Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
get/ und mit einem Schleyer bedeckt; Uber denSchläffen ragten zwey gekrümte Schlangen herfür; am Halse stand das Zeichen des Krebses und Steinbocks/ darunter aber Hercules mit einem Palmzweige/ und Apollo mit einem Lor- ber-Krantze. Die Armen waren mit vier Lö- wen besetzt und ausgestreckt. Jn der rechten Hand hatte sie eine Leyer/ in der lincken einen Wasser-Eymer/ daran die gleicher gestalt zu Sais in Egypten befindliche Uberschrifft zu le- sen war: Jch bin alles/ was gewest ist/ und seyn wird. Kein Sterblicher hat meinen Schleyer noch auffgedeckt. Meine erste Frucht/ die ich gezeuget/ ist die Sonne. Und alles diß war mit ei- nem Krantze aus Früchten und Blumen um- fangen. Die Vrust und der Leib bis an Nabel strotzte von eitel Brüsten/ und ihr Gürtel war mit dem halben Monden und vielen Sternen besetzt. Der Unter-Leib biß über die Knichel steckte in einem engen Kessel; An dem Ober- theile auf der einen Seite Diana/ auf der an- dern Ceres; zwischen diesen drey gehörnte Hirschköpffe/ und zwey Bienen eingeetzet wa- ren. Jm mitlern Theile ragten auf der Seite zwey Drachen/ im untersten zwey Löwen her- für/ zwischen beyden aber waren drey Ochsen- Köpffe zu schauen. Die Beine um die Knichel deckte ein zartes Hemde/ die Füsse aber waren bloß/ der eine stand auf der Erde/ der ander auff Wasser. Jn das Altar war eingegraben: Der einigen Jsis/ welche alles ist. Wie dieses Bild nun feste gesetzt war/ brachte man ein Meerkalb/ und eine Gans herbey/ wel- che ein Egyptischer Priester Choeremon/ den der Käyser von Memphis her zu diesem neuen Gottesdienste bestellt hatte/ schlachtete/ und aufopfferte. Bey diesem Beginnen zohe mich Zar mar der Brahman auf die Seite/ und sagte mir in ein Ohr: Lasset uns dieses besudelten [Spaltenumbruch] Gottesdienstes/ oder vielmehr dieser unzüchti- gen Gottes-Spötter entbrechen! Jch versetzte/ daß diß ohne Aergernüß des Volckes/ und ohne Beleidigung so wol des Käysers/ als des Mece- nas nicht geschehen könte. Gott straffte auch die Versehrer eines irrigen Gottesdienstes/ als welcher besser/ als keiner wäre. Zu dem hielte ich dieses Heiligthum für eine Verehrung der Ceres oder Cybelens/ welche er von Kind auff verehret/ die Vorwelt aber damit die göttliche Erhaltung der gantzen Welt/ oder die Natur fürgebildet hätten. Die Thürme bedeuteten die Schlösser der Gestirne/ das Haar ihr Licht/ der Schleyer ihre verborgene Würckung/ die Aehren/ Blumen und Früchte die Fruchtbar- keit/ die Schlangen den veränderlichen Lauff des Monden/ der Krebs und Steinbock die zwey eusersten Ziele der Sonnen; Hercules und Apollo die Schutz-Götter dieser zwey Ende/ die Löwen die Stärcke der Natur/ die Leyer ih- re Eintracht/ der Wasser-Eymer den Regen/ die Brüste vielerley Art der Ernährung/ der Gürtel die rundte Bewegung des Gestirnes/ Diana die Wälder und Gärte/ Ceres die Land- Früchte/ die Hirschgeweihe die Sonnenstralen/ die Drachen Gottes scharfsichtige Wathsam- keit/ die Ochsen den Ackerbau/ die Löwen den Bestand/ das Hemde ihre Bekleidung/ die nackten Füsse die Geschwindigkeit/ die Bienen die Ordnung der göttlichen Vorsorge. Jch verstehe diß alles wol/ antwortete mir Zarmar. Aber siehest du nicht/ daß Augustus seine unzüch- tige Liebe unter diesem Gottesdienste verblüme/ und nach dem Beyspiele des Lasterhafften Ju- piters/ welcher seine Kebsweiber unter die Ge- stirne versetzt haben soll/ seine Ehbrecherin auff Altäre hebet/ und aus einer geilen Venus eine heilige Jsis macht. Jch trat hierauf etliche Schritte näher zum Altar/ und als ich bald die Jsis/ bald die Terentia genau betrachtet hatte/ ward ich gewahr/ daß beyde einander/ wie ein Ey
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
