Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] lein etliche mal/ sondern ich zeichnete sie auch eil-
fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß
der uns anweisende Priester einiges Wort hier-
zu redete; also durch sein Stillschweigen zu ver-
stehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago-
ras wäre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier-
um/ und ob in Samos/ oder sonst irgends wo
noch Schulen dieses grossen Weisen gefunden
würden? Der Priester beantwortete mich mit
diesen Worten: Er und alle Priester in Sa-
mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey.
Denn ob zwar durch die Verrätherey des boß-
hafften Cylon/ welchen selbiger Weise seiner
verträulichen Gemeinschafft nicht würdigen
wollen/ drey hundert der fürnehmsten Pytha-
gorischen Weltweisen in der Stadt Croton ver-
räthrisch verbrennet/ Pythagoras auch selbst er-
mordet/ und seine Nachfolger durch gantz Jta-
lien von selbigem lasterhafften Schwarme eu-
serst verfolget worden; so wäre doch/ als solcher
Sturm überhin gewest/ seine Weißheit von
Euritus und Philolaus wieder in Schwung
gebracht/ sein Hauß zu Croton ihm zu einem
Tempel eingeweihet/ und seine Lehren biß ins
zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem
Eylande Samos aber tauerten sie noch/ unge-
achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge
abgeschreckt hätte; indem Pythagoras alle Ge-
heimnüsse durch Zahlen und in Dorischer
Sprache gelehret; Plato und Aristoteles auch/
welche sich mit seinen Federn geschmückt/ durch
Antichtung allerhand thörichter Meinungen
ihn iederman verhast gemacht/ und hierdurch
den Brunn verstopfft/ aus welchem sie das edle
Wasser ihrer Weißheit geschöpfft hätten. Uber
diß hätte des Pythagoras Weißheit unter dem
Nigidius Figulus wieder herfür zu käumen
angefangen/ und mit dem Käyser wäre allererst
Publius Sextius/ Sotion und andere abgese-
gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/
und in des Pythagoras Heiligthume die Wey-
he angenommen hätten. Jch forschte ferner:
[Spaltenumbruch] Ob sie ihre Weißheit noch öffentlich/ und auch
Fremde lehrten? Welches der Priester verjah-
te/ und meldete/ daß sie ohne die noch in den
fünf Jahren des Stillschweigens begriffene
Lehrlinge drey hundert Zuhörer aus Griechen-
land/ Syrien/ Egypten/ Deutschland und
Scythen hätten. Jch erkundigte mich ferner:
Ob sie noch die strenge Lebens-Art behielten/
daß sie nichts/ was gelebt hätte/ speiseten? Der
Priester versetzte: Pythagoras hätte auser dem
Rind- und Schaff-Fleische/ den Fischen und
Bohnen alles andere ohne Unterscheid gessen;
diesem folgten sie nach/ und wüsten sie auser dem
von keiner Strengigkeit; es wäre denn/ daß
man die Mutter der Freyheit und Vergnü-
gung nehmlich die Tugend zu einem strengen
Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich:
wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge-
west/ nach dem so viel unterschiedene Meinun-
gen hiervon wären? Der Priester antwortete:
Demarat/ ein reicher Phoenicischer Kauff-
mann/ Vesiar ein Jude/ Mnesarchus ein Sie-
gelstecher/ Tirrhenus und Marmacus hätten
sich wol alle/ weil ein ieder eines grossen Flusses
Uhrsprung seyn wolte/ für seinen Vater gerüh-
met; ja man wüste so gar seines Vatern Vater
Hippasus/ und den Großvater Eutyphron/
wie nichts minder seinen Bruder Eurynomus
und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/
welcher ihn auch dem Syrischen Weltweisen
Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und
ihm drey silberne Schalen die Egyptischen
Priester damit zu gewinnen geschenckt hätte.
