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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Annibal war aus dem edlen Stamme Barcha/
Scipio aus dem der Cornelier. Jener kam als
ein neunjähriges Kind ins Lager/ und schwur der
Römer Feind zu sterben; ward im fünf und
zwantzigsten Jahre seines Alters oberster Feld-
herr; dieser erhielt im siebzehnden Jahre in der
Schlacht bey Ticin seinem verwundeten Vater
das Leben; zwang hernach die Römer/ welche
aus Jtalien zu fliehen für hatten/ mit blossem
Degen zu schweren: daß sie nimmermehr ihr
Vaterland verlassen wolten; und nahm/ als er
24. Jahr alt war/ als Feldherr Spanien zu be-
schützen auf sich. Beyde lagen auch in dem Lä-
ger gelehrten Dingen ob; Hannibal hatte den
Philenius und Sosilus/ Scipio den Ennius bey
sich. Beyde waren beflissen ihrem Feinde nicht
nur durch unverzagte Tapferkeit/ sondern auch
durch schlaue Kriegs-Räncke Abbruch zu thun/
und nichts minder mit Klugheit als Waffen zu
kämpfen. Hannibal wuste des hitzigen Sem-
pronius Gemüthe so listig aufzureitzen: daß er
wider die Vernunft die Schlacht bey Trebia
wagte und verspielte. Des hoffärtigen Flami-
nius Gemüthe reitzte er durch Einäscherung des
Landes so ferne: daß er aus Ungedult wider sei-
nen Willen schlug/ und Heer und Leben einbüß-
te. Den fürsichtigen Fabius machte er durch
Verschonung seiner Land-Güter den Römern
verdächtig; dem verwegenen Minutius verhing
er einen kleinen Sieg/ wormit seine Eitelkeit ihn
in den Verlust einer Haupt-Schlacht stürtzte.
Denen geitzigen Cretensern/ zu denen er sich und
sein Vermögen geflüchtet hatte/ spielte er es mei-
sterlich aus ihren räuberischen Händen; in dem
er viel mit Bley gefüllte Fässer im Spunde mit
Golde bedeckt/ und als seinen Schatz in der Di-
ane Tempel verwahret/ das Gold aber in die ho-
[l]en Ertzt-Bilder verstecket und weggeführet.
Den viel stärckern König Eumenes jagte er mit
in Töpfe verschlossenen Schlangen aus der See.
Nichts weniger schlau war Scipio; als er die
Römer glauben ließ: daß er im Capitolinischen
Tempel von den Göttern geheime Offenbarun-
[Spaltenumbruch] gen empfangen/ und den Apollo zum Vater
hätte; als er bey Belägerung der neuen
Stadt Carthago in Spanien bey sich ereignen-
den Eppe sein Kriegs-Volck beredete: daß Ne-
ptun selbst wider die Feinde stritte. Als er
Kriegsverständige in Knechte der Römischen
Gesandten verkleidete/ und des Syphax Läger
ausforschte/ auch hernach anzündete. Beyde
Helden sind auch von dem Neide und Undancke
der Jhrigen mehr/ als von der Gramschafft ih-
rer Feinde verfolgt worden. Sintemal Han-
no Hannibaln durch seine Vergällung nicht nur
Hülff-loß machte; sondern seine eigene Numi-
dier trachteten ihn nach verlohrner Schlacht bey
Zama zu tödten. Der Rath zu Carthago schäm-
te sich nicht zu entschlüssen/ den in die Hände der
Römischen Bothschafft zu liefern/ dessen Ver-
mögen einzuziehen/ und sein Haus abzubrechen/
welcher sein Blut so viel mal für ihre Freyheit
aufgesetzt hatte. Antiochus und Prusias meyn-
ten nicht viel anders seine Wohlthaten zu
belohnen; also: daß er durch seine eigene
Vergiftung seiner eigenen Gefangenschafft
vorzuziehen gezwungen ward. Eben so war
dem Scipio Fabius über Achsel; man maß ihm
des Pleminius wider die Locrenser verübte
Grausamkeit zu; der Rath durchgrübelte alle
sein Beginnen/ als eines verdächtigen Ubelthä-
ters. Er verfiel in den Haß des gantzen Vol-
ckes; weil er in dem Schauplatze die Gestüle
der Rathsherren absonderlich setzen ließ. Und
der/ welchen man vorher für den Fürsten des
Raths erklärt hatte/ ward auf Anstiften des Ca-
to an eben dem Tage/ da er etliche Jahr vorher
Carthago besiegt hatte/ verklagt: daß er sich vom
Könige Antiochus mit Geld hätte bestechen lassen.
