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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] weil sie die von den Römern verjagten Segulen-
ser beherbergten/ und für sie eine Vorbitte ein-
legten. Weil nun Metellus gegen diese
zu Felde lag/ durchstreiffte Viriath das Land
Bastetanien biß an den Verg Orospeda. Seine
beste Beute aber war Algarbe eines Celtiberi-
schen Fürsten Tochter/ welche er in dem Orospe-
dischen Tempel der Minerve zu Gesichte be-
kam/ und wider seinen ersten Vorsatz gleichsam
aus einem Göttlichen Eingeben heyrathete.
Die Hochzeit war zwar mit grossem Gepränge
angestellt; die Taffel mit köstlichen Speisen be-
deckt; aber er war nicht zu bereden sich daran zu
setzen/ am wenigsten aber nach selbiger Landes-
Art aus wohlrüchenden Wassern zu waschen;
sondern er aaß nur stehende ein Stücke Brodt
und Fleisch; alles andere überließ er seinen Ge-
färthen. Die kostbaren Tapezereyen strich er
im Zimmer und Bette mit seiner nie aus der
Hand gelegten Lantze weg/ mit Vermelden: daß
diese allein eines Fürsten Zierrath wäre. Nach
weniger Stunden Verlauff/ als nur die Prie-
sterliche Einsegnung geschehen war/ nahm er oh-
ne Ubernachtung seine Braut/ setzte sie auf ein
Tiegerfleckichtes Pferd/ und ritt mit ihr seinem
Heere und dem Gebürge zu. Der Bürger-
meister Quintus Fabius Servilianus kam gleich
damals mit zwantzig tausend Mann von Rom
dahin/ umb gegen den Viriath sein Heil zu ver-
suchen. Ungeachtet er nun nur sechs tausend
Mann starck war/ verbeugte er doch dem gegen
Jtuca eilenden Fabius den Weg; und vertrau-
te seiner der Waffen längst gewohnten Gemah-
lin Algarbe die Helfte seines Heeres; welche
umb den Römern mit einem ungewöhnlichen
Aufzuge zu begegnen/ alle ihre Kriegsleute wie
Weiber bekleiden/ ihre Haar-Zöpfe aufflechten/
und die Locken über Antlitz und Achseln abhen-
cken ließ. Hierauf traff sie und Viriath auf
der andern Seite mit einem so abscheulichen
Geschrey gegen die Römer: daß diese erstarre-
ten/ gleich als wenn sie von höllischen Unholden
[Spaltenumbruch] angefallen würden. Fabius hatte alle Hände
voll zu thun sein dort und dar verwirrtes und
weichendes Heer auffzurichten/ und so lange im
Stande zu behalten/ biß die Nacht sie/ wiewohl
mit grossem Verlust der Römer/ scheidete. Fa-
bius als er folgenden Tag von einem Gefange-
nen die Schwäche des Viriaths/ und daß sein
Heer für einem Weibe erzittert wäre/ vernahm/
hätte sich für Verdruß in die Finger beissen mö-
gen; gleichwohl aber wagte er sich nicht noch ein-
mal an den Feind/ biß er vom Könige Micipsa
zehn tausend Africaner und zehn Elefanten be-
kam. Hierauf band er mit dem sich verstär-
ckenden Viriath abermals an; welcher Fuß für
Fuß zurücke wiech/ biß er den Fabius an einen
Pusch brachte/ aus welchem sein Hinterhalt den
Römern in die Seite ging/ sie trennte/ drey tau-
send Römer/ vier tausend Africaner und Hispa-
nier erlegte/ alle Elefanten eroberte/ und den Fa-
bius über Hals und Kopf ins alte Läger trieb;
