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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal
wäre erobert worden/ sich in einen geringen
Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da-
selbst den Acker zu graben. Weil aber Scipio
entweder der Römischen Freyheit/ oder diese dem
Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder
sie von Rom entfernet seyn muste/ bezeugte er
mehr Großmüthigkeit durch Verlassung/ als
durch Beschirmung seines Vaterlandes; wie-
wohl er durch eine auf seinen Grabe-Stein ein-
gehauene selbtes mit Beerdigung seiner Gebei-
ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa-
ren darinnen glückselig: daß sie auch in ihrem
Elende hochgeschätzt; und zwar Annibal vom
Scipio selbst für der Schlacht bey Zama/ und
hernach zu Ephesus umbarmet/ von den Römern
gefürchtet/ Scipio von den See-Räubern als
ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Völ-
ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland
ihre Asche hernach mit Thränen benetzte/ ihr
Gedächtnüß mit Ehren-Säulen beehrte/ und
ihr Geist mehrmals mit viel tausend Seufzern
zurück gewüntscht/ ja von den Römern geglaubt
ward: daß ein Drache des Scipio Geist in einer
Höle unter seinem Linturnischen Vorwerge be-
wachte. Jn so vielen waren diese zwey Helden
einander ähnlich. Gleichwohl aber düncket
mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen
Gründen die Ober-Stelle gebühre. Adgan-
dester versetzte: Diese aber hat Scipio zu Ephe-
sus dem Annibal selbst enträumet. Zeno ant-
wortete: Eben damals hat Scipio mit seiner
Höfligkeit Annibaln überwunden/ wie er ihm
sonst mit seiner annehmlichen Gestalt und Sanft-
muth überlegen war. Jene war so anlockend:
daß niemand/ der ihn ansahe/ sein Gesichte sätti-
gen konte. Mit dieser glimpf- und gütigen Be-
zeugung überwand Scipio fast mehr Feinde/ als
Hannibal mit seinen Waffen. Die Freylas-
sung der in Neu-Carthago überkommener
Geissel/ die Aufnehmung des abtrünnigen
Mandonius und Jndibilis machte ihm halb
[Spaltenumbruch] Spanien unterthänig. Die Ubergebung sei-
ner gefangenen Braut verknüpfte mit dem Lu-
cejus ihm die Celtiberier. Die Loßlassung der
dem Asdrubal abgeschlagener Spanier machte:
daß sie den Scipio für ihren König ausrufften.
Für den wiedergegebenen Knaben Massiva
ward König Masanissa der Römer getreuster
Bunds-Genosse/ und hertzhaftester Beystand.
Durch seine guten Worte zohe er den zweifelhaf-
ten König der Bithynier auf der Römer Seite.
Adgandester versetzte: Es wäre nicht ohne: daß
Scipio an Gestalt und Freundligkeit Annibaln
übertroffen hätte. Beydes aber rührte von dem
gantz unterschiedenen Land-Striche ihrer Ge-
burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/
welche die Schwärtze für eine Zierrath/ und die
Ernsthaftigkeit für eine Tugend hielten/ den
Scipio vielleicht weit hinter Annibal gesetzt haben.
Gleichwohl aber hätte Annibal auch nicht alle-
mal sauer gesehen/ sondern/ wenn er es ihm vor-
träglich zu seyn befunden/ hätte sein kluges Ab-
sehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen
verdrücket; und er insonderheit gegen die Römi-
schen Bunds-Genossen so viel Glimpf und
Güte; als gegen die Römer selbst Grausamkeit
gebrauchet; hierinnen auch viel klüger/ als
Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen
Römern liebkosete/ ihre Bunds-Genossen mit
Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min-
der hätte Annibal des in der Schlacht erlegten
Marcellus Leiche aufs beste schmücken/ und ver-
brennen/ seine Gebeine in einen silbernen Topf
schlüssen/ mit einer güldenen Krone beehren/ und
seinem Sohne zuschicken lassen. Daß aber er
gegen die Seinigen sich zuweilen einer Stren-
gigkeit gebraucht/ hätte ihm sein eigner Zustand
abgenöthigt; weil er meist allerhand fremde
Völcker in seinem Kriegs-Heere geführet; selbte
ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande
im Gehorsam halten müssen; wiewohl alle diese
mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht
gegen ihm niemals versehret hätten. Wegen

wel-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal
waͤre erobert worden/ ſich in einen geringen
Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da-
ſelbſt den Acker zu graben. Weil aber Scipio
entweder der Roͤmiſchen Freyheit/ oder dieſe dem
Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder
ſie von Rom entfernet ſeyn muſte/ bezeugte er
mehr Großmuͤthigkeit durch Verlaſſung/ als
durch Beſchirmung ſeines Vaterlandes; wie-
wohl er durch eine auf ſeinen Grabe-Stein ein-
gehauene ſelbtes mit Beerdigung ſeiner Gebei-
ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa-
ren darinnen gluͤckſelig: daß ſie auch in ihrem
Elende hochgeſchaͤtzt; und zwar Annibal vom
Scipio ſelbſt fuͤr der Schlacht bey Zama/ und
hernach zu Epheſus umbarmet/ von den Roͤmern
gefuͤrchtet/ Scipio von den See-Raͤubern als
ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Voͤl-
ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland
ihre Aſche hernach mit Thraͤnen benetzte/ ihr
Gedaͤchtnuͤß mit Ehren-Saͤulen beehrte/ und
ihr Geiſt mehrmals mit viel tauſend Seufzern
zuruͤck gewuͤntſcht/ ja von den Roͤmern geglaubt
ward: daß ein Drache des Scipio Geiſt in einer
Hoͤle unter ſeinem Linturniſchen Vorwerge be-
wachte. Jn ſo vielen waren dieſe zwey Helden
einander aͤhnlich. Gleichwohl aber duͤncket
mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen
Gruͤnden die Ober-Stelle gebuͤhre. Adgan-
deſter verſetzte: Dieſe aber hat Scipio zu Ephe-
ſus dem Annibal ſelbſt entraͤumet. Zeno ant-
wortete: Eben damals hat Scipio mit ſeiner
Hoͤfligkeit Annibaln uͤberwunden/ wie er ihm
ſonſt mit ſeiner annehmlichẽ Geſtalt und Sanft-
muth uͤberlegen war. Jene war ſo anlockend:
daß niemand/ der ihn anſahe/ ſein Geſichte ſaͤtti-
gen konte. Mit dieſer glimpf- und guͤtigen Be-
zeugung uͤberwand Scipio faſt mehr Feinde/ als
Hannibal mit ſeinen Waffen. Die Freylaſ-
ſung der in Neu-Carthago uͤberkommener
Geiſſel/ die Aufnehmung des abtruͤnnigen
Mandonius und Jndibilis machte ihm halb
[Spaltenumbruch] Spanien unterthaͤnig. Die Ubergebung ſei-
ner gefangenen Braut verknuͤpfte mit dem Lu-
cejus ihm die Celtiberier. Die Loßlaſſung der
dem Asdrubal abgeſchlagener Spanier machte:
daß ſie den Scipio fuͤr ihren Koͤnig ausrufften.
Fuͤr den wiedergegebenen Knaben Maſſiva
ward Koͤnig Maſaniſſa der Roͤmer getreuſter
Bunds-Genoſſe/ und hertzhafteſter Beyſtand.
Durch ſeine guten Worte zohe er den zweifelhaf-
ten Koͤnig der Bithynier auf der Roͤmer Seite.
Adgandeſter verſetzte: Es waͤre nicht ohne: daß
Scipio an Geſtalt und Freundligkeit Annibaln
uͤbertroffen haͤtte. Beydes aber ruͤhrte von dem
gantz unterſchiedenen Land-Striche ihrer Ge-
burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/
welche die Schwaͤrtze fuͤr eine Zierrath/ und die
Ernſthaftigkeit fuͤr eine Tugend hielten/ den
Scipio vielleicht weit hinteꝛ Annibal geſetzt habẽ.
Gleichwohl aber haͤtte Annibal auch nicht alle-
mal ſauer geſehen/ ſondern/ wenn er es ihm vor-
traͤglich zu ſeyn befunden/ haͤtte ſein kluges Ab-
ſehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen
verdruͤcket; und er inſonderheit gegen die Roͤmi-
ſchen Bunds-Genoſſen ſo viel Glimpf und
Guͤte; als gegen die Roͤmer ſelbſt Grauſamkeit
gebrauchet; hierinnen auch viel kluͤger/ als
Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen
Roͤmern liebkoſete/ ihre Bunds-Genoſſen mit
Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min-
der haͤtte Annibal des in der Schlacht erlegten
Marcellus Leiche aufs beſte ſchmuͤcken/ und ver-
brennen/ ſeine Gebeine in einen ſilbernen Topf
ſchluͤſſen/ mit einer guͤldenen Krone beehren/ und
ſeinem Sohne zuſchicken laſſen. Daß aber er
gegen die Seinigen ſich zuweilen einer Stren-
gigkeit gebraucht/ haͤtte ihm ſein eigner Zuſtand
abgenoͤthigt; weil er meiſt allerhand fremde
Voͤlcker in ſeinem Kriegs-Heere gefuͤhret; ſelbte
ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande
im Gehorſam halten muͤſſen; wiewohl alle dieſe
mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht
gegen ihm niemals verſehret haͤtten. Wegen

wel-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 854[856]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/916>, abgerufen am 24.11.2024.