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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] sich mit Fleiß einer verzagten Gegenwehr ge-
brauchten/ und nur schwache alte Greise auff
die Zinnen stellten; fielen tausend Deutsche und
tausend Asculaner heraus/ und jagten die Rö-
mer mit Verlust alles Sturm-Zeuges und vie-
len Volckes hinweg. Die Lucaner nahmen
den Sulpitius Galba gefangen; Aus dem Rö-
mischen Läger ward dem Fürsten Selo alles
verkundschafftet. Und ob wol die Lateiner/
Hetrusker und Umbrier auff Römischer Seite
blieben; Aus Asien auch Hülffs-Völcker anka-
men; so legte doch der einigen deutschen Bey-
satz denen Marsen und Samnitern ein solch
Gewichte bey: daß jene den Bürgermeister
Rutilius Lupus/ Judacilius/ Afranius und
Ventidius den Pompejus Vettius Cato mit
den Samnitern den Bürgermeister Lucius
Julius aus dem Felde schlugen/ sie belägerten/
die Stadt Venafruno und Nola einnahmen/
und den Licinius Crassus zu weichen/ ja noch
viel bey den Römern stehende Völcker abzu-
fallen nöthigten. Der Bürgermeister Ruti-
lius trennte sich zwar vom Marius; und mein-
te denen ihm an dem Flusse Telonius gegen ü-
ber liegenden Marsen einen gewaltigen
Streich zuversetzen. Vettius Cato aber krieg-
te hiervon Nachricht; versteckte also vier tausend
Deutsche in ein Thal; welche/ nach dem er vor-
her dem Rutilius eine zeitlang tapffer gefoch-
ten/ den Römern theils in Rücken gehen/ theils
die Brücke abbrachen; und den Bürgermeister
mit acht tausend Römern erschlugen; ohne die
in der Flucht im Strome ersoffen. Der Römi-
sche Rath ließ hierauff zwar den Marius die
Helffte seines Heeres dem Cepio zutheilen; der
Marsen Fürst Silo aber verleitete diesen un-
vorsichtigen Jüngling durch Uberlieferung
zweyer gemeiner/ aber für seine Kinder ausge-
gebener Knaben/ wie auch durch vieler mit
Gold und Silber überzogener Bley-Platten in
sein gestelltes Netze; darinnen Cepio mit zehn-
tausend Römern von den Deutschen und Mar-
[Spaltenumbruch] sen gleichsam als Vieh abgeschlachtet wurden;
Weil die Römer wegen der sie auff allen Sei-
ten anfallenden Feinde ihre Waffen zu zücken
weder Raum noch Zeit hatten. Die darüber
bekümmerten Römer folgten hierauf dem Bey-
spiele ihres Feindes; machten daher aus denen
gefangenen Deutschen auch zehen tausend
Kriegs-Leute; und liessen sie nebst so viel Africa-
nischen Reutern zu des Bürger meisters Lucius
Julius Cäsars Legionen stossen. Hingegen
putzte der Samniter Fürst Papius den zu Ve-
nusia verwahrten Sohn des Jugurtha Oxyn-
ta als einen König aus; und verursachte: daß
das Africanische Kriegs-Volck meist zu ihm ü-
berlieff; Worauff er denn auch die Stadt Eser-
nia eroberte. Julius wolte die vom Papius be-
lägerte Stadt Acerre zwar entsetzen; Marius
Egnatius aber erschlug ihm darüber dreyßig
tausend Römer. Jedoch rächete solches Ma-
rius und Sylla an den Marsen; welche der
erstere wegen allzugrosser Sicherheit überfiel
und zertrennte/ der andere aber in ihrer Flucht
