Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
lein etliche mal/ sondern ich zeichnete sie auch eil-fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß der uns anweisende Priester einiges Wort hier- zu redete; also durch sein Stillschweigen zu ver- stehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago- ras wäre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier- um/ und ob in Samos/ oder sonst irgends wo noch Schulen dieses grossen Weisen gefunden würden? Der Priester beantwortete mich mit diesen Worten: Er und alle Priester in Sa- mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey. Denn ob zwar durch die Verrätherey des boß- hafften Cylon/ welchen selbiger Weise seiner verträulichen Gemeinschafft nicht würdigen wollen/ drey hundert der fürnehmsten Pytha- gorischen Weltweisen in der Stadt Croton ver- räthrisch verbrennet/ Pythagoras auch selbst er- mordet/ und seine Nachfolger durch gantz Jta- lien von selbigem lasterhafften Schwarme eu- serst verfolget worden; so wäre doch/ als solcher Sturm überhin gewest/ seine Weißheit von Euritus und Philolaus wieder in Schwung gebracht/ sein Hauß zu Croton ihm zu einem Tempel eingeweihet/ und seine Lehren biß ins zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem Eylande Samos aber tauerten sie noch/ unge- achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge abgeschreckt hätte; indem Pythagoras alle Ge- heimnüsse durch Zahlen und in Dorischer Sprache gelehret; Plato und Aristoteles auch/ welche sich mit seinen Federn geschmückt/ durch Antichtung allerhand thörichter Meinungen ihn iederman verhast gemacht/ und hierdurch den Brunn verstopfft/ aus welchem sie das edle Wasser ihrer Weißheit geschöpfft hätten. Uber diß hätte des Pythagoras Weißheit unter dem Nigidius Figulus wieder herfür zu käumen angefangen/ und mit dem Käyser wäre allererst Publius Sextius/ Sotion und andere abgese- gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/ und in des Pythagoras Heiligthume die Wey- he angenommen hätten. Jch forschte ferner: [Spaltenumbruch] Ob sie ihre Weißheit noch öffentlich/ und auch Fremde lehrten? Welches der Priester verjah- te/ und meldete/ daß sie ohne die noch in den fünf Jahren des Stillschweigens begriffene Lehrlinge drey hundert Zuhörer aus Griechen- land/ Syrien/ Egypten/ Deutschland und Scythen hätten. Jch erkundigte mich ferner: Ob sie noch die strenge Lebens-Art behielten/ daß sie nichts/ was gelebt hätte/ speiseten? Der Priester versetzte: Pythagoras hätte auser dem Rind- und Schaff-Fleische/ den Fischen und Bohnen alles andere ohne Unterscheid gessen; diesem folgten sie nach/ und wüsten sie auser dem von keiner Strengigkeit; es wäre denn/ daß man die Mutter der Freyheit und Vergnü- gung nehmlich die Tugend zu einem strengen Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich: wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge- west/ nach dem so viel unterschiedene Meinun- gen hiervon wären? Der Priester antwortete: Demarat/ ein reicher Phoenicischer Kauff- mann/ Vesiar ein Jude/ Mnesarchus ein Sie- gelstecher/ Tirrhenus und Marmacus hätten sich wol alle/ weil ein ieder eines grossen Flusses Uhrsprung seyn wolte/ für seinen Vater gerüh- met; ja man wüste so gar seines Vatern Vater Hippasus/ und den Großvater Eutyphron/ wie nichts minder seinen Bruder Eurynomus und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/ welcher ihn auch dem Syrischen Weltweisen Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und ihm drey silberne Schalen die Egyptischen Priester damit zu gewinnen geschenckt hätte. Er wäre aber sicher des Mercur eigner Sohn gewest/ welcher ihn mit einem solchen Ge- dächtnüsse versehen/ daß er sein Lebtage nichts vergessen/ was er gehöret oder gelesen. Nach dem Pherecydes hätte er auf diesem Eylande den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier- auf hätte ihn der Samische Fürst Polycrates mit einer fürtreflichen Vorschrifft zum Könige Amasis in Egypten geschickt/ dieser aber ihn da- selbst
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