Er wäre aber sicher des Mercur eigner Sohn
gewest/ welcher ihn mit einem solchen Ge-
dächtnüsse versehen/ daß er sein Lebtage nichts
vergessen/ was er gehöret oder gelesen. Nach
dem Pherecydes hätte er auf diesem Eylande
den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier-
auf hätte ihn der Samische Fürst Polycrates
mit einer fürtreflichen Vorschrifft zum Könige
Amasis in Egypten geschickt/ dieser aber ihn da-

selbst

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] lein etliche mal/ ſondern ich zeichnete ſie auch eil-
fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß
der uns anweiſende Prieſter einiges Wort hier-
zu redete; alſo durch ſein Stillſchweigen zu ver-
ſtehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago-
ras waͤre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier-
um/ und ob in Samos/ oder ſonſt irgends wo
noch Schulen dieſes groſſen Weiſen gefunden
wuͤrden? Der Prieſter beantwortete mich mit
dieſen Worten: Er und alle Prieſter in Sa-
mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey.
Denn ob zwar durch die Verraͤtherey des boß-
hafften Cylon/ welchen ſelbiger Weiſe ſeiner
vertraͤulichen Gemeinſchafft nicht wuͤrdigen
wollen/ drey hundert der fuͤrnehmſten Pytha-
goriſchen Weltweiſen in der Stadt Croton ver-
raͤthriſch verbrennet/ Pythagoras auch ſelbſt er-
mordet/ und ſeine Nachfolger durch gantz Jta-
lien von ſelbigem laſterhafften Schwarme eu-
ſerſt verfolget worden; ſo waͤre doch/ als ſolcher
Sturm uͤberhin geweſt/ ſeine Weißheit von
Euritus und Philolaus wieder in Schwung
gebracht/ ſein Hauß zu Croton ihm zu einem
Tempel eingeweihet/ und ſeine Lehren biß ins
zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem
Eylande Samos aber tauerten ſie noch/ unge-
achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge
abgeſchreckt haͤtte; indem Pythagoras alle Ge-
heimnuͤſſe durch Zahlen und in Doriſcher
Sprache gelehret; Plato und Ariſtoteles auch/
welche ſich mit ſeinen Federn geſchmuͤckt/ durch
Antichtung allerhand thoͤrichter Meinungen
ihn iederman verhaſt gemacht/ und hierdurch
den Brunn verſtopfft/ aus welchem ſie das edle
Waſſer ihrer Weißheit geſchoͤpfft haͤtten. Uber
diß haͤtte des Pythagoras Weißheit unter dem
Nigidius Figulus wieder herfuͤr zu kaͤumen
angefangen/ und mit dem Kaͤyſer waͤre allererſt
Publius Sextius/ Sotion und andere abgeſe-
gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/
und in des Pythagoras Heiligthume die Wey-
he angenommen haͤtten. Jch forſchte ferner:
[Spaltenumbruch] Ob ſie ihre Weißheit noch oͤffentlich/ und auch
Fremde lehrten? Welches der Prieſter verjah-
te/ und meldete/ daß ſie ohne die noch in den
fuͤnf Jahren des Stillſchweigens begriffene
Lehrlinge drey hundert Zuhoͤrer aus Griechen-
land/ Syrien/ Egypten/ Deutſchland und
Scythen haͤtten. Jch erkundigte mich ferner:
Ob ſie noch die ſtrenge Lebens-Art behielten/
daß ſie nichts/ was gelebt haͤtte/ ſpeiſeten? Der
Prieſter verſetzte: Pythagoras haͤtte auſer dem
Rind- und Schaff-Fleiſche/ den Fiſchen und
Bohnen alles andere ohne Unterſcheid geſſen;
dieſem folgten ſie nach/ und wuͤſten ſie auſer dem
von keiner Strengigkeit; es waͤre denn/ daß
man die Mutter der Freyheit und Vergnuͤ-
gung nehmlich die Tugend zu einem ſtrengen
Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich:
wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge-
weſt/ nach dem ſo viel unterſchiedene Meinun-
gen hiervon waͤren? Der Prieſter antwortete:
Demarat/ ein reicher Phoeniciſcher Kauff-
mann/ Veſiar ein Jude/ Mneſarchus ein Sie-
gelſtecher/ Tirrhenus und Marmacus haͤtten
ſich wol alle/ weil ein ieder eines groſſen Fluſſes
Uhrſprung ſeyn wolte/ fuͤr ſeinen Vater geruͤh-
met; ja man wuͤſte ſo gar ſeines Vatern Vater
Hippaſus/ und den Großvater Eutyphron/
wie nichts minder ſeinen Bruder Eurynomus
und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/
welcher ihn auch dem Syriſchen Weltweiſen
Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und
ihm drey ſilberne Schalen die Egyptiſchen
Prieſter damit zu gewinnen geſchenckt haͤtte.
