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Lohenstein, Daniel Casper von: Anmerckungen über Herrn Daniel Caspers von Lohenstein Arminius. [Bd. 3]. Leipzig, 1690.

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Anmerckungen.
[Spaltenumbruch] was erdichtet/ würde wissen und unterscheiden
können. Allein ich befürchte das so sehr nicht;
nachdem iederzeit so viel wahre Historien-
Schreiber in der Welt seyn werden/ daß man
leicht bey ihnen wird erkundigen können/ ob diß
oder jenes wahr oder unwahr sey. Massen
denn ihre ausdrückliche Bejahung ein Zeichen
des ersten/ ihre ausdrückliche Verneinung oder
allgemeines Stillschweigen ein Zeichen des letz-
tern seyn wird. Mir kömmt die Sache vor
wie mit denen Zeitungen: die liest die gantze
Welt/ obgleich offters kaum die Helffte daran
wahr ist. Jnzwischen schadet solches der Histo-
rischen Warheit wenig oder nichts/ weil doch
immerzu und überall gelehrte Leute seynd/ die
aus denen Archiven der Könige und Fürsten sol-
che Historien heraus geben/ die wird ein Prüfe-
Stein anderer Erzehlungen seyn können. Das
ist zwar unleidlich/ wenn Varillas und andere
Historien-Schreiber von dergleichen Schrot
und Korn den Leser unter dem Nahmen und
äußerlichen Schein warhaffter Historien mit
Fabeln betriegen; Aber diß ist von dem nicht
zu befürchten/ der niemals seine sinnreiche Fabeln
vorblosse Warheit ausgeben hat.

Die andere Sorge betrifft die allzu deut-
liche Beschreibung der Hurerey und Ehe-
bruchs/
so sonderlich I. Theil/ III. Buch/ und
II. Theil/ I. Buch/ zu finden. Allein es ist der-
selben in dem Vorbericht an den Leser über
den ersten Theil des Arminius/ sehr wohl ab-
geholffen worden. Uberdiß glaube ich/ daß la-
sterhaffte Leute die Gedult nicht haben werden/
diesen unschuldigen Zunder ihrer verdammten
geilen Brunst unter so viel ihnen beschwerlichen
Tugend-Lehren zu suchen; viel weniger wer-
den Kinder und andere Einfältige ein so tiefsin-
nig Buch lesen oder verstehen/ daher sie denn sich
so wenig daraus ärgern als bessern werden.
Tugendhaffte aber werden von sich selbst schon/
was gut und böse ist/ und jenes zu erwehlen/ die-
[Spaltenumbruch] ses zu verwerffen wissen. Zum wenigsten bin
ich deß gewiß/ daß alles vom Lohenstein gesagte
so leicht zu entschuldigen ist/ als was obgenanter
Verfasser des Herkules von seiner ehebrecheri-
schen Statira geschrieben hat. Gegentheils
aber wird niemand/ als der diß Werck nicht ge-
lesen/ leugnen/ daß man daraus in Staats-
Sachen/ in der Sitten-Lehre/ in der Historie
aller Weltweisen/ in der Welt-Beschrei-
bung/ Beredsamkeit/ Poesie/
sehr viel gute
Dinge lernen könne/ gleich wie wir oben (e) hier-
von zur Gnüge gehandelt/ und dem verständigem
Leser mehr hiervon zu sagen Bedencken tragen/
damit es nicht scheine/ daß man demselben eini-
gen Zweiffel zutraute/ als ob nicht schon der
bloße berühmte Nahme des Verfassers ein
gnugsames Zeugniß von der Güte und Nutz-
barkeit dieses Wercks seyn könne. Jedoch und
zum Beschluß wollen wir ein und anders an-
noch kürtzlich anmercken.

