Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nia/ welche sein anderes Hertz wäre/ aufopfer-
te. Marius entschloß sich alsofort sein
Blut zum Lösegeld für sein Vaterland hin-
zugeben; nahm also wider der Römer Ge-
wohnheit zu aller Verwunderung Calphurni-
en mit sich zu Felde. Wie er nun unter die
Meer-Alpen kam/ ließ er sein Heer übergehen/
er aber stieg nebst Calphurnien/ der Martha/ ei-
nem Priester/ und wenigen edlen Römern auf
die Spitze des Berges Vesulus; richtete daselbst
von zusammen gelesenen Steinen einen Altar
auf/ ließ selbtes dem siegenden Jupiter weihen.
Hierauf deutete er seiner sich ehe des Himmel-
falls versehenden Tochter an: daß sie das für
ihr Vaterland auf dieses Altar bestimmte Opfer
wäre; also solte sie sich nicht mit vergebenen
Thränen bemühen; seinen so wenig als des
Verhängnüsses unerbittlichen Schluß zu hin-
terziehen/ noch den Zorn der Götter auf sich zu
laden; sondern vielmehr durch hertzhafte Gedult
sich als eine nicht miß gerathene Tochter des Ma-
rius bezeugen. Calphurnia fiel dem Vater zu
Fusse/ umbarmte seine Knie/ küßte seine Hand/
und erklärte sich den Streich des Priesters mit
unverwendeten Augen/ und unverzagtem Her-
tzen zu erwarten; weil ihr kein grösseres Glück
begegnen könte; als daß sie ein den Göttern ge-
fälliges Opfer/ ein Lösegeld ihres Vaterlandes;
ihre Handvoll Blut aber ein Brunn seyn solte:
aus welchem ein gantzes rothes Meer/ welches
aus so viel rauer Völcker Adern abströmen wür-
de/ seyn solte. Marius küßte sie hier auf; und be-
fahl dem hierüber erstaunenden Priester sein
Ampt zu verrichten. Ob er nun zwar anfangs
bey sich anstand ein so grimmiges Menschen-
Opfer zu vollziehen; sagte doch Martha: Es
wäre der Wille der Götter; und Marius gab
ihm einen so nach drücklichen Blick: daß er mehr
aus Furcht als Andacht das Schlacht-Messer
ergrieff/ und der auf das Altar gelegten Cal-
phurnia die Gurgel abschnitt; hernach ihre
Brust eröffnete/ und die Ein geweide alle gut be-
[Spaltenumbruch] fand; woraus Martha ihre vorige Wahrsagung
nochmals bekräfftigte. Der entseelte Leib/
(dessen ausgeschnittenes und eingebalsamtes
Hertze der Priester nach Rom führte/ und dem
Tarentinischen Sieges-Bilde in einer güldenen
Schachtel wiedmete/) ward aus dem Brunnen
des daselbst entspringenden Po abgewaschen/ auf
einen inzwischen aufgerichteten/ und mit aller-
hand Arabischem Rauchwercke angefüllten
Holtz-Stoß geleget und verbrennet. Der hier-
über mehr als der eigene Vater bestürtzte Prie-
ster meynte sein grausames Opfer durch ein Ge-
dächtnüß-Mal zu entschuldigen; kratzte also in
dem an statt eines Altars gebrauchten Stein-
Fels der die Jphigenia weit beschämenden Cal-
phurnia zu Ehren diese Grab-Schrifft ein:

Liegt hier Calphurnia des Marius sein Kind?
Nein. Denn er selber schnitt ihr ja die Gurgel ab/
Als er zum Schlachten sie dem Priester übergab.
Kein Vater aber ist/ der Todes-Netze spinnt/
Auf eignes Fleisch und Blut. Jedennoch aber rinnt
Aus seinen Augen Saltz der Thränen auf ihr Grab.
Diß ist der Eltern Sold. Wer aber wil ei[n] Stab
Des Vaterlandes seyn; schlägt Kinder-Blut in Wind.
Diß opfert Marius als seiner Liebe Pfand
Für das gemeine Heil mit seiner [e]ignen Hand
Der ewigen Stadt Rom. Die Tochter aber rennt
Den Preiß ihm ab/ wenn sie so willig sich verbrennt/
Und zeugt: Jhr Vater sey zwar durch so harte That
Ein Sohn; doch sie als Kind die Mutter ihrer Stadt.