welches auch zugleich eingenommen worden
wäre/ wenn nicht Cajus Fannius es noch hertz-
haft verfochten hätte. Unterdessen setzte Quin-
tus Metellus den Celtiberiern heftig zu/ schlug
mit Bedräuung: daß er alle ohne Sieg zu-
rück kommende Römer als Feinde tödten wol-
te/ die Arvacker/ und belägerte die Stadt
Nertobriga an dem Flusse Salo. Weil aber
die Belägerten des zu den Römern überge-
gangenen Rhetogenes Kinder in dem Sturm-
Loche an die Spitze stellten; ließ Fabius/
ungeachtet der grimmige Vater ihn ermahn-
te über seiner Kinder Leichen den Sieg zu
verfolgen/ vom Sturme abblasen; und als
er des Viriaths Anzug vernahm/ hob er
die Belägerung gar auf. Folgendes Jahr
hatte zwar Fabius das Glücke denen Lusi-
tanischen Obersten Curius und Apulejus
die Städte Escadia/ Gemella und Obul-
cula abzudringen; aber Viriath hemmete
alsbald sein Glücks-Rad/ und trieb ihn von
der Stadt Baccin weg. Quintus Pompejus

kam

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] weil ſie die von den Roͤmern verjagten Segulen-
ſer beherbergten/ und fuͤr ſie eine Vorbitte ein-
legten. Weil nun Metellus gegen dieſe
zu Felde lag/ durchſtreiffte Viriath das Land
Baſtetanien biß an den Verg Oroſpeda. Seine
beſte Beute aber war Algarbe eines Celtiberi-
ſchen Fuͤrſten Tochter/ welche er in dem Oroſpe-
diſchen Tempel der Minerve zu Geſichte be-
kam/ und wider ſeinen erſten Vorſatz gleichſam
aus einem Goͤttlichen Eingeben heyrathete.
Die Hochzeit war zwar mit groſſem Gepraͤnge
angeſtellt; die Taffel mit koͤſtlichen Speiſen be-
deckt; aber er war nicht zu bereden ſich daran zu
ſetzen/ am wenigſten aber nach ſelbiger Landes-
Art aus wohlruͤchenden Waſſern zu waſchen;
ſondern er aaß nur ſtehende ein Stuͤcke Brodt
und Fleiſch; alles andere uͤberließ er ſeinen Ge-
faͤrthen. Die koſtbaren Tapezereyen ſtrich er
im Zimmer und Bette mit ſeiner nie aus der
Hand gelegten Lantze weg/ mit Vermelden: daß
dieſe allein eines Fuͤrſten Zierrath waͤre. Nach
weniger Stunden Verlauff/ als nur die Prie-
ſterliche Einſegnung geſchehen war/ nahm er oh-
ne Ubernachtung ſeine Braut/ ſetzte ſie auf ein
Tiegerfleckichtes Pferd/ und ritt mit ihr ſeinem
Heere und dem Gebuͤrge zu. Der Buͤrger-
meiſter Quintus Fabius Servilianus kam gleich
damals mit zwantzig tauſend Mann von Rom
dahin/ umb gegen den Viriath ſein Heil zu ver-
ſuchen. Ungeachtet er nun nur ſechs tauſend
Mann ſtarck war/ verbeugte er doch dem gegen
Jtuca eilenden Fabius den Weg; und vertrau-
te ſeiner der Waffen laͤngſt gewohnten Gemah-
lin Algarbe die Helfte ſeines Heeres; welche
umb den Roͤmern mit einem ungewoͤhnlichen
Aufzuge zu begegnen/ alle ihre Kriegsleute wie
Weiber bekleiden/ ihre Haar-Zoͤpfe aufflechten/
und die Locken uͤber Antlitz und Achſeln abhen-
cken ließ. Hierauf traff ſie und Viriath auf
der andern Seite mit einem ſo abſcheulichen
Geſchrey gegen die Roͤmer: daß dieſe erſtarre-
ten/ gleich als wenn ſie von hoͤlliſchen Unholden
[Spaltenumbruch] angefallen wuͤrden. Fabius hatte alle Haͤnde
