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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Gebürge einen Kreiß Landes einzuräumen.
Dahingegen setzte sich ein Theil der Semnoner
umb den Berg Abnoba an der Celten statt unter
dem Nahmen der Marckmänner nieder. Denn
der Bisuntische König Sigwin muste seine Toch-
ter dem Hertzog Brennus vermählen/ und ihm
die Stadt Aventicum mit dem Landstriche zwi-
schen dem Flusse Arola und Urbe zum Heyraths-
Gute abtreten. Des Brennus Ehrsucht ward
durch die wider die Gallier und Massilier erhal-
tene Siege so wenig als das Feuer durch grosse
Klufften Holtz ersättiget. Sein voriger Ge-
winn war nur ein Zunder der Begierde mehr zu
gewinnen; und weil in Deutschland alle Lieder
des Bellovesus/ des Elitoco/ des Medon und
Lingo Helden-Thaten eben so/ wie des Tuisco
und des Hercules heraus strichen/ hielte er sich
unwerth den Fürsten-Nahmen zu führen/ und
seine Schwaben nicht werth: daß sie Deutschen
hiessen; wenn sie nicht auch über die Alpen stie-
gen. Welches dazumal in Deutschland eben
so hoch; als bey den Griechen/ wenn sie nach Col-
chis segelten/ geachtet ward. Ja es war ihm
verächtlich in anderer Fußstapfen zu treten/ und
daher suchte er ihm mit drey hundert tausend
Schwaben einen neuen Weg/ setzte über die
Donau/ ging durch das nunmehr auch mit
Deutschen besämete Norich/ und über den Berg
Alpius; von dem er an dem Strome Plavis
herab/ folgends durch das Gebiete der von Tro-
ja an das Adriatische Meer gekommenen Vene-
ter über den Po fortging; und weil er es bey sei-
nen Landesleuten nicht gedrange machen wolte/
am allerersten das Apenninische Gebürge
überstieg. Die allhier ohne diß ins Gedränge ge-
brachten Umbrier/ welche nunmehr nicht mehr
Land/ sondern alleine diesen letzten Winckel ih-
res vorhin weiten Gebietes nebst der Freyheit
und dem Leben zu verlieren hatten; boten mit ih-
rer eusersten Macht ihm an dem Flusse Pisaurus
die Stirne/ gelobten auch dem Glücke an dem
Adriatischen Meer auf Einrathen ihrer Wahr-
[Spaltenumbruch] sager einen Tempel. Alleine die Tapferkeit über-
wieget aller Oerter Vortheil/ und das Verhäng-
nüß den Aberglauben. Die Semnoner setzten
im ersten Anfalle an dreyen Orthen über den
Fluß/ und zwangen die Semnoner zu weichen.
Turnus/ der Umbrier Hertzog/ hielt zwar an-
fangs am Rücken seines Heeres/ und dräute den
als seinen Feind zu empfangen/ welcher ihm das
Antlitz/ und dem Feinde den Rücken kehren wür-
de. Aber die Noth zwang ihn bey Zeite für seinem
wanckenden Heer sich an die Spitze zu stellen. Er
selbst ergrieff einen seiner Fähnriche/ als er gegen
die Deutschen fortzurücken stutzte/ bey dem Ar-
me/ und führte ihn an; einen flüchtigen Kriegs-
Obersten erstach er mit eigner Hand. Und
weil alle Umbrier für dem blossen Anblicke des
wie der Blitz alles zu Bodem schlagenden
Brennus zurücke wiechen/ begegnete er ihm
mit dem Kerne seines Adels/ mit einer Ruhms-
würdigen Hertzhaftigkeit. Allein es giebet unter
den Gestirnen sechserley/ unter den Helden aber
noch mehr unterschiedene Grössen. Jeder Stern
hat seine Vollkommenheit; gegen der Sonnen
aber zeigen sie durch Verschwindung ihre Ge-
brechen. Nicht anders ereignete sich zwischen
dem Brennus und Turnus/ indem diesem von
jenem nach einem merckwürdigen Kampfe das
Licht ausgelescht ward. Mit diesem Strei-
che wurden dem Umbrischen Heere zugleich
alle Spann-Adern verschnitten. Denn die
hurtigsten hielten noch die Flucht für das euserste
Merckmal ihrer Treue; die meisten aber/ und
insonderheit die umb Sold geworbenen/ warf-
fen die Waffen weg/ und fielen dem Sieger zu
Fusse/ und bothen ihm als einem glücklichen
Uberwinder ihre Dienste an. Sintemal die/
welche nicht aus Liebe des Vaterlandes/ noch
aus einem Eifer für den Wohlstand ihres Her-
ren/ und aus Begierde der Ehre fechten/ sich
nicht bekümmern/ wem sie dienen/ sondern nur
für was. Es ist nicht ohne/ fing Zeno an:
daß geworbene und umb Sold dienende

Kriegs-
A a a a a 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Gebuͤrge einen Kreiß Landes einzuraͤumen.