Hier auf eilte Marius seinem theils auf der
See/ theils zu Lande voran gegangenem Heere
nach. Und weil die Deutschen ins gesammt sich
weit gegen Mitternacht gewendet hatten/ Teu-
tobach durch die Cottischen/ Bolus der Helvetier
Hertzog durch die Norichischen/ Bojorich durch
die Vindelicher Alpen einzubrechen/ und an dem
ihm schon bekandten Flusse Athefis herunter zu
gehen willens war/ kam Marius ohne alle Hin-
dernüß am Strande des Meeres an den Rho-
dan. Seine erste Sorge war bey noch entfern-
tem Feinde die Krieges-Zucht wieder zu ergän-
tzen/ das durch Müssiggang und Wollüste ver-
zärtelte Volck durch tägliche Arbeit und Krieges-

Ubun-
Y y y y y 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nia/ welche ſein anderes Hertz waͤre/ aufopfer-
te. Marius entſchloß ſich alſofort ſein
Blut zum Loͤſegeld fuͤr ſein Vaterland hin-
zugeben; nahm alſo wider der Roͤmer Ge-
wohnheit zu aller Verwunderung Calphurni-
en mit ſich zu Felde. Wie er nun unter die
Meer-Alpen kam/ ließ er ſein Heer uͤbergehen/
er aber ſtieg nebſt Calphurnien/ der Martha/ ei-
nem Prieſter/ und wenigen edlen Roͤmern auf
die Spitze des Berges Veſulus; richtete daſelbſt
von zuſammen geleſenen Steinen einen Altar
auf/ ließ ſelbtes dem ſiegenden Jupiter weihen.
Hierauf deutete er ſeiner ſich ehe des Himmel-
falls verſehenden Tochter an: daß ſie das fuͤr
ihr Vaterland auf dieſes Altar beſtim̃te Opfer
waͤre; alſo ſolte ſie ſich nicht mit vergebenen
Thraͤnen bemuͤhen; ſeinen ſo wenig als des
Verhaͤngnuͤſſes unerbittlichen Schluß zu hin-
terziehen/ noch den Zorn der Goͤtter auf ſich zu
laden; ſondern vielmehr durch hertzhafte Gedult
ſich als eine nicht miß gerathene Tochteꝛ des Ma-
rius bezeugen. Calphurnia fiel dem Vater zu
Fuſſe/ umbarmte ſeine Knie/ kuͤßte ſeine Hand/
und erklaͤrte ſich den Streich des Prieſters mit
unverwendeten Augen/ und unverzagtem Her-
tzen zu erwarten; weil ihr kein groͤſſeres Gluͤck
begegnen koͤnte; als daß ſie ein den Goͤttern ge-
faͤlliges Opfer/ ein Loͤſegeld ihres Vaterlandes;
ihre Handvoll Blut aber ein Brunn ſeyn ſolte:
aus welchem ein gantzes rothes Meer/ welches
aus ſo viel rauer Voͤlcker Adern abſtroͤmẽ wuͤr-
de/ ſeyn ſolte. Marius kuͤßte ſie hier auf; und be-
fahl dem hieruͤber erſtaunenden Prieſter ſein
Ampt zu verrichten. Ob er nun zwar anfangs
bey ſich anſtand ein ſo grimmiges Menſchen-
Opfer zu vollziehen; ſagte doch Martha: Es
waͤre der Wille der Goͤtter; und Marius gab
ihm einen ſo nach druͤcklichen Blick: daß er mehꝛ
aus Furcht als Andacht das Schlacht-Meſſer
ergrieff/ und der auf das Altar gelegten Cal-
phurnia die Gurgel abſchnitt; hernach ihre
Bruſt eroͤffnete/ und die Ein geweide alle gut be-
[Spaltenumbruch] fand; woraus Martha ihre vorige Wahꝛſagung
nochmals bekraͤfftigte. Der entſeelte Leib/
(deſſen ausgeſchnittenes und eingebalſamtes
Hertze der Prieſter nach Rom fuͤhrte/ und dem
Tarentiniſchen Sieges-Bilde in einer guͤldenen
Schachtel wiedmete/) ward aus dem Brunnen
des daſelbſt entſpringenden Po abgewaſchen/ auf
einen inzwiſchen aufgerichteten/ und mit aller-
hand Arabiſchem Rauchwercke angefuͤllten
Holtz-Stoß geleget und verbrennet. Der hier-
uͤber mehr als der eigene Vater beſtuͤrtzte Prie-
ſter meynte ſein grauſames Opfer durch ein Ge-
daͤchtnuͤß-Mal zu entſchuldigen; kratzte alſo in
dem an ſtatt eines Altars gebrauchten Stein-
Fels der die Jphigenia weit beſchaͤmenden Cal-
phurnia zu Ehren dieſe Grab-Schrifft ein:

Liegt hier Calphurnia des Marius ſein Kind?
