Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] also: daß Mitternacht die Scheide der Völ-
cker genennet zu werden verdienet hat. Un-
ter diesen Deutschen Propfreisern sind die er-
sten gewesen die Gallier; welcher Sprache
noch ein Kennzeichen ist: daß so wol sie als das
Volck selbst von uns/ nicht aber von Galaten/
dem geträumten Sohne des Hercules entspros-
sen. Ja von den alten Griechen und Römern
alles/ was zwischen dem Pyreneischen Gebür-
ge biß an das schwartze Meer und die Ost-See
lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und
also die Deutschen insgemein für Gallier gehal-
ten/ diese aber zu Nachbarn der Scythen ge-
macht worden; da doch der Rhein die eigentli-
che Gräntze der Gallier und Deutschen ist.
Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein
Theil von des Javans Nachkommen aus de-
nen Egeischen Eylanden/ und hernach die für
dem Persischen Joche sich flüchtenden Pho-
cäer/ nach dem sie vorher mit dem Römischen
Könige Tarqvinius ein Bündnüß gemacht/
an dem Rhodan nieder gelassen hätten. Und
eben diese Vermischung ist hernach die Ursache
der zwischen diesen beyden verschwisterten Völ-
ckern itzigen so merckwürdigen Unähnligkeit
und vieler andern Verenderungen gewest. Es
ist bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/
ungeachtet sie sich mit einem Weibe vergnügen/
viel fruchtbarer als die des heissen Sudstrichs
sind. Aus dieser Ursache ward Deutschland/
Sarmatien und Gallien seinen Völckern end-
lich zu klein/ und daher entstanden zwischen de-
nen Deutschen/ und denen nicht minder frucht-
baren Sarmatern der Gräntzen halber die er-
sten Kriege; Wiewol diese zwey streitbare Völ-
cker sich auch mehrmals mit einander vereinbar-
ten/ und der übrigen Welt gegen einander ein
Schrecken einjagten. Jnsonderheit kam Ga-
lathes/ der Deutschen König/ zur Zeit des zu
Troja herschenden Jlus/ seiner Macht und
Tapfferkeit wegen in grosses Ansehen; und was
die aus Deutschland entsprossenen Amazonen in
Asien und Africa für Wunder gethan/ ist ohne
[Spaltenumbruch] diß Weltkündig. Weil nun die sich in Gallien
vermehrenden Völcker wegen der ihnen im
Wege stehenden zweyen Meere und Gebürge
nicht so wol ausbreiten konten/ wurden die aus
Deutschland in Gallien gekommenen/ und
ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter
dem Gebiete des Königs der Biluriger Ambi-
gat genöthigt/ die Deutschen anzuflehen: sie
möchten ihnen ein Stücke Landes in ihrem al-
ten Vaterlande einräumen. Worauf sich ih-
rer viel tausend unter dem Heerführer Sigove-
fus/ des Königs Schwester Sohne/ in dem ih-
nen angewiesenen Hercynischen Walde an dem
Muldau-Strome niederliessen/ auch alldar
blieben sind/ biß sie unlängst der Marckmänner
König Marobod über die Donau vertrieben
hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem
volckreichen Deutschlande raum hatten/ traf
des Sigovesus Bruder/ den Bellovesus/ das
Looß/ über denen Himmel-hohen Alpen/ wel-
ches für ihm kein Mensch als Hercules überstie-
gen haben solte/ eine Wohnstadt zu suchen. Zu
den Bojen schlugen sich viel tausend Schwaben
und Alemänner; iedoch schiene der gantzen
Welt Macht nicht genung zu seyn/ durch die
Mauern Jtaliens/ nemlich die so steilen und von
der Natur mit unvergänglichem Schnee ver-
wahrten Gebürge einen Weg zu brechen. Sie
versuchten an vielen Orten/ aber vergebens.
