Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
hen dieser Versammlung gewest/ und hätte er esdem Verhängniße und ihrer Klugheit heim- gestellt: Ob sie ihn hierinnen zu einem Kriegs- Manne/ oder zu ihrem Feld-Herrn gebrauchen würden. Nach dem ihnen aber das letztere ge- fallen/ thäte er hierinnen mehr ihrem Willen/ als seinem Ehr-Geitze ein Genügen. Denn ob wol die verwirrete Beschaffenheit der Zeit/ die besorgliche Mißgunst derer/ welche nach dieser Würde gestrebet/ und sein noch nicht allzu hohes Alter ihn hievon zurücke ziehen wolten; so über- wiege doch sein Verlangen dem gemeinen We- sen zu dienen alle andere Bedencken; und die Bilder seiner lobwürdigen Vorfahren ladeten ihn gleichsam ein/ lieber mit Schweiß und Blut in ihre Fußstappen und in dis von ihnen geführ- te Ambt zu treten/ als die Hände seiner Ergötzlig- keit halber auf die Schoos zu legen. Denn die Aufthürmung der Ehren-Säul-wäre ein aber- gläubischer Zeit-Vertreib und eine Verschwen- dung der Unkosten; wenn sie allein ein Gedächt- nüß dessen/ was die Todten gethan haben/ nicht aber eine Ermahnung seyn sollen/ was denen le- benden zu thun obliegt. Dahero dasselbige Bild/ welche nur etliche Tage gestanden/ aber das Glücke habe/ daß iemand durch rühmliche Nachartung seinem Befehle gehorsamet/ viel höher zu schätzen wäre/ als eines/ das tausend Jahre wider Lufft und Ungewitter getauret/ aber zum unfruchtbaren Anschauen gedienet hat. Hätten seine Vor-Eltern durch ihre Tha- ten zuwege gebracht/ daß sie ihm ihren Stab einhändigten; wolte er sich befleissen durch sein Thun zu behaupten/ daß er ihr Sohn wäre; nach dem ein ungerathener Sohn eines Helden sich gar keines Vaters zu rühmen hätte. Denn keines frembden Sohn könte er vermöge der Natur; des Natürlichen aber wüste er es wegen seiner Untugend nicht zu seyn/ also/ daß wenn die Todten reden könten/ würden sie ihn/ wenn er sich ihrer Ankunft rühmte/ entweder Lügens straffen/ oder ihn als einen Wechsel-Balg aus [Spaltenumbruch] dem Geschlechte stossen. Dieses und der Noth- stand Deutschlands zwinge ihn die aufgetragene Würde willig zu übernehmen. Denn/ wenn das Gebäu eines Reiches einfallen wolte/ müste der erste der beste seine Achsel unterschieben/ und zu denen Stützen nicht diß oder jenes Holtz aus- schüssen. Bey so gestalten Sachen könte sich niemand entbrechen/ der sich sonst doch ausdü- cken würde/ wenn ihn die Scham - Röthe oder der Mangel eines gültigen Verwands nicht zu- rücke hielte. Wie er denn feyerlich sich verwahrte: daß er ihm diese Würde nicht leichte; ihre Uber- nehmung aber nicht aus Hoffarth/ sondern aus Liebe des Vaterlandes nicht schwer machte. Seine Wercke solten nicht nur seine ietzige Er- klärung beglaubt/ und ihnen wahr machen/ daß er nicht so wol ihr Feld-Herr seyn/ als ihr Bru- der leben/ und als ihr Freund für sie und das Vater-Land sterben wolte. Denn alle andere Merckmaale der Freundschafft wären ungewiß oder verdächtig; die grössesten Betheurungen verhülleten offt ein gehässiges Hertze/ die nütz- lichsten Dienste verkleideten zuweilen den Ei- gen-Nutz/ die Freygebigkeit zielte auf anderer Verbindligkeit/ der Gehorsam rührte nicht sel- ten mehr aus einem Nothzwange als willkühr- lichem Eifer her; wenn aber die Freundschafft mit seinem eigenen für eines andern Erhaltung verspritzten Blute besiegelt würde/ wäre sie al- lem Verdacht eines angenommenen Scheines/ aller nachtheiligen Auslegung/ und allem wi- drigen Urthel überlegen. Bey Außdrückung dieser Worte und darüber dacht/
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