Nein. Denn er ſelber ſchnitt ihr ja die Gurgel ab/
Als er zum Schlachten ſie dem Prieſter uͤbergab.
Kein Vater aber iſt/ der Todes-Netze ſpinnt/
Auf eignes Fleiſch und Blut. Jedennoch aber rinnt
Aus ſeinen Augen Saltz der Thraͤnen auf ihr Grab.
Diß iſt der Eltern Sold. Wer aber wil ei[n] Stab
Des Vaterlandes ſeyn; ſchlaͤgt Kinder-Blut in Wind.
Diß opfert Marius als ſeiner Liebe Pfand
Fuͤr das gemeine Heil mit ſeiner [e]ignen Hand
Der ewigen Stadt Rom. Die Tochter aber rennt
Den Preiß ihm ab/ wenn ſie ſo willig ſich verbrennt/
Und zeugt: Jhr Vater ſey zwar durch ſo harte That
Ein Sohn; doch ſie als Kind die Mutter ihrer Stadt.

Hier auf eilte Marius ſeinem theils auf der
See/ theils zu Lande voran gegangenem Heere
nach. Und weil die Deutſchen ins geſam̃t ſich
weit gegen Mitternacht gewendet hatten/ Teu-
tobach durch die Cottiſchen/ Bolus der Helvetieꝛ
Hertzog durch die Norichiſchen/ Bojorich durch
die Vindelicher Alpen einzubrechen/ und an dem
ihm ſchon bekandten Fluſſe Athefis herunter zu
gehen willens war/ kam Marius ohne alle Hin-
dernuͤß am Strande des Meeres an den Rho-
dan. Seine erſte Sorge war bey noch entfern-
tem Feinde die Krieges-Zucht wieder zu ergaͤn-
tzen/ das durch Muͤſſiggang und Wolluͤſte ver-
zaͤrtelte Volck durch taͤgliche Arbeit und Krieges-

Ubun-
Y y y y y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0971" n="909[911]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
nia/ welche &#x017F;ein anderes Hertz wa&#x0364;re/ aufopfer-<lb/>
te. Marius ent&#x017F;chloß &#x017F;ich al&#x017F;ofort &#x017F;ein<lb/>
Blut zum Lo&#x0364;&#x017F;egeld fu&#x0364;r &#x017F;ein Vaterland hin-<lb/>
zugeben; nahm al&#x017F;o wider der Ro&#x0364;mer Ge-<lb/>
wohnheit zu aller Verwunderung Calphurni-<lb/>
en mit &#x017F;ich zu Felde. Wie er nun unter die<lb/>
Meer-Alpen kam/ ließ er &#x017F;ein Heer u&#x0364;bergehen/<lb/>
er aber &#x017F;tieg neb&#x017F;t Calphurnien/ der Martha/ ei-<lb/>
nem Prie&#x017F;ter/ und wenigen edlen Ro&#x0364;mern auf<lb/>
die Spitze des Berges Ve&#x017F;ulus; richtete da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
von zu&#x017F;ammen gele&#x017F;enen Steinen einen Altar<lb/>
auf/ ließ &#x017F;elbtes dem &#x017F;iegenden Jupiter weihen.<lb/>
Hierauf deutete er &#x017F;einer &#x017F;ich ehe des Himmel-<lb/>
falls ver&#x017F;ehenden Tochter an: daß &#x017F;ie das fu&#x0364;r<lb/>
ihr Vaterland auf die&#x017F;es Altar be&#x017F;tim&#x0303;te Opfer<lb/>
wa&#x0364;re; al&#x017F;o &#x017F;olte &#x017F;ie &#x017F;ich nicht mit vergebenen<lb/>
Thra&#x0364;nen bemu&#x0364;hen; &#x017F;einen &#x017F;o wenig als des<lb/>
Verha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es unerbittlichen Schluß zu hin-<lb/>
terziehen/ noch den Zorn der Go&#x0364;tter auf &#x017F;ich zu<lb/>
laden; &#x017F;ondern vielmehr durch hertzhafte Gedult<lb/>
&#x017F;ich als eine nicht miß gerathene Tochte&#xA75B; des Ma-<lb/>
rius bezeugen. Calphurnia fiel dem Vater zu<lb/>
Fu&#x017F;&#x017F;e/ umbarmte &#x017F;eine Knie/ ku&#x0364;ßte &#x017F;eine Hand/<lb/>
