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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] noen ihm gönnte/ und mit einem so mächtigen
Könige in Verwandniß zu kommen verlangte; so
müste er doch aus auffrichtigem Gemüthe ihm
diese Heyrath wiederrathen. Denn ob sie wol
seine Schwester/ und ihrer Schönheit halber ein
Meisterstücke der Natur wäre; bliebe doch ihre
Seele ein Begriff aller Laster/ und ein Ebenbild
der höllischen Unholden. Sintemal sie nicht
nur die meisten aus den funffzehn Kindern des
Lysimachus/ und darunter ihren Stieff-Sohn
Agathocles/ der in so vielen Kriegen seine Tapf-
ferkeit erwiesen hatte/ und vom Lysimachus zum
Reichs-Erben bestimmt war/ sondern auch ihren
Ehherrn selbst durch Gifft getödtet hätte. Arsi-
noen aber schrieb er in geheim: Sie möchte dem
Belgius/ welcher einem Räuber ähnlicher als ei-
nem Fürsten wäre/ und dessen Volck von keinen
Gesetzen wüste/ sich nicht vermählen/ und dar-
durch so wohl ihr Reich als ihre Kinder/ darum
es ihm allein zu thun wäre/ nicht in augenschein-
liche Gefahr setzen/ noch auch ihr den Haß aller
wohlgesitteten Völcker/ welche für den rauhen
Deutschen eine Abscheu hätten/ auff den Hals
ziehen. Wiewol auch nun Arsinoe mit ihrem
Bruder eine zeitlang Krieg geführt hatte/ ihr
auch sein herrschsüchtiges Gemüthe nicht unbe-
kant war/ nahm sie doch ihres Bruders Rath-
schlag als wohlgemeint danckbar auff/ und ver-
sprach dem Belgius die Eh abzuschlagen/ wenn
sie nur ein Mittel wüste sich gegen einem so
mächtigen Feinde in Sicherheit zu setzen. Pto-
lomeus schickte alsofort eine prächtige Botschafft
an sie zurücke/ welche ihr seine Macht/ nachdem
er den Antigonus aus Macedonien vertrieben/
durch Verheyrathung seiner Tochter Antigone
aber den mächtigen König Pyrrhus in Epirus
ihm verknürfft hätte/ noch vielmehr aber seine
zu ihr tragende Liebe scheinbar heraus striech/
und also ihre Bluts-Freundschafft noch durch
ein engeres Band der Ehe zu befestigen an-
trug. Arsinoe ward über dieser Werbung
[Spaltenumbruch] noch mehr bekümmert/ und zweiffelhafft; son-
derlich da ihr ältester Sohn Ptolomeus ihr für-
bildete; wie durch diese Eh nur seiner Brüder
Untergang/ als gegen welche Ptolomeus schon
einmahl den Degen gezuckt hätte/ gesucht wür-
de. Den Gesandten aber hielt er selbst ein:
daß ihren Oheim die angebohrne Schande und
die Abscheu wohlgesitteter Völcker/ für so na-
her Vermählung seiner vollbürtigen Schwe-
ster Eh zurück halten solte. Alle Heyrathen
zwischen dem Geschwister hätten einen klägli-
chen Ausgang gewonnen; Thyestes und Ma-
careus/ die mit ihnen heimlich zugehalten/ wä-
ren durch eigenhändigen Tod umkommen. Der
Gesandte aber redete Arsinoen ein: Ptolomeus
wolte mit ihren Söhnen sein eigenes Reich thei-
len; gegen welche er zeither zwar gekriegt/ kei-
nesweges aber sie ihres väterlichen Reichs zu
berauben/ sondern nur die Ehre zu erlangen
getrachtet hätte: daß sie es von seinen Händen
