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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] hat nicht jener Carthaginenser sich durch abge-
richtete Vögel gar für einen Gott ausruffen las-
sen? Ja wie soll diß auff was beständiges zu
gründen seyn/ das so gar widrig ausgedeutet
wird? Die Hetrurier geben bey dem Vogel-
Fluge auff Ost/ die Römer auff West/ die Deut-
schen auff den Nord acht. Die Eule ist den A-
theniensern ein Glücks-den Römern ein Un-
glücks-Vogel; und sie solte ihre Niederlage bey
Numantia angekündigt haben. Die auff des
Hiero Spieß sitzende Nacht-Eule soll ihm die
Königliche Würde angedeutet; und des Aga-
thacles Heer als ein Siegs-Zeichen auffgemun-
tert/ hingegen aber/ als sie sich auff des Pyrrhus
Lantze gesetzet/ ihm den Tod bedeutet haben. Die-
semnach sich Cato wunderte: daß die Wahrsa-
ger/ welche auff die Vögel acht hätten/ nicht selbst
über ihre Eitelkeiten oder Betrügereyen lachen
müsten. Und Hannibal verwieß es dem Kö-
nige Prusias ins Antlitz: daß er einem Stücke
Kalbfleische/ und einer unvernünfftigen Eule
mehr/ als einem erfahrnen Feldhauptmanne
Glauben beymaß. Hingegen wurden Ma-
mertius und Amilcar von den Vogeln und de-
nen/ welche ihre Sprache zu verstehen/ und aus
fremdem Gehirne mehr als aus eigenem zu ver-
stehen meinten/ hefftig betrogen; indem jener
zwar ins feindliche Läger/ dieser in Siracusa/
beyde aber als Gefangene darein kamen. Der
Mißbrauch eines Dinges/ antwortete Adgan-
dester/ macht die Sache und den rechten Ge-
brauch nicht alsofort verwerfflich. Der Unter-
scheid in Auslegungen solcher Zeichen hat auch
nichts zu bedeuten. Sintemal die Vögel nicht
aus ihrer eigenen Wahl die Menschen leiten/
auch nicht des albern Pöfels Meinung nach/ ih-
res hohen Fluges halber die göttlichen Rath-
schlüsse ausforschen; sondern Gott leitet die Vo-
gel: daß sie nach der Auslegung ein oder andern
Volckes ihren Flug oder ihr Geschrey zur Nach-
richt künfftiger Begebnisse einrichten. Sind al-
so die Vögel auff eben die Art/ als die Träume/
[Spaltenumbruch] oder die Wahrsager-Bilder/ wie auch die weissa-
genden Tauben zu Dodona Werckzeuge göttli-
cher Offenbarungen. Dieser hätte sich das tieffste
Alterthum/ und fast alle Völcker der Welt/ Deu-
caleon auch schon in der grossen Wasser-Ergies-
sung einer Taube und eines Rabens bedienet.
Wiewohl auch die Deutschen abergläubischen
Dingen sehr unhold sind; so haben sie doch nichts
minder die Wahrsagung der Vögel von un-
dencklicher Zeit hoch gehalten/ und in dieser
Weißheit sich geübet. Und ob unsere weisen
Frauen zwar auch aus dem Geräusche des Was-
sers künfftig Ding zu sagen wissen; verdient doch
jene Weissagung grössern Glauben/ und weicht
keiner andern/ als die/ welche aus dem Wiegern
und der Bewegung der weissen heiligen Pferde
angemerckt wird. Zeno begegnete ihm: Es be-
fremdet mich: daß die in Glaubens-Sachen
sonst so mäßigen Deutschen hierinnen so leicht-
gläubig sind; indem doch darbey so wenig Ge-
wißheit zu finden und kein Alterthum die Jrr-
thümer zur Warheit macht. Jch widerspreche
zwar nicht: daß die Götter nicht offtmahls den
Menschen künfftige Dinge zu ihrer Warni-
gung offenbaren; aber den Vorwitz von sich selbst
in die Geheimnisse des ewigen Verhängnißes
zu sehen/ weiß ich wohl nicht zu billichen. Denn
die Wissenschafft künfftiger Begebnisse ist ein
Vorrecht der Götter. Und unser Polemon hat
durch sein trauriges Ende diese Vermessenheit
augenscheinlich gebüsset/ der Welt aber ein Bey-
spiel gelassen: daß die/ welche hierinnen Luchs-
Augen zu haben vermeinen/ weniger als die
Maulwürffe sehen. Adgandester fing hierauf
mit einer lächelnden Bescheidenheit an: Gleich-
wohl aber traff der Hetrurischen Wahrsager An-
deutung ein. Denn die belägerten Clusier/ welche
fürtreffliche Künstler und Baumeister waren/
also: daß sie die Römer darmit versorgten/ hiel-
ten die Semnoner mit Fallbrücken/ grossen
Schleudern/ und insonderheit mit unglaublich
geschwinder Ausbesserung der zerschelleten