get/ und mit einem Schleyer bedeckt; Uber denSchlaͤffen ragten zwey gekruͤmte Schlangen herfuͤr; am Halſe ſtand das Zeichen des Krebſes und Steinbocks/ darunter aber Hercules mit einem Palmzweige/ und Apollo mit einem Lor- ber-Krantze. Die Armen waren mit vier Loͤ- wen beſetzt und ausgeſtreckt. Jn der rechten Hand hatte ſie eine Leyer/ in der lincken einen Waſſer-Eymer/ daran die gleicher geſtalt zu Sais in Egypten befindliche Uberſchrifft zu le- ſen war: Jch bin alles/ was geweſt iſt/ und ſeyn wird. Kein Sterblicher hat meinen Schleyer noch auffgedeckt. Meine erſte Frucht/ die ich gezeuget/ iſt die Sonne. Und alles diß war mit ei- nem Krantze aus Fruͤchten und Blumen um- fangen. Die Vruſt und der Leib bis an Nabel ſtrotzte von eitel Bruͤſten/ und ihr Guͤrtel war mit dem halben Monden und vielen Sternen beſetzt. Der Unter-Leib biß uͤber die Knichel ſteckte in einem engen Keſſel; An dem Ober- theile auf der einen Seite Diana/ auf der an- dern Ceres; zwiſchen dieſen drey gehoͤrnte Hirſchkoͤpffe/ und zwey Bienen eingeetzet wa- ren. Jm mitlern Theile ragten auf der Seite zwey Drachen/ im unterſten zwey Loͤwen her- fuͤr/ zwiſchen beyden aber waren drey Ochſen- Koͤpffe zu ſchauen. Die Beine um die Knichel deckte ein zartes Hemde/ die Fuͤſſe aber waren bloß/ der eine ſtand auf der Erde/ der ander auff Waſſer. Jn das Altar war eingegraben: Der einigen Jſis/ welche alles iſt. Wie dieſes Bild nun feſte geſetzt war/ brachte man ein Meerkalb/ und eine Gans herbey/ wel- che ein Egyptiſcher Prieſter Choeremon/ den der Kaͤyſer von Memphis her zu dieſem neuen Gottesdienſte beſtellt hatte/ ſchlachtete/ und aufopfferte. Bey dieſem Beginnen zohe mich Zar mar der Brahman auf die Seite/ und ſagte mir in ein Ohr: Laſſet uns dieſes beſudelten [Spaltenumbruch] Gottesdienſtes/ oder vielmehr dieſer unzuͤchti- gen Gottes-Spoͤtter entbrechen! Jch verſetzte/ daß diß ohne Aergernuͤß des Volckes/ und ohne Beleidigung ſo wol des Kaͤyſers/ als des Mece- nas nicht geſchehen koͤnte. Gott ſtraffte auch die Verſehrer eines irrigen Gottesdienſtes/ als welcher beſſer/ als keiner waͤre. Zu dem hielte ich dieſes Heiligthum fuͤr eine Verehrung der Ceres oder Cybelens/ welche er von Kind auff verehret/ die Vorwelt aber damit die goͤttliche Erhaltung der gantzen Welt/ oder die Natur fuͤrgebildet haͤtten. Die Thuͤrme bedeuteten die Schloͤſſer der Geſtirne/ das Haar ihr Licht/ der Schleyer ihre verborgene Wuͤrckung/ die Aehren/ Blumen und Fruͤchte die Fruchtbar- keit/ die Schlangen den veraͤnderlichen Lauff des Monden/ der Krebs und Steinbock die zwey euſerſten Ziele der Sonnen; Hercules und Apollo die Schutz-Goͤtter dieſer zwey Ende/ die Loͤwen die Staͤrcke der Natur/ die Leyer ih- re Eintracht/ der Waſſer-Eymer den Regen/ die Bruͤſte vielerley Art der Ernaͤhrung/ der Guͤrtel die rundte Bewegung des Geſtirnes/ Diana die Waͤlder und Gaͤrte/ Ceres die Land- Fruͤchte/ die Hirſchgeweihe die Sonnenſtralen/ die Drachen Gottes ſcharfſichtige Wathſam- keit/ die Ochſen den Ackerbau/ die Loͤwen den Beſtand/ das Hemde ihre Bekleidung/ die nackten Fuͤſſe die Geſchwindigkeit/ die Bienen die Ordnung der goͤttlichen Vorſorge. Jch verſtehe diß alles wol/ antwortete mir Zarmar. Aber ſieheſt du nicht/ daß Auguſtus ſeine unzuͤch- tige Liebe unter dieſem Gottesdienſte verbluͤme/ und nach dem Beyſpiele des Laſterhafften Ju- piters/ welcher ſeine Kebsweiber unter die Ge- ſtirne verſetzt haben ſoll/ ſeine Ehbrecherin auff Altaͤre hebet/ und aus einer geilen Venus eine heilige Jſis macht. Jch trat hierauf etliche Schritte naͤher zum Altar/ und als ich bald die Jſis/ bald die Terentia genau betrachtet hatte/ ward ich gewahr/ daß beyde einander/ wie ein Ey
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Fuͤnfftes Buch
get/ und mit einem Schleyer bedeckt; Uber den
Schlaͤffen ragten zwey gekruͤmte Schlangen
herfuͤr; am Halſe ſtand das Zeichen des Krebſes
und Steinbocks/ darunter aber Hercules mit
einem Palmzweige/ und Apollo mit einem Lor-
ber-Krantze. Die Armen waren mit vier Loͤ-
wen beſetzt und ausgeſtreckt. Jn der rechten
Hand hatte ſie eine Leyer/ in der lincken einen
Waſſer-Eymer/ daran die gleicher geſtalt zu
Sais in Egypten befindliche Uberſchrifft zu le-
ſen war: Jch bin alles/ was geweſt iſt/
und ſeyn wird. Kein Sterblicher hat
meinen Schleyer noch auffgedeckt.
