Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
keit gewesen sey. Ja ich glaube: daß/ wie nacheingeäschertem Carthago/ nach überwundenem Asien Rom zwar in seinem Leibe mehr Fleisch/ aber nicht stärckere Spann-Adern bekommen habe; also es durch seine eigene Laster verfaulet wäre; wenn nicht die rauen Winde/ welche ih- nen zeither aus der kalten Mitternacht in die Augen gegangen sind/ selbtes noch erhalten hät- ten. So konte ihm auch Scipio leicht die Rech- nung machen: daß die gerühmte Ewigkeit der Stadt Rom ein Traum der Uhrheber wäre/ und grosses Glücke wegen seiner schweren Last nicht lange Zeit auf einem Beine stehen könte. Dahero sprachen die Scythen beym grossen A- lexander dieser Abgöttin gar alle Beine ab; als welche nur Hände und Federn an sich hätte; welche letztere sie mit den erstern keinmal ergreif- fen liesse/ wormit sie iederzeit die Freyheit be- hielte ihren Flug anderwärts hin zu nehmen. Uber diß behertzigte Scipio/ mit was Unrecht Rom diß Kriegs-Feuer durch die halbe Welt ausgestreuet hatte; und daß die göttliche Rache insgemein den in dem glüenden Ochsen brate/ der solchen für andern gegossen hat. Jnson- derheit aber ungerechtem Gute wie des Adlers von dem Opffer-Tische gestohlnen Fleische eine glüende Kohle anhencke/ welche hernach des Raubers gantzes Nest in Brand steckt. Adgandester fuhr hierauf wieder fort: Er Hier-
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
keit geweſen ſey. Ja ich glaube: daß/ wie nacheingeaͤſchertem Carthago/ nach uͤberwundenem Aſien Rom zwar in ſeinem Leibe mehr Fleiſch/ aber nicht ſtaͤrckere Spann-Adern bekommen habe; alſo es durch ſeine eigene Laſter verfaulet waͤre; wenn nicht die rauen Winde/ welche ih- nen zeither aus der kalten Mitternacht in die Augen gegangen ſind/ ſelbtes noch erhalten haͤt- ten. So konte ihm auch Scipio leicht die Rech- nung machen: daß die geruͤhmte Ewigkeit der Stadt Rom ein Traum der Uhrheber waͤre/ und groſſes Gluͤcke wegen ſeiner ſchweren Laſt nicht lange Zeit auf einem Beine ſtehen koͤnte. Dahero ſprachen die Scythen beym groſſen A- lexander dieſer Abgoͤttin gar alle Beine ab; als welche nur Haͤnde und Federn an ſich haͤtte; welche letztere ſie mit den erſtern keinmal ergreif- fen lieſſe/ wormit ſie iederzeit die Freyheit be- hielte ihren Flug anderwaͤrts hin zu nehmen. Uber diß behertzigte Scipio/ mit was Unrecht Rom diß Kriegs-Feuer durch die halbe Welt ausgeſtreuet hatte; und daß die goͤttliche Rache insgemein den in dem gluͤenden Ochſen brate/ der ſolchen fuͤr andern gegoſſen hat. Jnſon- derheit aber ungerechtem Gute wie des Adlers von dem Opffer-Tiſche geſtohlnen Fleiſche eine gluͤende Kohle anhencke/ welche hernach des Raubers gantzes Neſt in Brand ſteckt. Adgandeſter fuhr hierauf wieder fort: Er Hier-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0949" n="887[889]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> keit geweſen ſey. Ja ich glaube: daß/ wie nach<lb/> eingeaͤſchertem Carthago/ nach uͤberwundenem<lb/> Aſien Rom zwar in ſeinem Leibe mehr Fleiſch/<lb/> aber nicht ſtaͤrckere Spann-Adern bekommen<lb/> habe; alſo es durch ſeine eigene Laſter verfaulet<lb/> waͤre; wenn nicht die rauen Winde/ welche ih-<lb/> nen zeither aus der kalten Mitternacht in die<lb/> Augen gegangen ſind/ ſelbtes noch erhalten haͤt-<lb/> ten. So konte ihm auch Scipio leicht die Rech-<lb/> nung machen: daß die geruͤhmte Ewigkeit der<lb/> Stadt Rom ein Traum der Uhrheber waͤre/<lb/> und groſſes Gluͤcke wegen ſeiner ſchweren Laſt<lb/> nicht lange Zeit auf einem Beine ſtehen koͤnte.<lb/> Dahero ſprachen die Scythen beym groſſen A-<lb/> lexander dieſer Abgoͤttin gar alle Beine ab; als<lb/> welche nur Haͤnde und Federn an ſich haͤtte;<lb/> welche letztere ſie mit den erſtern keinmal ergreif-<lb/> fen lieſſe/ wormit ſie iederzeit die Freyheit be-<lb/> hielte ihren Flug anderwaͤrts hin zu nehmen.