Mau-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] hat nicht jener Carthaginenſer ſich durch abge-
richtete Voͤgel gar fuͤr einen Gott ausruffen laſ-
ſen? Ja wie ſoll diß auff was beſtaͤndiges zu
gruͤnden ſeyn/ das ſo gar widrig ausgedeutet
wird? Die Hetrurier geben bey dem Vogel-
Fluge auff Oſt/ die Roͤmer auff Weſt/ die Deut-
ſchen auff den Nord acht. Die Eule iſt den A-
thenienſern ein Gluͤcks-den Roͤmern ein Un-
gluͤcks-Vogel; und ſie ſolte ihre Niederlage bey
Numantia angekuͤndigt haben. Die auff des
Hiero Spieß ſitzende Nacht-Eule ſoll ihm die
Koͤnigliche Wuͤrde angedeutet; und des Aga-
thacles Heer als ein Siegs-Zeichen auffgemun-
tert/ hingegen aber/ als ſie ſich auff des Pyrrhus
Lantze geſetzet/ ihm den Tod bedeutet haben. Die-
ſemnach ſich Cato wunderte: daß die Wahrſa-
ger/ welche auff die Voͤgel acht haͤtten/ nicht ſelbſt
uͤber ihre Eitelkeiten oder Betruͤgereyen lachen
muͤſten. Und Hannibal verwieß es dem Koͤ-
nige Pruſias ins Antlitz: daß er einem Stuͤcke
Kalbfleiſche/ und einer unvernuͤnfftigen Eule
mehr/ als einem erfahrnen Feldhauptmanne
Glauben beymaß. Hingegen wurden Ma-
mertius und Amilcar von den Vogeln und de-
nen/ welche ihre Sprache zu verſtehen/ und aus
fremdem Gehirne mehr als aus eigenem zu veꝛ-
ſtehen meinten/ hefftig betrogen; indem jener
zwar ins feindliche Laͤger/ dieſer in Siracuſa/
beyde aber als Gefangene darein kamen. Der
Mißbrauch eines Dinges/ antwortete Adgan-
deſter/ macht die Sache und den rechten Ge-
brauch nicht alſofort verwerfflich. Der Unter-
ſcheid in Auslegungen ſolcher Zeichen hat auch
nichts zu bedeuten. Sintemal die Voͤgel nicht
aus ihrer eigenen Wahl die Menſchen leiten/
auch nicht des albern Poͤfels Meinung nach/ ih-
res hohen Fluges halber die goͤttlichen Rath-
ſchluͤſſe ausforſchen; ſondern Gott leitet die Vo-
gel: daß ſie nach der Auslegung ein oder andern
Volckes ihren Flug oder ihr Geſchrey zur Nach-
richt kuͤnfftiger Begebniſſe einrichten. Sind al-
ſo die Voͤgel auff eben die Art/ als die Traͤume/
[Spaltenumbruch] oder die Wahrſager-Bilder/ wie auch die weiſſa-
genden Tauben zu Dodona Werckzeuge goͤttli-
cher Offenbarungen. Dieſer haͤtte ſich das tieffſte
Alterthum/ und faſt alle Voͤlcker der Welt/ Deu-
caleon auch ſchon in der groſſen Waſſer-Ergieſ-
ſung einer Taube und eines Rabens bedienet.
Wiewohl auch die Deutſchen aberglaͤubiſchen
Dingen ſehr unhold ſind; ſo haben ſie doch nichts
minder die Wahrſagung der Voͤgel von un-
dencklicher Zeit hoch gehalten/ und in dieſer
Weißheit ſich geuͤbet. Und ob unſere weiſen
Frauen zwaꝛ auch aus dem Geraͤuſche des Waſ-
ſers kuͤnfftig Ding zu ſagen wiſſen; verdient doch
jene Weiſſagung groͤſſern Glauben/ und weicht
keiner andern/ als die/ welche aus dem Wiegern
und der Bewegung der weiſſen heiligen Pferde
angemerckt wird. Zeno begegnete ihm: Es be-
fremdet mich: daß die in Glaubens-Sachen
ſonſt ſo maͤßigen Deutſchen hierinnen ſo leicht-
glaͤubig ſind; indem doch darbey ſo wenig Ge-
wißheit zu finden und kein Alterthum die Jrr-
thuͤmer zur Warheit macht. Jch widerſpreche
zwar nicht: daß die Goͤtter nicht offtmahls den
Menſchen kuͤnfftige Dinge zu ihrer Warni-
gung offenbaren; aber den Vorwitz von ſich ſelbſt
in die Geheimniſſe des ewigen Verhaͤngnißes
zu ſehen/ weiß ich wohl nicht zu billichen. Denn
die Wiſſenſchafft kuͤnfftiger Begebniſſe iſt ein
Vorrecht der Goͤtter. Und unſer Polemon hat
durch ſein trauriges Ende dieſe Vermeſſenheit
augenſcheinlich gebuͤſſet/ der Welt aber ein Bey-
ſpiel gelaſſen: daß die/ welche hierinnen Luchs-
Augen zu haben vermeinen/ weniger als die
Maulwuͤrffe ſehen. Adgandeſter fing hierauf
mit einer laͤchelnden Beſcheidenheit an: Gleich-
wohl aber traff der Hetruriſchen Wahrſager An-
deutung ein. Denn die belaͤgerten Cluſier/ welche
fuͤrtreffliche Kuͤnſtler und Baumeiſter waren/
alſo: daß ſie die Roͤmer darmit verſorgten/ hiel-
ten die Semnoner mit Fallbruͤcken/ groſſen
Schleudern/ und inſonderheit mit unglaublich
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 746[748]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/808>, abgerufen am 22.11.2024.