Meine erſte Frucht/ die ich gezeuget/
iſt die Sonne. Und alles diß war mit ei-
nem Krantze aus Fruͤchten und Blumen um-
fangen. Die Vruſt und der Leib bis an Nabel
ſtrotzte von eitel Bruͤſten/ und ihr Guͤrtel war
mit dem halben Monden und vielen Sternen
beſetzt. Der Unter-Leib biß uͤber die Knichel
ſteckte in einem engen Keſſel; An dem Ober-
theile auf der einen Seite Diana/ auf der an-
dern Ceres; zwiſchen dieſen drey gehoͤrnte
Hirſchkoͤpffe/ und zwey Bienen eingeetzet wa-
ren. Jm mitlern Theile ragten auf der Seite
zwey Drachen/ im unterſten zwey Loͤwen her-
fuͤr/ zwiſchen beyden aber waren drey Ochſen-
Koͤpffe zu ſchauen. Die Beine um die Knichel
deckte ein zartes Hemde/ die Fuͤſſe aber waren
bloß/ der eine ſtand auf der Erde/ der ander auff
Waſſer. Jn das Altar war eingegraben:
Der einigen Jſis/ welche alles iſt.
Wie dieſes Bild nun feſte geſetzt war/ brachte
man ein Meerkalb/ und eine Gans herbey/ wel-
che ein Egyptiſcher Prieſter Choeremon/ den
der Kaͤyſer von Memphis her zu dieſem neuen
Gottesdienſte beſtellt hatte/ ſchlachtete/ und
aufopfferte. Bey dieſem Beginnen zohe mich
Zar mar der Brahman auf die Seite/ und ſagte
mir in ein Ohr: Laſſet uns dieſes beſudelten
Gottesdienſtes/ oder vielmehr dieſer unzuͤchti-
gen Gottes-Spoͤtter entbrechen! Jch verſetzte/
daß diß ohne Aergernuͤß des Volckes/ und ohne
Beleidigung ſo wol des Kaͤyſers/ als des Mece-
nas nicht geſchehen koͤnte. Gott ſtraffte auch
die Verſehrer eines irrigen Gottesdienſtes/ als
welcher beſſer/ als keiner waͤre. Zu dem hielte
ich dieſes Heiligthum fuͤr eine Verehrung der
Ceres oder Cybelens/ welche er von Kind auff
verehret/ die Vorwelt aber damit die goͤttliche
Erhaltung der gantzen Welt/ oder die Natur
fuͤrgebildet haͤtten. Die Thuͤrme bedeuteten
die Schloͤſſer der Geſtirne/ das Haar ihr Licht/
der Schleyer ihre verborgene Wuͤrckung/ die
Aehren/ Blumen und Fruͤchte die Fruchtbar-
keit/ die Schlangen den veraͤnderlichen Lauff
des Monden/ der Krebs und Steinbock die
zwey euſerſten Ziele der Sonnen; Hercules und
Apollo die Schutz-Goͤtter dieſer zwey Ende/
die Loͤwen die Staͤrcke der Natur/ die Leyer ih-
re Eintracht/ der Waſſer-Eymer den Regen/
die Bruͤſte vielerley Art der Ernaͤhrung/ der
Guͤrtel die rundte Bewegung des Geſtirnes/
Diana die Waͤlder und Gaͤrte/ Ceres die Land-
Fruͤchte/ die Hirſchgeweihe die Sonnenſtralen/
die Drachen Gottes ſcharfſichtige Wathſam-
keit/ die Ochſen den Ackerbau/ die Loͤwen den
Beſtand/ das Hemde ihre Bekleidung/ die
nackten Fuͤſſe die Geſchwindigkeit/ die Bienen
die Ordnung der goͤttlichen Vorſorge. Jch
verſtehe diß alles wol/ antwortete mir Zarmar.
Aber ſieheſt du nicht/ daß Auguſtus ſeine unzuͤch-
tige Liebe unter dieſem Gottesdienſte verbluͤme/
und nach dem Beyſpiele des Laſterhafften Ju-
piters/ welcher ſeine Kebsweiber unter die Ge-
ſtirne verſetzt haben ſoll/ ſeine Ehbrecherin auff
Altaͤre hebet/ und aus einer geilen Venus eine
heilige Jſis macht. Jch trat hierauf etliche
Schritte naͤher zum Altar/ und als ich bald die
Jſis/ bald die Terentia genau betrachtet hatte/
ward ich gewahr/ daß beyde einander/ wie ein
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/760>, abgerufen am 29.06.2024. |