Er waͤre aber ſicher des Mercur eigner Sohn
geweſt/ welcher ihn mit einem ſolchen Ge-
daͤchtnuͤſſe verſehen/ daß er ſein Lebtage nichts
vergeſſen/ was er gehoͤret oder geleſen. Nach
dem Pherecydes haͤtte er auf dieſem Eylande
den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier-
auf haͤtte ihn der Samiſche Fuͤrſt Polycrates
mit einer fuͤrtreflichen Vorſchrifft zum Koͤnige
Amaſis in Egypten geſchickt/ dieſer aber ihn da-

ſelbſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0738" n="682"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
lein etliche mal/ &#x017F;ondern ich zeichnete &#x017F;ie auch eil-<lb/>
fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß<lb/>
der uns anwei&#x017F;ende Prie&#x017F;ter einiges Wort hier-<lb/>
zu redete; al&#x017F;o durch &#x017F;ein Still&#x017F;chweigen zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago-<lb/>
ras wa&#x0364;re. Gleichwol aber fragte ich ihn hier-<lb/>
um/ und ob in Samos/ oder &#x017F;on&#x017F;t irgends wo<lb/>
noch Schulen die&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;en Wei&#x017F;en gefunden<lb/>
wu&#x0364;rden? Der Prie&#x017F;ter beantwortete mich mit<lb/>
die&#x017F;en Worten: Er und alle Prie&#x017F;ter in Sa-<lb/>
mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey.<lb/>
Denn ob zwar durch die Verra&#x0364;therey des boß-<lb/>
hafften Cylon/ welchen &#x017F;elbiger Wei&#x017F;e &#x017F;einer<lb/>
vertra&#x0364;ulichen Gemein&#x017F;chafft nicht wu&#x0364;rdigen<lb/>
wollen/ drey hundert der fu&#x0364;rnehm&#x017F;ten Pytha-<lb/>
gori&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en in der Stadt Croton ver-<lb/>
ra&#x0364;thri&#x017F;ch verbrennet/ Pythagoras auch &#x017F;elb&#x017F;t er-<lb/>
mordet/ und &#x017F;eine Nachfolger durch gantz Jta-<lb/>
lien von &#x017F;elbigem la&#x017F;terhafften Schwarme eu-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;t verfolget worden; &#x017F;o wa&#x0364;re doch/ als &#x017F;olcher<lb/>
Sturm u&#x0364;berhin gewe&#x017F;t/ &#x017F;eine Weißheit von<lb/>
Euritus und Philolaus wieder in Schwung<lb/>
gebracht/ &#x017F;ein Hauß zu Croton ihm zu einem<lb/>
Tempel eingeweihet/ und &#x017F;eine Lehren biß ins<lb/>
zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem<lb/>
Eylande Samos aber tauerten &#x017F;ie noch/ unge-<lb/>
achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge<lb/>
abge&#x017F;chreckt ha&#x0364;tte; indem Pythagoras alle Ge-<lb/>
heimnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e durch Zahlen und in Dori&#x017F;cher<lb/>
Sprache gelehret; Plato und Ari&#x017F;toteles auch/<lb/>
welche &#x017F;ich mit &#x017F;einen Federn ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt/ durch<lb/>
Antichtung allerhand tho&#x0364;richter Meinungen<lb/>
ihn iederman verha&#x017F;t gemacht/ und hierdurch<lb/>
den Brunn ver&#x017F;topfft/ aus welchem &#x017F;ie das edle<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er ihrer Weißheit ge&#x017F;cho&#x0364;pfft ha&#x0364;tten. Uber<lb/>
diß ha&#x0364;tte des Pythagoras Weißheit unter dem<lb/>
Nigidius Figulus wieder herfu&#x0364;r zu ka&#x0364;umen<lb/>
angefangen/ und mit dem Ka&#x0364;y&#x017F;er wa&#x0364;re allerer&#x017F;t<lb/>
Publius Sextius/ Sotion und andere abge&#x017F;e-<lb/>
gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/<lb/>
und in des Pythagoras Heiligthume die Wey-<lb/>
he angenommen ha&#x0364;tten. Jch for&#x017F;chte ferner:<lb/><cb/>
Ob &#x017F;ie ihre Weißheit noch o&#x0364;ffentlich/ und auch<lb/>
Fremde lehrten? Welches der Prie&#x017F;ter verjah-<lb/>