und erkla&#x0364;rte &#x017F;ich den Streich des Prie&#x017F;ters mit<lb/>
unverwendeten Augen/ und unverzagtem Her-<lb/>
tzen zu erwarten; weil ihr kein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Glu&#x0364;ck<lb/>
begegnen ko&#x0364;nte; als daß &#x017F;ie ein den Go&#x0364;ttern ge-<lb/>
fa&#x0364;lliges Opfer/ ein Lo&#x0364;&#x017F;egeld ihres Vaterlandes;<lb/>
ihre Handvoll Blut aber ein Brunn &#x017F;eyn &#x017F;olte:<lb/>
aus welchem ein gantzes rothes Meer/ welches<lb/>
aus &#x017F;o viel rauer Vo&#x0364;lcker Adern ab&#x017F;tro&#x0364;me&#x0303; wu&#x0364;r-<lb/>
de/ &#x017F;eyn &#x017F;olte. Marius ku&#x0364;ßte &#x017F;ie hier auf; und be-<lb/>
fahl dem hieru&#x0364;ber er&#x017F;taunenden Prie&#x017F;ter &#x017F;ein<lb/>
Ampt zu verrichten. Ob er nun zwar anfangs<lb/>
bey &#x017F;ich an&#x017F;tand ein &#x017F;o grimmiges Men&#x017F;chen-<lb/>
Opfer zu vollziehen; &#x017F;agte doch Martha: Es<lb/>
wa&#x0364;re der Wille der Go&#x0364;tter; und Marius gab<lb/>
ihm einen &#x017F;o nach dru&#x0364;cklichen Blick: daß er meh&#xA75B;<lb/>
aus Furcht als Andacht das Schlacht-Me&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ergrieff/ und der auf das Altar gelegten Cal-<lb/>
phurnia die Gurgel ab&#x017F;chnitt; hernach ihre<lb/>
Bru&#x017F;t ero&#x0364;ffnete/ und die Ein geweide alle gut be-<lb/><cb/>
fand; woraus Martha ihre vorige Wah&#xA75B;&#x017F;agung<lb/>
nochmals bekra&#x0364;fftigte. Der ent&#x017F;eelte Leib/<lb/>
(de&#x017F;&#x017F;en ausge&#x017F;chnittenes und eingebal&#x017F;amtes<lb/>
Hertze der Prie&#x017F;ter nach Rom fu&#x0364;hrte/ und dem<lb/>
Tarentini&#x017F;chen Sieges-Bilde in einer gu&#x0364;ldenen<lb/>
Schachtel wiedmete/) ward aus dem Brunnen<lb/>
des da&#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;pringenden Po abgewa&#x017F;chen/ auf<lb/>
einen inzwi&#x017F;chen aufgerichteten/ und mit aller-<lb/>
hand Arabi&#x017F;chem Rauchwercke angefu&#x0364;llten<lb/>
Holtz-Stoß geleget und verbrennet. Der hier-<lb/>
u&#x0364;ber mehr als der eigene Vater be&#x017F;tu&#x0364;rtzte Prie-<lb/>
&#x017F;ter meynte &#x017F;ein grau&#x017F;ames Opfer durch ein Ge-<lb/>
da&#x0364;chtnu&#x0364;ß-Mal zu ent&#x017F;chuldigen; kratzte al&#x017F;o in<lb/>
dem an &#x017F;tatt eines Altars gebrauchten Stein-<lb/>
Fels der die Jphigenia weit be&#x017F;cha&#x0364;menden Cal-<lb/>
phurnia zu Ehren die&#x017F;e Grab-Schrifft ein:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Liegt hier Calphurnia des Marius &#x017F;ein Kind?</l><lb/>
              <l>Nein. Denn er &#x017F;elber &#x017F;chnitt ihr ja die Gurgel ab/</l><lb/>
              <l>Als er zum Schlachten &#x017F;ie dem Prie&#x017F;ter u&#x0364;bergab.</l><lb/>
              <l>Kein Vater aber i&#x017F;t/ der Todes-Netze &#x017F;pinnt/</l><lb/>
              <l>Auf eignes Flei&#x017F;ch und Blut. Jedennoch aber rinnt</l><lb/>
              <l>Aus &#x017F;einen Augen Saltz der Thra&#x0364;nen auf ihr Grab.</l><lb/>
              <l>Diß i&#x017F;t der Eltern Sold. Wer aber wil ei<supplied>n</supplied> Stab</l><lb/>