ihnen noch grössern Schaden zufügte. So bald
aber Fürst Silo nur die für Acerre gewesenen
Cimbern wieder zu sich bekam; both er nicht al-
lein dem Marius wieder die Stirne; sondern
beschloß ihn auch in seinem Läger/ ritt unter den
Wall an die Pforte/ und ruffte ihm zu: daß wenn
er ein so grosser Feld-Herr wäre/ solte er heraus
rücken. Welchem Marius nur antwortete:
Wenn Silo ein kluger Feld-Herr wäre/ wür-
de er ihn nicht nöthigen wider Willen zu schla-
gen. Durch welchen Krieg also die Römer nicht
nur zu Hause gekränckt; sondern auch fast all
ihr Ansehen in Asien ausgelescht/ und die Sa-
luvier in Gallien wider Rom auffzustehen ver-
anlaßt; iedoch diese vom Cajus Cöcilius wieder
bestillt wurden. Marius wagte zwar endlich
denen Marsen und Deutschen eine Schlacht
zu lieffern; er ward aber mit Verlustin sein Lä-
ger getrieben; Und wäre diß zugleich erobert
worden: Wenn die Peligner die schon den Wall

behaupten-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſich mit Fleiß einer verzagten Gegenwehr ge-
brauchten/ und nur ſchwache alte Greiſe auff
die Zinnen ſtellten; fielen tauſend Deutſche und
tauſend Aſculaner heraus/ und jagten die Roͤ-
mer mit Verluſt alles Sturm-Zeuges und vie-
len Volckes hinweg. Die Lucaner nahmen
den Sulpitius Galba gefangen; Aus dem Roͤ-
miſchen Laͤger ward dem Fuͤrſten Selo alles
verkundſchafftet. Und ob wol die Lateiner/
Hetrusker und Umbrier auff Roͤmiſcher Seite
blieben; Aus Aſien auch Huͤlffs-Voͤlcker anka-
men; ſo legte doch der einigen deutſchen Bey-
ſatz denen Marſen und Samnitern ein ſolch
Gewichte bey: daß jene den Buͤrgermeiſter
Rutilius Lupus/ Judacilius/ Afranius und
Ventidius den Pompejus Vettius Cato mit
den Samnitern den Buͤrgermeiſter Lucius
Julius aus dem Felde ſchlugen/ ſie belaͤgerten/
die Stadt Venafruno und Nola einnahmen/
und den Licinius Craſſus zu weichen/ ja noch
viel bey den Roͤmern ſtehende Voͤlcker abzu-
fallen noͤthigten. Der Buͤrgermeiſter Ruti-
lius trennte ſich zwar vom Marius; und mein-
te denen ihm an dem Fluſſe Telonius gegen uͤ-
ber liegenden Marſen einen gewaltigen
Streich zuverſetzen. Vettius Cato aber krieg-
te hiervon Nachricht; verſteckte alſo vier tauſend
Deutſche in ein Thal; welche/ nach dem er vor-
her dem Rutilius eine zeitlang tapffer gefoch-
ten/ den Roͤmern theils in Ruͤcken gehen/ theils
die Bruͤcke abbrachen; und den Buͤrgermeiſter
mit acht tauſend Roͤmern erſchlugen; ohne die
in der Flucht im Strome erſoffen. Der Roͤmi-
ſche Rath ließ hierauff zwar den Marius die
Helffte ſeines Heeres dem Cepio zutheilen; der
Marſen Fuͤrſt Silo aber verleitete dieſen un-
vorſichtigen Juͤngling durch Uberlieferung
zweyer gemeiner/ aber fuͤr ſeine Kinder ausge-
gebener Knaben/ wie auch durch vieler mit
Gold und Silber uͤberzogeneꝛ Bley-Platten in
ſein geſtelltes Netze; darinnen Cepio mit zehn-
tauſend Roͤmern von den Deutſchen und Mar-
[Spaltenumbruch] ſen gleichſam als Vieh abgeſchlachtet wurden;