te/ und meldete/ daß &#x017F;ie ohne die noch in den<lb/>
fu&#x0364;nf Jahren des Still&#x017F;chweigens begriffene<lb/>
Lehrlinge drey hundert Zuho&#x0364;rer aus Griechen-<lb/>
land/ Syrien/ Egypten/ Deut&#x017F;chland und<lb/>
Scythen ha&#x0364;tten. Jch erkundigte mich ferner:<lb/>
Ob &#x017F;ie noch die &#x017F;trenge Lebens-Art behielten/<lb/>
daß &#x017F;ie nichts/ was gelebt ha&#x0364;tte/ &#x017F;pei&#x017F;eten? Der<lb/>
Prie&#x017F;ter ver&#x017F;etzte: Pythagoras ha&#x0364;tte au&#x017F;er dem<lb/>
Rind- und Schaff-Flei&#x017F;che/ den Fi&#x017F;chen und<lb/>
Bohnen alles andere ohne Unter&#x017F;cheid ge&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
die&#x017F;em folgten &#x017F;ie nach/ und wu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ie au&#x017F;er dem<lb/>
von keiner Strengigkeit; es wa&#x0364;re denn/ daß<lb/>
man die Mutter der Freyheit und Vergnu&#x0364;-<lb/>
gung nehmlich die Tugend zu einem &#x017F;trengen<lb/>
Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich:<lb/>
wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge-<lb/>
we&#x017F;t/ nach dem &#x017F;o viel unter&#x017F;chiedene Meinun-<lb/>
gen hiervon wa&#x0364;ren? Der Prie&#x017F;ter antwortete:<lb/>
Demarat/ ein reicher Phoenici&#x017F;cher Kauff-<lb/>
mann/ Ve&#x017F;iar ein Jude/ Mne&#x017F;archus ein Sie-<lb/>
gel&#x017F;techer/ Tirrhenus und Marmacus ha&#x0364;tten<lb/>
&#x017F;ich wol alle/ weil ein ieder eines gro&#x017F;&#x017F;en Flu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Uhr&#x017F;prung &#x017F;eyn wolte/ fu&#x0364;r &#x017F;einen Vater geru&#x0364;h-<lb/>
met; ja man wu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;o gar &#x017F;eines Vatern Vater<lb/>
Hippa&#x017F;us/ und den Großvater Eutyphron/<lb/>
wie nichts minder &#x017F;einen Bruder Eurynomus<lb/>
und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/<lb/>
welcher ihn auch dem Syri&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en<lb/>
Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und<lb/>
ihm drey &#x017F;ilberne Schalen die Egypti&#x017F;chen<lb/>
Prie&#x017F;ter damit zu gewinnen ge&#x017F;chenckt ha&#x0364;tte.<lb/>
Er wa&#x0364;re aber &#x017F;icher des Mercur eigner Sohn<lb/>
gewe&#x017F;t/ welcher ihn mit einem &#x017F;olchen Ge-<lb/>
da&#x0364;chtnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;ehen/ daß er &#x017F;ein Lebtage nichts<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en/ was er geho&#x0364;ret oder gele&#x017F;en. Nach<lb/>
dem Pherecydes ha&#x0364;tte er auf die&#x017F;em Eylande<lb/>
den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier-<lb/>
auf ha&#x0364;tte ihn der Sami&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;t Polycrates<lb/>
mit einer fu&#x0364;rtreflichen Vor&#x017F;chrifft zum Ko&#x0364;nige<lb/>
Ama&#x017F;is in Egypten ge&#x017F;chickt/ die&#x017F;er aber ihn da-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elb&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[682/0738] Fuͤnfftes Buch lein etliche mal/ ſondern ich zeichnete ſie auch eil- fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß der uns anweiſende Prieſter einiges Wort hier- zu redete; alſo durch ſein Stillſchweigen zu ver- ſtehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago- ras waͤre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier- um/ und ob in Samos/ oder ſonſt irgends wo noch Schulen dieſes groſſen Weiſen gefunden wuͤrden? Der Prieſter beantwortete mich mit dieſen Worten: Er und alle Prieſter in