͤßwerck den Muſen hundert; und ein ander

mal
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0736" n="680"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en? warumb ha&#x0364;tte &#x017F;ie &#x017F;o viel Steine<lb/>
gleich&#x017F;am mit einem ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Pin&#x017F;el gemah-<lb/>
let? was wa&#x0364;re nicht fu&#x0364;r Ordnung in den Schne-<lb/>
cken-Ha&#x0364;u&#x017F;ern/ fu&#x0364;r Glantz in den Perlen-Mu-<lb/>
&#x017F;cheln; fu&#x0364;r Abtheilung in den Spinnweben/ fu&#x0364;r<lb/>
Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Wu&#x0364;rmer<lb/>
zu &#x017F;ehen? Wie viel mehr &#x017F;olten nun auch Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
ihrem An&#x017F;ehn an&#x017F;ta&#x0364;ndige Ha&#x0364;u&#x017F;er haben. Gott<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ein Zelt in dem aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ge&#x017F;tirne/<lb/>
nemlich in der Sonne aufge&#x017F;chlagen; warumb<lb/>
&#x017F;olten denn &#x017F;eine Stadthalter auf der Welt &#x017F;ich<lb/>
in Schacht/ oder du&#x0364;&#x017F;terne Winckel ver&#x017F;tecken?<lb/>
Zumal da die Vollkommenheit eines Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;es nicht &#x017F;o wohl an Ko&#x017F;tbarkeit des Zeu-<lb/>
ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes<lb/>
la&#x0364;ge; die Ordnung aber mehr zu Er&#x017F;par-als zu<lb/>
Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung der Unko&#x017F;ten diente; und wenn<lb/>
die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un-<lb/>
zeit herbey ge&#x017F;chafft/ &#x017F;elbte auch bald anfangs an<lb/>
ge&#x017F;unde und fe&#x017F;te Stellen ge&#x017F;etzt/ nicht flu&#x0364;chtig<lb/>
u&#x0364;berhin gemacht; &#x017F;ondern auf be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Fuß<lb/>
gegru&#x0364;ndet wu&#x0364;rden/ die Tauerhaftigkeit alle<lb/>
Ausgaben reichlich er&#x017F;tattete.</p><lb/>
          <p>Wie wir auf den folgenden Morgen nach<lb/>
Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/<lb/>
berichtete uns Petronius: daß der Ka&#x0364;y&#x017F;er nach<lb/>
Be&#x017F;ichtigung A&#x017F;iens auf dem Eylande Samos<lb/>
wa&#x0364;re/ da&#x017F;elb&#x017F;t aber nicht lange verbleiben wu&#x0364;rde.<lb/>
Daher ging der Jndiani&#x017F;che Ge&#x017F;andte al&#x017F;ofort<lb/>
zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Sta&#x0364;dten Bu&#x017F;i-<lb/>
ris/ Buba&#x017F;tus und Phacu&#x017F;a vorbey/ und auf<lb/>
dem Pelu&#x017F;i&#x017F;chen Strome hinab in das mittella&#x0364;n-<lb/>
di&#x017F;che Meer mit einem erwu&#x0364;nt&#x017F;chten Sudwind.<lb/>
Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar<lb/>
in der Stadt Marmacus glu&#x0364;cklich an/fanden<lb/>
auch zwar den Ka&#x0364;y&#x017F;er/ der aber noch &#x017F;elbigen Tag<lb/>
nach Athen &#x017F;egelte/ und uns ihm zu folgen erin-<lb/>
nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß<lb/>
die&#x017F;e Stadt des Pythagoras und &#x017F;eines Knech-<lb/>
tes Zamolxis/ wie auch der Sami&#x017F;chen Sybille<lb/>
Vaterland wa&#x0364;re/ lag er dem Ge&#x017F;andten an/ ein<lb/>
paar Tage da&#x017F;elb&#x017F;t zu verharren. Wir lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
uns durch einen lu&#x017F;tigen Wald von eitel Oelba&#x0364;u-<lb/><cb/>
men zu dem beru&#x0364;hmten Tempel der Ceres leiten/<lb/>
worinnen der Ka&#x0364;y&#x017F;er fu&#x0364;r etlichen Tagen &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der<lb/>
Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei-<lb/>
ligthu&#x0364;mern auch die Seelen der ha&#x0364;rte&#x017F;ten Men-<lb/>
&#x017F;chen geru&#x0364;hret wu&#x0364;rden; daher ich entweder durch<lb/>
diß Andencken/ oder durch die Eigen&#x017F;chafft die-<lb/>
&#x017F;es Heiligthums eine be&#x017F;ondere Andacht in mir<lb/>
empfand. Der Tempel war recht viereckicht<lb/>
aus wei&#x017F;&#x017F;em Marmel gebaut. Jn der Mitte<lb/>
&#x017F;tand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich-<lb/>
tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige<lb/>
Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Betheuerung der Wahrheit gebraucht<lb/>
hat. Der einigen Pforte gegen u&#x0364;ber &#x017F;tand auf<lb/>
einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/<lb/>
welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern<lb/>
den Pythagoras ausdru&#x0364;ckte. Die&#x017F;es zweyfache<lb/>
Bild hielt in &#x017F;einen Ha&#x0364;nden einen umb &#x017F;elbtes<lb/>
herumb gehenden gu&#x0364;ldenen Circkel/ in welchen<lb/>
eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: <hi rendition="#fr">Gott<lb/>
&#x017F;pei&#x017F;et durch Gewa&#x0364;ch&#x017F;e den Leib.</hi> Auf<lb/>
des Pythagoras Seite: <hi rendition="#fr">Durch Weißheit<lb/>
die Seele.</hi> An dem Fu&#x017F;&#x017F;e war auf des Py-<lb/>
thagoras Seite zu le&#x017F;en: Pythagoras der er&#x017F;te<lb/>
wahrhafte Wei&#x017F;e; weil &#x017F;eine Demut der Fuß alle&#xA75B;<lb/>
Tugenden &#x017F;ich die&#x017F;es Tituls enta&#x0364;u&#x017F;ert/ und &#x017F;ich<lb/>
mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnu&#x0364;get/<lb/>
hat durch &#x017F;eine Geburt nichts minder diß Thal/<lb/>
als Jupiter durch &#x017F;eine de&#x0303; Berg Jda beru&#x0364;hmt ge-<lb/>
macht. Was die Juden von Gott/ die Pho&#x0364;nicier<lb/>
von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon<lb/>
vom Himmel/ Creta und Sparta von vernu&#x0364;nfti-<lb/>
gen Ge&#x017F;etzen/ Pherecydes von der Weißheit ge-<lb/>
wu&#x0364;ßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in<lb/>
ihm in einem kurtzen Begriffe bey&#x017F;ammen. Er<lb/>
war be&#x017F;chnidten in &#x017F;einer Vorhaut/ aber mehr in<lb/>
Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkun&#x017F;t/<lb/>
als ihr Verbe&#x017F;&#x017F;erer. Gleichwohl aber eignete er<lb/>
alles nicht ihm/ &#x017F;ondern der Eingebung des er&#x017F;ten<lb/>
Ur&#x017F;prungs zu; und opferte fu&#x0364;r ein ausgedachtes<lb/>
Ma&#x0364;ßwerck den Mu&#x017F;en hundert; und ein ander<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mal</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[680/0736] Fuͤnfftes Buch ſen laſſen? warumb haͤtte ſie ſo viel Steine gleichſam mit einem kuͤnſtlichen Pinſel gemah- let? was waͤre nicht fuͤr Ordnung in den Schne- cken-Haͤuſern/ fuͤr Glantz in den Perlen-Mu- ſcheln; fuͤr Abtheilung in den Spinnweben/ fuͤr Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Wuͤrmer zu ſehen? Wie viel mehr ſolten nun auch Fuͤrſten ihrem Anſehn anſtaͤndige Haͤuſer haben. Gott haͤtte ſein Zelt in dem allerſchoͤnſten Geſtirne/ nemlich in der Sonne aufgeſchlagen; warumb ſolten denn ſeine Stadthalter auf der Welt ſich in Schacht/ oder duͤſterne Winckel verſtecken? Zumal da die Vollkommenheit eines Fuͤrſtlichen Schloſſes nicht ſo wohl an Koſtbarkeit des Zeu- ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes laͤge; die Ordnung aber mehr zu Erſpar-als zu Vergroͤſſerung der Unkoſten diente; und wenn die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un- zeit herbey geſchafft/ ſelbte auch bald anfangs an geſunde und feſte Stellen geſetzt/ nicht fluͤchtig uͤberhin gemacht; ſondern auf beſtaͤndigen Fuß gegruͤndet wuͤrden/ die Tauerhaftigkeit alle Ausgaben reichlich erſtattete. Wie wir auf den folgenden Morgen nach Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/ berichtete uns Petronius: daß der Kaͤyſer nach Beſichtigung Aſiens auf dem Eylande Samos waͤre/ daſelbſt aber nicht lange verbleiben wuͤrde. Daher ging der Jndianiſche Geſandte alſofort zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Staͤdten Buſi- ris/ Bubaſtus und Phacuſa vorbey/ und auf dem Peluſiſchen Strome hinab in das mittellaͤn- diſche Meer mit einem erwuͤntſchten Sudwind. Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar in der Stadt Marmacus gluͤcklich an/fanden auch zwar den Kaͤyſer/ der aber noch ſelbigen Tag nach Athen ſegelte/ und uns ihm zu folgen erin- nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß dieſe Stadt des Pythagoras und ſeines Knech- tes Zamolxis/ wie auch der Samiſchen Sybille Vaterland waͤre/ lag er dem Geſandten an/ ein paar Tage daſelbſt zu verharren. Wir lieſſen uns durch einen luſtigen Wald von eitel Oelbaͤu- men zu dem beruͤhmten Tempel der Ceres leiten/ worinnen der Kaͤyſer fuͤr etlichen Tagen ſelbſt ge- opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei- ligthuͤmern auch die Seelen der haͤrteſten Men- ſchen geruͤhret wuͤrden; daher ich entweder durch diß Andencken/ oder durch die Eigenſchafft die- ſes Heiligthums eine beſondere Andacht in mir empfand. Der Tempel war recht viereckicht aus weiſſem Marmel gebaut. Jn der Mitte ſtand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich- tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur hoͤchſten Betheuerung der Wahrheit gebraucht hat. Der einigen Pforte gegen uͤber ſtand auf einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/ welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern den Pythagoras ausdruͤckte. Dieſes zweyfache Bild hielt in ſeinen Haͤnden einen umb ſelbtes herumb gehenden guͤldenen Circkel/ in welchen eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott ſpeiſet durch Gewaͤchſe den Leib. Auf des Pythagoras Seite: Durch Weißheit die Seele. An dem Fuſſe war auf des Py- thagoras Seite zu leſen: Pythagoras der erſte wahrhafte Weiſe; weil ſeine Demut der Fuß alleꝛ Tugenden ſich dieſes Tituls entaͤuſert/ und ſich mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnuͤget/ hat durch ſeine Geburt nichts minder diß Thal/ als Jupiter durch ſeine dẽ Berg Jda beruͤhmt ge- macht. Was die Juden von Gott/ die Phoͤnicier von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon vom Himmel/ Creta und Sparta von vernuͤnfti- gen Geſetzen/ Pherecydes von der Weißheit ge- wuͤßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in ihm in einem kurtzen Begriffe beyſammen. Er war beſchnidten in ſeiner Vorhaut/ aber mehr in Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunſt/ als ihr Verbeſſerer. Gleichwohl aber eignete er alles nicht ihm/ ſondern der Eingebung des erſten Urſprungs zu; und opferte fuͤr ein ausgedachtes Maͤßwerck den Muſen hundert; und ein ander mal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/736
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/736>, abgerufen am 22.11.2024.