              <l>Des Vaterlandes &#x017F;eyn; &#x017F;chla&#x0364;gt Kinder-Blut in Wind.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Diß opfert Marius als &#x017F;einer Liebe Pfand</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r das gemeine Heil mit &#x017F;einer <supplied>e</supplied>ignen Hand</l><lb/>
              <l>Der ewigen Stadt Rom. Die Tochter aber rennt</l><lb/>
              <l>Den Preiß ihm ab/ wenn &#x017F;ie &#x017F;o willig &#x017F;ich verbrennt/</l><lb/>
              <l>Und zeugt: Jhr Vater &#x017F;ey zwar durch &#x017F;o harte That</l><lb/>
              <l>Ein Sohn; doch &#x017F;ie als Kind die Mutter ihrer Stadt.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <p>Hier auf eilte Marius &#x017F;einem theils auf der<lb/>
See/ theils zu Lande voran gegangenem Heere<lb/>
nach. Und weil die Deut&#x017F;chen ins ge&#x017F;am&#x0303;t &#x017F;ich<lb/>
weit gegen Mitternacht gewendet hatten/ Teu-<lb/>
tobach durch die Cotti&#x017F;chen/ Bolus der Helvetie&#xA75B;<lb/>
Hertzog durch die Norichi&#x017F;chen/ Bojorich durch<lb/>
die Vindelicher Alpen einzubrechen/ und an dem<lb/>
ihm &#x017F;chon bekandten Flu&#x017F;&#x017F;e Athefis herunter zu<lb/>
gehen willens war/ kam Marius ohne alle Hin-<lb/>
dernu&#x0364;ß am Strande des Meeres an den Rho-<lb/>
dan. Seine er&#x017F;te Sorge war bey noch entfern-<lb/>
tem Feinde die Krieges-Zucht wieder zu erga&#x0364;n-<lb/>
tzen/ das durch Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iggang und Wollu&#x0364;&#x017F;te ver-<lb/>
za&#x0364;rtelte Volck durch ta&#x0364;gliche Arbeit und Krieges-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y y y y y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ubun-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[909[911]/0971] Arminius und Thußnelda. nia/ welche ſein anderes Hertz waͤre/ aufopfer- te. Marius entſchloß ſich alſofort ſein Blut zum Loͤſegeld fuͤr ſein Vaterland hin- zugeben; nahm alſo wider der Roͤmer Ge- wohnheit zu aller Verwunderung Calphurni- en mit ſich zu Felde. Wie er nun unter die Meer-Alpen kam/ ließ er ſein Heer uͤbergehen/ er aber ſtieg nebſt Calphurnien/ der Martha/ ei- nem Prieſter/ und wenigen edlen Roͤmern auf die Spitze des Berges Veſulus; richtete daſelbſt von zuſammen geleſenen Steinen einen Altar auf/ ließ ſelbtes dem ſiegenden Jupiter weihen. Hierauf deutete er ſeiner ſich ehe des Himmel- falls verſehenden Tochter an: daß ſie das fuͤr ihr Vaterland auf dieſes Altar beſtim̃te Opfer waͤre; alſo ſolte ſie ſich nicht mit vergebenen Thraͤnen bemuͤhen; ſeinen ſo wenig als des Verhaͤngnuͤſſes unerbittlichen Schluß zu hin- terziehen/ noch den Zorn der Goͤtter auf ſich zu laden; ſondern vielmehr durch hertzhafte Gedult ſich als eine nicht miß gerathene Tochteꝛ des Ma- rius bezeugen. Calphurnia fiel dem Vater zu Fuſſe/ umbarmte ſeine Knie/ kuͤßte ſeine Hand/ und erklaͤrte ſich den Streich des Prieſters mit unverwendeten Augen/ und unverzagtem Her- tzen zu erwarten; weil ihr kein