Dahingegen ſetzte ſich ein Theil der Semnoner
umb den Berg Abnoba an der Celten ſtatt unter
dem Nahmen der Marckmaͤnner nieder. Denn
der Biſuntiſche Koͤnig Sigwin muſte ſeine Toch-
ter dem Hertzog Brennus vermaͤhlen/ und ihm
die Stadt Aventicum mit dem Landſtriche zwi-
ſchen dem Fluſſe Arola und Urbe zum Heyraths-
Gute abtreten. Des Brennus Ehrſucht ward
durch die wider die Gallier und Maſſilier erhal-
tene Siege ſo wenig als das Feuer durch groſſe
Klufften Holtz erſaͤttiget. Sein voriger Ge-
winn war nur ein Zunder der Begierde mehr zu
gewinnen; und weil in Deutſchland alle Lieder
des Belloveſus/ des Elitoco/ des Medon und
Lingo Helden-Thaten eben ſo/ wie des Tuiſco
und des Hercules heraus ſtrichen/ hielte er ſich
unwerth den Fuͤrſten-Nahmen zu fuͤhren/ und
ſeine Schwaben nicht werth: daß ſie Deutſchen
hieſſen; wenn ſie nicht auch uͤber die Alpen ſtie-
gen. Welches dazumal in Deutſchland eben
ſo hoch; als bey den Griechen/ wenn ſie nach Col-
chis ſegelten/ geachtet ward. Ja es war ihm
veraͤchtlich in anderer Fußſtapfen zu treten/ und
daher ſuchte er ihm mit drey hundert tauſend
Schwaben einen neuen Weg/ ſetzte uͤber die
Donau/ ging durch das nunmehr auch mit
Deutſchen beſaͤmete Norich/ und uͤber den Berg
Alpius; von dem er an dem Strome Plavis
herab/ folgends durch das Gebiete der von Tro-
ja an das Adriatiſche Meer gekommenen Vene-
ter uͤber den Po fortging; und weil er es bey ſei-
nen Landesleuten nicht gedrange machen wolte/
am allererſten das Apenniniſche Gebuͤrge
uͤberſtieg. Die allhier ohne diß ins Gedraͤnge ge-
brachten Umbrier/ welche nunmehr nicht mehr
Land/ ſondern alleine dieſen letzten Winckel ih-
res vorhin weiten Gebietes nebſt der Freyheit
und dem Leben zu verlieren hatten; boten mit ih-
rer euſerſten Macht ihm an dem Fluſſe Piſaurus
die Stirne/ gelobten auch dem Gluͤcke an dem
Adriatiſchen Meer auf Einrathen ihrer Wahr-
[Spaltenumbruch] ſager einen Tempel. Alleine die Tapferkeit uͤber-
wieget aller Oerter Vortheil/ und das Verhaͤng-
nuͤß den Aberglauben. Die Semnoner ſetzten
im erſten Anfalle an dreyen Orthen uͤber den
Fluß/ und zwangen die Semnoner zu weichen.
Turnus/ der Umbrier Hertzog/ hielt zwar an-
fangs am Ruͤcken ſeines Heeres/ und draͤute den
als ſeinen Feind zu empfangen/ welcher ihm das
Antlitz/ und dem Feinde den Ruͤcken kehren wuͤr-
de. Aber die Noth zwang ihn bey Zeite fuͤr ſeinem
wanckenden Heer ſich an die Spitze zu ſtellen. Er
ſelbſt ergrieff einen ſeiner Faͤhnriche/ als er gegen
die Deutſchen fortzuruͤcken ſtutzte/ bey dem Ar-
me/ und fuͤhrte ihn an; einen fluͤchtigen Kriegs-
Oberſten erſtach er mit eigner Hand. Und
weil alle Umbrier fuͤr dem bloſſen Anblicke des
wie der Blitz alles zu Bodem ſchlagenden
Brennus zuruͤcke wiechen/ begegnete er ihm
mit dem Kerne ſeines Adels/ mit einer Ruhms-
wuͤrdigen Hertzhaftigkeit. Allein es giebet unter
den Geſtirnen ſechſerley/ unter den Helden aber
noch mehr unterſchiedene Groͤſſen. Jeder Stern
hat ſeine Vollkommenheit; gegen der Sonnen
aber zeigen ſie durch Verſchwindung ihre Ge-
brechen. Nicht anders ereignete ſich zwiſchen
dem Brennus und Turnus/ indem dieſem von
jenem nach einem merckwuͤrdigen Kampfe das
Licht ausgeleſcht ward. Mit dieſem Strei-
che wurden dem Umbriſchen Heere zugleich
alle Spann-Adern verſchnitten. Denn die
hurtigſten hielten noch die Flucht fuͤr das euſerſte
Merckmal ihrer Treue; die meiſten aber/ und
inſonderheit die umb Sold geworbenen/ warf-
fen die Waffen weg/ und fielen dem Sieger zu
Fuſſe/ und bothen ihm als einem gluͤcklichen
Uberwinder ihre Dienſte an. Sintemal die/
welche nicht aus Liebe des Vaterlandes/ noch
aus einem Eifer fuͤr den Wohlſtand ihres Her-
ren/ und aus Begierde der Ehre fechten/ ſich
nicht bekuͤmmern/ wem ſie dienen/ ſondern nur
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 739[741]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/801>, abgerufen am 22.11.2024.