voll zu thun ſein dort und dar verwirrtes und
weichendes Heer auffzurichten/ und ſo lange im
Stande zu behalten/ biß die Nacht ſie/ wiewohl
mit groſſem Verluſt der Roͤmer/ ſcheidete. Fa-
bius als er folgenden Tag von einem Gefange-
nen die Schwaͤche des Viriaths/ und daß ſein
Heer fuͤr einem Weibe erzittert waͤre/ vernahm/
haͤtte ſich fuͤr Verdruß in die Finger beiſſen moͤ-
gen; gleichwohl aber wagte er ſich nicht noch ein-
mal an den Feind/ biß er vom Koͤnige Micipſa
zehn tauſend Africaner und zehn Elefanten be-
kam. Hierauf band er mit dem ſich verſtaͤr-
ckenden Viriath abermals an; welcher Fuß fuͤr
Fuß zuruͤcke wiech/ biß er den Fabius an einen
Puſch brachte/ aus welchem ſein Hinterhalt den
Roͤmern in die Seite ging/ ſie trennte/ drey tau-
ſend Roͤmer/ vier tauſend Africaner und Hiſpa-
nier erlegte/ alle Elefanten eroberte/ und den Fa-
bius uͤber Hals und Kopf ins alte Laͤger trieb;
welches auch zugleich eingenommen worden
waͤre/ wenn nicht Cajus Fannius es noch hertz-
haft verfochten haͤtte. Unterdeſſen ſetzte Quin-
tus Metellus den Celtiberiern heftig zu/ ſchlug
mit Bedraͤuung: daß er alle ohne Sieg zu-
ruͤck kommende Roͤmer als Feinde toͤdten wol-
te/ die Arvacker/ und belaͤgerte die Stadt
Nertobriga an dem Fluſſe Salo. Weil aber
die Belaͤgerten des zu den Roͤmern uͤberge-
gangenen Rhetogenes Kinder in dem Sturm-
Loche an die Spitze ſtellten; ließ Fabius/
ungeachtet der grimmige Vater ihn ermahn-
te uͤber ſeiner Kinder Leichen den Sieg zu
verfolgen/ vom Sturme abblaſen; und als
er des Viriaths Anzug vernahm/ hob er
die Belaͤgerung gar auf. Folgendes Jahr
hatte zwar Fabius das Gluͤcke denen Luſi-
taniſchen Oberſten Curius und Apulejus
die Staͤdte Eſcadia/ Gemella und Obul-
cula abzudringen; aber Viriath hemmete
alsbald ſein Gluͤcks-Rad/ und trieb ihn von
der Stadt Baccin weg. Quintus Pompejus

kam
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[892[894]/0954] Sechſtes Buch weil ſie die von den Roͤmern verjagten Segulen- ſer beherbergten/ und fuͤr ſie eine Vorbitte ein- legten. Weil nun Metellus gegen dieſe zu Felde lag/ durchſtreiffte Viriath das Land Baſtetanien biß an den Verg Oroſpeda. Seine beſte Beute aber war Algarbe eines Celtiberi- ſchen Fuͤrſten Tochter/ welche er in dem Oroſpe- diſchen Tempel der Minerve zu Geſichte be- kam/ und wider ſeinen erſten Vorſatz gleichſam aus einem Goͤttlichen Eingeben heyrathete. Die Hochzeit war zwar mit groſſem Gepraͤnge angeſtellt; die Taffel mit koͤſtlichen Speiſen be- deckt; aber er war nicht zu bereden ſich daran zu ſetzen/ am wenigſten aber nach ſelbiger Landes- Art aus wohlruͤchenden Waſſern zu waſchen; ſondern er aaß nur ſtehende ein Stuͤcke Brodt und Fleiſch; alles andere uͤberließ er ſeinen Ge- faͤrthen. Die koſtbaren Tapezereyen ſtrich er im Zimmer und Bette mit ſeiner nie aus der Hand gelegten Lantze weg/ mit Vermelden: daß dieſe allein eines Fuͤrſten Zierrath waͤre. Nach weniger Stunden Verlauff/ als nur