<lb/> Uber diß behertzigte Scipio/ mit was Unrecht<lb/> Rom diß Kriegs-Feuer durch die halbe Welt<lb/> ausgeſtreuet hatte; und daß die goͤttliche Rache<lb/> insgemein den in dem gluͤenden Ochſen brate/<lb/> der ſolchen fuͤr andern gegoſſen hat. Jnſon-<lb/> derheit aber ungerechtem Gute wie des Adlers<lb/> von dem Opffer-Tiſche geſtohlnen Fleiſche eine<lb/> gluͤende Kohle anhencke/ welche hernach des<lb/> Raubers gantzes Neſt in Brand ſteckt.</p><lb/> <p>Adgandeſter fuhr hierauf wieder fort: Er<lb/> wuͤſte nicht: ob Scipio/ als der ſelbſteigene<lb/> Werckzeug ſo unrechter Grauſamkeit oder eini-<lb/> ger anderer Roͤmer damals mehr in ſeinem Ge-<lb/> muͤthe eine ſo zarte Empfindligkeit gefuͤhlet haͤt-<lb/> te; weil ſie hierauff gleichſam ſtockblind in den<lb/> Pful der aͤrgſten Laſter gerennt/ und nach zer-<lb/> ſtoͤrtem Carthago dem Meere vollends das an-<lb/> dere Auge/ nemlich die ſchoͤne Stadt Corinth/<lb/> und zwar ehe/ als ſie unter die Zahl der Feinde<lb/> gerechnet worden/ ausgeſtochen; ja bey ſpielen-<lb/> dem Freuden-Gethoͤne dieſes Wunder der<lb/> Staͤdte angezuͤndet/ und die Steine in koſtba-<lb/><cb/> ren Staub verwandelt. Worbey aber mehr<lb/> der Roͤmer Unverſtand als ihre Grauſamkeit<lb/> zu bejammern war. Sintemal ſie die edel-<lb/> ſten Marmel-Saͤulen aus Kurtzweil/ oder um<lb/> etwan ein darein zur Befeſtigung eingelaſſenes<lb/> Stuͤcke Ertzt zu bekommen zerſchmetterten;<lb/> Die Ertztenen Bilder zerſchmeltzten/ und unter<lb/> andern den vom Ariſtides gemahlten Bacchus<lb/> zu einem Spielbrete brauchten/ fuͤr welchen Koͤ-<lb/> nig Attalus hernach 6000. Silber groſchen bot/<lb/> Mummius aber ſelbten zu Rom in der Ceres<lb/> Tempel ſetzte. Wie nun ein ſchon einmal be-<lb/> flecktes Kleid nicht mehr in Acht genommen<lb/> wird; Alſo hielt es Rom nach einmal an Car-<lb/> thago ſo offenbar veruͤbten Ungerechtigkeit nicht<lb/> mehr fuͤr Schande ſich taͤglich mit neuen Laſtern<lb/> zu beſudeln/ und durch ihre Macht der Boßheit<lb/> das Anſehn und die Zulaͤßligkeit der Tugend zu<lb/> geben. Denn eben ſo betruͤglich verfuhr der<lb/> Ehrſuͤchtige Buͤrgermeiſter Appius Claudius<lb/> wider die Salaßier/ welche ſich von der Saale<lb/> unter die Goͤroͤjiſchen Alpen in ein Thal an dem<lb/> Fluſſe Duria niedergelaſſen hatten. Dieſer<lb/> ward vom Rathe geſchickt ſie mit ihren Nach-<lb/> barn zu vergleichen; welche ſich beſchwerten:<lb/> daß die Salaßier ihnen den Strom Duria ver-<lb/> bauten/ und zum Nutzen ihrer Goldbergwercke<lb/> anderwaͤrts hin verleiteten; alſo ſie ihre unter-<lb/> halb habende Wieſen und Aecker nicht bewaͤſ-<lb/> ſern konten. An ſtat deſſen aber fiel Appius bey<lb/> den Salaßiern mit Kriegs-Macht ein/ und ver-<lb/> heerete alles mit Feuer uñ Schwerd. Dieſe warẽ<lb/> nichts minder hertzhafft als unſchuldig; grieffen<lb/> alſo den Appius an/ und erſchlugen 5000. von<lb/> ſeinem Heere. Der Rath zu Rom hoͤrte zwar des<lb/> Appius Unrecht und Ungluͤck; aber ſie trachte-<lb/> ten nicht jenes zu verbeſſern/ ſondern diß nur zu<lb/> raͤchen. Jedoch waren ſie daruͤber ſo bekuͤmmert:<lb/> daß ſie die Sibylliniſchen Buͤcher aufſchlugen/<lb/> und belernt wurden: daß ſie allezeit/ wenn<lb/> ſie mit den Deutſchen kriegen wolten/ auff der-<lb/> ſelben Graͤntzen ihren Goͤttern opffern ſolten.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Hier-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [887[889]/0949]
Arminius und Thußnelda.
keit geweſen ſey. Ja ich glaube: daß/ wie nach
eingeaͤſchertem Carthago/ nach uͤberwundenem
Aſien Rom zwar in ſeinem Leibe mehr Fleiſch/
aber nicht ſtaͤrckere Spann-Adern bekommen
habe; alſo es durch ſeine eigene Laſter verfaulet
waͤre; wenn nicht die rauen Winde/ welche ih-
nen zeither aus der kalten Mitternacht in die
Augen gegangen ſind/ ſelbtes noch erhalten haͤt-
ten. So konte ihm auch Scipio leicht die Rech-
nung machen: daß die geruͤhmte Ewigkeit der
Stadt Rom ein Traum der Uhrheber waͤre/
und groſſes Gluͤcke wegen ſeiner ſchweren Laſt
nicht lange Zeit auf einem Beine ſtehen koͤnte.