Sa- mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey. Denn ob zwar durch die Verraͤtherey des boß- hafften Cylon/ welchen ſelbiger Weiſe ſeiner vertraͤulichen Gemeinſchafft nicht wuͤrdigen wollen/ drey hundert der fuͤrnehmſten Pytha- goriſchen Weltweiſen in der Stadt Croton ver- raͤthriſch verbrennet/ Pythagoras auch ſelbſt er- mordet/ und ſeine Nachfolger durch gantz Jta- lien von ſelbigem laſterhafften Schwarme eu- ſerſt verfolget worden; ſo waͤre doch/ als ſolcher Sturm uͤberhin geweſt/ ſeine Weißheit von Euritus und Philolaus wieder in Schwung gebracht/ ſein Hauß zu Croton ihm zu einem Tempel eingeweihet/ und ſeine Lehren biß ins zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem Eylande Samos aber tauerten ſie noch/ unge- achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge abgeſchreckt haͤtte; indem Pythagoras alle Ge- heimnuͤſſe durch Zahlen und in Doriſcher Sprache gelehret; Plato und Ariſtoteles auch/ welche ſich mit ſeinen Federn geſchmuͤckt/ durch Antichtung allerhand thoͤrichter Meinungen ihn iederman verhaſt gemacht/ und hierdurch den Brunn verſtopfft/ aus welchem ſie das edle Waſſer ihrer Weißheit geſchoͤpfft haͤtten. Uber diß haͤtte des Pythagoras Weißheit unter dem Nigidius Figulus wieder herfuͤr zu kaͤumen angefangen/ und mit dem Kaͤyſer waͤre allererſt Publius Sextius/ Sotion und andere abgeſe- gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/ und in des Pythagoras Heiligthume die Wey- he angenommen haͤtten. Jch forſchte ferner: Ob ſie ihre Weißheit noch oͤffentlich/ und auch Fremde lehrten? Welches der Prieſter verjah- te/ und meldete/ daß ſie ohne die noch in den fuͤnf Jahren des Stillſchweigens begriffene Lehrlinge drey hundert Zuhoͤrer aus Griechen- land/ Syrien/ Egypten/ Deutſchland und Scythen haͤtten. Jch erkundigte mich ferner: Ob ſie noch die ſtrenge Lebens-Art behielten/ daß ſie nichts/ was gelebt haͤtte/ ſpeiſeten? Der Prieſter verſetzte: Pythagoras haͤtte auſer dem Rind- und Schaff-Fleiſche/ den Fiſchen und Bohnen alles andere ohne Unterſcheid geſſen; dieſem folgten ſie nach/ und wuͤſten ſie auſer dem von keiner Strengigkeit; es waͤre denn/ daß man die Mutter der Freyheit und Vergnuͤ- gung nehmlich die Tugend zu einem ſtrengen Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich: wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge- weſt/ nach dem ſo viel unterſchiedene Meinun- gen hiervon waͤren? Der Prieſter antwortete: Demarat/ ein reicher Phoeniciſcher Kauff- mann/ Veſiar ein Jude/ Mneſarchus ein Sie- gelſtecher/ Tirrhenus und Marmacus haͤtten ſich wol alle/ weil ein ieder eines groſſen Fluſſes Uhrſprung ſeyn wolte/ fuͤr ſeinen Vater geruͤh- met; ja man wuͤſte ſo gar ſeines Vatern Vater Hippaſus/ und den Großvater Eutyphron/ wie nichts minder ſeinen Bruder Eurynomus und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/ welcher ihn auch dem Syriſchen Weltweiſen Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und ihm drey ſilberne Schalen die Egyptiſchen Prieſter damit zu gewinnen geſchenckt haͤtte. Er waͤre aber ſicher des Mercur eigner Sohn geweſt/ welcher ihn mit einem ſolchen Ge- daͤchtnuͤſſe verſehen/ daß er ſein Lebtage nichts vergeſſen/ was er gehoͤret oder geleſen. Nach dem Pherecydes haͤtte er auf dieſem Eylande den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier- auf haͤtte ihn der Samiſche Fuͤrſt Polycrates mit einer fuͤrtreflichen Vorſchrifft zum Koͤnige Amaſis in Egypten geſchickt/ dieſer aber ihn da- ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/738
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/738>, abgerufen am 29.06.2024.