Endlich fand sich zum Belloveß ein Helvitischer
Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und
getrocknete Feigen/ frische Weintrauben/ Oel/
und andere denen Deutschen unbekandte und
für ein Meer-Wunder gehaltene Früchte mit
brachte/ und darmit den Bojen und Deutschen
die Zähne sehr wäßricht machte. Die Lüstern-
heit nach so süsser Kost/ und nach einem so glückli-
chen Lande schloß ihnen die Alpen auf; ungeach-
tet sonst der vom Elico gewiesene Fußsteig für ein
so grosses Volck viel zu enge oder zu beschwerlich
gewest wäre. Also fanden sie durch die Taurini-
schen Steinklüffte den Eingang gleichsam in ei-
ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi-

nius
Z z z z 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] alſo: daß Mitternacht die Scheide der Voͤl-
cker genennet zu werden verdienet hat. Un-
ter dieſen Deutſchen Propfreiſern ſind die er-
ſten geweſen die Gallier; welcher Sprache
noch ein Kennzeichen iſt: daß ſo wol ſie als das
Volck ſelbſt von uns/ nicht aber von Galaten/
dem getraͤumten Sohne des Hercules entſproſ-
ſen. Ja von den alten Griechen und Roͤmern
alles/ was zwiſchen dem Pyreneiſchen Gebuͤr-
ge biß an das ſchwartze Meer und die Oſt-See
lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und
alſo die Deutſchen insgemein fuͤr Gallier gehal-
ten/ dieſe aber zu Nachbarn der Scythen ge-
macht worden; da doch der Rhein die eigentli-
che Graͤntze der Gallier und Deutſchen iſt.
Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein
Theil von des Javans Nachkommen aus de-
nen Egeiſchen Eylanden/ und hernach die fuͤr
dem Perſiſchen Joche ſich fluͤchtenden Pho-
caͤer/ nach dem ſie vorher mit dem Roͤmiſchen
Koͤnige Tarqvinius ein Buͤndnuͤß gemacht/
an dem Rhodan nieder gelaſſen haͤtten. Und
eben dieſe Vermiſchung iſt hernach die Urſache
der zwiſchen dieſen beyden verſchwiſterten Voͤl-
ckern itzigen ſo merckwuͤrdigen Unaͤhnligkeit
und vieler andern Verenderungen geweſt. Es
iſt bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/
ungeachtet ſie ſich mit einem Weibe vergnuͤgen/
viel fruchtbarer als die des heiſſen Sudſtrichs
ſind. Aus dieſer Urſache ward Deutſchland/
Sarmatien und Gallien ſeinen Voͤlckern end-
lich zu klein/ und daher entſtanden zwiſchen de-
nen Deutſchen/ und denen nicht minder frucht-
baren Sarmatern der Graͤntzen halber die er-
ſten Kriege; Wiewol dieſe zwey ſtreitbare Voͤl-
cker ſich auch mehrmals mit einander vereinbar-
ten/ und der uͤbrigen Welt gegen einander ein
Schrecken einjagten. Jnſonderheit kam Ga-
lathes/ der Deutſchen Koͤnig/ zur Zeit des zu
Troja herſchenden Jlus/ ſeiner Macht und
Tapfferkeit wegen in groſſes Anſehen; und was
die aus Deutſchland entſproſſenen Amazonen in
Aſien und Africa fuͤr Wunder gethan/ iſt ohne
[Spaltenumbruch] diß Weltkuͤndig. Weil nun die ſich in Gallien
vermehrenden Voͤlcker wegen der ihnen im
Wege ſtehenden zweyen Meere und Gebuͤrge
nicht ſo wol ausbreiten konten/ wurden die aus
Deutſchland in Gallien gekommenen/ und
ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter
dem Gebiete des Koͤnigs der Biluriger Ambi-
gat genoͤthigt/ die Deutſchen anzuflehen: ſie
moͤchten ihnen ein Stuͤcke Landes in ihrem al-
ten Vaterlande einraͤumen. Worauf ſich ih-
rer viel tauſend unter dem Heerfuͤhrer Sigove-
fus/ des Koͤnigs Schweſter Sohne/ in dem ih-
nen angewieſenen Hercyniſchen Walde an dem
Muldau-Strome niederlieſſen/ auch alldar
blieben ſind/ biß ſie unlaͤngſt der Marckmaͤnner
Koͤnig Marobod uͤber die Donau vertrieben
hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem
volckreichen Deutſchlande raum hatten/ traf
des Sigoveſus Bruder/ den Belloveſus/ das
Looß/ uͤber denen Himmel-hohen Alpen/ wel-
ches fuͤr ihm kein Menſch als Hercules uͤberſtie-
gen haben ſolte/ eine Wohnſtadt zu ſuchen. Zu
den Bojen ſchlugen ſich viel tauſend Schwaben
und Alemaͤnner; iedoch ſchiene der gantzen
Welt Macht nicht genung zu ſeyn/ durch die
Mauern Jtaliens/ nemlich die ſo ſteilen und von
der Natur mit unvergaͤnglichem Schnee ver-
wahrten Gebuͤrge einen Weg zu brechen. Sie
verſuchten an vielen Orten/ aber vergebens.
Endlich fand ſich zum Belloveß ein Helvitiſcheꝛ
Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und
getrocknete Feigen/ friſche Weintrauben/ Oel/
und andere denen Deutſchen unbekandte und
fuͤr ein Meer-Wunder gehaltene Fruͤchte mit
brachte/ und darmit den Bojen und Deutſchen
die Zaͤhne ſehr waͤßricht machte. Die Luͤſtern-
heit nach ſo ſuͤſſer Koſt/ und nach einem ſo gluͤckli-
chen Lande ſchloß ihnen die Alpen auf; ungeach-
tet ſonſt der vom Elico gewieſene Fußſteig fuͤr ein
ſo groſſes Volck viel zu enge oder zu beſchwerlich
geweſt waͤre. Alſo fanden ſie durch die Taurini-
ſchen Steinkluͤffte den Eingang gleichſam in ei-
ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi-

nius
Z z z z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0795" n="733[735]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
al&#x017F;o: daß Mitternacht die Scheide der Vo&#x0364;l-<lb/>
cker genennet zu werden verdienet hat. Un-<lb/>
ter die&#x017F;en Deut&#x017F;chen Propfrei&#x017F;ern &#x017F;ind die er-<lb/>
&#x017F;ten gewe&#x017F;en die Gallier; welcher Sprache<lb/>
noch ein Kennzeichen i&#x017F;t: daß &#x017F;o wol &#x017F;ie als das<lb/>
Volck &#x017F;elb&#x017F;t von uns/ nicht aber von Galaten/<lb/>
dem getra&#x0364;umten Sohne des Hercules ent&#x017F;pro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Ja von den alten Griechen und Ro&#x0364;mern<lb/>
alles/ was zwi&#x017F;chen dem Pyrenei&#x017F;chen Gebu&#x0364;r-<lb/>
ge biß an das &#x017F;chwartze Meer und die O&#x017F;t-See<lb/>
lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und<lb/>
al&#x017F;o die Deut&#x017F;chen insgemein fu&#x0364;r Gallier gehal-<lb/>
ten/ die&#x017F;e aber zu Nachbarn der Scythen ge-<lb/>
macht worden; da doch der Rhein die eigentli-<lb/>
che Gra&#x0364;ntze der Gallier und Deut&#x017F;chen i&#x017F;t.<lb/>
Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein<lb/>
Theil von des Javans Nachkommen aus de-<lb/>
nen Egei&#x017F;chen Eylanden/ und hernach die fu&#x0364;r<lb/>