hen dieſer Verſammlung geweſt/ und haͤtte er esdem Verhaͤngniße und ihrer Klugheit heim- geſtellt: Ob ſie ihn hierinnen zu einem Kriegs- Manne/ oder zu ihrem Feld-Herrn gebrauchen wuͤrden. Nach dem ihnen aber das letztere ge- fallen/ thaͤte er hierinnen mehr ihrem Willen/ als ſeinem Ehr-Geitze ein Genuͤgen. Denn ob wol die verwirrete Beſchaffenheit der Zeit/ die beſorgliche Mißgunſt derer/ welche nach dieſer Wuͤrde geſtrebet/ und ſein noch nicht allzu hohes Alter ihn hievon zuruͤcke ziehen wolten; ſo uͤber- wiege doch ſein Verlangen dem gemeinen We- ſen zu dienen alle andere Bedencken; und die Bilder ſeiner lobwuͤrdigen Vorfahren ladeten ihn gleichſam ein/ lieber mit Schweiß und Blut in ihre Fußſtappen und in dis von ihnen gefuͤhr- te Ambt zu treten/ als die Haͤnde ſeiner Ergoͤtzlig- keit halber auf die Schoos zu legen. Denn die Aufthuͤrmung der Ehren-Saͤul-waͤre ein aber- glaͤubiſcher Zeit-Vertreib und eine Verſchwen- dung der Unkoſten; wenn ſie allein ein Gedaͤcht- nuͤß deſſen/ was die Todten gethan haben/ nicht aber eine Ermahnung ſeyn ſollen/ was denen le- benden zu thun obliegt. Dahero daſſelbige Bild/ welche nur etliche Tage geſtanden/ aber das Gluͤcke habe/ daß iemand durch ruͤhmliche Nachartung ſeinem Befehle gehorſamet/ viel hoͤher zu ſchaͤtzen waͤre/ als eines/ das tauſend Jahre wider Lufft und Ungewitter getauret/ aber zum unfruchtbaren Anſchauen gedienet hat. Haͤtten ſeine Vor-Eltern durch ihre Tha- ten zuwege gebracht/ daß ſie ihm ihren Stab einhaͤndigten; wolte er ſich befleiſſen durch ſein Thun zu behaupten/ daß er ihr Sohn waͤre; nach dem ein ungerathener Sohn eines Helden ſich gar keines Vaters zu ruͤhmen haͤtte. Denn keines frembden Sohn koͤnte er vermoͤge der Natur; des Natuͤrlichen aber wuͤſte er es wegen ſeiner Untugend nicht zu ſeyn/ alſo/ daß wenn die Todten reden koͤnten/ wuͤrden ſie ihn/ wenn er ſich ihrer Ankunft ruͤhmte/ entweder Luͤgens ſtraffen/ oder ihn als einen Wechſel-Balg aus [Spaltenumbruch] dem Geſchlechte ſtoſſen. Dieſes und der Noth- ſtand Deutſchlands zwinge ihn die aufgetragene Wuͤrde willig zu uͤbernehmen. Denn/ wenn das Gebaͤu eines Reiches einfallen wolte/ muͤſte der erſte der beſte ſeine Achſel unterſchieben/ und zu denen Stuͤtzen nicht diß oder jenes Holtz aus- ſchuͤſſen. Bey ſo geſtalten Sachen koͤnte ſich niemand entbrechen/ der ſich ſonſt doch ausduͤ- cken wuͤrde/ wenn ihn die Scham - Roͤthe oder der Mangel eines guͤltigen Verwands nicht zu- ruͤcke hielte. Wie er deñ feyerlich ſich verwahrte: daß er ihm dieſe Wuͤrde nicht leichte; ihre Uber- nehmung aber nicht aus Hoffarth/ ſondern aus Liebe des Vaterlandes nicht ſchwer machte. Seine Wercke ſolten nicht nur ſeine ietzige Er- klaͤrung beglaubt/ und ihnen wahr machen/ daß er nicht ſo wol ihr Feld-Herr ſeyn/ als ihr Bru- der leben/ und als ihr Freund fuͤr ſie und das Vater-Land ſterben wolte. Denn alle andere Merckmaale der Freundſchafft waͤren ungewiß oder verdaͤchtig; die groͤſſeſten Betheurungen verhuͤlleten offt ein gehaͤſſiges Hertze/ die nuͤtz- lichſten Dienſte verkleideten zuweilen den Ei- gen-Nutz/ die Freygebigkeit zielte auf anderer Verbindligkeit/ der Gehorſam ruͤhrte nicht ſel- ten mehr aus einem Nothzwange als willkuͤhr- lichem Eifer her; wenn aber die Freundſchafft mit ſeinem eigenen fuͤr eines andern Erhaltung verſpritzten Blute beſiegelt wuͤrde/ waͤre ſie al- lem Verdacht eines angenommenen Scheines/ aller nachtheiligen Auslegung/ und allem wi- drigen Urthel uͤberlegen. Bey Außdruͤckung dieſer Worte und daruͤber dacht/
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Erſtes Buch
hen dieſer Verſammlung geweſt/ und haͤtte er es
dem Verhaͤngniße und ihrer Klugheit heim-
geſtellt: Ob ſie ihn hierinnen zu einem Kriegs-
Manne/ oder zu ihrem Feld-Herrn gebrauchen
wuͤrden. Nach dem ihnen aber das letztere ge-
fallen/ thaͤte er hierinnen mehr ihrem Willen/