Anfänglich/ so läst der Herr von Lohenstein
manchmal seine Heydnische Sprach-Genos-
sen
diß und jenes reden/ nicht solches alles gut
zu heissen/ sondern nur zu erzehlen/ was sie ge-
glaubet und gelehret. Da sich denn niemand
beschweren wird/ daß er selbst den deutlichen
Ausschlag zu geben unterlassen; Nachdem er
von seinem Leser gnugsamen Verstand vermu-
thet/ selbst zu urtheilen/ was unter solchen Mei-
nungen gut oder böse/ denen natürlichen Rech-
ten gemäß oder nicht gemäß sey. Und hat er
hierinnen eben so wohl gethan/ als Matthäus
Polus/
der in seiner Critischen Bibel die
Meynungen derer Gelehrten getreulich erzeh-
let und das Urtheil hierüber dem Nachsinnen
des klugen Lesers überlassen hat.

Nachmahls/ so kan man auch die kostbaren
Aegyptischen Gefäß denen Heyden entwenden/
und zum Heiligthum gebrauchen; wenn man
dessen zum Exempel/ was der Jndianische
Zarmar von (f) seinem Selbstmord zu Bestä-

tigung
(e) Allgem. Anmerckungen p. 6. b. 7. a.
(f) I. Theil p. 712. u. f.
c 3

Anmerckungen.
[Spaltenumbruch] was erdichtet/ wuͤrde wiſſen und unterſcheiden
koͤnnen. Allein ich befuͤrchte das ſo ſehr nicht;
nachdem iederzeit ſo viel wahre Hiſtorien-
Schreiber in der Welt ſeyn werden/ daß man
leicht bey ihnen wird erkundigen koͤnnen/ ob diß
oder jenes wahr oder unwahr ſey. Maſſen
denn ihre ausdruͤckliche Bejahung ein Zeichen
des erſten/ ihre ausdruͤckliche Verneinung oder
allgemeines Stillſchweigen ein Zeichen des letz-
tern ſeyn wird. Mir koͤmmt die Sache vor
wie mit denen Zeitungen: die lieſt die gantze
Welt/ obgleich offters kaum die Helffte daran
wahr iſt. Jnzwiſchen ſchadet ſolches der Hiſto-
riſchen Warheit wenig oder nichts/ weil doch
immerzu und uͤberall gelehrte Leute ſeynd/ die
aus denen Archiven der Koͤnige und Fuͤrſten ſol-
che Hiſtorien heraus geben/ die wird ein Pruͤfe-
Stein anderer Erzehlungen ſeyn koͤnnen. Das
iſt zwar unleidlich/ wenn Varillas und andere
Hiſtorien-Schreiber von dergleichen Schrot
und Korn den Leſer unter dem Nahmen und
aͤußerlichen Schein warhaffter Hiſtorien mit
Fabeln betriegen; Aber diß iſt von dem nicht
zu befuͤrchten/ der niemals ſeine ſiñreiche Fabeln
vorbloſſe Warheit ausgeben hat.

Die andere Sorge betrifft die allzu deut-
liche Beſchreibung der Hurerey und Ehe-
bruchs/
ſo ſonderlich I. Theil/ III. Buch/ und
II. Theil/ I. Buch/ zu finden. Allein es iſt der-
ſelben in dem Vorbericht an den Leſer uͤber
den erſten Theil des Arminius/ ſehr wohl ab-
geholffen worden. Uberdiß glaube ich/ daß la-
ſterhaffte Leute die Gedult nicht haben werden/
dieſen unſchuldigen Zunder ihrer verdammten
geilen Brunſt unter ſo viel ihnen beſchwerlichen
Tugend-Lehren zu ſuchen; viel weniger wer-
den Kinder und andere Einfaͤltige ein ſo tiefſin-
nig Buch leſen oder verſtehen/ daher ſie denn ſich
ſo wenig daraus aͤrgern als beſſern werden.
Tugendhaffte aber werden von ſich ſelbſt ſchon/
was gut und boͤſe iſt/ und jenes zu erwehlen/ die-
[Spaltenumbruch] ſes zu verwerffen wiſſen. Zum wenigſten bin
ich deß gewiß/ daß alles vom Lohenſtein geſagte
ſo leicht zu entſchuldigen iſt/ als was obgenanter
Verfaſſer des Herkules von ſeiner ehebrecheri-
ſchen Statira geſchrieben hat. Gegentheils
aber wird niemand/ als der diß Werck nicht ge-
leſen/ leugnen/ daß man daraus in Staats-
Sachen/ in der Sitten-Lehre/ in der Hiſtorie
aller Weltweiſen/ in der Welt-Beſchrei-
bung/ Beredſamkeit/ Poeſie/
ſehr viel gute
Dinge leꝛnen koͤnne/ gleich wie wir oben (e) hieꝛ-
von zuꝛ Gnuͤge gehandelt/ und dem veꝛſtaͤndigem
Leſer mehr hiervon zu ſagen Bedencken tragen/
damit es nicht ſcheine/ daß man demſelben eini-
gen Zweiffel zutraute/ als ob nicht ſchon der
bloße beruͤhmte Nahme des Verfaſſers ein
gnugſames Zeugniß von der Guͤte und Nutz-
barkeit dieſes Wercks ſeyn koͤnne. Jedoch und
zum Beſchluß wollen wir ein und anders an-
noch kuͤrtzlich anmercken.