dem Per&#x017F;i&#x017F;chen Joche &#x017F;ich flu&#x0364;chtenden Pho-<lb/>
ca&#x0364;er/ nach dem &#x017F;ie vorher mit dem Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Ko&#x0364;nige Tarqvinius ein Bu&#x0364;ndnu&#x0364;ß gemacht/<lb/>
an dem Rhodan nieder gela&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tten. Und<lb/>
eben die&#x017F;e Vermi&#x017F;chung i&#x017F;t hernach die Ur&#x017F;ache<lb/>
der zwi&#x017F;chen die&#x017F;en beyden ver&#x017F;chwi&#x017F;terten Vo&#x0364;l-<lb/>
ckern itzigen &#x017F;o merckwu&#x0364;rdigen Una&#x0364;hnligkeit<lb/>
und vieler andern Verenderungen gewe&#x017F;t. Es<lb/>
i&#x017F;t bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/<lb/>
ungeachtet &#x017F;ie &#x017F;ich mit einem Weibe vergnu&#x0364;gen/<lb/>
viel fruchtbarer als die des hei&#x017F;&#x017F;en Sud&#x017F;trichs<lb/>
&#x017F;ind. Aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache ward Deut&#x017F;chland/<lb/>
Sarmatien und Gallien &#x017F;einen Vo&#x0364;lckern end-<lb/>
lich zu klein/ und daher ent&#x017F;tanden zwi&#x017F;chen de-<lb/>
nen Deut&#x017F;chen/ und denen nicht minder frucht-<lb/>
baren Sarmatern der Gra&#x0364;ntzen halber die er-<lb/>
&#x017F;ten Kriege; Wiewol die&#x017F;e zwey &#x017F;treitbare Vo&#x0364;l-<lb/>
cker &#x017F;ich auch mehrmals mit einander vereinbar-<lb/>
ten/ und der u&#x0364;brigen Welt gegen einander ein<lb/>
Schrecken einjagten. Jn&#x017F;onderheit kam Ga-<lb/>
lathes/ der Deut&#x017F;chen Ko&#x0364;nig/ zur Zeit des zu<lb/>
Troja her&#x017F;chenden Jlus/ &#x017F;einer Macht und<lb/>
Tapfferkeit wegen in gro&#x017F;&#x017F;es An&#x017F;ehen; und was<lb/>
die aus Deut&#x017F;chland ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;enen Amazonen in<lb/>
A&#x017F;ien und Africa fu&#x0364;r Wunder gethan/ i&#x017F;t ohne<lb/><cb/>
diß Weltku&#x0364;ndig. Weil nun die &#x017F;ich in Gallien<lb/>
vermehrenden Vo&#x0364;lcker wegen der ihnen im<lb/>
Wege &#x017F;tehenden zweyen Meere und Gebu&#x0364;rge<lb/>
nicht &#x017F;o wol ausbreiten konten/ wurden die aus<lb/>
Deut&#x017F;chland in Gallien gekommenen/ und<lb/>
ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter<lb/>
dem Gebiete des Ko&#x0364;nigs der Biluriger Ambi-<lb/>
gat geno&#x0364;thigt/ die Deut&#x017F;chen anzuflehen: &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;chten ihnen ein Stu&#x0364;cke Landes in ihrem al-<lb/>
ten Vaterlande einra&#x0364;umen. Worauf &#x017F;ich ih-<lb/>
rer viel tau&#x017F;end unter dem Heerfu&#x0364;hrer Sigove-<lb/>
fus/ des Ko&#x0364;nigs Schwe&#x017F;ter Sohne/ in dem ih-<lb/>
nen angewie&#x017F;enen Hercyni&#x017F;chen Walde an dem<lb/>
Muldau-Strome niederlie&#x017F;&#x017F;en/ auch alldar<lb/>
blieben &#x017F;ind/ biß &#x017F;ie unla&#x0364;ng&#x017F;t der Marckma&#x0364;nner<lb/>
Ko&#x0364;nig Marobod u&#x0364;ber die Donau vertrieben<lb/>
hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem<lb/>
volckreichen Deut&#x017F;chlande raum hatten/ traf<lb/>
des Sigove&#x017F;us Bruder/ den Bellove&#x017F;us/ das<lb/>