Weil die Roͤmer wegen der ſie auff allen Sei-
ten anfallenden Feinde ihre Waffen zu zuͤcken
weder Raum noch Zeit hatten. Die daruͤber
bekuͤmmerten Roͤmer folgten hierauf dem Bey-
ſpiele ihres Feindes; machten daher aus denen
gefangenen Deutſchen auch zehen tauſend
Kriegs-Leute; und lieſſen ſie nebſt ſo viel Africa-
niſchen Reutern zu des Buͤrger meiſters Lucius
Julius Caͤſars Legionen ſtoſſen. Hingegen
putzte der Samniter Fuͤrſt Papius den zu Ve-
nuſia verwahrten Sohn des Jugurtha Oxyn-
ta als einen Koͤnig aus; und verurſachte: daß
das Africaniſche Kriegs-Volck meiſt zu ihm uͤ-
berlieff; Worauff er denn auch die Stadt Eſer-
nia eroberte. Julius wolte die vom Papius be-
laͤgerte Stadt Acerre zwar entſetzen; Marius
Egnatius aber erſchlug ihm daruͤber dreyßig
tauſend Roͤmer. Jedoch raͤchete ſolches Ma-
rius und Sylla an den Marſen; welche der
erſtere wegen allzugroſſer Sicherheit uͤberfiel
und zertrennte/ der andere aber in ihrer Flucht
ihnen noch groͤſſern Schaden zufuͤgte. So bald
aber Fuͤrſt Silo nur die fuͤr Acerre geweſenen
Cimbern wieder zu ſich bekam; both er nicht al-
lein dem Marius wieder die Stirne; ſondern
beſchloß ihn auch in ſeinem Laͤger/ ritt unter den
Wall an die Pforte/ und ruffte ihm zu: daß weñ
er ein ſo groſſer Feld-Herr waͤre/ ſolte er heraus
ruͤcken. Welchem Marius nur antwortete:
Wenn Silo ein kluger Feld-Herr waͤre/ wuͤr-
de er ihn nicht noͤthigen wider Willen zu ſchla-
gen. Durch welchen Krieg alſo die Roͤmer nicht
nur zu Hauſe gekraͤnckt; ſondern auch faſt all
ihr Anſehen in Aſien ausgeleſcht/ und die Sa-
luvier in Gallien wider Rom auffzuſtehen ver-
anlaßt; iedoch dieſe vom Cajus Coͤcilius wieder
beſtillt wurden. Marius wagte zwar endlich
denen Marſen und Deutſchen eine Schlacht
zu lieffern; er ward aber mit Verluſtin ſein Laͤ-
ger getrieben; Und waͤre diß zugleich erobert
worden: Wenn die Peligner die ſchon den Wall

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[924[926]/0986] Sechſtes Buch ſich mit Fleiß einer verzagten Gegenwehr ge- brauchten/ und nur ſchwache alte Greiſe auff die Zinnen ſtellten; fielen tauſend Deutſche und tauſend Aſculaner heraus/ und jagten die Roͤ- mer mit Verluſt alles Sturm-Zeuges und vie- len Volckes hinweg. Die Lucaner nahmen den Sulpitius Galba gefangen; Aus dem Roͤ- miſchen Laͤger ward dem Fuͤrſten Selo alles verkundſchafftet. Und ob wol die Lateiner/ Hetrusker und Umbrier auff Roͤmiſcher Seite blieben; Aus Aſien auch Huͤlffs-Voͤlcker anka- men; ſo legte doch der einigen deutſchen Bey- ſatz denen Marſen und Samnitern ein ſolch Gewichte bey: daß jene den Buͤrgermeiſter Rutilius Lupus/ Judacilius/ Afranius und Ventidius den Pompejus Vettius Cato mit den Samnitern den Buͤrgermeiſter Lucius Julius aus dem Felde ſchlugen/ ſie belaͤgerten/ die Stadt Venafruno und Nola einnahmen/ und den Licinius Craſſus zu weichen/ ja noch viel bey den Roͤmern ſtehende Voͤlcker abzu- fallen noͤthigten. Der Buͤrgermeiſter Ruti- lius trennte ſich zwar vom Marius; und mein- te