Wiewohl Scipio darinnen noch glücklicher/ als
Hannibal war: daß/ als er aus Verachtung die-
ser Anklage aufs Capitolium ging/ von seinem
Feinde Tiberius Gracchus seine Unschuld ver-
theidigt ward. Ob ihm auch wohl Rom keine
Nothwendigkeit zu sterben auf bürdete; zwang
ihn doch Mißgunst und Verläumdung seines

Vater-
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Annibal war aus dem edlen Stamme Barcha/
Scipio aus dem der Cornelier. Jener kam als
ein neunjaͤhriges Kind ins Lager/ und ſchwur der
Roͤmer Feind zu ſterben; ward im fuͤnf und
zwantzigſten Jahre ſeines Alters oberſter Feld-
herr; dieſer erhielt im ſiebzehnden Jahre in der
Schlacht bey Ticin ſeinem verwundeten Vater
das Leben; zwang hernach die Roͤmer/ welche
aus Jtalien zu fliehen fuͤr hatten/ mit bloſſem
Degen zu ſchweren: daß ſie nimmermehr ihr
Vaterland verlaſſen wolten; und nahm/ als er
24. Jahr alt war/ als Feldherr Spanien zu be-
ſchuͤtzen auf ſich. Beyde lagen auch in dem Laͤ-
ger gelehrten Dingen ob; Hannibal hatte den
Philenius und Soſilus/ Scipio den Ennius bey
ſich. Beyde waren befliſſen ihrem Feinde nicht
nur durch unverzagte Tapferkeit/ ſondern auch
durch ſchlaue Kriegs-Raͤncke Abbruch zu thun/
und nichts minder mit Klugheit als Waffen zu
kaͤmpfen. Hannibal wuſte des hitzigen Sem-
pronius Gemuͤthe ſo liſtig aufzureitzen: daß er
wider die Vernunft die Schlacht bey Trebia
wagte und verſpielte. Des hoffaͤrtigen Flami-
nius Gemuͤthe reitzte er durch Einaͤſcherung des
Landes ſo ferne: daß er aus Ungedult wider ſei-
nen Willen ſchlug/ und Heer und Leben einbuͤß-
te. Den fuͤrſichtigen Fabius machte er durch
Verſchonung ſeiner Land-Guͤter den Roͤmern
verdaͤchtig; dem verwegenen Minutius verhing
er einen kleinen Sieg/ wormit ſeine Eitelkeit ihn
in den Verluſt einer Haupt-Schlacht ſtuͤrtzte.