Anfaͤnglich/ ſo laͤſt der Herr von Lohenſtein
manchmal ſeine Heydniſche Sprach-Genoſ-
ſen
diß und jenes reden/ nicht ſolches alles gut
zu heiſſen/ ſondern nur zu erzehlen/ was ſie ge-
glaubet und gelehret. Da ſich denn niemand
beſchweren wird/ daß er ſelbſt den deutlichen
Ausſchlag zu geben unterlaſſen; Nachdem er
von ſeinem Leſer gnugſamen Verſtand vermu-
thet/ ſelbſt zu urtheilen/ was unter ſolchen Mei-
nungen gut oder boͤſe/ denen natuͤrlichen Rech-
ten gemaͤß oder nicht gemaͤß ſey. Und hat er
hierinnen eben ſo wohl gethan/ als Matthaͤus
Polus/
der in ſeiner Critiſchen Bibel die
Meynungen derer Gelehrten getreulich erzeh-
let und das Urtheil hieruͤber dem Nachſinnen
des klugen Leſers uͤberlaſſen hat.

Nachmahls/ ſo kan man auch die koſtbaren
Aegyptiſchen Gefaͤß denen Heyden entwenden/
und zum Heiligthum gebrauchen; wenn man
deſſen zum Exempel/ was der Jndianiſche
Zarmar von (f) ſeinem Selbſtmord zu Beſtaͤ-