Looß/ u&#x0364;ber denen Himmel-hohen Alpen/ wel-<lb/>
ches fu&#x0364;r ihm kein Men&#x017F;ch als Hercules u&#x0364;ber&#x017F;tie-<lb/>
gen haben &#x017F;olte/ eine Wohn&#x017F;tadt zu &#x017F;uchen. Zu<lb/>
den Bojen &#x017F;chlugen &#x017F;ich viel tau&#x017F;end Schwaben<lb/>
und Alema&#x0364;nner; iedoch &#x017F;chiene der gantzen<lb/>
Welt Macht nicht genung zu &#x017F;eyn/ durch die<lb/>
Mauern Jtaliens/ nemlich die &#x017F;o &#x017F;teilen und von<lb/>
der Natur mit unverga&#x0364;nglichem Schnee ver-<lb/>
wahrten Gebu&#x0364;rge einen Weg zu brechen. Sie<lb/>
ver&#x017F;uchten an vielen Orten/ aber vergebens.<lb/>
Endlich fand &#x017F;ich zum Belloveß ein Helviti&#x017F;che&#xA75B;<lb/>
Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und<lb/>
getrocknete Feigen/ fri&#x017F;che Weintrauben/ Oel/<lb/>
und andere denen Deut&#x017F;chen unbekandte und<lb/>
fu&#x0364;r ein Meer-Wunder gehaltene Fru&#x0364;chte mit<lb/>
brachte/ und darmit den Bojen und Deut&#x017F;chen<lb/>
die Za&#x0364;hne &#x017F;ehr wa&#x0364;ßricht machte. Die Lu&#x0364;&#x017F;tern-<lb/>
heit nach &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Ko&#x017F;t/ und nach einem &#x017F;o glu&#x0364;ckli-<lb/>
chen Lande &#x017F;chloß ihnen die Alpen auf; ungeach-<lb/>
tet &#x017F;on&#x017F;t der vom Elico gewie&#x017F;ene Fuß&#x017F;teig fu&#x0364;r ein<lb/>
&#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;es Volck viel zu enge oder zu be&#x017F;chwerlich<lb/>
gewe&#x017F;t wa&#x0364;re. Al&#x017F;o fanden &#x017F;ie durch die Taurini-<lb/>
&#x017F;chen Steinklu&#x0364;ffte den Eingang gleich&#x017F;am in ei-<lb/>
ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z z z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nius</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[733[735]/0795] Arminius und Thußnelda. alſo: daß Mitternacht die Scheide der Voͤl- cker genennet zu werden verdienet hat. Un- ter dieſen Deutſchen Propfreiſern ſind die er- ſten geweſen die Gallier; welcher Sprache noch ein Kennzeichen iſt: daß ſo wol ſie als das Volck ſelbſt von uns/ nicht aber von Galaten/ dem getraͤumten Sohne des Hercules entſproſ- ſen. Ja von den alten Griechen und Roͤmern alles/ was zwiſchen dem Pyreneiſchen Gebuͤr- ge biß an das ſchwartze Meer und die Oſt-See lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und alſo die Deutſchen insgemein fuͤr Gallier gehal- ten/ dieſe aber zu Nachbarn der Scythen ge- macht worden; da doch der Rhein die eigentli- che Graͤntze der Gallier und Deutſchen iſt. Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein Theil von des Javans Nachkommen aus de- nen Egeiſchen Eylanden/ und hernach die fuͤr dem Perſiſchen Joche ſich fluͤchtenden Pho- caͤer/ nach dem ſie vorher mit dem Roͤmiſchen Koͤnige Tarqvinius ein Buͤndnuͤß gemacht/ an dem Rhodan nieder gelaſſen haͤtten. Und eben dieſe Vermiſchung iſt hernach die Urſache der zwiſchen dieſen beyden verſchwiſterten Voͤl- ckern itzigen ſo merckwuͤrdigen Unaͤhnligkeit und vieler andern