denen ihm an dem Fluſſe Telonius gegen uͤ- ber liegenden Marſen einen gewaltigen Streich zuverſetzen. Vettius Cato aber krieg- te hiervon Nachricht; verſteckte alſo vier tauſend Deutſche in ein Thal; welche/ nach dem er vor- her dem Rutilius eine zeitlang tapffer gefoch- ten/ den Roͤmern theils in Ruͤcken gehen/ theils die Bruͤcke abbrachen; und den Buͤrgermeiſter mit acht tauſend Roͤmern erſchlugen; ohne die in der Flucht im Strome erſoffen. Der Roͤmi- ſche Rath ließ hierauff zwar den Marius die Helffte ſeines Heeres dem Cepio zutheilen; der Marſen Fuͤrſt Silo aber verleitete dieſen un- vorſichtigen Juͤngling durch Uberlieferung zweyer gemeiner/ aber fuͤr ſeine Kinder ausge- gebener Knaben/ wie auch durch vieler mit Gold und Silber uͤberzogeneꝛ Bley-Platten in ſein geſtelltes Netze; darinnen Cepio mit zehn- tauſend Roͤmern von den Deutſchen und Mar- ſen gleichſam als Vieh abgeſchlachtet wurden; Weil die Roͤmer wegen der ſie auff allen Sei- ten anfallenden Feinde ihre Waffen zu zuͤcken weder Raum noch Zeit hatten. Die daruͤber bekuͤmmerten Roͤmer folgten hierauf dem Bey- ſpiele ihres Feindes; machten daher aus denen gefangenen Deutſchen auch zehen tauſend Kriegs-Leute; und lieſſen ſie nebſt ſo viel Africa- niſchen Reutern zu des Buͤrger meiſters Lucius Julius Caͤſars Legionen ſtoſſen. Hingegen putzte der Samniter Fuͤrſt Papius den zu Ve- nuſia verwahrten Sohn des Jugurtha Oxyn- ta als einen Koͤnig aus; und verurſachte: daß das Africaniſche Kriegs-Volck meiſt zu ihm uͤ- berlieff; Worauff er denn auch die Stadt Eſer- nia eroberte. Julius wolte die vom Papius be- laͤgerte Stadt Acerre zwar entſetzen; Marius Egnatius aber erſchlug ihm daruͤber dreyßig tauſend Roͤmer. Jedoch raͤchete ſolches Ma- rius und Sylla an den Marſen; welche der erſtere wegen allzugroſſer Sicherheit uͤberfiel und zertrennte/ der andere aber in ihrer Flucht ihnen noch groͤſſern Schaden zufuͤgte. So bald aber Fuͤrſt Silo nur die fuͤr Acerre geweſenen Cimbern wieder zu ſich bekam; both er nicht al- lein dem Marius wieder die Stirne; ſondern beſchloß ihn auch in ſeinem Laͤger/ ritt unter den Wall an die Pforte/ und ruffte ihm zu: daß weñ er ein ſo groſſer Feld-Herr waͤre/ ſolte er heraus ruͤcken. Welchem Marius nur antwortete: Wenn Silo ein kluger Feld-Herr waͤre/ wuͤr- de er ihn nicht noͤthigen wider Willen zu ſchla- gen. Durch welchen Krieg alſo die Roͤmer nicht nur zu Hauſe gekraͤnckt; ſondern auch faſt all ihr Anſehen in Aſien ausgeleſcht/ und die Sa- luvier in Gallien wider Rom auffzuſtehen ver- anlaßt; iedoch dieſe vom Cajus Coͤcilius wieder beſtillt wurden. Marius wagte zwar endlich denen Marſen und Deutſchen eine Schlacht zu lieffern; er ward aber mit Verluſtin ſein Laͤ- ger getrieben; Und waͤre diß zugleich erobert worden: Wenn die Peligner die ſchon den Wall behaupten-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 924[926]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/986>, abgerufen am 22.11.2024.