tigung
(e) Allgem. Anmerckungen p. 6. b. 7. a.
(f) I. Theil p. 712. u. f.
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[21/0021] Anmerckungen. was erdichtet/ wuͤrde wiſſen und unterſcheiden koͤnnen. Allein ich befuͤrchte das ſo ſehr nicht; nachdem iederzeit ſo viel wahre Hiſtorien- Schreiber in der Welt ſeyn werden/ daß man leicht bey ihnen wird erkundigen koͤnnen/ ob diß oder jenes wahr oder unwahr ſey. Maſſen denn ihre ausdruͤckliche Bejahung ein Zeichen des erſten/ ihre ausdruͤckliche Verneinung oder allgemeines Stillſchweigen ein Zeichen des letz- tern ſeyn wird. Mir koͤmmt die Sache vor wie mit denen Zeitungen: die lieſt die gantze Welt/ obgleich offters kaum die Helffte daran wahr iſt. Jnzwiſchen ſchadet ſolches der Hiſto- riſchen Warheit wenig oder nichts/ weil doch immerzu und uͤberall gelehrte Leute ſeynd/ die aus denen Archiven der Koͤnige und Fuͤrſten ſol- che Hiſtorien heraus geben/ die wird ein Pruͤfe- Stein anderer Erzehlungen ſeyn koͤnnen. Das iſt zwar unleidlich/ wenn Varillas und andere Hiſtorien-Schreiber von dergleichen Schrot und Korn den Leſer unter dem Nahmen und aͤußerlichen Schein warhaffter Hiſtorien mit Fabeln betriegen; Aber diß iſt von dem nicht zu befuͤrchten/ der niemals ſeine ſiñreiche Fabeln vorbloſſe Warheit ausgeben hat. Die andere Sorge betrifft die allzu deut- liche Beſchreibung der Hurerey und Ehe- bruchs/ ſo ſonderlich I. Theil/ III. Buch/ und II. Theil/ I. Buch/ zu finden. Allein es iſt der- ſelben in dem Vorbericht an den Leſer uͤber den erſten Theil des Arminius/ ſehr wohl ab- geholffen worden. Uberdiß glaube ich/ daß la- ſterhaffte Leute die Gedult nicht haben werden/ dieſen unſchuldigen Zunder ihrer verdammten geilen Brunſt unter ſo viel ihnen beſchwerlichen Tugend-Lehren zu ſuchen; viel weniger wer- den Kinder und andere Einfaͤltige ein ſo tiefſin- nig Buch leſen oder verſtehen/ daher ſie denn ſich ſo wenig daraus aͤrgern als beſſern werden. Tugendhaffte aber werden von ſich ſelbſt ſchon/ was gut und boͤſe iſt/ und jenes zu erwehlen/ die- ſes zu verwerffen wiſſen. Zum wenigſten bin ich deß gewiß/ daß alles vom Lohenſtein geſagte ſo leicht zu entſchuldigen iſt/ als was obgenanter Verfaſſer des Herkules von ſeiner ehebrecheri- ſchen Statira geſchrieben hat. Gegentheils aber wird niemand/ als der diß Werck nicht ge- leſen/ leugnen/ daß man daraus in Staats- Sachen/ in der Sitten-Lehre/ in der Hiſtorie aller Weltweiſen/ in der Welt-Beſchrei- bung/ Beredſamkeit/ Poeſie/ ſehr viel gute Dinge leꝛnen koͤnne/ gleich wie wir oben (e) hieꝛ- von zuꝛ Gnuͤge gehandelt/ und dem veꝛſtaͤndigem Leſer mehr hiervon zu ſagen Bedencken tragen/ damit es nicht ſcheine/ daß man demſelben eini- gen Zweiffel zutraute/ als ob nicht ſchon der bloße beruͤhmte Nahme des Verfaſſers ein gnugſames Zeugniß von der Guͤte und Nutz- barkeit dieſes Wercks ſeyn koͤnne. Jedoch und zum Beſchluß wollen wir ein und anders an- noch kuͤrtzlich anmercken. Anfaͤnglich/ ſo laͤſt der Herr von Lohenſtein manchmal ſeine Heydniſche Sprach-Genoſ- ſen diß und jenes reden/ nicht ſolches alles gut zu heiſſen/ ſondern nur zu erzehlen/ was ſie ge- glaubet und gelehret. Da ſich denn niemand beſchweren wird/ daß er ſelbſt den deutlichen Ausſchlag zu geben unterlaſſen; Nachdem er von ſeinem Leſer gnugſamen Verſtand vermu- thet/ ſelbſt zu urtheilen/ was unter ſolchen Mei- nungen gut oder boͤſe/ denen natuͤrlichen Rech- ten gemaͤß oder nicht gemaͤß ſey. Und hat er hierinnen eben ſo wohl gethan/ als Matthaͤus Polus/ der in ſeiner Critiſchen Bibel die Meynungen derer Gelehrten getreulich erzeh- let und das Urtheil hieruͤber dem Nachſinnen des klugen Leſers uͤberlaſſen hat. Nachmahls/ ſo kan man auch die koſtbaren Aegyptiſchen Gefaͤß denen Heyden entwenden/ und zum Heiligthum gebrauchen; wenn man deſſen zum Exempel/ was der Jndianiſche Zarmar von (f) ſeinem Selbſtmord zu Beſtaͤ- tigung (e) Allgem. Anmerckungen p. 6. b. 7. a. (f) I. Theil p. 712. u. f. c 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Anmerckungen über Herrn Daniel Caspers von Lohenstein Arminius. [Bd. 3]. Leipzig, 1690, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr03_1690/21>, abgerufen am 23.11.2024.