empfingen/ und ihm desthalben so viel mehr
verbunden würden. Dieses alles wäre Pto-
lomeus im Angesichte der väterlichen Götter
mit einem kräfftigen Eyde zu erhärten erbö-
tig. Wider des jungen Ptolomeus Beden-
cken setzte er: der Geschwister Vermählung
wäre der Natur nicht zuwider; die etlicher
Menschen hierüber gefaste Abscheu wäre ei-
ne von Kindauff eingeflöste Einbildung; und
weil selbte durch die Gewonheit insgemein be-
stätigt würde/ hätte sie sich in ein angebohr-
nes Gesetze verkleidet. Nichtnur die berühm-
testen Helden/ sondern ihre eigene Götter
hätten ihre Schwestern geehlicht/ Saturnus
die Opis/ Neptun die Thetys/ Jupiter die
Juno; Artemisia wäre des Mausolus/ Me-
casiptolema des Archetolis Schwester und Eh-
Weib gewest. Cimon hätte also geheyra-
thet; Solons Gesetze hätten es zu Athen
verstattet/ die Egyptischen aber wegen glück-
licher Heyrath des Osiris und der Jsis/ wie

auch

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] noen ihm goͤnnte/ und mit einem ſo maͤchtigen
Koͤnige in Verwandniß zu kom̃en verlangte; ſo
muͤſte er doch aus auffrichtigem Gemuͤthe ihm
dieſe Heyrath wiederrathen. Denn ob ſie wol
ſeine Schweſter/ und ihrer Schoͤnheit halber ein
Meiſterſtuͤcke der Natur waͤre; bliebe doch ihre
Seele ein Begriff aller Laſter/ und ein Ebenbild
der hoͤlliſchen Unholden. Sintemal ſie nicht
nur die meiſten aus den funffzehn Kindern des
Lyſimachus/ und darunter ihren Stieff-Sohn
Agathocles/ der in ſo vielen Kriegen ſeine Tapf-
ferkeit erwieſen hatte/ und vom Lyſimachus zum
Reichs-Erben beſtimmt war/ ſondeꝛn auch ihren
Ehherrn ſelbſt durch Gifft getoͤdtet haͤtte. Arſi-
noen aber ſchrieb er in geheim: Sie moͤchte dem
Belgius/ welcher einem Raͤuber aͤhnlicher als ei-
nem Fuͤrſten waͤre/ und deſſen Volck von keinen
Geſetzen wuͤſte/ ſich nicht vermaͤhlen/ und dar-
durch ſo wohl ihr Reich als ihre Kinder/ darum
es ihm allein zu thun waͤre/ nicht in augenſchein-
liche Gefahr ſetzen/ noch auch ihr den Haß aller
wohlgeſitteten Voͤlcker/ welche fuͤr den rauhen
Deutſchen eine Abſcheu haͤtten/ auff den Hals
ziehen. Wiewol auch nun Arſinoe mit ihrem
Bruder eine zeitlang Krieg gefuͤhrt hatte/ ihr
auch ſein herrſchſuͤchtiges Gemuͤthe nicht unbe-
kant war/ nahm ſie doch ihres Bruders Rath-
ſchlag als wohlgemeint danckbar auff/ und ver-
ſprach dem Belgius die Eh abzuſchlagen/ wenn
ſie nur ein Mittel wuͤſte ſich gegen einem ſo
maͤchtigen Feinde in Sicherheit zu ſetzen. Pto-
lomeus ſchickte alſofort eine praͤchtige Botſchafft
an ſie zuruͤcke/ welche ihr ſeine Macht/ nachdem
er den Antigonus aus Macedonien vertrieben/
durch Verheyrathung ſeiner Tochter Antigone
aber den maͤchtigen Koͤnig Pyrrhus in Epirus
ihm verknuͤrfft haͤtte/ noch vielmehr aber ſeine
zu ihr tragende Liebe ſcheinbar heraus ſtriech/
und alſo ihre Bluts-Freundſchafft noch durch
ein engeres Band der Ehe zu befeſtigen an-
trug. Arſinoe ward uͤber dieſer Werbung
[Spaltenumbruch] noch mehr bekuͤmmert/ und zweiffelhafft; ſon-
derlich da ihr aͤlteſter Sohn Ptolomeus ihr fuͤr-
bildete; wie durch dieſe Eh nur ſeiner Bruͤder
Untergang/ als gegen welche Ptolomeus ſchon
einmahl den Degen gezuckt haͤtte/ geſucht wuͤr-
de. Den Geſandten aber hielt er ſelbſt ein:
daß ihren Oheim die angebohrne Schande und
die Abſcheu wohlgeſitteter Voͤlcker/ fuͤr ſo na-
her Vermaͤhlung ſeiner vollbuͤrtigen Schwe-
ſter Eh zuruͤck halten ſolte. Alle Heyrathen
zwiſchen dem Geſchwiſter haͤtten einen klaͤgli-
chen Ausgang gewonnen; Thyeſtes und Ma-
careus/ die mit ihnen heimlich zugehalten/ waͤ-
ren durch eigenhaͤndigen Tod umkom̃en. Der
Geſandte aber redete Arſinoen ein: Ptolomeus
wolte mit ihren Soͤhnen ſein eigenes Reich thei-
len; gegen welche er zeither zwar gekriegt/ kei-
nesweges aber ſie ihres vaͤterlichen Reichs zu
berauben/ ſondern nur die Ehre zu erlangen
getrachtet haͤtte: daß ſie es von ſeinen Haͤnden
empfingen/ und ihm deſthalben ſo viel mehr
verbunden wuͤrden. Dieſes alles waͤre Pto-
lomeus im Angeſichte der vaͤterlichen Goͤtter
mit einem kraͤfftigen Eyde zu erhaͤrten erboͤ-
tig. Wider des jungen Ptolomeus Beden-
cken ſetzte er: der Geſchwiſter Vermaͤhlung
waͤre der Natur nicht zuwider; die etlicher
Menſchen hieruͤber gefaſte Abſcheu waͤre ei-
ne von Kindauff eingefloͤſte Einbildung; und
weil ſelbte durch die Gewonheit insgemein be-
ſtaͤtigt wuͤrde/ haͤtte ſie ſich in ein angebohr-
nes Geſetze verkleidet. Nichtnur die beruͤhm-
teſten Helden/ ſondern ihre eigene Goͤtter
haͤtten ihre Schweſtern geehlicht/ Saturnus
die Opis/ Neptun die Thetys/ Jupiter die
Juno; Artemiſia waͤre des Mauſolus/ Me-
caſiptolema des Archetolis Schweſteꝛ und Eh-
Weib geweſt. Cimon haͤtte alſo geheyra-
thet; Solons Geſetze haͤtten es zu Athen
verſtattet/ die Egyptiſchen aber wegen gluͤck-
licher Heyrath des Oſiris und der Jſis/ wie

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[776[778]/0838] Sechſtes Buch noen ihm goͤnnte/ und mit einem ſo maͤchtigen Koͤnige in Verwandniß zu kom̃en verlangte; ſo muͤſte er doch aus auffrichtigem Gemuͤthe ihm dieſe Heyrath wiederrathen. Denn ob ſie wol ſeine Schweſter/ und ihrer Schoͤnheit halber ein Meiſterſtuͤcke der Natur waͤre; bliebe doch ihre Seele ein Begriff aller Laſter/ und ein Ebenbild der hoͤlliſchen Unholden. Sintemal ſie nicht nur die meiſten aus den funffzehn Kindern des Lyſimachus/ und darunter ihren Stieff-Sohn Agathocles/ der in ſo vielen Kriegen ſeine Tapf- ferkeit erwieſen hatte/ und vom Lyſimachus zum Reichs-Erben beſtimmt war/ ſondeꝛn auch ihren Ehherrn ſelbſt durch Gifft getoͤdtet haͤtte. Arſi- noen aber ſchrieb er in geheim: Sie moͤchte dem Belgius/ welcher einem Raͤuber aͤhnlicher als ei- nem Fuͤrſten waͤre/ und deſſen Volck von keinen Geſetzen wuͤſte/ ſich nicht vermaͤhlen/ und dar- durch ſo wohl ihr Reich als ihre Kinder/ darum es ihm allein zu thun waͤre/ nicht in augenſchein- liche Gefahr ſetzen/ noch auch ihr den Haß aller wohlgeſitteten Voͤlcker/ welche fuͤr den rauhen Deutſchen eine Abſcheu haͤtten/ auff den Hals ziehen. Wiewol auch nun Arſinoe mit ihrem Bruder eine zeitlang Krieg gefuͤhrt hatte/ ihr auch ſein herrſchſuͤchtiges Gemuͤthe nicht unbe- kant war/ nahm ſie doch ihres Bruders Rath- ſchlag als wohlgemeint danckbar auff/ und ver- ſprach dem Belgius die Eh abzuſchlagen/ wenn ſie nur ein Mittel wuͤſte ſich gegen einem ſo maͤchtigen Feinde in Sicherheit zu ſetzen. Pto- lomeus ſchickte alſofort eine praͤchtige Botſchafft an ſie zuruͤcke/ welche ihr ſeine Macht/ nachdem er den Antigonus aus Macedonien vertrieben/ durch Verheyrathung ſeiner Tochter Antigone aber den maͤchtigen Koͤnig Pyrrhus in Epirus ihm verknuͤrfft haͤtte/ noch vielmehr aber ſeine zu ihr tragende Liebe ſcheinbar heraus ſtriech/ und alſo ihre Bluts-Freundſchafft noch durch ein engeres Band der Ehe zu befeſtigen an- trug. Arſinoe ward uͤber dieſer Werbung noch mehr bekuͤmmert/ und zweiffelhafft; ſon- derlich da ihr aͤlteſter Sohn Ptolomeus ihr fuͤr- bildete; wie durch dieſe Eh nur ſeiner Bruͤder Untergang/ als gegen welche Ptolomeus ſchon einmahl den Degen gezuckt haͤtte/ geſucht wuͤr- de. Den Geſandten aber hielt er ſelbſt ein: daß ihren Oheim die angebohrne Schande und die Abſcheu wohlgeſitteter Voͤlcker/ fuͤr ſo na- her Vermaͤhlung ſeiner vollbuͤrtigen Schwe- ſter Eh zuruͤck halten ſolte. Alle Heyrathen zwiſchen dem Geſchwiſter haͤtten einen klaͤgli- chen Ausgang gewonnen; Thyeſtes und Ma- careus/ die mit ihnen heimlich zugehalten/ waͤ- ren durch eigenhaͤndigen Tod umkom̃en. Der Geſandte aber redete Arſinoen ein: Ptolomeus wolte mit ihren Soͤhnen ſein eigenes Reich thei- len; gegen welche er zeither zwar gekriegt/ kei- nesweges aber ſie ihres vaͤterlichen Reichs zu berauben/ ſondern nur die Ehre zu erlangen getrachtet haͤtte: daß ſie es von ſeinen Haͤnden empfingen/ und ihm deſthalben ſo viel mehr verbunden wuͤrden. Dieſes alles waͤre Pto- lomeus im Angeſichte der vaͤterlichen Goͤtter mit einem kraͤfftigen Eyde zu erhaͤrten erboͤ- tig. Wider des jungen Ptolomeus Beden- cken ſetzte er: der Geſchwiſter Vermaͤhlung waͤre der Natur nicht zuwider; die etlicher Menſchen hieruͤber gefaſte Abſcheu waͤre ei- ne von Kindauff eingefloͤſte Einbildung; und weil ſelbte durch die Gewonheit insgemein be- ſtaͤtigt wuͤrde/ haͤtte ſie ſich in ein angebohr- nes Geſetze verkleidet. Nichtnur die beruͤhm- teſten Helden/ ſondern ihre eigene Goͤtter haͤtten ihre Schweſtern geehlicht/ Saturnus die Opis/ Neptun die Thetys/ Jupiter die Juno; Artemiſia waͤre des Mauſolus/ Me- caſiptolema des Archetolis Schweſteꝛ und Eh- Weib geweſt. Cimon haͤtte alſo geheyra- thet; Solons Geſetze haͤtten es zu Athen verſtattet/ die Egyptiſchen aber wegen gluͤck- licher Heyrath des Oſiris und der Jſis/ wie auch

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 776[778]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/838>, abgerufen am 22.11.2024.