Verenderungen geweſt. Es iſt bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/ ungeachtet ſie ſich mit einem Weibe vergnuͤgen/ viel fruchtbarer als die des heiſſen Sudſtrichs ſind. Aus dieſer Urſache ward Deutſchland/ Sarmatien und Gallien ſeinen Voͤlckern end- lich zu klein/ und daher entſtanden zwiſchen de- nen Deutſchen/ und denen nicht minder frucht- baren Sarmatern der Graͤntzen halber die er- ſten Kriege; Wiewol dieſe zwey ſtreitbare Voͤl- cker ſich auch mehrmals mit einander vereinbar- ten/ und der uͤbrigen Welt gegen einander ein Schrecken einjagten. Jnſonderheit kam Ga- lathes/ der Deutſchen Koͤnig/ zur Zeit des zu Troja herſchenden Jlus/ ſeiner Macht und Tapfferkeit wegen in groſſes Anſehen; und was die aus Deutſchland entſproſſenen Amazonen in Aſien und Africa fuͤr Wunder gethan/ iſt ohne diß Weltkuͤndig. Weil nun die ſich in Gallien vermehrenden Voͤlcker wegen der ihnen im Wege ſtehenden zweyen Meere und Gebuͤrge nicht ſo wol ausbreiten konten/ wurden die aus Deutſchland in Gallien gekommenen/ und ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter dem Gebiete des Koͤnigs der Biluriger Ambi- gat genoͤthigt/ die Deutſchen anzuflehen: ſie moͤchten ihnen ein Stuͤcke Landes in ihrem al- ten Vaterlande einraͤumen. Worauf ſich ih- rer viel tauſend unter dem Heerfuͤhrer Sigove- fus/ des Koͤnigs Schweſter Sohne/ in dem ih- nen angewieſenen Hercyniſchen Walde an dem Muldau-Strome niederlieſſen/ auch alldar blieben ſind/ biß ſie unlaͤngſt der Marckmaͤnner Koͤnig Marobod uͤber die Donau vertrieben hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem volckreichen Deutſchlande raum hatten/ traf des Sigoveſus Bruder/ den Belloveſus/ das Looß/ uͤber denen Himmel-hohen Alpen/ wel- ches fuͤr ihm kein Menſch als Hercules uͤberſtie- gen haben ſolte/ eine Wohnſtadt zu ſuchen. Zu den Bojen ſchlugen ſich viel tauſend Schwaben und Alemaͤnner; iedoch ſchiene der gantzen Welt Macht nicht genung zu ſeyn/ durch die Mauern Jtaliens/ nemlich die ſo ſteilen und von der Natur mit unvergaͤnglichem Schnee ver- wahrten Gebuͤrge einen Weg zu brechen. Sie verſuchten an vielen Orten/ aber vergebens. Endlich fand ſich zum Belloveß ein Helvitiſcheꝛ Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und getrocknete Feigen/ friſche Weintrauben/ Oel/ und andere denen Deutſchen unbekandte und fuͤr ein Meer-Wunder gehaltene Fruͤchte mit brachte/ und darmit den Bojen und Deutſchen die Zaͤhne ſehr waͤßricht machte. Die Luͤſtern- heit nach ſo ſuͤſſer Koſt/ und nach einem ſo gluͤckli- chen Lande ſchloß ihnen die Alpen auf; ungeach- tet ſonſt der vom Elico gewieſene Fußſteig fuͤr ein ſo groſſes Volck viel zu enge oder zu beſchwerlich geweſt waͤre. Alſo fanden ſie durch die Taurini- ſchen Steinkluͤffte den Eingang gleichſam in ei- ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi- nius Z z z z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/795
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 733[735]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/795>, abgerufen am 29.06.2024.