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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünftes Buch
[Spaltenumbruch] ihn niemanden/ seine Vorsicht aber sich nicht
betrügen. Sein Verstand übersah alsbald
seine Tieffen oder Dinge; seine Geschickligkeit
fädmete die Geschäffte mit einer besondern
Art ein. Jenes Licht ist das Auge/ dieser Hand-
griff aber der Werckzeug eines grossen Staats-
Klugen. Sein einiges Absehen war dem Käyser
das rechte Maß in Entschlüssungen; dem Vol-
cke aber den Ruhm des Gehorsams einzuloben.
Und in Wahrheit/ dem Augustus ward nirgends
ein Tempel gebauet/ den Mecenas nicht vor-
her in denen Hertzen der Unterthanen in Grund
gelegt hatte. Er hatte bey Hofe keinen Dienst/
wormit er die Freyheit iedermann zu dienen
nicht verlieren möchte. Jn Rom wolte er
weder das Burgermeister-Ampt/ noch ander-
werts einige Land-Vogtey übernehmen; denn
er sagte: Die Höhe verursachte an sich selbst
einem den Schwindel; alleine im Wercke war
er der Stadt und des Reiches Vormund; und
weil er durch seine Wohlthaten iedermann ge-
wan/ ja den Neid selber schamroth und ihm ge-
neigt machte/ verdiente er: daß das Volck ihn
seinen Vater/ der Rath seinen Leitstern/ der Käy-
ser seinen Freund und Bruder hieß. Seine
Treue war der erste Priester/ der den noch le-
benden Käyser vergötterte. Denn ob zwar
der unermüdliche Agrippa wegen seiner vielen
Siege und grossen Krieges-Dienste beym Au-
gustus hoch am Brete war; wie denn Mece-
nas dem Käyser selbst rieth: Er müste Agrip-
pen entweder tödten/ oder zu seinem Eydame
machen; so hatte der Käyser doch den Mece-
nas mehr im Hertzen; jenen schätzte/ diesen aber
liebte er mehr; als welchem einiger Mensch
in der Welt nicht vermochte gram zu seyn.
Denn die Wollüstigen fanden bey ihm ihre
Ergetzligkeit/ die Tugendhaften ihre Vergnü-
gung. Welchen er des gemeinen Bestens
wegen etwas abschlagen muste/ die beschenckte
er mit dem Seinigen; oder er wuste auch sein
[Spaltenumbruch] Nein derogestalt zu über gülden/ daß er darmit
mehr Gemüther gewaan/ als andere mit ihrer
Verschwendung. Ja seine Worte waren bey
iedermann so wichtig/ daß er darmit hätte alle
seine Schulden bezahlen können. Agrippa
rieth dem Käyser/ was zu seiner Herrschafft
nützlich/ Mecenas aber/ was ruhmwürdig war.
Jener demüthigte seine Feinde/ dieser beschirm-
te die Unschuld. Jener machte/ daß Augu-
stus aus den Schlachten niemals ohne Sieg
zurücke kam; dieser aber: daß er vom Richter-
Stule allezeit ohne Blut aufstund. Agrippa
hatte Theil an des Käysers Armen/ Mecenas
aber an seinem Hertzen. Mit einem Worte;
Augustus hatte eine Bothmässigkeit über die
Welt/ Mecenas aber über den Käyser.
Dieser war ein Schoß-Kind des Glückes/
Mecenas der Tugend/ des Glückes und des
Käysers.

Ob nun wohl gegen den Abend Mecenas
den Gesandten und uns von sich ließ; so be-
hielten wir ihn doch in unserm Gedächtnüsse.
Masulipat hatte sich in ihn derogestalt verlie-
bet: daß er die halbe Nacht sich mit mir sei-
nethalben unterredete. Des Morgens war
die Sonne so früh nicht in unserm Hause/ als
die köstlichsten Erfrischungen/ wormit Mece-
nas uns beschenckte. Gegen den Mittag
suchte er uns selbst heim/ und nöthigte uns in
eines seiner unter dem Berge Corydalus am
Meere gelegenen Lust-Häuser zur Taffel.
Bey welchem Marcus Antonius von eitel
köstlichem Laube die Höle des Bacchus auf-
gebauet/ den Bodem biß an die Knie mit
eitel hundertblättrichten Rosen überschüt-
tet/ und unter der Gestalt des Bacchus gantz
Athen überflüssig bewirthet hatte. Die Na-
tur hielt am selbigem Orte einen Be-
griff ihrer Wunderwercke/ nehmlich wohlrü-
chende Wälder/ fruchtbare Gärte/ lustige
Steinklippen/ erfrischende Hölen/ warme Bä-