lein etliche mal/ ſondern ich zeichnete ſie auch eil-fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß der uns anweiſende Prieſter einiges Wort hier- zu redete; alſo durch ſein Stillſchweigen zu ver- ſtehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago- ras waͤre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier- um/ und ob in Samos/ oder ſonſt irgends wo noch Schulen dieſes groſſen Weiſen gefunden wuͤrden? Der Prieſter beantwortete mich mit dieſen Worten: Er und alle Prieſter in Sa- mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey. Denn ob zwar durch die Verraͤtherey des boß- hafften Cylon/ welchen ſelbiger Weiſe ſeiner vertraͤulichen Gemeinſchafft nicht wuͤrdigen wollen/ drey hundert der fuͤrnehmſten Pytha- goriſchen Weltweiſen in der Stadt Croton ver- raͤthriſch verbrennet/ Pythagoras auch ſelbſt er- mordet/ und ſeine Nachfolger durch gantz Jta- lien von ſelbigem laſterhafften Schwarme eu- ſerſt verfolget worden; ſo waͤre doch/ als ſolcher Sturm uͤberhin geweſt/ ſeine Weißheit von Euritus und Philolaus wieder in Schwung gebracht/ ſein Hauß zu Croton ihm zu einem Tempel eingeweihet/ und ſeine Lehren biß ins zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem Eylande Samos aber tauerten ſie noch/ unge- achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge abgeſchreckt haͤtte; indem Pythagoras alle Ge- heimnuͤſſe durch Zahlen und in Doriſcher Sprache gelehret; Plato und Ariſtoteles auch/ welche ſich mit ſeinen Federn geſchmuͤckt/ durch Antichtung allerhand thoͤrichter Meinungen ihn iederman verhaſt gemacht/ und hierdurch den Brunn verſtopfft/ aus welchem ſie das edle Waſſer ihrer Weißheit geſchoͤpfft haͤtten. Uber diß haͤtte des Pythagoras Weißheit unter dem Nigidius Figulus wieder herfuͤr zu kaͤumen angefangen/ und mit dem Kaͤyſer waͤre allererſt Publius Sextius/ Sotion und andere abgeſe- gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/ und in des Pythagoras Heiligthume die Wey- he angenommen haͤtten. Jch forſchte ferner: [Spaltenumbruch] Ob ſie ihre Weißheit noch oͤffentlich/ und auch Fremde lehrten? Welches der Prieſter verjah- te/ und meldete/ daß ſie ohne die noch in den fuͤnf Jahren des Stillſchweigens begriffene Lehrlinge drey hundert Zuhoͤrer aus Griechen- land/ Syrien/ Egypten/ Deutſchland und Scythen haͤtten. Jch erkundigte mich ferner: Ob ſie noch die ſtrenge Lebens-Art behielten/ daß ſie nichts/ was gelebt haͤtte/ ſpeiſeten? Der Prieſter verſetzte: Pythagoras haͤtte auſer dem Rind- und Schaff-Fleiſche/ den Fiſchen und Bohnen alles andere ohne Unterſcheid geſſen; dieſem folgten ſie nach/ und wuͤſten ſie auſer dem von keiner Strengigkeit; es waͤre denn/ daß man die Mutter der Freyheit und Vergnuͤ- gung nehmlich die Tugend zu einem ſtrengen Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich: wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge- weſt/ nach dem ſo viel unterſchiedene Meinun- gen hiervon waͤren? Der Prieſter antwortete: Demarat/ ein reicher Phoeniciſcher Kauff- mann/ Veſiar ein Jude/ Mneſarchus ein Sie- gelſtecher/ Tirrhenus und Marmacus haͤtten ſich wol alle/ weil ein ieder eines groſſen Fluſſes Uhrſprung ſeyn wolte/ fuͤr ſeinen Vater geruͤh- met; ja man wuͤſte ſo gar ſeines Vatern Vater Hippaſus/ und den Großvater Eutyphron/ wie nichts minder ſeinen Bruder Eurynomus und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/ welcher ihn auch dem Syriſchen Weltweiſen Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und ihm drey ſilberne Schalen die Egyptiſchen Prieſter damit zu gewinnen geſchenckt haͤtte. Er waͤre aber ſicher des Mercur eigner Sohn geweſt/ welcher ihn mit einem ſolchen Ge- daͤchtnuͤſſe verſehen/ daß er ſein Lebtage nichts vergeſſen/ was er gehoͤret oder geleſen. Nach dem Pherecydes haͤtte er auf dieſem Eylande den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier- auf haͤtte ihn der Samiſche Fuͤrſt Polycrates mit einer fuͤrtreflichen Vorſchrifft zum Koͤnige Amaſis in Egypten geſchickt/ dieſer aber ihn da- ſelbſt
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Fuͤnfftes Buch
lein etliche mal/ ſondern ich zeichnete ſie auch eil-
fertig in meine Schreibe-Taffel ab/ ohne daß
der uns anweiſende Prieſter einiges Wort hier-
zu redete; alſo durch ſein Stillſchweigen zu ver-
ſtehen gab/ daß er ein Nachfolger des Pythago-
ras waͤre. Gleichwol aber fragte ich ihn hier-
um/ und ob in Samos/ oder ſonſt irgends wo
noch Schulen dieſes groſſen Weiſen gefunden
wuͤrden? Der Prieſter beantwortete mich mit
dieſen Worten: Er und alle Prieſter in Sa-
mos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey.