Dahero ſprachen die Scythen beym groſſen A-
lexander dieſer Abgoͤttin gar alle Beine ab; als
welche nur Haͤnde und Federn an ſich haͤtte;
welche letztere ſie mit den erſtern keinmal ergreif-
fen lieſſe/ wormit ſie iederzeit die Freyheit be-
hielte ihren Flug anderwaͤrts hin zu nehmen.
Uber diß behertzigte Scipio/ mit was Unrecht
Rom diß Kriegs-Feuer durch die halbe Welt
ausgeſtreuet hatte; und daß die goͤttliche Rache
insgemein den in dem gluͤenden Ochſen brate/
der ſolchen fuͤr andern gegoſſen hat. Jnſon-
derheit aber ungerechtem Gute wie des Adlers
von dem Opffer-Tiſche geſtohlnen Fleiſche eine
gluͤende Kohle anhencke/ welche hernach des
Raubers gantzes Neſt in Brand ſteckt.
Adgandeſter fuhr hierauf wieder fort: Er
wuͤſte nicht: ob Scipio/ als der ſelbſteigene
Werckzeug ſo unrechter Grauſamkeit oder eini-
ger anderer Roͤmer damals mehr in ſeinem Ge-
muͤthe eine ſo zarte Empfindligkeit gefuͤhlet haͤt-
te; weil ſie hierauff gleichſam ſtockblind in den
Pful der aͤrgſten Laſter gerennt/ und nach zer-
ſtoͤrtem Carthago dem Meere vollends das an-
dere Auge/ nemlich die ſchoͤne Stadt Corinth/
und zwar ehe/ als ſie unter die Zahl der Feinde
gerechnet worden/ ausgeſtochen; ja bey ſpielen-
dem Freuden-Gethoͤne dieſes Wunder der
Staͤdte angezuͤndet/ und die Steine in koſtba-
ren Staub verwandelt. Worbey aber mehr
der Roͤmer Unverſtand als ihre Grauſamkeit
zu bejammern war. Sintemal ſie die edel-
ſten Marmel-Saͤulen aus Kurtzweil/ oder um
etwan ein darein zur Befeſtigung eingelaſſenes
Stuͤcke Ertzt zu bekommen zerſchmetterten;
Die Ertztenen Bilder zerſchmeltzten/ und unter
andern den vom Ariſtides gemahlten Bacchus
zu einem Spielbrete brauchten/ fuͤr welchen Koͤ-
nig Attalus hernach 6000. Silber groſchen bot/
Mummius aber ſelbten zu Rom in der Ceres
Tempel ſetzte. Wie nun ein ſchon einmal be-
flecktes Kleid nicht mehr in Acht genommen
wird; Alſo hielt es Rom nach einmal an Car-
thago ſo offenbar veruͤbten Ungerechtigkeit nicht
mehr fuͤr Schande ſich taͤglich mit neuen Laſtern
zu beſudeln/ und durch ihre Macht der Boßheit
das Anſehn und die Zulaͤßligkeit der Tugend zu
geben. Denn eben ſo betruͤglich verfuhr der
Ehrſuͤchtige Buͤrgermeiſter Appius Claudius
wider die Salaßier/ welche ſich von der Saale
unter die Goͤroͤjiſchen Alpen in ein Thal an dem
Fluſſe Duria niedergelaſſen hatten. Dieſer
ward vom Rathe geſchickt ſie mit ihren Nach-
barn zu vergleichen; welche ſich beſchwerten:
daß die Salaßier ihnen den Strom Duria ver-
bauten/ und zum Nutzen ihrer Goldbergwercke
anderwaͤrts hin verleiteten; alſo ſie ihre unter-
halb habende Wieſen und Aecker nicht bewaͤſ-
ſern konten. An ſtat deſſen aber fiel Appius bey
den Salaßiern mit Kriegs-Macht ein/ und ver-
heerete alles mit Feuer uñ Schwerd. Dieſe warẽ
nichts minder hertzhafft als unſchuldig; grieffen
alſo den Appius an/ und erſchlugen 5000. von
ſeinem Heere. Der Rath zu Rom hoͤrte zwar des
Appius Unrecht und Ungluͤck; aber ſie trachte-
ten nicht jenes zu verbeſſern/ ſondern diß nur zu
raͤchen. Jedoch waren ſie daruͤber ſo bekuͤmmert:
daß ſie die Sibylliniſchen Buͤcher aufſchlugen/
und belernt wurden: daß ſie allezeit/ wenn
ſie mit den Deutſchen kriegen wolten/ auff der-
ſelben Graͤntzen ihren Goͤttern opffern ſolten.
Hier-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |