Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
selbst durch die Priester und zu Babylon durchdie Weisen in den geheimsten Dingen unter- richten lassen/ hernach hätte er mit dem Epime- nides viel Jahr auf der Jnsel Creta in der Jdei- schen Höle gestecket und der Weltweißheit nach- gedacht; endlich durch Griechenland seinen Weg in Jtalien genommen/ und daselbst sich zu einem so grossen Lichte der Welt gemacht. Jch danckte dem Priester für so guten Unterricht/ streute nach dieses Ortes Gewohnheit dem Py- thagoras zu Ehren eine Handvoll rothes Saltz in das Feuer/ und hiermit nahmen wir von dem Priester Abschied/ ohne daß Zarmar ein einiges Wort in unser Gespräche mischte/ und also den grösten Liebhaber des Stillschweigens mit ei- nem solchen Stillschweigen verehrten/ daß es ihm auch kein stummer Fisch hätte können zu- vor thun. Folgenden Tag giengen wir mit einem be- keine R r r r 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſelbſt durch die Prieſter und zu Babylon durchdie Weiſen in den geheimſten Dingen unter- richten laſſen/ hernach haͤtte er mit dem Epime- nides viel Jahr auf der Jnſel Creta in der Jdei- ſchen Hoͤle geſtecket und der Weltweißheit nach- gedacht; endlich durch Griechenland ſeinen Weg in Jtalien genommen/ und daſelbſt ſich zu einem ſo groſſen Lichte der Welt gemacht. Jch danckte dem Prieſter fuͤr ſo guten Unterricht/ ſtreute nach dieſes Ortes Gewohnheit dem Py- thagoras zu Ehren eine Handvoll rothes Saltz in das Feuer/ und hiermit nahmen wir von dem Prieſter Abſchied/ ohne daß Zarmar ein einiges Wort in unſer Geſpraͤche miſchte/ und alſo den groͤſten Liebhaber des Stillſchweigens mit ei- nem ſolchen Stillſchweigen verehrten/ daß es ihm auch kein ſtummer Fiſch haͤtte koͤnnen zu- vor thun. Folgenden Tag giengen wir mit einem be- keine R r r r 2
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Arminius und Thußnelda.
ſelbſt durch die Prieſter und zu Babylon durch
die Weiſen in den geheimſten Dingen unter-
richten laſſen/ hernach haͤtte er mit dem Epime-
nides viel Jahr auf der Jnſel Creta in der Jdei-
ſchen Hoͤle geſtecket und der Weltweißheit nach-
gedacht; endlich durch Griechenland ſeinen
Weg in Jtalien genommen/ und daſelbſt ſich zu
einem ſo groſſen Lichte der Welt gemacht. Jch
danckte dem Prieſter fuͤr ſo guten Unterricht/
ſtreute nach dieſes Ortes Gewohnheit dem Py-
thagoras zu Ehren eine Handvoll rothes Saltz
in das Feuer/ und hiermit nahmen wir von dem
Prieſter Abſchied/ ohne daß Zarmar ein einiges
Wort in unſer Geſpraͤche miſchte/ und alſo den
groͤſten Liebhaber des Stillſchweigens mit ei-
nem ſolchen Stillſchweigen verehrten/ daß es
ihm auch kein ſtummer Fiſch haͤtte koͤnnen zu-
vor thun.