der

Fuͤnftes Buch
[Spaltenumbruch] ihn niemanden/ ſeine Vorſicht aber ſich nicht
betruͤgen. Sein Verſtand uͤberſah alsbald
ſeine Tieffen oder Dinge; ſeine Geſchickligkeit
faͤdmete die Geſchaͤffte mit einer beſondern
Art ein. Jenes Licht iſt das Auge/ dieſer Hand-
griff aber der Werckzeug eines groſſen Staats-
Klugen. Sein einiges Abſehen war dem Kaͤyſer
das rechte Maß in Entſchluͤſſungen; dem Vol-
cke aber den Ruhm des Gehorſams einzuloben.
Und in Wahrheit/ dem Auguſtus ward nirgends
ein Tempel gebauet/ den Mecenas nicht vor-
her in denen Hertzen der Unterthanen in Grund
gelegt hatte. Er hatte bey Hofe keinen Dienſt/
wormit er die Freyheit iedermann zu dienen
nicht verlieren moͤchte. Jn Rom wolte er
weder das Burgermeiſter-Ampt/ noch ander-
werts einige Land-Vogtey uͤbernehmen; denn
er ſagte: Die Hoͤhe verurſachte an ſich ſelbſt
einem den Schwindel; alleine im Wercke war
er der Stadt und des Reiches Vormund; und
weil er durch ſeine Wohlthaten iedermann ge-
wan/ ja den Neid ſelber ſchamroth und ihm ge-
neigt machte/ verdiente er: daß das Volck ihn
ſeinen Vater/ der Rath ſeinen Leitſtern/ der Kaͤy-
ſer ſeinen Freund und Bruder hieß. Seine
Treue war der erſte Prieſter/ der den noch le-
benden Kaͤyſer vergoͤtterte. Denn ob zwar
der unermuͤdliche Agrippa wegen ſeiner vielen
Siege und groſſen Krieges-Dienſte beym Au-
guſtus hoch am Brete war; wie denn Mece-
nas dem Kaͤyſer ſelbſt rieth: Er muͤſte Agrip-
pen entweder toͤdten/ oder zu ſeinem Eydame
machen; ſo hatte der Kaͤyſer doch den Mece-
nas mehr im Hertzen; jenen ſchaͤtzte/ dieſen aber
liebte er mehr; als welchem einiger Menſch
in der Welt nicht vermochte gram zu ſeyn.
Denn die Wolluͤſtigen fanden bey ihm ihre
Ergetzligkeit/ die Tugendhaften ihre Vergnuͤ-
gung. Welchen er des gemeinen Beſtens
wegen etwas abſchlagen muſte/ die beſchenckte
er mit dem Seinigen; oder er wuſte auch ſein
[Spaltenumbruch] Nein derogeſtalt zu uͤber guͤlden/ daß er darmit
mehr Gemuͤther gewaan/ als andere mit ihrer
Verſchwendung. Ja ſeine Worte waren bey
iedermann ſo wichtig/ daß er darmit haͤtte alle
ſeine Schulden bezahlen koͤnnen. Agrippa
rieth dem Kaͤyſer/ was zu ſeiner Herrſchafft
nuͤtzlich/ Mecenas aber/ was ruhmwuͤrdig war.
Jener demuͤthigte ſeine Feinde/ dieſer beſchirm-
te die Unſchuld. Jener machte/ daß Augu-
ſtus aus den Schlachten niemals ohne Sieg
zuruͤcke kam; dieſer aber: daß er vom Richter-
Stule allezeit ohne Blut aufſtund. Agrippa
hatte Theil an des Kaͤyſers Armen/ Mecenas
aber an ſeinem Hertzen. Mit einem Worte;
Auguſtus hatte eine Bothmaͤſſigkeit uͤber die
Welt/ Mecenas aber uͤber den Kaͤyſer.
Dieſer war ein Schoß-Kind des Gluͤckes/
Mecenas der Tugend/ des Gluͤckes und des
Kaͤyſers.

Ob nun wohl gegen den Abend Mecenas
den Geſandten und uns von ſich ließ; ſo be-
hielten wir ihn doch in unſerm Gedaͤchtnuͤſſe.
Maſulipat hatte ſich in ihn derogeſtalt verlie-
bet: daß er die halbe Nacht ſich mit mir ſei-
nethalben unterredete. Des Morgens war
die Sonne ſo fruͤh nicht in unſerm Hauſe/ als
die koͤſtlichſten Erfriſchungen/ wormit Mece-
nas uns beſchenckte. Gegen den Mittag
ſuchte er uns ſelbſt heim/ und noͤthigte uns in
eines ſeiner unter dem Berge Corydalus am
Meere gelegenen Luſt-Haͤuſer zur Taffel.
Bey welchem Marcus Antonius von eitel
koͤſtlichem Laube die Hoͤle des Bacchus auf-
gebauet/ den Bodem biß an die Knie mit
eitel hundertblaͤttrichten Roſen uͤberſchuͤt-
tet/ und unter der Geſtalt des Bacchus gantz
Athen uͤberfluͤſſig bewirthet hatte. Die Na-
tur hielt am ſelbigem Orte einen Be-
griff ihrer Wunderwercke/ nehmlich wohlruͤ-
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der
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/748>, abgerufen am 22.11.2024.