Denn ob zwar durch die Verraͤtherey des boß-
hafften Cylon/ welchen ſelbiger Weiſe ſeiner
vertraͤulichen Gemeinſchafft nicht wuͤrdigen
wollen/ drey hundert der fuͤrnehmſten Pytha-
goriſchen Weltweiſen in der Stadt Croton ver-
raͤthriſch verbrennet/ Pythagoras auch ſelbſt er-
mordet/ und ſeine Nachfolger durch gantz Jta-
lien von ſelbigem laſterhafften Schwarme eu-
ſerſt verfolget worden; ſo waͤre doch/ als ſolcher
Sturm uͤberhin geweſt/ ſeine Weißheit von
Euritus und Philolaus wieder in Schwung
gebracht/ ſein Hauß zu Croton ihm zu einem
Tempel eingeweihet/ und ſeine Lehren biß ins
zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem
Eylande Samos aber tauerten ſie noch/ unge-
achtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge
abgeſchreckt haͤtte; indem Pythagoras alle Ge-
heimnuͤſſe durch Zahlen und in Doriſcher
Sprache gelehret; Plato und Ariſtoteles auch/
welche ſich mit ſeinen Federn geſchmuͤckt/ durch
Antichtung allerhand thoͤrichter Meinungen
ihn iederman verhaſt gemacht/ und hierdurch
den Brunn verſtopfft/ aus welchem ſie das edle
Waſſer ihrer Weißheit geſchoͤpfft haͤtten. Uber
diß haͤtte des Pythagoras Weißheit unter dem
Nigidius Figulus wieder herfuͤr zu kaͤumen
angefangen/ und mit dem Kaͤyſer waͤre allererſt
Publius Sextius/ Sotion und andere abgeſe-
gelt/ welche bey ihnen die Weißheit gelernet/
und in des Pythagoras Heiligthume die Wey-
he angenommen haͤtten. Jch forſchte ferner:
Ob ſie ihre Weißheit noch oͤffentlich/ und auch
Fremde lehrten? Welches der Prieſter verjah-
te/ und meldete/ daß ſie ohne die noch in den
fuͤnf Jahren des Stillſchweigens begriffene
Lehrlinge drey hundert Zuhoͤrer aus Griechen-
land/ Syrien/ Egypten/ Deutſchland und
Scythen haͤtten. Jch erkundigte mich ferner:
Ob ſie noch die ſtrenge Lebens-Art behielten/
daß ſie nichts/ was gelebt haͤtte/ ſpeiſeten? Der
Prieſter verſetzte: Pythagoras haͤtte auſer dem
Rind- und Schaff-Fleiſche/ den Fiſchen und
Bohnen alles andere ohne Unterſcheid geſſen;
dieſem folgten ſie nach/ und wuͤſten ſie auſer dem
von keiner Strengigkeit; es waͤre denn/ daß
man die Mutter der Freyheit und Vergnuͤ-
gung nehmlich die Tugend zu einem ſtrengen
Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich:
wer denn eigentlich des Pythagoras Vater ge-
weſt/ nach dem ſo viel unterſchiedene Meinun-
gen hiervon waͤren? Der Prieſter antwortete:
Demarat/ ein reicher Phoeniciſcher Kauff-
mann/ Veſiar ein Jude/ Mneſarchus ein Sie-
gelſtecher/ Tirrhenus und Marmacus haͤtten
ſich wol alle/ weil ein ieder eines groſſen Fluſſes
Uhrſprung ſeyn wolte/ fuͤr ſeinen Vater geruͤh-
met; ja man wuͤſte ſo gar ſeines Vatern Vater
Hippaſus/ und den Großvater Eutyphron/
wie nichts minder ſeinen Bruder Eurynomus
und feines Vatern Bruder Zoilus zu nennen/
welcher ihn auch dem Syriſchen Weltweiſen
Pherecydes zum Unterricht untergeben/ und
ihm drey ſilberne Schalen die Egyptiſchen
Prieſter damit zu gewinnen geſchenckt haͤtte.
Er waͤre aber ſicher des Mercur eigner Sohn
geweſt/ welcher ihn mit einem ſolchen Ge-
daͤchtnuͤſſe verſehen/ daß er ſein Lebtage nichts
vergeſſen/ was er gehoͤret oder geleſen. Nach
dem Pherecydes haͤtte er auf dieſem Eylande
den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hier-
auf haͤtte ihn der Samiſche Fuͤrſt Polycrates
mit einer fuͤrtreflichen Vorſchrifft zum Koͤnige
Amaſis in Egypten geſchickt/ dieſer aber ihn da-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/738>, abgerufen am 29.06.2024. |