Folgenden Tag giengen wir mit einem be-
qvemen Oſtwinde wieder zu Segel/ lieffen zwi-
ſthen denen faſt unzehlbaren Eylanden des
Griechiſchen Meeres gluͤcklich fort/ und kamen
den ſiebenden Tag des Abends an dem von vie-
len Marmel-Saͤulen beruͤhmten Vorgebuͤrge
des Attiſchen Landes Sunion an. Weil wir den
auf der Jnſel Paris die wunderwuͤrdigen Mar-
mel-Bruͤche beſchauenden Kaͤyſer uͤberfahren
hatten/ ſtiegen wir ans Land/ und beſchauten den
auf einem hohen Felſen liegenden Wunder-
Tempel der Pallas. Unter allen aber war diß
das merckwuͤrdigſte/ daß wir auf den Zinnen die-
ſes Tempels nicht nur das Schloß zu Athen/
ſondern auch das auf einem Thurn des vom Ly-
cophron gebauten Zeughauſes geſetzte Bild der
Minerva ſahen/ ja deſſen glaͤntzenden Helm
und Spiß deutlich erkieſen; alſo deſſen Groͤſſe
kaum begreiffen konten/ da dieſe Entfernung
ſieben und dreißig tauſend Schritte betraͤgt.
Die Begierde dieſer erblickten Stadt/ welche an
Alterthum Rom 800. Jahr uͤbertrifft/ und mit
Rechte die Mutter der Kuͤnſte/ ein Sitz der
Weißheit/ ein Schauplatz der Tapfferkeit/ und
der Augapffel Griechenlands genennt wird/
verſtattete uns nicht hier lange zuraſten. Alſo
giengen wir gegen Abende zu Schiffe/ und ka-
men folgenden Morgen fuͤr dem Munychiſchen
Seehafen/ bey welchem der Fluß Jliſſus ins
Meer faͤllt/ und ein koͤſtlicher Tempel der Dia-
na ſtehet/ an. Weil aber dieſer Hafen von den
Kaͤyſerlichen Schiffen gedruckt voll war/ und
wir wegen des Gedraͤnges ſelbigen Tag durch
den engen Mund des Pyreiſchen Hafens ein-
zukommen nicht getrauten/ ſegelten wir auf das
Eyland Salimis/ als das alte Koͤnigreich des
Ajax/ und des Euripides Vaterland; Darinnen
wir etliche alte Gedaͤchtnuͤſſe/ und die 100. Hoͤ-
len beſahen/ darinnen er etliche ſeiner Schau-
ſpiele geſchrieben hat. Von einem Felſen konten
wir abermahls mit groſſer Vergnuͤgung die
Schloͤſſer zu Megara/ und den im Meere lie-
genden Steinfels Ceras erkieſen/ darauf Xer-
xes einen ſilbernen Koͤnigs-Stul geſetzt/ und deꝛ
See-Schlacht zwiſchen den Perſen und Grie-
chen zugeſehen hatte. Folgenden Tages fuhren
wir zwiſchen denen zweyen Felſen/ dar auf an ſo
viel Marmel-Saͤulen eine ihn ſchluͤſſende Ket-
te henckt/ und ein weiß marmelner Loͤwe gleich-
ſam Wache haͤlt/ in den Pyreiſchen Hafen ein.
Weil dieſer nun 400. Schiffe beherbergen kan/
machte derſelben Anzahl uns kein Gedraͤnge/
der Anblick aber ſo vieler vom grimmigen Syl-
la eingeaͤſcherter Gebaͤue verurſachte mich des
Sylla Raſerey zu verfluchen/ welcher nicht nur
wider die grauſamen Steine/ ſondern auch wi-
der die leutſeligen Goͤtter ſeine Rache aus geuͤbt/
und daſelbſt Jupiters/ Minervens und der Ve-
nus Tempel/ den Schauplatz des Bacchus/ das
unveꝛgleichliche Zeughauß des Philon/ den Rich-
terſtul Phreattys/ den praͤchtigen Hippodami-
ſchen Platz/ und den unſchaͤtzbaren Buͤcheꝛ-Saal
des Apollicon/ woriñen faſt aller alten Griechi-
ſchẽ Weltweiſen unver gleichliche Schriften ver-
rauchet/ durchs Feueꝛ zeꝛ nichtet hatte. Gleichwol
aber verhoͤhnte den Sylla gleichſam der noch
ſtehende viereckichte/ und mit Alaun uͤberfirnſte
Thurm/ den er bey waͤhrender Belaͤgerũg durch
keine
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