die Prie- ſterliche Einſegnung geſchehen war/ nahm er oh- ne Ubernachtung ſeine Braut/ ſetzte ſie auf ein Tiegerfleckichtes Pferd/ und ritt mit ihr ſeinem Heere und dem Gebuͤrge zu. Der Buͤrger- meiſter Quintus Fabius Servilianus kam gleich damals mit zwantzig tauſend Mann von Rom dahin/ umb gegen den Viriath ſein Heil zu ver- ſuchen. Ungeachtet er nun nur ſechs tauſend Mann ſtarck war/ verbeugte er doch dem gegen Jtuca eilenden Fabius den Weg; und vertrau- te ſeiner der Waffen laͤngſt gewohnten Gemah- lin Algarbe die Helfte ſeines Heeres; welche umb den Roͤmern mit einem ungewoͤhnlichen Aufzuge zu begegnen/ alle ihre Kriegsleute wie Weiber bekleiden/ ihre Haar-Zoͤpfe aufflechten/ und die Locken uͤber Antlitz und Achſeln abhen- cken ließ. Hierauf traff ſie und Viriath auf der andern Seite mit einem ſo abſcheulichen Geſchrey gegen die Roͤmer: daß dieſe erſtarre- ten/ gleich als wenn ſie von hoͤlliſchen Unholden angefallen wuͤrden. Fabius hatte alle Haͤnde voll zu thun ſein dort und dar verwirrtes und weichendes Heer auffzurichten/ und ſo lange im Stande zu behalten/ biß die Nacht ſie/ wiewohl mit groſſem Verluſt der Roͤmer/ ſcheidete. Fa- bius als er folgenden Tag von einem Gefange- nen die Schwaͤche des Viriaths/ und daß ſein Heer fuͤr einem Weibe erzittert waͤre/ vernahm/ haͤtte ſich fuͤr Verdruß in die Finger beiſſen moͤ- gen; gleichwohl aber wagte er ſich nicht noch ein- mal an den Feind/ biß er vom Koͤnige Micipſa zehn tauſend Africaner und zehn Elefanten be- kam. Hierauf band er mit dem ſich verſtaͤr- ckenden Viriath abermals an; welcher Fuß fuͤr Fuß zuruͤcke wiech/ biß er den Fabius an einen Puſch brachte/ aus welchem ſein Hinterhalt den Roͤmern in die Seite ging/ ſie trennte/ drey tau- ſend Roͤmer/ vier tauſend Africaner und Hiſpa- nier erlegte/ alle Elefanten eroberte/ und den Fa- bius uͤber Hals und Kopf ins alte Laͤger trieb; welches auch zugleich eingenommen worden waͤre/ wenn nicht Cajus Fannius es noch hertz- haft verfochten haͤtte. Unterdeſſen ſetzte Quin- tus Metellus den Celtiberiern heftig zu/ ſchlug mit Bedraͤuung: daß er alle ohne Sieg zu- ruͤck kommende Roͤmer als Feinde toͤdten wol- te/ die Arvacker/ und belaͤgerte die Stadt Nertobriga an dem Fluſſe Salo. Weil aber die Belaͤgerten des zu den Roͤmern uͤberge- gangenen Rhetogenes Kinder in dem Sturm- Loche an die Spitze ſtellten; ließ Fabius/ ungeachtet der grimmige Vater ihn ermahn- te uͤber ſeiner Kinder Leichen den Sieg zu verfolgen/ vom Sturme abblaſen; und als er des Viriaths Anzug vernahm/ hob er die Belaͤgerung gar auf. Folgendes Jahr hatte zwar Fabius das Gluͤcke denen Luſi- taniſchen Oberſten Curius und Apulejus die Staͤdte Eſcadia/ Gemella und Obul- cula abzudringen; aber Viriath hemmete alsbald ſein Gluͤcks-Rad/ und trieb ihn von der Stadt Baccin weg. Quintus Pompejus kam

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 892[894]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/954>, abgerufen am 22.11.2024.