Denen geitzigen Cretenſern/ zu denen er ſich und
ſein Vermoͤgen gefluͤchtet hatte/ ſpielte er es mei-
ſterlich aus ihren raͤuberiſchen Haͤnden; in dem
er viel mit Bley gefuͤllte Faͤſſer im Spunde mit
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Den viel ſtaͤrckern Koͤnig Eumenes jagte er mit
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Nichts weniger ſchlau war Scipio; als er die
Roͤmer glauben ließ: daß er im Capitoliniſchen
Tempel von den Goͤttern geheime Offenbarun-
[Spaltenumbruch] gen empfangen/ und den Apollo zum Vater
haͤtte; als er bey Belaͤgerung der neuen
Stadt Carthago in Spanien bey ſich ereignen-
den Eppe ſein Kriegs-Volck beredete: daß Ne-
ptun ſelbſt wider die Feinde ſtritte. Als er
Kriegsverſtaͤndige in Knechte der Roͤmiſchen
Geſandten verkleidete/ und des Syphax Laͤger
ausforſchte/ auch hernach anzuͤndete. Beyde
Helden ſind auch von dem Neide und Undancke
der Jhrigen mehr/ als von der Gramſchafft ih-
rer Feinde verfolgt worden. Sintemal Han-
no Hannibaln durch ſeine Vergaͤllung nicht nuꝛ
Huͤlff-loß machte; ſondern ſeine eigene Numi-
dier trachteten ihn nach verlohrner Schlacht bey
Zama zu toͤdten. Der Rath zu Carthago ſchaͤm-
te ſich nicht zu entſchluͤſſen/ den in die Haͤnde der
Roͤmiſchen Bothſchafft zu liefern/ deſſen Ver-
moͤgen einzuziehen/ und ſein Haus abzubrechen/
welcher ſein Blut ſo viel mal fuͤr ihre Freyheit
aufgeſetzt hatte. Antiochus und Pruſias meyn-
ten nicht viel anders ſeine Wohlthaten zu
belohnen; alſo: daß er durch ſeine eigene
Vergiftung ſeiner eigenen Gefangenſchafft
vorzuziehen gezwungen ward. Eben ſo war
dem Scipio Fabius uͤber Achſel; man maß ihm
des Pleminius wider die Locrenſer veruͤbte
Grauſamkeit zu; der Rath durchgruͤbelte alle
ſein Beginnen/ als eines verdaͤchtigen Ubelthaͤ-
ters. Er verfiel in den Haß des gantzen Vol-
ckes; weil er in dem Schauplatze die Geſtuͤle
der Rathsherren abſonderlich ſetzen ließ. Und
der/ welchen man vorher fuͤr den Fuͤrſten des
Raths erklaͤrt hatte/ ward auf Anſtiften des Ca-
to an eben dem Tage/ da er etliche Jahr vorher
Carthago beſiegt hatte/ verklagt: daß er ſich vom
Koͤnige Antiochus mit Geld haͤtte beſtechẽ laſſen.
Wiewohl Scipio darinnen noch gluͤcklicher/ als
Hannibal war: daß/ als er aus Verachtung die-
ſer Anklage aufs Capitolium ging/ von ſeinem
Feinde Tiberius Gracchus ſeine Unſchuld ver-
theidigt ward. Ob ihm auch wohl Rom keine
Nothwendigkeit zu ſterben auf buͤrdete; zwang
ihn doch Mißgunſt und Verlaͤumdung ſeines

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[853[855]/0915] Arminius und Thußnelda. Annibal war aus dem edlen Stamme Barcha/ Scipio aus dem der Cornelier. Jener kam als ein neunjaͤhriges Kind ins Lager/ und ſchwur der Roͤmer Feind zu ſterben; ward im fuͤnf und zwantzigſten Jahre ſeines Alters oberſter Feld- herr; dieſer erhielt im ſiebzehnden Jahre in der Schlacht bey Ticin ſeinem verwundeten Vater das Leben; zwang hernach die Roͤmer/ welche aus Jtalien zu fliehen fuͤr hatten/ mit bloſſem Degen zu ſchweren: daß ſie nimmermehr ihr Vaterland verlaſſen wolten; und nahm/ als er 24. Jahr alt war/ als Feldherr Spanien zu be- ſchuͤtzen auf ſich. Beyde lagen auch in dem Laͤ- ger gelehrten Dingen ob; Hannibal hatte den Philenius und Soſilus/ Scipio den Ennius bey ſich. Beyde waren befliſſen ihrem Feinde nicht nur durch unverzagte Tapferkeit/ ſondern auch durch ſchlaue Kriegs-Raͤncke Abbruch zu thun/ und nichts minder mit Klugheit als Waffen zu kaͤmpfen. Hannibal wuſte des hitzigen Sem- pronius Gemuͤthe ſo liſtig aufzureitzen: daß er wider die Vernunft die Schlacht bey Trebia wagte und verſpielte. Des hoffaͤrtigen Flami- nius Gemuͤthe reitzte er durch Einaͤſcherung des Landes ſo ferne: daß er aus Ungedult wider ſei- nen Willen ſchlug/ und Heer und Leben einbuͤß- te. Den fuͤrſichtigen Fabius machte er durch Verſchonung ſeiner Land-Guͤter den Roͤmern verdaͤchtig; dem verwegenen Minutius verhing er einen kleinen Sieg/ wormit ſeine Eitelkeit ihn in den Verluſt einer Haupt-Schlacht ſtuͤrtzte. Denen geitzigen Cretenſern/ zu denen er ſich und ſein Vermoͤgen gefluͤchtet hatte/ ſpielte er es mei- ſterlich aus ihren raͤuberiſchen Haͤnden; in dem er viel mit Bley gefuͤllte Faͤſſer im Spunde mit Golde bedeckt/ und als ſeinen Schatz in der Di- ane Tempel verwahret/ das Gold aber in die ho- len Ertzt-Bilder verſtecket und weggefuͤhret. Den viel ſtaͤrckern Koͤnig Eumenes jagte er mit in Toͤpfe verſchloſſenen Schlangen aus der See. Nichts weniger ſchlau war Scipio; als er die Roͤmer glauben ließ: daß er im Capitoliniſchen Tempel von den Goͤttern geheime Offenbarun- gen empfangen/ und den Apollo zum Vater haͤtte; als er bey Belaͤgerung der neuen Stadt Carthago in Spanien bey ſich ereignen- den Eppe ſein Kriegs-Volck beredete: daß Ne- ptun ſelbſt wider die Feinde ſtritte. Als er Kriegsverſtaͤndige in Knechte der Roͤmiſchen Geſandten verkleidete/ und des Syphax Laͤger ausforſchte/ auch hernach anzuͤndete. Beyde Helden ſind auch von dem Neide und Undancke der Jhrigen mehr/ als von der Gramſchafft ih- rer Feinde verfolgt worden. Sintemal Han- no Hannibaln durch ſeine Vergaͤllung nicht nuꝛ Huͤlff-loß machte; ſondern ſeine eigene Numi- dier trachteten ihn nach verlohrner Schlacht bey Zama zu toͤdten. Der Rath zu Carthago ſchaͤm- te ſich nicht zu entſchluͤſſen/ den in die Haͤnde der Roͤmiſchen Bothſchafft zu liefern/ deſſen Ver- moͤgen einzuziehen/ und ſein Haus abzubrechen/ welcher ſein Blut ſo viel mal fuͤr ihre Freyheit aufgeſetzt hatte. Antiochus und Pruſias meyn- ten nicht viel anders ſeine Wohlthaten zu belohnen; alſo: daß er durch ſeine eigene Vergiftung ſeiner eigenen Gefangenſchafft vorzuziehen gezwungen ward. Eben ſo war dem Scipio Fabius uͤber Achſel; man maß ihm des Pleminius wider die Locrenſer veruͤbte Grauſamkeit zu; der Rath durchgruͤbelte alle ſein Beginnen/ als eines verdaͤchtigen Ubelthaͤ- ters. Er verfiel in den Haß des gantzen Vol- ckes; weil er in dem Schauplatze die Geſtuͤle der Rathsherren abſonderlich ſetzen ließ. Und der/ welchen man vorher fuͤr den Fuͤrſten des Raths erklaͤrt hatte/ ward auf Anſtiften des Ca- to an eben dem Tage/ da er etliche Jahr vorher Carthago beſiegt hatte/ verklagt: daß er ſich vom Koͤnige Antiochus mit Geld haͤtte beſtechẽ laſſen. Wiewohl Scipio darinnen noch gluͤcklicher/ als Hannibal war: daß/ als er aus Verachtung die- ſer Anklage aufs Capitolium ging/ von ſeinem Feinde Tiberius Gracchus ſeine Unſchuld ver- theidigt ward. Ob ihm auch wohl Rom keine Nothwendigkeit zu ſterben auf buͤrdete; zwang ihn doch Mißgunſt und Verlaͤumdung ſeines Vater- P p p p p 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 853[855]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/915>, abgerufen am 01.07.2024.