als ſeinem Ehr-Geitze ein Genuͤgen. Denn
ob wol die verwirrete Beſchaffenheit der Zeit/ die
beſorgliche Mißgunſt derer/ welche nach dieſer
Wuͤrde geſtrebet/ und ſein noch nicht allzu hohes
Alter ihn hievon zuruͤcke ziehen wolten; ſo uͤber-
wiege doch ſein Verlangen dem gemeinen We-
ſen zu dienen alle andere Bedencken; und die
Bilder ſeiner lobwuͤrdigen Vorfahren ladeten
ihn gleichſam ein/ lieber mit Schweiß und Blut
in ihre Fußſtappen und in dis von ihnen gefuͤhr-
te Ambt zu treten/ als die Haͤnde ſeiner Ergoͤtzlig-
keit halber auf die Schoos zu legen. Denn die
Aufthuͤrmung der Ehren-Saͤul-waͤre ein aber-
glaͤubiſcher Zeit-Vertreib und eine Verſchwen-
dung der Unkoſten; wenn ſie allein ein Gedaͤcht-
nuͤß deſſen/ was die Todten gethan haben/ nicht
aber eine Ermahnung ſeyn ſollen/ was denen le-
benden zu thun obliegt. Dahero daſſelbige
Bild/ welche nur etliche Tage geſtanden/ aber
das Gluͤcke habe/ daß iemand durch ruͤhmliche
Nachartung ſeinem Befehle gehorſamet/ viel
hoͤher zu ſchaͤtzen waͤre/ als eines/ das tauſend
Jahre wider Lufft und Ungewitter getauret/
aber zum unfruchtbaren Anſchauen gedienet
hat. Haͤtten ſeine Vor-Eltern durch ihre Tha-
ten zuwege gebracht/ daß ſie ihm ihren Stab
einhaͤndigten; wolte er ſich befleiſſen durch ſein
Thun zu behaupten/ daß er ihr Sohn waͤre;
nach dem ein ungerathener Sohn eines Helden
ſich gar keines Vaters zu ruͤhmen haͤtte. Denn
keines frembden Sohn koͤnte er vermoͤge der
Natur; des Natuͤrlichen aber wuͤſte er es wegen
ſeiner Untugend nicht zu ſeyn/ alſo/ daß wenn
die Todten reden koͤnten/ wuͤrden ſie ihn/ wenn
er ſich ihrer Ankunft ruͤhmte/ entweder Luͤgens
ſtraffen/ oder ihn als einen Wechſel-Balg aus
dem Geſchlechte ſtoſſen. Dieſes und der Noth-
ſtand Deutſchlands zwinge ihn die aufgetragene
Wuͤrde willig zu uͤbernehmen. Denn/ wenn
das Gebaͤu eines Reiches einfallen wolte/ muͤſte
der erſte der beſte ſeine Achſel unterſchieben/ und
zu denen Stuͤtzen nicht diß oder jenes Holtz aus-
ſchuͤſſen. Bey ſo geſtalten Sachen koͤnte ſich
niemand entbrechen/ der ſich ſonſt doch ausduͤ-
cken wuͤrde/ wenn ihn die Scham - Roͤthe oder
der Mangel eines guͤltigen Verwands nicht zu-
ruͤcke hielte. Wie er deñ feyerlich ſich verwahrte:
daß er ihm dieſe Wuͤrde nicht leichte; ihre Uber-
nehmung aber nicht aus Hoffarth/ ſondern aus
Liebe des Vaterlandes nicht ſchwer machte.
Seine Wercke ſolten nicht nur ſeine ietzige Er-
klaͤrung beglaubt/ und ihnen wahr machen/ daß
er nicht ſo wol ihr Feld-Herr ſeyn/ als ihr Bru-
der leben/ und als ihr Freund fuͤr ſie und das
Vater-Land ſterben wolte. Denn alle andere
Merckmaale der Freundſchafft waͤren ungewiß
oder verdaͤchtig; die groͤſſeſten Betheurungen
verhuͤlleten offt ein gehaͤſſiges Hertze/ die nuͤtz-
lichſten Dienſte verkleideten zuweilen den Ei-
gen-Nutz/ die Freygebigkeit zielte auf anderer
Verbindligkeit/ der Gehorſam ruͤhrte nicht ſel-
ten mehr aus einem Nothzwange als willkuͤhr-
lichem Eifer her; wenn aber die Freundſchafft
mit ſeinem eigenen fuͤr eines andern Erhaltung
verſpritzten Blute beſiegelt wuͤrde/ waͤre ſie al-
lem Verdacht eines angenommenen Scheines/
aller nachtheiligen Auslegung/ und allem wi-
drigen Urthel uͤberlegen.
Bey Außdruͤckung dieſer Worte und daruͤber
erwachſender Vergnuͤgung trat ein mit der
Fuͤrſtin Walpurgis Leiche vorhin beſchaͤfftigter
Prieſter mit einem freudigerm Geſichte/ als ſein
Todten-Dienſt mit ſich brachte/ ins Zelt/ und
berichtete: Der Walpurgis Grab waͤre fertig/
mit Bitte: Es moͤchten die Fuͤrſten die Leiche
noch mit einer Hand voll Erde beehren/ und ihr
merckwuͤrdiges Grabmahl anzuſchauen unbe-
ſchwert ſeyn. Dieſe waren theils wegen An-
dacht/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/76>, abgerufen am 16.02.2025. |