groͤſſeres Gluͤck begegnen koͤnte; als daß ſie ein den Goͤttern ge- faͤlliges Opfer/ ein Loͤſegeld ihres Vaterlandes; ihre Handvoll Blut aber ein Brunn ſeyn ſolte: aus welchem ein gantzes rothes Meer/ welches aus ſo viel rauer Voͤlcker Adern abſtroͤmẽ wuͤr- de/ ſeyn ſolte. Marius kuͤßte ſie hier auf; und be- fahl dem hieruͤber erſtaunenden Prieſter ſein Ampt zu verrichten. Ob er nun zwar anfangs bey ſich anſtand ein ſo grimmiges Menſchen- Opfer zu vollziehen; ſagte doch Martha: Es waͤre der Wille der Goͤtter; und Marius gab ihm einen ſo nach druͤcklichen Blick: daß er mehꝛ aus Furcht als Andacht das Schlacht-Meſſer ergrieff/ und der auf das Altar gelegten Cal- phurnia die Gurgel abſchnitt; hernach ihre Bruſt eroͤffnete/ und die Ein geweide alle gut be- fand; woraus Martha ihre vorige Wahꝛſagung nochmals bekraͤfftigte. Der entſeelte Leib/ (deſſen ausgeſchnittenes und eingebalſamtes Hertze der Prieſter nach Rom fuͤhrte/ und dem Tarentiniſchen Sieges-Bilde in einer guͤldenen Schachtel wiedmete/) ward aus dem Brunnen des daſelbſt entſpringenden Po abgewaſchen/ auf einen inzwiſchen aufgerichteten/ und mit aller- hand Arabiſchem Rauchwercke angefuͤllten Holtz-Stoß geleget und verbrennet. Der hier- uͤber mehr als der eigene Vater beſtuͤrtzte Prie- ſter meynte ſein grauſames Opfer durch ein Ge- daͤchtnuͤß-Mal zu entſchuldigen; kratzte alſo in dem an ſtatt eines Altars gebrauchten Stein- Fels der die Jphigenia weit beſchaͤmenden Cal- phurnia zu Ehren dieſe Grab-Schrifft ein: Liegt hier Calphurnia des Marius ſein Kind? Nein. Denn er ſelber ſchnitt ihr ja die Gurgel ab/ Als er zum Schlachten ſie dem Prieſter uͤbergab. Kein Vater aber iſt/ der Todes-Netze ſpinnt/ Auf eignes Fleiſch und Blut. Jedennoch aber rinnt Aus ſeinen Augen Saltz der Thraͤnen auf ihr Grab. Diß iſt der Eltern Sold. Wer aber wil ein Stab Des Vaterlandes ſeyn; ſchlaͤgt Kinder-Blut in Wind. Diß opfert Marius als ſeiner Liebe Pfand Fuͤr das gemeine Heil mit ſeiner eignen Hand Der ewigen Stadt Rom. Die Tochter aber rennt Den Preiß ihm ab/ wenn ſie ſo willig ſich verbrennt/ Und zeugt: Jhr Vater ſey zwar durch ſo harte That Ein Sohn; doch ſie als Kind die Mutter ihrer Stadt. Hier auf eilte Marius ſeinem theils auf der See/ theils zu Lande voran gegangenem Heere nach. Und weil die Deutſchen ins geſam̃t ſich weit gegen Mitternacht gewendet hatten/ Teu- tobach durch die Cottiſchen/ Bolus der Helvetieꝛ Hertzog durch die Norichiſchen/ Bojorich durch die Vindelicher Alpen einzubrechen/ und an dem ihm ſchon bekandten Fluſſe Athefis herunter zu gehen willens war/ kam Marius ohne alle Hin- dernuͤß am Strande des Meeres an den Rho- dan. Seine erſte Sorge war bey noch entfern- tem Feinde die Krieges-Zucht wieder zu ergaͤn- tzen/ das durch Muͤſſiggang und Wolluͤſte ver- zaͤrtelte Volck durch taͤgliche Arbeit und Krieges- Ubun- Y y y y y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/971
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 909[911]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/971>, abgerufen am 01.07.2024.